Urteilskopf

138 I 189

16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_16/2012 vom 25. April 2012

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 189

BGE 138 I 189 S. 189

A. und B. (vgl. den Sachverhalt von BGE 138 I 171 lit. A und B) (...)
D.

D.a Mit Beschluss vom 9. September 2010 revidierte der Grosse Rat des Kantons Bern das Datum des Inkrafttretens der Novelle des Gesetzes über die Besteuerung der Strassenfahrzeuge ein erstes Mal und passte die in den Vorlagen enthaltenen Einführungsdaten wegen der erfolgten Zeitverzögerung so an, dass die Gesetzesänderung am
BGE 138 I 189 S. 190

1. Januar 2012 hätte in Kraft treten können. Am 21. November 2011 setzte er das Inkrafttreten in einem weiteren entsprechenden Beschluss auf den 1. Januar 2013 an. Dieser zweite Beschluss wurde im Amtsblatt des Kantons Bern vom 30. November 2011 publiziert.
D.b X. führt mit Eingabe vom 6. Januar 2012 an das Bundesgericht ausdrücklich Stimmrechtsbeschwerde gegen die Gesetzesnovelle vom 21. November 2011, mit der das Inkrafttreten der BSFG-Revision zum zweiten Mal, diesmal auf den 1. Januar 2013, verschoben wurde. Die erste Verschiebung auf den 1. Januar 2012 wurde nicht angefochten, und sie wird auch ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Unabhängig davon wird aber sinngemäss geltend gemacht, der Grosse Rat sei an den Text des Volksvorschlags gebunden und dürfe diesen inhaltlich nicht abändern, da der Volksvorschlag gemäss der gesetzlichen Regelung als Ganzes in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs dem Entwurf der Grossratsvorlage gegenüberzustellen sei. Der Volksvorschlag sei von einer Einführung auf den 1. Januar 2011 ausgegangen und enthalte entsprechende Bestimmungen. Auch wenn die Verschiebung auf den 1. Januar 2012 von den Urhebern akzeptiert worden sei, wozu sie nicht verpflichtet gewesen wären, könnten sie sich nunmehr gegen eine erneute Änderung wehren. Der Beschwerdeführer zieht daraus die Folgerung, bei definitivem Obsiegen des Volksvorschlages sei die BSFG-Novelle (ECOTAX-Revision) rückwirkend eigentlich auf den 1. Januar 2011, jedenfalls aber auf den 1. Januar 2012 in Kraft zu setzen, was unproblematisch sei, da sie in jeder Hinsicht für die Steuerpflichtigen nur Erleichterungen bringe.
E. Am 8. Februar 2012 liess sich der Regierungsrat für den Grossen Rat zur Sache vernehmen. Er schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Im Wesentlichen macht er geltend, der Volksvorschlag sei nicht inhaltlich geändert worden, sondern habe nicht anders als die parlamentarische Vorlage im Hinblick auf die letztlich wie auch immer ausgestaltete Neuregelung und angesichts der Annuität der Motorfahrzeugsteuern technisch-rechtlich angepasst werden müssen. Das verletze die politischen Rechte der Urheber des Volksvorschlags nicht. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Art. 34 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
BV gewährleistet in allgemeiner Weise die politischen Rechte auf Ebene des Bundes, der Kantone und der Gemeinden.
BGE 138 I 189 S. 191

