Urteilskopf

137 I 86

9. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Schlumpf gegen SWICA Krankenversicherung AG (Revisionsgesuch) 9F_9/2009 vom 15. September 2010

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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 87

BGE 137 I 86 S. 87

A.

A.a Am 30. November 2004 unterzog sich die 1937 als Max geborene Nadine Schlumpf einer Geschlechtsanpassungsoperation. Mit Verfügung vom 23. Dezember 2004 und bestätigendem Einspracheentscheid vom 16. Februar 2005 verneinte die SWICA Gesundheitsorganisation (nachfolgend: SWICA) - wie auf Gesuch um Kostengutsprache hin bereits mit Schreiben vom 29. November 2004 mitgeteilt - ihre Kostenvergütungspflicht aus obligatorischer Krankenpflegeversicherung. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die dagegen erhobene Beschwerde der Versicherten gut, hob den Einspracheentscheid vom 16. Februar 2005 auf und wies die Sache an die SWICA zurück, damit sie zusätzliche Abklärungen im Sinne der Erwägungen treffe (Entscheid vom 21. Juni 2005). Auf die Durchführung der im kantonalen Verfahren ursprünglich beantragten öffentlichen Verhandlung hatte die Versicherte verzichtet, nachdem ihr das Versicherungsgericht zu erkennen gegeben hatte, dass es die Angelegenheit zwecks ergänzender Beweisvorkehren an den Versicherer zurückzuweisen gedenke; die Gültigkeit des Verzichts war explizit ausgeschlossen worden für den Fall, dass die Beschwerdesache an das Eidg. Versicherungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (nachfolgend: EGMR) resp. nach erneutem Entscheid des Versicherers abermals an das kantonale Versicherungsgericht gelangen würde.
A.b Gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 21. Juni 2005 erhob die SWICA am 25. Juli 2005 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim damaligen Eidg. Versicherungsgericht (EVG), welches die Beschwerde mit Urteil vom 5. Dezember 2005 guthiess und den angefochtenen Entscheid aufhob (Verfahren K 110/05); dem Antrag von Nadine Schlumpf auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gab das Gericht nicht statt.
BGE 137 I 86 S. 88

B. Am 7. Juli 2006 liess Nadine Schlumpf gegen das EVG-Urteil vom 5. Dezember 2005 beim EGMR Beschwerde nach Art. 34
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 34 Individualbeschwerden - Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.
EMRK einreichen (Verfahren 29002/06). Die erste Kammer des EGMR stellte mit Urteil vom 8. Januar 2009 eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
und Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK fest und sprach der Versicherten eine Entschädigung von 15'000 Euro als Genugtuung ("dommage moral") sowie 8'000 Euro Kostenersatz zu. Die Schweiz beantragte am 8. April 2009 die Verweisung der Rechtssache an die Grosse Kammer, was deren Ausschuss am 5. Juni 2009 ablehnte.
C. Am 5. Oktober 2009 liess Nadine Schlumpf beim Bundesgericht ein Revisionsgesuch stellen mit dem Rechtsbegehren, es sei das Urteil des EVG vom 5. Dezember 2005 aufzuheben (Antrag Ziff. 1) und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten der Geschlechtsangleichungsoperation der Antragstellerin durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung erfüllt seien (Antrag Ziff. 2); eventualiter sei das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 21. Juni 2005 zu bestätigen (Antrag Ziff. 3); zudem sei eine öffentliche Parteiverhandlung anzuordnen. Das Bundesamt für Gesundheit, das Versicherungsgericht des Kantons Aargau sowie die SWICA haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
D. Am 15. September 2010 führte das Bundesgericht eine öffentliche Parteiverhandlung und Urteilsberatung durch. Das Bundesgericht heisst das Revisionsgesuch gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Die Gesuchstellerin beruft sich auf den Revisionsgrund gemäss Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG. Danach kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts verlangt werden, wenn der EGMR in einem endgültigen Urteil festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind (lit. a), eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen (lit. b), und die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen (lit. c). Revisionsgesuche gestützt auf Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG sind innert 90 Tagen einzureichen, nachdem das Urteil des EGMR nach Art. 44
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 44 Endgültige Urteile - (1) Das Urteil der Grossen Kammer ist endgültig.
a  wenn die Parteien erklären, dass sie die Verweisung der Rechtssache an die Grosse Kammer nicht beantragen werden,
b  drei Monate nach dem Datum des Urteils, wenn nicht die Verweisung der Rechtssache an die Grosse Kammer beantragt worden ist, oder
c  wenn der Ausschuss der Grossen Kammer den Antrag auf Verweisung nach Artikel 43 abgelehnt hat.
EMRK rechtskräftig geworden ist (Art. 124 Abs. 1 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 124 Frist - 1 Das Revisionsgesuch ist beim Bundesgericht einzureichen:
1    Das Revisionsgesuch ist beim Bundesgericht einzureichen:
a  wegen Verletzung der Ausstandsvorschriften: innert 30 Tagen nach der Entdeckung des Ausstandsgrundes;
b  wegen Verletzung anderer Verfahrensvorschriften: innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids;
c  wegen Verletzung der EMRK111: innert 90 Tagen, nachdem das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Artikel 44 EMRK endgültig geworden ist;
d  aus anderen Gründen: innert 90 Tagen nach deren Entdeckung, frühestens jedoch nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids oder nach dem Abschluss des Strafverfahrens.
2    Nach Ablauf von zehn Jahren nach der Ausfällung des Entscheids kann die Revision nicht mehr verlangt werden, ausser:
a  in Strafsachen aus den Gründen nach Artikel 123 Absatz 1 und 2 Buchstabe b;
b  in den übrigen Fällen aus dem Grund nach Artikel 123 Absatz 1.
3    Die besonderen Fristen nach Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008112 bleiben vorbehalten.113
BGG).
BGE 137 I 86 S. 89

2.2 Das die Gesuchstellerin betreffende Urteil der I. Kammer des EGMR Schlumpf gegen Schweiz vom 8. Januar 2009 ist mit der am 5. Juni 2009 erfolgten Ablehnung des Antrags auf Verweisung an die Grosse Kammer endgültig geworden (Art. 42
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 42 Urteile der Kammern - Urteile der Kammern werden nach Massgabe des Artikels 44 Absatz 2 endgültig.
und 44 Ziff. 2
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 44 Endgültige Urteile - (1) Das Urteil der Grossen Kammer ist endgültig.
a  wenn die Parteien erklären, dass sie die Verweisung der Rechtssache an die Grosse Kammer nicht beantragen werden,
b  drei Monate nach dem Datum des Urteils, wenn nicht die Verweisung der Rechtssache an die Grosse Kammer beantragt worden ist, oder
c  wenn der Ausschuss der Grossen Kammer den Antrag auf Verweisung nach Artikel 43 abgelehnt hat.
lit. c EMRK). Mit der Gesuchseinreichung am 5. Oktober 2009 ist die 90tägige Frist unter Berücksichtigung des Fristenstillstands gemäss Art. 46 Abs. 1 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 46 Stillstand - 1 Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
1    Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
a  vom siebenten Tag vor Ostern bis und mit dem siebenten Tag nach Ostern;
b  vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c  vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar.
2    Absatz 1 gilt nicht in Verfahren betreffend:
a  die aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen;
b  die Wechselbetreibung;
c  Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c);
d  die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und die internationale Amtshilfe in Steuersachen;
e  die öffentlichen Beschaffungen.18
BGG gewahrt. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf das Revisionsgesuch einzutreten.
3.