Die Bestimmung bedarf der gesetzlichen Konkretisierung und ist damit der kantonalen Differenzierung zugänglich (BGE 116 Ia 242 E. 3c S. 251 mit Hinweisen; Urteile 1C_103/2010 vom 26. August 2010 E. 2.2 und 1C_11/2009 vom 3. Juni 2009 E. 3.1).
2.2 Stellt im Kanton Bern der Grosse Rat zu einer Abstimmungsvorlage keinen Eventualantrag, können gemäss Art. 63 Abs. 3
SR 131.212 Verfassung des Kantons Bern, vom 6. Juni 1993 (KV)
KV Art. 63 - 1 Eine Abstimmungsvorlage ist angenommen, wenn sie die Mehrheit der im Kanton gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat.
1    Eine Abstimmungsvorlage ist angenommen, wenn sie die Mehrheit der im Kanton gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat.
2    Der Grosse Rat kann in einer Vorlage, die der Volksabstimmung untersteht, einen Eventualantrag stellen. Findet die Volksabstimmung statt und wird kein Volksvorschlag nach Absatz 3 eingereicht, so ist neben der Hauptvorlage auch der Eventualantrag den Stimmberechtigten zu unterbreiten. Findet keine Volksabstimmung statt oder wird ein Volksvorschlag eingereicht, so fällt der Eventualantrag dahin.16
3    10 000 Stimmberechtigte können innert drei Monaten seit Publikation eines Gesetzes oder eines Grundsatzbeschlusses einen Volksvorschlag einreichen. Dieser gilt als Referendum.17
4    Bei Eventualanträgen und Volksvorschlägen findet das gleiche Abstimmungsverfahren wie bei einem Gegenvorschlag zu einer Initiative Anwendung.
der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV/BE; SR 131.212) 10'000 Stimmberechtigte innert drei Monaten seit Publikation eines Gesetzes oder eines Grundsatzbeschlusses einen Volksvorschlag einreichen; dieser gilt als Referendum (vgl. URS BOLZ, in: Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Teil I: Volksrechte, Kälin/Bolz [Hrsg.], 1995, S. 115 f.). Prozessual findet nach Art. 63 Abs. 4
SR 131.212 Verfassung des Kantons Bern, vom 6. Juni 1993 (KV)
KV Art. 63 - 1 Eine Abstimmungsvorlage ist angenommen, wenn sie die Mehrheit der im Kanton gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat.
1    Eine Abstimmungsvorlage ist angenommen, wenn sie die Mehrheit der im Kanton gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat.
2    Der Grosse Rat kann in einer Vorlage, die der Volksabstimmung untersteht, einen Eventualantrag stellen. Findet die Volksabstimmung statt und wird kein Volksvorschlag nach Absatz 3 eingereicht, so ist neben der Hauptvorlage auch der Eventualantrag den Stimmberechtigten zu unterbreiten. Findet keine Volksabstimmung statt oder wird ein Volksvorschlag eingereicht, so fällt der Eventualantrag dahin.16
3    10 000 Stimmberechtigte können innert drei Monaten seit Publikation eines Gesetzes oder eines Grundsatzbeschlusses einen Volksvorschlag einreichen. Dieser gilt als Referendum.17
4    Bei Eventualanträgen und Volksvorschlägen findet das gleiche Abstimmungsverfahren wie bei einem Gegenvorschlag zu einer Initiative Anwendung.
KV/BE das gleiche Abstimmungsverfahren wie bei einem Gegenvorschlag zu einer Initiative Anwendung. Damit wird auf Art. 60
SR 131.212 Verfassung des Kantons Bern, vom 6. Juni 1993 (KV)
KV Art. 60 - 1 Der Grosse Rat kann sowohl einer ausformulierten Initiative wie auch einer Vorlage, die er aufgrund einer Initiative in der Form der einfachen Anregung ausformuliert hat, einen Gegenvorschlag gegenüberstellen.
1    Der Grosse Rat kann sowohl einer ausformulierten Initiative wie auch einer Vorlage, die er aufgrund einer Initiative in der Form der einfachen Anregung ausformuliert hat, einen Gegenvorschlag gegenüberstellen.
2    Die Abstimmung über die Initiative und den Gegenvorschlag findet gleichzeitig statt. Die Stimmberechtigten können gültig beiden Vorlagen zustimmen und darüber befinden, welcher sie im Falle der Annahme beider Vorlagen den Vorzug geben würden.
KV/BE verwiesen. In analoger Anwendung der Regeln für Initiative und Gegenvorschlag findet die Abstimmung über die Hauptvorlage und den Volksvorschlag gleichzeitig statt, wobei die Stimmberechtigten gültig beiden Vorlagen zustimmen und darüber befinden können, welcher sie im Falle der Annahme beider Vorlagen den Vorzug geben würden.
2.3 Der Volksvorschlag ist ein Volksrecht, das auch als konstruktives Referendum bezeichnet wird, und stellt das "direktdemokratische Spiegelbild des parlamentarischen Gegenvorschlags zu einer Volksinitiative" dar (so HANGARTER/KLEY, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2000, Rz. 2181 f.). Er folgt im Wesentlichen denselben Rechtsregeln wie ein parlamentarischer Gegenvorschlag (vgl. Urteil 1C_103/2010 vom 26. August 2010, in: ZBl 112/2011 S. 279).