3.1 Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG steht in direktem Bezug zu Art. 46 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
EMRK: Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsstaaten, die endgültigen Urteile des EGMR zu befolgen; der betreffende Staat muss eine festgestellte Konventionsverletzung, soweit sie fortdauert, beseitigen und die beschwerdeführende Partei soweit möglich in die Lage versetzen, in der sie sich ohne die Konventionsverletzung befände ("restitutio in integrum"; BGE 136 I 158 E. 2.3 und 3 S. 164; BGE 120 V 150 E. 3b/cc S. 159; Urteile des EGMR Verein gegen Tierfabriken gegen Schweiz vom 30. Juni 2009 §§ 85 f.; Assanidzé gegen Georgien vom 8. April 2004, Recueil CourEDH 2004-II S. 55 § 198; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 3. Aufl. 2009, N. 6 zu Art. 46
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
EMRK; JÖRG POLAKIEWICZ, The Execution of Judgements of the European Court of Human Rights, in: Fundamental Rights in Europe - The European Convention and its Member States 1950-2000, Blackburn/Polakiewicz [Hrsg.], 2005, S. 57 ff.). Das Ministerkomitee überwacht den Vollzug der Urteile des Gerichtshofs (Art. 46 Ziff. 2
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
EMRK; Urteil Verein gegen Tierfabriken, §§ 61, 84); die konkrete Art und Weise der Wiederherstellung des konventionskonformen Zustands bleibt jedoch grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts (Urteil Verein gegen Tierfabriken, § 88; Unzulässigkeitsentscheid Lyons und andere gegen Vereinigtes Königreich vom 8. Juli 2003, Recueil CourEDH 2003-IX S. 431; CHRISTOPH GRABENWARTER, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, S. 93 f. Nr. 3; SOLVEIG HASS, Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006, S. 71 f.; HEIKO SAUER, Die neue Schlagkraft der gemeineuropäischen Grundrechtsjudikatur, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht [ZaöRV] 65/2005 S. 35 ff., 39 f.; MARK E. VILLIGER, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ZSR 127/2008 I S. 453 ff., 469). Mit der Möglichkeit der innerstaatlichen Revision bundesgerichtlicher Urteile
BGE 137 I 86 S. 90

nach Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG (vor 1. Januar 2007: Art. 139a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
OG) verfügt die Schweiz über ein autonomes landesrechtliches Instrument zur Umsetzung der völkerrechtlichen Befolgungspflicht gemäss Art. 46 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
EMRK.
3.2

3.2.1 Gemäss Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG führt nicht jede Verurteilung der Schweiz durch den EGMR ohne Weiteres zu einer Aufhebung des betreffenden letztinstanzlichen (vgl. Art. 35 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 35 Zulässigkeitsvoraussetzungen - (1) Der Gerichtshof kann sich mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts und nur innerhalb einer Frist von vier24 Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.
a  wenn er sie für unvereinbar mit dieser Konvention oder den Protokollen dazu, für offensichtlich unbegründet oder für missbräuchlich hält; oder
b  wenn er der Ansicht ist, dass dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden ist, es sei denn, die Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention und den Protokollen dazu anerkannt sind, erfordert eine Prüfung der Begründetheit der Beschwerde, ...26.
EMRK), mit seiner Ausfällung rechtskräftig (Art. 61
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 61 Rechtskraft - Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft.
BGG) gewordenen bundesgerichtlichen Urteils. Nach dem unter E. 2.1 Gesagten tritt diese innerstaatliche Wirkung - auf dem Wege der Revision - nur ein, soweit eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen, und die Revision notwendig ist, um die vom EGMR festgestellte Verletzung der EMRK - im Sinne der "restitutio in integrum" (E. 3.1 hievor) - zu beseitigen (Art. 122 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
und c BGG; vgl. auch SZS 2007 S. 71, B 57/06 E. 2.1).
3.2.2 Eine Entschädigung im Sinne von Art. 122 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG ist namentlich die "gerechte Entschädigung" nach Art. 41
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 41 Gerechte Entschädigung - Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist.
EMRK, welche der EGMR zusprechen kann, wenn er eine Konventionsverletzung festgestellt hat und das innerstaatliche Recht nur eine unvollkommene Wiedergutmachung gestattet. Hat der EGMR eine die Folgen der Konventionsverletzung ausgleichende Entschädigung zugesprochen, besteht für die Revision des bundesgerichtlichen Urteils kein Anlass mehr; möglich bleibt diese nur insoweit, als sie geeignet und erforderlich ist, um über die finanzielle Abgeltung hinaus fortbestehende, konkrete nachteilige Auswirkungen der Konventionsverletzung im Rahmen des ursprünglichen Verfahrens zu beseitigen. Stehen materielle Interessen zur Diskussion, bezüglich welcher die Konventionsverletzung zwar mit einer Entschädigung grundsätzlich vollständig gutgemacht werden könnte, hat der EGMR aber eine Entschädigung abgelehnt, weil ein Schaden fehlt, oder hat er sich mangels eines entsprechenden Begehrens über das Vorliegen eines Schadens nicht ausgesprochen, so kommt die Revision durch das Bundesgericht nicht mehr in Frage (vgl. zum Ganzen: BGE 125 III 185 E. 3 S. 188; BGE 123 I 283 E. 3a S. 287; Pra 2007 Nr. 49 S. 311, 6S.362/2006 E. 2; Urteil 2A.363/2001 vom 6. November 2001 E. 3a/bb; YVES DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, 2008, N. 4682 zu Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG; ELISABETH ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 5 zu Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG; PIERRE FERRARI, in: Commentaire
BGE 137 I 86 S. 91

de la LTF, 2009, N. 8 zu Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG; Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4202 ff., 4353).
3.2.3 "Notwendig" im Sinne von Art. 122 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG ist die Revision, sofern das Verfahren vor Bundesgericht ohne Konventionsverletzung einen andern Verlauf genommen hätte oder hätte nehmen können (vgl. ESCHER, a.a.O., N. 6 zu Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG).
4. Anfechtungsgegenstand im Verfahren vor dem EGMR war das EVG-Urteil K 110/05 vom 5. Dezember 2005. Strittig war dort nicht die Durchführung der Geschlechtsanpassung als solche, sondern einzig der Anspruch der Versicherten auf Übernahme der entsprechenden Operationskosten durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung. Mit dem erwähnten EVG-Urteil wurde - ohne vorgängige öffentliche Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK - der auf Rückweisung der Streitsache an die Krankenkasse lautende Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 21. Juni 2005 aufgehoben und der umstrittene Kostenvergütungsanspruch abschliessend verneint. Übereinstimmend mit der Krankenkasse begründete das EVG die definitive Leistungsverweigerung damit, der operative Eingriff sei vor Ablauf der gemäss - (damals) zuletzt mit RKUV 2004 S. 392 f., K 142/03 E. 2.2 bestätigter - Rechtsprechung des EVG vorausgesetzten zweijährigen Beobachtungszeit vorgenommen worden (Urteil K 110/05 vom 5. Dezember 2005 E. 3.3 und 3.5); letztere soll nach konstanter Praxis mittels Alltagstests, medizinischer Untersuchungen und Massnahmen (insbesondere psychiatrisch-psychotherapeutischer und endokrinologischer Art) zuverlässig Gewissheit darüber verschaffen, dass ein schwerer Fall von echtem - d.h. gemäss Art. 25
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
2    Diese Leistungen umfassen:
a  die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden von:
a1  Ärzten oder Ärztinnen,
a2  Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
a3  Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen;
b  die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände;
c  einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren;
d  die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation;
e  den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung;
f  ...
gbis  einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten;
h  die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln.
KVG krankheitswertigem - Transsexualismus vorliegt, der mit Psychotherapie und Hormontherapie allein nicht angegangen werden kann und somit den chirurgischen Eingriff - im Sinne der Leistungsvoraussetzungen der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (Art. 32 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
KVG) - tatsächlich erfordert (vgl. BGE 114 V 162 E. 4 S. 167). Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hatte in seinem vom EVG aufgehobenen Entscheid vom 21. Juni 2005 argumentiert, die zweijährige Beobachtungszeit dürfe nicht als conditio sine qua non für die Diagnose des echten Transsexualismus und die Bejahung der Operationsnotwendigkeit verstanden werden. Im erwähnten Urteil K 110/05 hielt das EVG dagegen, es bestehe auch unter Berücksichtigung des aktuellen Standes
BGE 137 I 86 S. 92

der Medizin kein Anlass, vom generellen Erfordernis der zweijährigen Beobachtungszeit abzurücken; dieses trage der Schwere und Irreversibilität einer Geschlechtsanpassung angemessen Rechnung und biete überdies Gewähr für die notwendige Rechtssicherheit im Spannungsfeld zwischen dem Leidensdruck der Betroffenen einerseits und dem zwingenden Gebot, ungerechtfertigte derartige Operationen zu vermeiden, andererseits (Urteil K 110/05 vom 5. Dezember 2005 E. 3.4).
5. Nach den Feststellungen des EGMR im Urteil Schlumpf gegen Schweiz vom 8. Januar 2009 hat die Schweiz mit dem EVG-Urteil vom 5. Dezember 2005 sowohl Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) als auch Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK (Recht auf Achtung des Privatlebens) verletzt:
5.1 Eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK liegt gemäss EGMR im Umstand, dass im EVG-Verfahren trotz des ausdrücklichen Antrags der Versicherten keine öffentliche Verhandlung durchgeführt worden war. Die Antragstellerin habe im Verfahren vor dem kantonalen Gericht wohl auf eine öffentliche Verhandlung verzichtet, dabei jedoch klar zum Ausdruck gebracht, dass dieser Verzicht nur für den Fall der Rückweisung der Streitsache an die Krankenkasse zwecks weiterer Abklärung und jedenfalls nicht für ein eventuelles Verfahren vor dem EVG gelte. Des Weitern sei die für die umstrittene Kostenübernahme der Krankenkasse entscheidende Frage der Notwendigkeit einer Geschlechtsumwandlung nicht rein rechtlicher oder technischer Natur (was den ausnahmsweisen Verzicht auf eine öffentliche Verhandlung rechtfertigte; vgl. Urteile des EGMR Schuler-Zgraggen gegen Schweiz vom 24. Juni 1993, Serie A Bd. 263 § 58; Döry gegen Schweden vom 12. November 2002 §§ 37 ff.; Miller gegen Schweden vom 8. Februar 2005 §§ 29 und 31 ff.; Urteil des Bundesgerichts 1C_457/2009 vom 23. Juni 2010 E. 3.2); dies gelte umso mehr, als die Parteien sich hinsichtlich der Zweckmässigkeit der zweijährigen Wartefrist (E. 4 hievor) uneins gewesen seien. Unter diesen Umständen verletze die Ablehnung des Antrags der Versicherten das durch Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK gewährleistete Recht, vor mindestens einer Instanz öffentlich angehört zu werden (Urteil Schlumpf, §§ 67-69).
5.2 Des Weitern erblickte der EGMR in der Ablehnung des Beweisantrags der Versicherten auf Anhörung der von ihr genannten
BGE 137 I 86 S. 93

Zeugen und medizinischen Experten eine Verletzung des aus Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK fliessenden Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Entscheid über die Notwendigkeit einer Geschlechtsumwandlungsoperation sei, wie im Urteil Van Kück gegen Deutschland vom 12. Juni 2003, Recueil CourEDH 2003-VII S. 37 §§ 54 f. dargelegt, auf der Basis medizinischer Spezialkenntnisse und Expertisen zu treffen; dementsprechend hätte der Versicherten die Erbringung des Beweises ermöglicht werden müssen, dass die Geschlechtsumwandlungsoperation in ihrem Fall vor Ablauf der rechtsprechungsgemäss verlangten zweijährigen Beobachtungszeit (E. 4 hievor) medizinisch indiziert gewesen war. Ihr diesen Nachweis unter Verweis auf eine abstrakte, im Gesetz selbst nicht genannte Regel zu verwehren, sei unverhältnismässig; dies gelte umso mehr, als die Zweijahresfrist gemäss EVG-Rechtsprechung im Wesentlichen zum Ziel habe, Gewissheit über das Vorliegen eines "echten Transsexualismus" zu gewinnen, die entsprechende Diagnose im konkreten Fall jedoch gesichert gewesen sei (Urteil Schlumpf, §§ 53-57).
5.3 Schliesslich stellte der Gerichtshof (mit 5 zu 2 Stimmen) eine Verletzung von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK (Recht auf Achtung des Privatlebens) fest: Diese Bestimmung schütze gemäss EGMR-Rechtsprechung u.a. das Recht auf geschlechtliche Identität und sexuelle Selbstbestimmung; sie garantiere namentlich auch die persönliche Entfaltung sowie die psychische und geistige Integrität der Transsexuellen (Urteil Schlumpf, §§ 77, 100 f. mit Hinweisen auf die EGMR-Rechtsprechung). Mit Bezug auf den konkreten Fall anerkannte der Gerichtshof, dass der Beschwerdeführerin weder die Geschlechtsumwandlungsoperation als solche noch die juristische Anerkennung ihres neuen Geschlechts verwehrt worden war, Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK mithin insoweit nicht tangiert ist. Er stellte ebenfalls ausdrücklich klar, dass sich aus dem Recht auf Privatleben - und aus allen übrigen Konventionsgarantien - kein Anspruch auf Rückerstattung der Kosten einer Geschlechtsumwandlung ergibt (Urteil Schlumpf, § 77). Unter dem Blickwinkel von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK sei im zu beurteilenden Fall zentrale Frage einzig (§ 108; Hervorhebung nicht im Original): "... celle de l'application faite par le Tribunal fédéral des assurances des conditions de prise en charge des frais médicaux lorsqu'il a eu à se prononcer sur la demande de la requérante de se faire reconnaître un droit au remboursement pour les frais liés à une opération de conversion sexuelle."
BGE 137 I 86 S. 94

In dieser Hinsicht führte der EGMR aus, Fragen betreffend Bestimmung des eigenen Geschlechts berührten einen der intimsten Aspekte des Privatlebens. Der Staat habe sie daher - im Sinne einer positiven Verpflichtung - unter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und jener des betroffenen Individuums zu beurteilen und diesbezüglich einen gerechten Ausgleich ("juste équilibre") herbeizuführen; dabei stehe ihm ein gewisser Ermessensspielraum zu (Urteil Schlumpf, §§ 103 f.). Im Falle der Beschwerdeführerin sei die umstrittene Übernahme der Operationskosten durch die Krankenkasse ohne solche Abwägung, namentlich ohne Berücksichtigung der spezifischen Umstände des Einzelfalls, sondern einzig wegen Nichteinhaltung der zweijährigen Beobachtungsfrist verweigert worden. Diese zu rigide Anwendung (a.a.O., § 111) eines Kriteriums, das - so der EGMR - ohne Grundlage im Gesetz durch die EVG-Rechtsprechung etabliert worden sei (a.a.O., § 109), verletze Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK (a.a.O., §§ 105-116). Zusammenfassend stellte der Gerichtshof fest (a.a.O.; Hervorhebungen nicht im Original): "115. Le respect de la vie privée de la requérante aurait exigé la prise en compte des réalités médicale, biologique et psychologique, exprimées sans équivoque par l'avis des experts médicaux, pour éviter une application mécanique du délai de deux ans. La Cour en conclut que,eu égard à la situation très particulière dans laquelle se trouvait la requérante - âgée de plus de 67 ans au moment de sa demande de prise en charge des frais liés à l'opération -, et compte tenu de la marge d'appréciation étroite dont l'Etat défendeur bénéficiait s'agissant d'une question touchant à l'un des aspects les plus intimes de la vie privée, un juste équilibre n'a pas été ménagé entre les intérêts de la compagnie d'assurance, d'une part, et les intérêts de la requérante, d'autre part."
5.4 Die in der Beschwerde ebenfalls geltend gemachte Verletzung von Art. 14
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 14 Diskriminierungsverbot - Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
EMRK prüfte der EGMR nicht gesondert. Er begründete dies damit, dass die Rüge in der Substanz mit derjenigen betreffend Art. 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
und 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK zusammenfalle (Urteil Schlumpf, §§ 117 f.).
5.5 Unter dem Titel der "gerechten Entschädigung" gemäss Art. 41
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 41 Gerechte Entschädigung - Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist.
EMRK (E. 3.2 hievor) stellte der EGMR fest, die Beschwerdeführerin habe keinen materiellen Schaden geltend gemacht, sondern die Zusprechung von Fr. 43'000.- (im Urteilszeitpunkt: rund 28'841 Euro) unter dem Titel des immateriellen Schadens (dommage moral) verlangt. Der Gerichtshof prüfte daher das Vorliegen eines materiellen Schadens nicht näher. Er erachtete es jedoch als indiskutabel, dass die Versicherte durch den Verfahrensmangel und die