2.4 Art. 59a ff. des bernischen Gesetzes vom 5. Mai 1980 über die politischen Rechte (GPR; BSG 141.1) konkretisieren die verfassungsrechtliche Regelung des Volksvorschlages. Namentlich sieht Art. 59a GPR vor, dass der Volksvorschlag als Ganzes in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs der Grossratsvorlage gegenübergestellt wird. Gibt es wie hier nur einen Volksvorschlag, gelangt nach Art. 59d GPR uneingeschränkt dasselbe Verfahren gemäss Art. 20 GPR wie bei einer Initiative mit Gegenvorschlag zur Anwendung.

2.5 Da der Volksvorschlag in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs zu ergehen hat und dergestalt der Grossratsvorlage gegenübergestellt wird (vgl. Art. 59a Abs. 2 GPR), sind inhaltliche Änderungen durch den Grossen Rat grundsätzlich ausgeschlossen (THOMAS SÄGESSER, Das
BGE 138 I 189 S. 192

konstruktive Referendum, 2000, S. 80 und 112). Hingegen legt der Gesetzgeber, hier der Grosse Rat des Kantons Bern (vgl. Art. 74
SR 131.212 Verfassung des Kantons Bern, vom 6. Juni 1993 (KV)
KV Art. 74 - 1 Der Grosse Rat erlässt Gesetze und Dekrete. Im Gesetz sind diejenigen Bestimmungen zu bezeichnen, die durch Dekret näher auszuführen sind.
1    Der Grosse Rat erlässt Gesetze und Dekrete. Im Gesetz sind diejenigen Bestimmungen zu bezeichnen, die durch Dekret näher auszuführen sind.
2    Er genehmigt
a  die internationalen Verträge sowie
b  die interkantonalen Verträge, soweit diese nicht in die alleinige Zuständigkeit des Regierungsrates fallen.
KV/BE), das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes fest. Diese Befugnis kann grundsätzlich unter Beachtung der entsprechenden verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. Art. 69
SR 131.212 Verfassung des Kantons Bern, vom 6. Juni 1993 (KV)
KV Art. 69 - 1 Befugnisse des Volkes können an den Grossen Rat und an den Regierungsrat übertragen werden, falls die Delegation auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist und das Gesetz den Rahmen der Delegation festlegt. Die direkte Delegation an andere Behörden ist ausgeschlossen.
1    Befugnisse des Volkes können an den Grossen Rat und an den Regierungsrat übertragen werden, falls die Delegation auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist und das Gesetz den Rahmen der Delegation festlegt. Die direkte Delegation an andere Behörden ist ausgeschlossen.
2    Unter den gleichen Voraussetzungen können Befugnisse des Grossen Rates an den Regierungsrat übertragen werden.
3    Der Regierungsrat darf seine Befugnisse auf andere Organe übertragen, wenn ihn das Gesetz dazu ermächtigt. Befugnisse der Direktionen darf er ohne Ermächtigung im Gesetz übertragen.
4    Alle grundlegenden und wichtigen Rechtssätze des kantonalen Rechts sind in der Form des Gesetzes zu erlassen. Dazu gehören Bestimmungen, für welche die Verfassung ausdrücklich das Gesetz vorsieht, sowie Bestimmungen über:
a  die Grundzüge der Rechtsstellung der einzelnen;
b  den Gegenstand von Abgaben, die Grundsätze ihrer Bemessung und den Kreis der Abgabepflichtigen mit Ausnahme von Gebühren in geringer Höhe;
c  Zweck, Art und Rahmen von bedeutenden kantonalen Leistungen;
d  die Grundzüge der Organisation und der Aufgaben der Behörden;
e  die Anhandnahme einer neuen dauernden Aufgabe.
KV/BE) an die Exekutive, hier den Regierungsrat des Kantons Bern, delegiert werden. Dafür braucht es insbesondere eine gesetzliche Grundlage.
3.