BGE 137 I 86 S. 95

Beeinträchtigung des Privatlebens jedenfalls einen immateriellen Schaden erlitten hat; hierfür stehe ihr unter Würdigung der Umstände eine Entschädigung von 15'000 Euro zu. Zusätzlich verpflichtete der EGMR die Schweiz, der Gesuchstellerin 8'000 Euro Kosten- und Auslagenersatz zu leisten (Urteil Schlumpf, §§ 120 ff.).
5.6 Nachfolgend ist im Lichte der unter E. 3 dargelegten Grundsätze zu prüfen, ob das EVG-Urteil vom 5. Dezember 2005 aufgrund der im EGMR-Urteil vom 8. Januar 2009 festgestellten Konventionsverletzungen zu revidieren ist (Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG).
6. Hinsichtlich der vom EGMR festgestellten Verletzung des Anspruchs auf öffentliche Verhandlung gemäss Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK vertritt die Gesuchstellerin den Standpunkt, mit der vom EGMR für moralische Unbill zugesprochenen Entschädigung in der Höhe von 15'000 Euro (E. 5.5 hievor) sei der konventionskonforme Zustand nicht vollumfänglich wiederhergestellt. Ob es sich tatsächlich so verhält, bedarf keiner abschliessenden Prüfung. Mit der im Rahmen des bundesgerichtlichen Revisionsverfahrens am heutigen Datum durchgeführten Parteiverhandlung vor dem Bundesgericht ist die Gesuchstellerin - ihrem Antrag im Revisionsgesuch entsprechend - in ihrer Sache öffentlich angehört worden. Sie hat sich zur Zulässigkeit und materiellrechtlichen Begründetheit des Revisionsgesuchs äussern und namentlich auch die rechtlichen und medizinischen Gründe mündlich vorbringen können, die ihres Erachtens für die ursprünglich und aktuell in Frage stehende Kostenübernahmepflicht der Krankenkasse sprechen. Die Gesuchstellerin macht in ihrem Revisionsgesuch nicht geltend, die festgestellte Konventionsverletzung bedürfe noch weiterer Korrekturen. In diesem Punkt ist daher - was der Rechtsvertreter der Gesuchstellerin anlässlich der öffentlichen Anhörung anerkannt hat - der mit dem EVG-Urteil vom 5. Dezember 2005 geschaffene konventionswidrige Zustand beseitigt, sodass insoweit kein Grund für eine weitergehende Revision besteht (E. 3.1 hievor; vgl. etwa auch Urteil 2A.318/2006 vom 25. April 2007 E. 2.3).
7.

7.1 Ob die im EGMR-Urteil weiter festgestellten Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK und des Anspruchs auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK (E. 5.2 und 5.3 hievor) einen - zusätzlich zur entschädigten moralischen Unbill - auszugleichenden materiellen Schaden der Versicherten bewirkt haben, hat der EGMR nicht geprüft. Er
BGE 137 I 86 S. 96

begründete dies damit, ein materieller Schaden sei im Verfahren vor dem EGMR nicht geltend gemacht worden (E. 5.5 hievor). Wäre dem so, fiele die beantragte, auf Übernahme der Operationskosten zielende und damit ausschliesslich vermögensrechtlich motivierte innerstaatliche Revision nach Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG ausser Betracht (E. 3.2 hievor). Die Feststellung des EGMR, im Verfahren vor dem EGMR sei kein materieller Schaden behauptet worden, ist indessen aktenwidrig. In ihrer Beschwerde an den EGMR (S. 11 Ziff. V.19) hatte die Gesuchstellerin ausdrücklich die Zusprechung einer Entschädigung für materiellen Schaden in der Höhe von Fr. 42'730.- verlangt, resultierend daraus, dass sie die Operationskosten in dieser Höhe mangels Übernahme durch den Krankenversicherer selber habe bezahlen müssen; (nur) eventualiter für den Fall, dass gemäss EGMR nicht mit Bestimmtheit gesagt werden könne, die Verfahren betreffend Kostenübernahme wären ohne Konventionsverletzung zu ihren Gunsten entschieden worden, beantragte sie als Ausgleich für die von ihr erlittenen immateriellen Schäden eine Entschädigung in der Höhe von Fr. 43'000.-. Dass der EGMR die ausdrücklich geltend gemachte Vermögensschädigung nicht geprüft hat, darf der Versicherten - auch mit Blick darauf, dass das Zusammenspiel des nationalen und internationalen Rechts insgesamt zu einer sinnvollen und zweckmässigen Wiederherstellung eines konventionskonformen Zustands führen und damit den effektiven Schutz der in der Konvention verankerten Garantien gewährleisten soll (Urteile 2A.318/2006 vom 25. April 2007 E. 2.1; 2A.93/2001 vom 31. Oktober 2001 E. 2b/aa; Pra 2001 Nr. 92 S. 531, 2A.232/2000 E. 2b/aa) - nicht zum Nachteil gereichen. Die Revision des EVG-Urteils kann ihr mithin nicht mit der formalen Begründung verweigert werden, ein materieller Schaden sei im EMRK-Verfahren nicht behauptet worden; letztere offensichtlich aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung des EGMR bindet das Bundesgericht nicht.
7.2 Die Gesuchstellerin ist durch die definitive Leistungsverweigerung im EVG-Urteil vom 5. Dezember 2005 in ihren materiellen Interessen insoweit tangiert, als sie die Kosten der am 30. November 2004 durchgeführten Geschlechtsanspassung definitiv nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet erhielt. Dieser vermögensrechtliche Nachteil wird durch die vom EGMR allein für immateriellen Schaden (moralische Unbill) zugesprochene Entschädigung nicht ausgeglichen. Im Hinblick auf die Wiederherstellung

BGE 137 I 86 S. 97

des konventionskonformen Zustands ist indessen zu beachten, dass Gegenstand der erwähnten Konventionsverletzungen (E. 7.1) nicht die Leistungsverweigerung gemäss EVG-Urteil vom 5. Dezember 2005 als solche ist; sie betreffen mithin nicht den Verfahrensausgang selbst. Ebenso wenig hat der EGMR die Voraussetzung einer zweijährigen Beobachtungszeit für die Kassenpflichtigkeit von Geschlechtsumwandlungsoperationen per se als konventionswidrig erachtet (Urteil Schlumpf, § 113). Die Konventionsverletzungen liegen nach den Feststellungen des EGMR einzig in der Beweiserhebung und -würdigung, d.h. in der Art und Weise, wie es zum definitiv leistungsverweigernden EVG-Urteil gekommen ist (E. 5.2 und 5.3 hievor). Allein darauf erstreckt sich die völkerrechtliche Vollzugspflicht nach Art. 46
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
EMRK und ein allfälliger Revisionsbedarf resp. Wiedergutmachungsanspruch nach Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG (vgl. auch BGE 120 V 150 E. 3c/bb S. 159).
7.3

7.3.1 Die Revision des EVG-Urteils ist nur angezeigt, sofern das ursprüngliche Verfahren ohne die im EGMR-Urteil festgestellten Konventionsverletzungen einen andern Verlauf hätte nehmen können (E. 3.2.3 hievor) resp. die Gesuchstellerin durch die Konventionswidrigkeit einer realen Chance (vgl. auch FROWEIN/PEUKERT, EMRK- Kommentar, N. 9 zu Art. 41
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 41 Gerechte Entschädigung - Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist.
EMRK) auf einen für sie positiven Leistungsentscheid (Bejahung der Kostenübernahmepflicht der Krankenkasse) beraubt wurde; nur diesfalls kann von fortbestehenden nachteiligen Auswirkungen der Konventionsverletzung die Rede sein, die gemäss Art. 122 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG durch Wiederaufnahme des ursprünglichen Verfahrens beseitigt werden müssen.
7.3.2 Der EGMR hat in § 122 seines Urteils die Frage nach dem Ausgang des EVG-Verfahrens ohne Konventionsverletzung offengelassen. Er hat aber, wie ausgeführt, für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, das EVG hätte der Versicherten nach Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK den Nachweis ermöglichen müssen, dass die Geschlechtsanpassung vor Ablauf der von der Rechtsprechung verlangten zweijährigen Beobachtungsphase medizinisch notwendig war, und das EVG habe die Zweijahres-Regel in einer Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK zuwiderlaufenden mechanischen Weise angewandt resp. es konventionswidrig unterlassen, im Hinblick auf eine mögliche Ausnahme von der Regel eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (E. 5.2 und 5.3 hievor). Damit unterstellt der EGMR zwingend , dass das EVG-Verfahren bei
BGE 137 I 86 S. 98

konventionskonformem Vorgehen zu Gunsten der Versicherten hätte ausfallen können. Dies hat das Bundesgericht so entgegenzunehmen (Art. 46
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
EMRK; vgl. E. 7.3.4 hernach), wirft aber - wie nachfolgend verdeutlicht - grundsätzliche Fragen nach der Grenzziehung zwischen der Rechtsprechungszuständigkeit des EGMR und der schweizerischen Gerichtsbarkeit im Bereich sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche auf.
7.3.3

7.3.3.1 Der EGMR ist gemäss seiner eigenen, konstanten Rechtsprechung nicht zuständig für die richtige Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts; es steht ihm namentlich nicht zu, eine (willkürfreie) innerstaatliche Interpretation des Landesrechts durch seine eigene zu ersetzen (so ausdrücklich Urteil Schlumpf, §§ 111 und 51 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der EGMR hat nur, aber immerhin, zu überprüfen, ob das nationale Recht, so wie es von den letztinstanzlichen innerstaatlichen Behörden (Art. 35 Abs. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 35 Zulässigkeitsvoraussetzungen - (1) Der Gerichtshof kann sich mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts und nur innerhalb einer Frist von vier24 Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.
a  wenn er sie für unvereinbar mit dieser Konvention oder den Protokollen dazu, für offensichtlich unbegründet oder für missbräuchlich hält; oder
b  wenn er der Ansicht ist, dass dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden ist, es sei denn, die Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention und den Protokollen dazu anerkannt sind, erfordert eine Prüfung der Begründetheit der Beschwerde, ...26.
EMRK) ausgelegt und angewendet wird, die in der Konvention festgelegten Rechte verletzt (Art. 32
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 32 Zuständigkeit des Gerichtshofs - (1) Die Zuständigkeit des Gerichtshofs umfasst alle die Auslegung und Anwendung dieser Konvention und der Protokolle dazu betreffenden Angelegenheiten, mit denen er nach den Artikeln 33, 34, 46 und 47 befasst wird.23
und 34
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 34 Individualbeschwerden - Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.
EMRK).
7.3.3.2 Es steht ausser Frage, dass Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK den Anspruch Transsexueller auf sexuelle Identität und Selbstbestimmung über den eigenen Körper, einschliesslich das Recht auf Geschlechtsumwandlung und deren juristische Anerkennung schützt (Urteile des EGMR Christine Goodwin gegen Vereinigtes Königreich vom 11. Juli 2002, Recueil CourEDH 2002-VI S. 45 §§ 71 ff.; Grant gegen Vereinigtes Königreich vom 23. Mai 2006, Recueil CourEDH 2006-VII S. 19 §§ 39 ff.; L. gegen Litauen vom 11. September 2007 §§ 56 ff.; Van Kück gegen Deutschland vom 12. Juni 2003 §§ 69 ff.; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, N. 13 f. zu Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK; GRABENWARTER, a.a.O., S. 200 Nr. 8; STEPHAN BREITENMOSER, Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK, in: EMRK: neuere Entwicklungen, Daniel Thürer [Hrsg.], 2005, S. 125 ff.). Der im EVG-Verfahren einzig umstrittene sozialversicherungsrechtliche Kostenvergütungsanspruch aus obligatorischer Krankenpflegeversicherung ergibt sich hingegen - auch nach Auffassung des EGMR (vgl. E. 5.3 hievor) - nicht aus Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK und auch nicht aus Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK; letztere Verfahrensnorm hat insbesondere nicht die Ausgestaltung der konkreten materiellrechtlichen Voraussetzungen sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche zum Gegenstand. Das EVG hatte daher die damalige
BGE 137 I 86 S. 99

Rechtsstreitigkeit materiellrechtlich allein aufgrund der einschlägigen innerstaatlichen Vorschriften des Art. 25 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
2    Diese Leistungen umfassen:
a  die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden von:
a1  Ärzten oder Ärztinnen,
a2  Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
a3  Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen;
b  die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände;
c  einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren;
d  die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation;
e  den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung;
f  ...
gbis  einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten;
h  die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln.
in Verbindung mit Art. 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
KVG zu beurteilen, wonach die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für Leistungen bei Krankheit zu übernehmen hat, sofern die Massnahmen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind (vgl. auch Urteil Schlumpf, § 55). Ebendiese Gesetzesbestimmungen hat das EVG in seinem Urteil vom 5. Dezember 2005 angewandt, als es die umstrittene Kostenübernahme unter Verweis auf die Nichterfüllung der zweijährigen Beobachtungsphase gemäss der (bereits mit BGE 114 V 153 E. 4a S. 159 begründeten) EVG-Rechtsprechung verweigerte. Letztere "Zweijahres-Regel" stellt keineswegs eine aussergesetzliche Ergänzung (so aber unzutreffend das EGMR-Urteil; E. 5.2 hievor), sondern vielmehr eine im Bereich sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche typische, bis zu einem gewissen Grade unumgängliche konkretisierende Ausgestaltung der in Art. 25
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
2    Diese Leistungen umfassen:
a  die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden von:
a1  Ärzten oder Ärztinnen,
a2  Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
a3  Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen;
b  die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände;
c  einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren;
d  die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation;
e  den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung;
f  ...
gbis  einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten;
h  die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln.
und 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
KVG relativ offen formulierten gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen dar. Gemäss Grundsatzurteil BGE 114 V 153 ist das Erfordernis der mindestens zweijährigen Beobachtungszeit Ergebnis einer - gestützt auf eingehende medizinische Darlegungen zahlreicher Spezialärzte im Bereich der Psychiatrie, der Endokrinologie sowie der Plastischen und Wiederherstellungs-Chirurgie vorgenommenen - gerichtlichen Abwägung zwischen dem persönlichkeitsnahen und vitalen Interesse der Transsexuellen an sexueller Identität und Selbstbestimmung einerseits und den Interessen der Einzelnen wie der gesamten Versichertengemeinschaft andererseits daran, dass insbesondere die gesetzlichen Kriterien der Wirksamkeit und Zweckmässigkeit (Art. 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
KVG) bei einem derart folgenschweren und auch erheblich kostenrelevanten Eingriff wie der Geschlechtsanpassung sehr sorgfältig geprüft und ungerechtfertigte Operationen auf Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vermieden werden (vgl. auch E. 4 hievor in fine). Das Erfüllen der zweijährigen Beobachtungsphase als Voraussetzung nicht einer Geschlechtsumwandlungsoperation als solcher, aber des krankenversicherungsrechtlichen Kostenvergütungsanspruchs - erachtet die im Urteil K 110/05 zitierte Rechtsprechung ungeachtet der konkreten persönlichen Umstände als eine verhältnismässige, insbesondere auch als für die je betroffenen Personen zumutbare Konkretisierung der gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen. Ihre Einhaltung generell-abstrakt für alle Transsexuellen zu fordern, stellt - so die zu Grunde liegende Überzeugung - einen
BGE 137 I 86 S. 100

sozialstaatlich angemessenen Interessenausgleich (vgl. Urteil Schlumpf, § 104: "mise en balance des intérêts concurrents") unter gleichzeitiger Wahrung der auch im Sozialversicherungsrecht zentralen Gebote der Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit dar. Es verhält sich mit diesem Leistungserfordernis insoweit nicht anders als in zahlreichen andern Fällen des Sozialversicherungsrechts, in welchem für Betroffene gleichermassen geltende versicherungsrechtliche Leistungsvoraussetzungen die private Lebensführung - etwa den konkreten Zeitpunkt einer medizinischen Massnahme oder die Wahl eines bestimmten Leistungserbringers - beeinflussen können.
7.3.3.3 Nach dem vorstehend Gesagten konnte und musste sich das EVG im Urteil vom 5. Dezember 2005 mit den von der Versicherten angebotenen Beweisen und geltend gemachten Umständen nicht befassen, da ihnen im Lichte der konkretisierenden innerstaatlichen Auslegung des Art. 25
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
2    Diese Leistungen umfassen:
a  die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden von:
a1  Ärzten oder Ärztinnen,
a2  Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
a3  Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen;
b  die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände;
c  einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren;
d  die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation;
e  den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung;
f  ...
gbis  einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten;
h  die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln.
in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
KVG die Rechtserheblichkeit abzusprechen war, sie mithin auch nicht dem Recht, zum Beweis zugelassen zu werden (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV), unterstanden (vgl. BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; BGE 131 I 153 E. 3 S. 157 mit Hinweisen; Urteil 4A_479/2009 vom 23. Dezember 2009 E. 3.1; ferner - mit Bezug auf Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
ZGB - BGE 129 III 18 E. 2.6 S. 24 mit Hinweisen). Indem der EGMR im Urteil vom 8. Januar 2009 gestützt auf Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
und Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK eine an den spezifischen Umständen des Einzelfalls orientierte Betrachtungsweise verlangt, die allenfalls eine Ausnahme von der "Zweijahres-Regel" zu begründen vermöchte, hat er in concreto über eine (juristische) Frage der Rechtserheblichkeit entschieden, deren Beantwortung im versicherungsrechtlichen Kontext von den massgebenden innerstaatlichen Rechtsnormen abhängt. Im Ergebnis hat er damit - auch als Konsequenz einer fliessenden Grenzziehung zwischen Verfahrensansprüchen nach Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK einerseits und positiven Verpflichtungen aus Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK andererseits (vgl. dazu GEROLD STEINMANN, Der Schweizer Praktiker vis-à-vis von EMRK und EGMR, in: EMRK und die Schweiz, Breitenmoser/Ehrenzeller [Hrsg.], 2010, S. 252 ff.) - materiellrechtlich Einfluss genommen auf die landesrechtliche Ausgestaltung einer obligatorischen Sozialversicherungsleistung, auf welche die EMRK selbst keinen Anspruch gibt. Man könnte sich fragen, ob der EGMR damit nicht seine ihm in den Art. 19
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 19 Errichtung des Gerichtshofs - Um die Einhaltung der Verpflichtungen sicherzustellen, welche die Hohen Vertragsparteien in dieser Konvention und den Protokollen dazu übernommen haben, wird ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, im Folgenden als «Gerichtshof» bezeichnet, errichtet. Er nimmt seine Aufgaben als ständiger Gerichtshof wahr.
und 34
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 34 Individualbeschwerden - Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.
EMRK übertragenen Zuständigkeiten überschritten hat.