3.1 Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Grosse Rat die im Volksvorschlag vorgesehene zeitliche Regelung ändern durfte. Diese findet sich in Art. 12a des Gesetzesentwurfs sowie in dessen Übergangsbestimmung und in der Festsetzung des Inkrafttretens. Das Inkrafttreten war ursprünglich auf den 1. Januar 2011 angesetzt. Die neue Regelung war für die ab dem 1. Januar 2011 erstmals in Verkehr gesetzten Fahrzeuge vorgesehen, und für die zwischen dem 1. August und 31. Dezember 2010 in Verkehr gesetzten Fahrzeuge hätte eine Übergangsbestimmung gelten sollen. Der Volksvorschlag enthielt analoge Bestimmungen in zeitlicher Hinsicht. Wegen der Verzögerung, die sich durch die Probleme bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses bzw. durch die vom Verwaltungsgericht angeordnete, aber nicht mehr durchführbare Nachzählung ergaben, verschob der Grosse Rat das Inkrafttreten zweimal. Der Beschwerdeführer focht die erstmalige Verschiebung auf den 1. Januar 2012 und die damit verbundenen Anpassungen nicht an, wendet sich nunmehr aber gegen die zweite Verschiebung auf den 1. Januar 2013 und die damit zusammenhängenden Änderungen von Art. 12a und der Übergangsbestimmung des Volksvorschlags. Dieses Vorgehen erscheint nicht ganz widerspruchsfrei; es kann aber offenbleiben, wieweit er dadurch allenfalls seiner Rechte verlustig gegangen sein könnte.
3.2 Grundsätzlich fragt es sich, ob der Beschwerdeführer zurzeit überhaupt ein aktuelles praktisches Interesse an seiner Beschwerde hat. Genau genommen hängt das vom Ausgang der Parallelverfahren vor Bundesgericht (1C_418/2011 und BGE 138 I 171) sowie gegebenenfalls vom Ergebnis der eventuellen Wiederholung der Abstimmung ab. Das Interesse an der Beschwerde ist nämlich daran geknüpft, dass der Volksvorschlag auch obsiegt, was nur dann zutrifft, wenn die Wiederholung der Abstimmung wegfällt, d.h. die entsprechenden Beschwerden in diesem Sinne gutgeheissen werden und das ursprüngliche Abstimmungsresultat gültig ist, oder wenn in einer
BGE 138 I 189 S. 193

Abstimmungswiederholung erneut der Volksvorschlag die Mehrheit erzielt und in der allfälligen Stichfrage obsiegt. Dass der Grosse Rat seine eigene Vorlage nicht abändern dürfte, wird nicht geltend gemacht und könnte wohl auch nicht im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde vorgetragen werden. In diesem Sinne ergeht das vorliegende Urteil unter Vorbehalt. Angesichts der damit verbundenen Gefahr weiterer Verzögerungen rechtfertigt es sich jedoch nicht, das vorliegende Verfahren auszusetzen und das Ergebnis der Parallelverfahren bzw. der wiederholten Volksabstimmung abzuwarten. Das würde nur neue prozessuale Fragen aufwerfen und zu einer zusätzlichen Verzögerung führen. Ein Sistierungsantrag wird denn auch von keiner Seite gestellt.
3.3 Mit der angefochtenen Gesetzesänderung sieht der Grosse Rat eine Anpassung der inhaltlichen Regelung des Gesetzes an den Termin seines Inkrafttretens vor. Es geht um die Besteuerung von nach oder kurz vor dem Inkrafttreten der ECOTAX-Bestimmungen neu in Verkehr gesetzten Fahrzeugen. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Ansicht, die mit dem Volksvorschlag verbundenen Erleichterungen sollten so gelten, wie wenn die Gesetzesnovelle am 1. Januar 2012 in Kraft getreten wäre. Damit verlangt er die Rückwirkung der gesetzlichen Regelung, die darauf hinausliefe, die seit dem 1. Januar 2012 neu in Verkehr gesetzten Fahrzeuge und gemäss der Übergangsbestimmung teilweise auch die seit dem 1. Juni 2011 in Verkehr gesetzten Fahrzeuge bereits für das Jahr 2012 steuerlich zu begünstigen.
3.4 Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen eigentlicher oder echter und unechter Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz bei der Anwendung neuen Rechts an ein Ereignis anknüpft, das sich vor dessen Inkrafttreten ereignet hat und das im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Norm abgeschlossen ist. Diese echte Rückwirkung ist nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Rückwirkung ausdrücklich in einem Gesetz vorgesehen ist oder sich daraus klar ergibt, in einem vernünftigen Rahmen zeitlich limitiert ist, nicht zu stossenden Ungleichheiten führt, einem schutzwürdigen öffentlichen Interesse dient und wohlerworbene Rechte respektiert. Bei der unechten Rückwirkung wird auf Verhältnisse abgestellt, die zwar unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern. Auch diese Rückwirkung gilt nur dann als verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn ihr nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen (BGE 126 V 134 E. 4a;
BGE 138 I 189 S. 194