7.3.4 Das Bundesgericht hat die im EGMR-Urteil vom 8. Januar 2009 festgestellten Konventionsverletzungen nach Massgabe von
BGE 137 I 86 S. 101

Art. 46
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
EMRK und Art. 122
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG auch dann zu beseitigen, wenn es von der Richtigkeit der Herleitung und Begründung durch den EGMR nicht überzeugt ist. Die im EGMR-Urteil geforderte Einzelfallprüfung hat bis heute nicht stattgefunden; die Gesuchstellerin bleibt weiterhin - gemäss EGMR zu Unrecht - kategorisch vom umstrittenen Kostenvergütungsanspruch ausgeschlossen. Abgesehen vom Anspruch auf öffentliche Verhandlung (E. 6 hievor) dauern die festgestellten Konventionsverletzungen somit an. Sie sind erst beseitigt, wenn aufgrund konkreter medizinischer Stellungnahmen abschliessend geklärt worden ist, ob im Falle der Versicherten die Geschlechtsumwandlungsoperation - unter Berücksichtigung der besonderen, vom EGMR erwähnten Gegebenheiten (wie persönliche und familiäre Vorgeschichte, Alter von 67 Jahren im Operationszeitpunkt, ...) - vor Ablauf der zweijährigen Beobachtungs- und Behandlungsphase gerechtfertigt war, mit andern Worten bereits im Operationszeitpunkt (November 2004) ein nur noch mittels operativem Eingriff wirksam und zweckmässig behandelbarer Transsexualismus feststand. Die Revision ist daher im Sinne von Art. 122 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
BGG notwendig, um den konventionskonformen Zustand wiederherzustellen. Das Revisionsgesuch ist demnach gutzuheissen und das EVG-Urteil vom 5. Dezember 2005 aufzuheben. Damit wird das ursprüngliche Verfahren wieder aufgenommen und die Gesuchstellerin in den Zustand ex tunc ohne die vom EGMR festgestellten Konventionsverletzungen versetzt; die vor dem EVG hängig gewesene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist - nach damaliger Sach- und Rechtslage unter Beachtung der Vorgaben gemäss EGMR-Urteil vom 8. Januar 2009 - zu beurteilen, wie wenn das Urteil K 110/05 nicht existiert hätte (vgl. BGE 136 I 158 E. 3 S. 164; Urteil 2F_11/2008 vom 6. Juli 2009 E. 4.1 mit Hinweis).

8.

8.1 Für den hier eingetretenen Fall der Gutheissung des Revisionsgesuchs beantragt die Gesuchstellerin in der Hauptsache die bundesgerichtliche Feststellung, "dass die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten der Geschlechtsangleichungsoperation der Antragstellerin durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung erfüllt sind" (Antrag Ziff. 2); der Nachweis hierfür sei durch die vorhandenen medizinischen Akten und den im Revisionsgesuch dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft hinreichend erbracht.

8.2 Dem im Grunde nicht auf ein letztinstanzliches Feststellungs-, sondern auf ein direktes Leistungsurteil zielenden Antrag der
BGE 137 I 86 S. 102

Gesuchstellerin ist nicht stattzugeben: Beschwerdeführende Partei im EVG-Ausgangsverfahren war die Krankenkasse SWICA, welche die Aufhebung des Rückweisungsentscheids vom 21. Juni 2005 (E. 4 hievor) und Bestätigung ihres leistungsverweigernden Einspracheentscheids vom 16. Februar 2005 beantragt hatte. Die heutige Gesuchstellerin hatte darauf verzichtet, ihrerseits Beschwerde zu führen. Da das für das Ausgangsverfahren massgebende Bundesrechtspflegegesetz (OG) - wie heute das Beschwerdeverfahren nach Art. 90 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
. BGG (SVR 2009 FZ Nr. 5 S. 17, 8C_156/2009 E. 4 mit Hinweis; Urteile 8C_531/2008 vom 8. April 2009 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 135 V 279; 8C_231/2008 vom 3. April 2009 E. 2, nicht publ. in: BGE 135 V 185; je mit Hinweisen) - die Anschlussbeschwerde nicht vorsah (BGE 125 V 324 E. 2 S. 328 mit Hinweis), beschränkte sich ihr vernehmlassungsweise gestellter Antrag - mit Blick auf den durch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestimmten Streitgegenstand zutreffend (BGE 122 V 242 E. 2a S. 244 mit Hinweisen) - auf die Bestätigung des angefochtenen kantonalen Entscheids und die Abweisung der dagegen gerichteten Beschwerde der SWICA. Wie nachfolgend gezeigt, besteht im Lichte des nunmehr ergangenen EGMR-Urteils kein Anlass, über die damaligen Anträge der Parteien im Sinne der im Revisionsgesuch verlangten (unter Herrschaft des OG [anders als heute] grundsätzlich zulässigen; Art. 132 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
OG; RKUV 2004 S. 442, U 202/03 E. 3.2) reformatio in peius zu Lasten der Krankenkasse hinauszugehen; eine erneute Konventionsverletzung im Ausgangsverfahren kann anderweitig abgewendet werden.

8.3 In seinem Entscheid vom 21. Juni 2005 hat das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Sache an die SWICA zurückgewiesen. Es ordnete ergänzende medizinische Abklärungen an zur seines Erachtens nicht rechtsgenüglich geklärten Frage, ob im Zeitpunkt der Geschlechtsumwandlungsoperation im November 2004 ein Transsexualismus vorgelegen habe, der mit Psychotherapie und Hormontherapie nicht angegangen werden könne. Die SWICA habe abzuklären, ob der chirurgische Eingriff die einzige Möglichkeit zur namhaften Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes gewesen war. Dazu sei entweder bei einem unabhängigen Sachverständigen aus dem Fachbereich des Transsexualismus ein Gutachten anzuordnen, oder es seien von den behandelnden Ärzten ergänzende Berichte einzuverlangen, welche sich zu den vom Gericht im Einzelnen formulierten Fragen zu äussern hätten. Mit seinem
BGE 137 I 86 S. 103

Rückweisungsentscheid hat das kantonale Versicherungsgericht genau das getan, was der EGMR von den schweizerischen Gerichtsinstanzen verlangt: Keine "application mécanique" (Urteil Schlumpf, § 115) der für die Anerkennung des Pflichtleistungscharakters grundsätzlich geforderten zweijährigen Wartezeit, sondern vielmehr - unter Wahrung der gesetzlichen Verfahrensrechte der Versicherten (insb. Art. 42
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 42 Rechtliches Gehör - Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie müssen nicht angehört werden vor Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind.
ATSG [SR 830.1]) - Abklärung der medizinischen Gegebenheiten im Einzelfall, die allenfalls eine vorzeitige Vornahme der Operation und Vergütung der Operationskosten durch die Gesuchsgegnerin verlangten. Die von der beschwerdeführenden SWICA gegen die geforderte Einzelfallprüfung vorgebrachten prinzipiellen Einwände müssen mit Blick auf das EGMR-Urteil vom 8. Januar 2009 als unbegründet zurückgewiesen werden (E. 7.3.4). Was die einzelfallbezogene Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts, insbesondere die von ihm bejahte Notwendigkeit weiterer Abklärungen betrifft, ist darin keine Verletzung bundesrechtlicher Beweisgrundsätze (Art. 61 lit. c
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
ATSG; Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) zu erkennen; dass zusätzliche Beweisvorkehren zufolge Zeitablaufs keine neuen, rechtserheblichen Erkenntnisse zum psychischen Gesundheitszustand der Versicherten vor der Operation mehr zutage fördern vermöchten, kann entgegen dem Einwand der SWICA nicht gesagt werden. Die Beschwerde des Krankenversicherers ist daher vollumfänglich abzuweisen und der im Ausgangsverfahren angefochtene Entscheid zu bestätigen. Damit ist den Vorgaben des EGMR-Urteils vom 8. Januar 2009 Genüge getan und wird die Gesuchstellerin so gestellt, wie sie es im Anschluss an den ihre Beschwerde gutheissenden - und von ihr akzeptierten - kantonalen Entscheid des aargauischen Versicherungsgerichts war und wie es ihrem im Revisionsgesuch ausdrücklich gestellten Eventualantrag entspricht.
9.

9.1 Mit der Bestätigung des kantonalen Rückweisungsentscheids vom 21. Juni 2005 hat die Verwaltung gemäss Dispositiv-Ziff. 1 des Erkenntnisses "im Sinne der Erwägungen zu verfahren". Der Verweis auf die Erwägungen bezieht sich auf die in E. 3b/ee und 3c des Entscheids angeordneten Beweisvorkehren (vgl. E. 8.3 hievor) und die gestützt auf das Beweisergebnis erneut zu treffende Entscheidung in der Sache. Soweit das kantonale Gericht in E. 2 seines Entscheids allgemein festhält, das Erfordernis der zweijährigen Beobachtungsphase vor einer Geschlechtsumwandlungsoperation sei nicht "conditio sine qua non" für die obligatorische Leistungspflicht der
BGE 137 I 86 S. 104

Krankenkasse" (E. 2d/dd), gilt dies verbindlich für den konkret zu beurteilenden Fall, andernfalls ein unüberbrückbarer Widerspruch zwischen Entscheid-Dispositiv und Begründung des Urteils bestünde.
9.2 Aus der bundesgerichtlichen Bestätigung des kantonalen Entscheids folgt indessen nicht ohne Weiteres eine Abkehr von der in BGE 114 V 153 (vgl. BGE 114 V 162) begründeten Rechtsprechung dahingehend, dass in Fällen der operativen Behandlung des Transsexualismus die "Zweijahres-Regel" unter dem Blickwinkel von Art. 25
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
2    Diese Leistungen umfassen:
a  die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden von:
a1  Ärzten oder Ärztinnen,
a2  Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
a3  Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen;
b  die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände;
c  einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren;
d  die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation;
e  den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung;
f  ...
gbis  einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten;
h  die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln.
in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
KVG künftig hinfällig wäre. Dazu verpflichtet namentlich das EGMR-Urteil vom 8. Januar 2009 nicht (E. 7.2 hievor). Wohl hat der Gerichtshof in § 113 seines Urteils seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Medizin seit dem im Jahre 1988 ergangenen BGE 114 V 153 Fortschritte in der Feststellung der "Echtheit" ("veracité") des Transsexualismus einer Person gemacht hat, welchen das EVG-Urteil nicht Rechnung getragen habe. Er hat aber zugleich auch klargestellt, dass mit der zweijährigen Wartefrist ein sowohl aus Sicht der betroffenen Personen wie auch der Versicherungen legitimes Ziel - die Verhinderung übereilter irreversibler Geschlechtsumwandlungen - verfolgt wird (Urteil Schlumpf, § 111). Prüft man das Erfordernis einer insgesamt (unter Einschluss von Alltagstests in der angestrebten Geschlechtsrolle sowie begleitenden psychiatrischen und endokrinologischen Behandlungen) mindestens zweijährigen Beobachtungsphase im Lichte aktueller - namentlich der im Revisionsgesuch sowie im heutigen öffentlichen Parteivortrag zitierten - Behandlungsrichtlinien, zeigt sich folgendes Bild: Gemäss Vorgaben der Psychiatrischen Poliklinik Zürich soll aus medizinischer Sicht eine geschlechtsangleichende Operation "frühestens" nach eineinhalb Jahren psychotherapeutischer Behandlung, eineinhalb Jahren Alltagstest und sechs Monaten Hormonbehandlung erfolgen (Universitätsspital Zürich, Psychiatrische Klink, Infoblatt Transsexualismus, S. 1; www.psychiatrie.usz.ch/PatientenUndBesucher/Spezialangebot/Transsexualismus/Seiten/default.aspx). Die im deutschsprachigen Raum verbreitet beachteten "Standards der Behandlung und Begutachtung von Transsexuellen" der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, der Akademie für Sexualmedizin und der Gesellschaft für Sexualwissenschaft aus dem Jahre 1997 (Zentralblatt für Gynäkologie 119/1997 S. 398-401) fordern u.a., dass der Patient/die Patientin - nach gesicherter psychiatrischer Diagnose des Transsexualismus - das Leben in der gewünschten Geschlechterrolle "mindestens" seit
BGE 137 I 86 S. 105

eineinhalb Jahren kontinuierlich erprobt (Alltagstest) hat und sich seit "mindestens" einem halben Jahr hormonell hat behandeln lassen. Der Therapeut muss den Patienten/die Patientin in der Regel mindestens eineinhalb Jahre kennen; erfolgt die Indikationsstellung zur Transformationsoperation nicht durch den Psychotherapeuten, so überzeugt sich der in diesen Fällen hinzugezogene Therapeut/Gutachter, dass sämtliche Operationsvoraussetzungen erfüllt sind und die Psychotherapie stattgefunden hat. Stets muss die Indikationsstellung in Form einer gutachterlichen Stellungnahme durch einen qualifizierten Therapeuten erfolgen (Standards, a.a.O., Ziff. 4.2), was nach Ablauf der eineinhalbjährigen Behandlungszeit seinerseits eine gewisse Zeit beanspruchen dürfte. Gemäss "The Harry Benjamin International Gender Dysphoria Association's Standards Of Care For Gender Identity Disorders [heute: The World Professional Association for Transgender Health, WPATH], Sixth Version, February 2001" (www.wpath.org/Documents2/socv6.pdf) sind die relevanten Kriterien für die Vornahme einer geschlechtsangleichenden Operation: "XII. Genital Surgery
Eligibility Criteria. These minimum eligibility criteria for various genital surgeries equally apply to biologic males and females seeking genital surgery. They are: Legal age of majority in the patient's nation;
Usually 12 months of continuous hormonal therapy for those without a medical contraindication (...); 12 months of successful continuous full time real-life experience. Periods of returning to the original gender may indicate ambivalence about proceeding and generally should not be used to fulfill this criterion; If required by the mental health professional, regular responsible participation in psychotherapy throughout the real-life experience at a frequency determined jointly by the patient and the mental health professional. Psychotherapy per se is not an absolute eligibility criterion for surgery; (...).
Readiness Criteria. The readiness criteria include:
Demonstrable progress in consolidating one's gender identity; Demonstrable progress in dealing with work, family, and interpersonal issues resulting in a significantly better state of mental health (this implies satisfactory control of problems such as sociopathy, substance abuse, psychosis, suicidality, for instance)." Die Richtlinien der amerikanischen "Endocrine Society" (2009) sehen ebenfalls eine - erst nach erstellter Diagnose des Transsexualismus
BGE 137 I 86 S. 106

gemäss DSM IV-TR oder ICD einsetzende - zwölfmonatige Hormontherapie (vorbehältlich Kontraindikation) und einen erfolgreichen zwölfmonatigen Alltagstest vor, der (sofern psychiatrisch indiziert) von regelmässiger psychotherapeutischer Behandlung begleitet ist (The Endocrine Society, Endocrine Treatment of Transsexual Persons: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline, Table 17 www.endo-society.org/guidelines/Current-Clinical-Practice-Guidelines.cfm). Zu beachten ist, dass gemäss den beiden zuletzt genannten Richtlinien noch vor Beginn der Hormontherapie entweder eine mindestens dreimonatige "real-life-experience" (Alltagstest) oder eine gewöhnlich ebenfalls mindestens dreimonatige Psychotherapie durchzuführen ist (Endocrine Society Clinical Practice Guideline, a.a.O., Table 4; Harry Benjamin International Gender Dysphoria Association's Standards, a.a.O., Ziff. VII [Eligibility Criteria]); damit verlängert sich die aus ärztlicher Sicht geforderte Behandlungsdauer faktisch auf mindestens fünfzehn Monate. Der nach den erwähnten - fachärztlicherseits als Mindeststandards verstandenen - Richtlinien vor einer Geschlechtsumwandlung gebotene Behandlungszeitraum liegt nicht wesentlich unter der von der EVG-Rechtsprechung im Jahre 1988 (aufgrund des damaligen Standes der medizinischen Wissenschaft) geforderten Beobachtungszeit von insgesamt mindestens zwei Jahren. Am Erfordernis der mindestens zweijährigen medizinisch-praktischen Beobachtungsphase ist daher grundsätzlich festzuhalten, da damit nach wie vor eine verlässliche faktische Basis sichergestellt ist für die abschliessende Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall die folgenschwere Geschlechtsanpassungsoperation die einzige wirksame und zweckmässige Behandlungsmassnahme zur namhaften Verbesserung des psychischen Gesundheitszustands der betroffenen Person bilde und die obligatorische Krankenpflegeversicherung deshalb gestützt auf Art. 25
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
2    Diese Leistungen umfassen:
a  die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden von:
a1  Ärzten oder Ärztinnen,
a2  Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
a3  Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen;
b  die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände;
c  einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren;
d  die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation;
e  den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung;
f  ...
gbis  einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten;
h  die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln.
in Verbindung mit Art. 32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
KVG kostenvergütungspflichtig sei. Mit Blick auf die Vorgaben im EGMR-Urteil vom 8. Januar 2009, aber auch im Lichte der oben erwähnten, ihren blossen Richtwert charakter hervorhebenden Richtlinien muss allerdings im Einzelfall ein ausnahmsweises (vgl. Urteil Schlumpf, §§ 56 und 112) Abweichen vom Grundsatz möglich bleiben: Ist aufgrund der verfügbaren, in Beachtung anerkannter medizinischer Behandlungsstandards abgegebenen spezialärztlichen Stellungnahmen und gutachterlichen Expertenmeinungen bereits vor Ablauf der zweijährigen Beobachtungsphase erwiesen, dass eine Geschlechtsangleichungsoperation unter den
BGE 137 I 86 S. 107