BGE 122 V 405 E. 3b/aa, BGE 122 V 6 E. 3a S. 8; je mit Hinweisen; Urteil 4A_6/2009 vom 11. März 2009 E. 2.6).
3.5 Die vom Beschwerdeführer angestrebte zeitliche Geltung des Gesetzes würde zu einer echten Rückwirkung führen, da die Neuregelung im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1. Januar 2013 bereits für das Steuerjahr 2012 gälte. Daran ändert nichts, dass ein Grossteil der Fahrzeuge auch noch im Jahr 2013 in Verkehr bleiben dürften. Einesteils gibt es offensichtlich solche, die 2013 nicht mehr im Gebrauch stehen, andernteils ist das Steuerjahr 2012 bei Inkrafttreten der Gesetzesnovelle abgelaufen, womit es sich um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt. Es findet sich im vorliegenden Fall indessen keine für eine echte Rückwirkung erforderliche gesetzliche Grundlage, die sich durch eine entsprechende ausdrückliche Anordnung manifestieren müsste. Eine solche Anordnung ist etwa in Ziffer II des Grossratsbeschlusses vom 21. November 2011 enthalten, wonach die Gesetzesnovelle rückwirkend auf den 12. März 2012, einen Tag nach der ursprünglich vorgesehenen, inzwischen aber abgesetzten Abstimmungswiederholung, in Kraft treten soll. Eine analoge Bestimmung über die Rückwirkung im Sinne des Anliegens des Beschwerdeführers findet sich hingegen nicht, auch nicht im Volksvorschlag selbst, weshalb es an einer entsprechenden genügenden gesetzlichen Grundlage fehlt.
3.6 Im Übrigen ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sich bei der angefochtenen Gesetzesnovelle lediglich um eine technische Anpassung handelt, die durch die Verzögerung bedingt ist, welche sich aus der Anfechtung des Ergebnisses der Volksabstimmung vom 13. Februar 2011 und den damit verbundenen prozessualen Folgen ergab. Die Verschiebung des Inkrafttretens der Gesetzesnovelle ist angesichts der Unsicherheit darüber, welche Regelung denn dereinst gelten wird, sinnvoll, wenn nicht sogar unausweichlich. Klaffen nämlich Inkrafttreten und zeitliche Geltung der neuen Regelung auseinander, ergeben sich daraus etliche Probleme. Die vom Beschwerdeführer verlangte Rückwirkung würde nicht nur gesetzestechnische Fragen aufwerfen, sondern brächte auch kaum überschaubare Schwierigkeiten bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelung mit sich. Insbesondere setzt die Einführung der neuen Regelung eine gewisse Vorlaufzeit in technisch-administrativer Hinsicht voraus. Die bereits getätigten Steuerveranlagungen müssten geändert werden, was aufwendig wäre und das Risiko von Veranlagungsfehlern mit sich brächte. Für diejenigen

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Personen, die im Hinblick auf eine allfällige Gesetzesrevision per 1. Januar 2012 ein umweltfreundlicheres Fahrzeug erworben haben, gilt überdies eine besondere Regelung, die eine Benachteiligung wegen der Verzögerung des Inkrafttretens vermeiden hilft. Die Folgen der zeitlichen Verzögerung werden dadurch abgemildert. Die Gesetzesnovelle beachtet damit auch die Anforderungen des Verhältnismässigkeitsprinzips. Insgesamt liegt eine Rückwirkung, wie sie vom Beschwerdeführer verlangt wird, selbst wenn sie sich als möglich erwiese, nicht im öffentlichen Interesse. Der Gesetzgeber hat mithin den Volksvorschlag nicht in einer Weise inhaltlich geändert, die ihm verboten wäre.
3.7 Demnach verletzt der angefochtene Erlass die politischen Rechte des Beschwerdeführers nicht.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 138 I 189
Date : 25. April 2012
Published : 19. September 2012
Source : Bundesgericht
Status : 138 I 189
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Art. 34 Abs. 1 BV; Modalitäten bei der Umsetzung eines Volksvorschlages (konstruktiven Referendums). Obwohl inhaltliche


Legislation register
BV: 34
StV/BE: 60  63  69  74
BGE-register
116-IA-242 • 122-V-405 • 122-V-6 • 126-V-134 • 138-I-171 • 138-I-189
Weitere Urteile ab 2000
1C_103/2010 • 1C_11/2009 • 1C_16/2012 • 1C_418/2011 • 4A_6/2009
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coming into effect • referendum • hi • counter-proposal • constitutional law • political rights • initiative • elaborated draft • statement of affairs • question • federal court • cantonal council • artificial retroactive effect • originator • painter • voter • duly acquired rights • repetition • appointment • outcome of the vote
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