gegebenen Umständen die einzige Möglichkeit zur namhaften Verbesserung des psychischen Gesundheitszustands ist, kann die Kostenübernahme aus obligatorischer Krankenpflegeversicherung nicht unter Verweis auf die "Zweijahres-Regel" verneint werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 137 I 86
Datum : 15. September 2010
Publiziert : 28. Mai 2011
Quelle : Bundesgericht
Status : 137 I 86
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 46 Ziff. 1, Art. 6 und 8 EMRK; Art. 122 BGG; Art. 25 Abs. 1 und Art. 32 KVG; Transsexualismus; Geschlechtsanpassungsoperation;


Gesetzesregister
ATSG: 42 
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 42 Rechtliches Gehör - Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie müssen nicht angehört werden vor Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind.
61
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
BGG: 46 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 46 Stillstand - 1 Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
1    Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen still:
a  vom siebenten Tag vor Ostern bis und mit dem siebenten Tag nach Ostern;
b  vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c  vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar.
2    Absatz 1 gilt nicht in Verfahren betreffend:
a  die aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen;
b  die Wechselbetreibung;
c  Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c);
d  die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und die internationale Amtshilfe in Steuersachen;
e  die öffentlichen Beschaffungen.18
61 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 61 Rechtskraft - Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft.
90 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
122 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 122 Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - Die Revision wegen Verletzung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950105 (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
124
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 124 Frist - 1 Das Revisionsgesuch ist beim Bundesgericht einzureichen:
1    Das Revisionsgesuch ist beim Bundesgericht einzureichen:
a  wegen Verletzung der Ausstandsvorschriften: innert 30 Tagen nach der Entdeckung des Ausstandsgrundes;
b  wegen Verletzung anderer Verfahrensvorschriften: innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids;
c  wegen Verletzung der EMRK111: innert 90 Tagen, nachdem das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Artikel 44 EMRK endgültig geworden ist;
d  aus anderen Gründen: innert 90 Tagen nach deren Entdeckung, frühestens jedoch nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids oder nach dem Abschluss des Strafverfahrens.
2    Nach Ablauf von zehn Jahren nach der Ausfällung des Entscheids kann die Revision nicht mehr verlangt werden, ausser:
a  in Strafsachen aus den Gründen nach Artikel 123 Absatz 1 und 2 Buchstabe b;
b  in den übrigen Fällen aus dem Grund nach Artikel 123 Absatz 1.
3    Die besonderen Fristen nach Artikel 5 Absatz 5 Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 13. Juni 2008112 bleiben vorbehalten.113
BV: 29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
EMRK: 6 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
8 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
14 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 14 Diskriminierungsverbot - Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
19 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 19 Errichtung des Gerichtshofs - Um die Einhaltung der Verpflichtungen sicherzustellen, welche die Hohen Vertragsparteien in dieser Konvention und den Protokollen dazu übernommen haben, wird ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, im Folgenden als «Gerichtshof» bezeichnet, errichtet. Er nimmt seine Aufgaben als ständiger Gerichtshof wahr.
32 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 32 Zuständigkeit des Gerichtshofs - (1) Die Zuständigkeit des Gerichtshofs umfasst alle die Auslegung und Anwendung dieser Konvention und der Protokolle dazu betreffenden Angelegenheiten, mit denen er nach den Artikeln 33, 34, 46 und 47 befasst wird.23
34 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 34 Individualbeschwerden - Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.
35 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 35 Zulässigkeitsvoraussetzungen - (1) Der Gerichtshof kann sich mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts und nur innerhalb einer Frist von vier24 Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.
a  wenn er sie für unvereinbar mit dieser Konvention oder den Protokollen dazu, für offensichtlich unbegründet oder für missbräuchlich hält; oder
b  wenn er der Ansicht ist, dass dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden ist, es sei denn, die Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention und den Protokollen dazu anerkannt sind, erfordert eine Prüfung der Begründetheit der Beschwerde, ...26.
41 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 41 Gerechte Entschädigung - Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist.
42 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 42 Urteile der Kammern - Urteile der Kammern werden nach Massgabe des Artikels 44 Absatz 2 endgültig.
44 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 44 Endgültige Urteile - (1) Das Urteil der Grossen Kammer ist endgültig.
a  wenn die Parteien erklären, dass sie die Verweisung der Rechtssache an die Grosse Kammer nicht beantragen werden,
b  drei Monate nach dem Datum des Urteils, wenn nicht die Verweisung der Rechtssache an die Grosse Kammer beantragt worden ist, oder
c  wenn der Ausschuss der Grossen Kammer den Antrag auf Verweisung nach Artikel 43 abgelehnt hat.
46
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 46 Verbindlichkeit und Vollzug der Urteile - (1) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.
KVG: 25 
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 25 Allgemeine Leistungen bei Krankheit - 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
1    Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
2    Diese Leistungen umfassen:
a  die Untersuchungen und Behandlungen, die ambulant, stationär oder in einem Pflegeheim, sowie die Pflegeleistungen, die in einem Spital durchgeführt werden von:
a1  Ärzten oder Ärztinnen,
a2  Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen,
a3  Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin beziehungsweise eines Chiropraktors oder einer Chiropraktorin Leistungen erbringen;
b  die ärztlich oder unter den vom Bundesrat bestimmten Voraussetzungen von Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen verordneten Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände;
c  einen Beitrag an die Kosten von ärztlich angeordneten Badekuren;
d  die ärztlich durchgeführten oder angeordneten Massnahmen der medizinischen Rehabilitation;
e  den Aufenthalt im Spital entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung;
f  ...
gbis  einen Beitrag an die medizinisch notwendigen Transportkosten sowie an die Rettungskosten;
h  die Leistung der Apotheker und Apothekerinnen bei der Abgabe von nach Buchstabe b verordneten Arzneimitteln.
32
SR 832.10 Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG)
KVG Art. 32 Voraussetzungen - 1 Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
1    Die Leistungen nach den Artikeln 25-31 müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
2    Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
OG: 132  139a
ZGB: 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
BGE Register
114-V-153 • 114-V-162 • 120-V-150 • 122-V-242 • 123-I-283 • 125-III-185 • 125-V-324 • 129-III-18 • 131-I-153 • 134-I-140 • 135-V-185 • 135-V-279 • 136-I-158 • 137-I-86
Weitere Urteile ab 2000
1C_457/2009 • 2A.232/2000 • 2A.318/2006 • 2A.363/2001 • 2A.93/2001 • 2F_11/2008 • 4A_479/2009 • 6S.362/2006 • 8C_156/2009 • 8C_231/2008 • 8C_531/2008 • 9F_9/2009 • B_57/06 • K_110/05 • K_142/03 • U_202/03
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • transsexualismus • frage • krankenpflegeversicherung • versicherungsgericht • schaden • aargau • europäischer gerichtshof für menschenrechte • geschlechtsumwandlung • psychotherapie • hormontherapie • achtung des privatlebens • konkretisierung • patient • gesundheitszustand • diagnose • landesrecht • einspracheentscheid • vereinigtes königreich • original
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BBl
2001/4202
Pra
90 Nr. 92 • 96 Nr. 49
SZS
2007 S.71