120 V 150
21. Auszug aus dem Urteil vom 24. März 1994 i.S. S. gegen Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie
Regeste (de):
- Art. 139a in Verbindung mit Art. 135 OG, Art. 38 in Verbindung mit Art. 135 OG, Art. 132 in Verbindung mit Art. 114 Abs. 2 OG, Art. 41
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 41
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 14 Diskriminierungsverbot - Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; b ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; c sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; e unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen.
- - Welche Auswirkungen hat ein solcher völkerrechtlicher Entscheid auf das landesrechtlich rechtskräftige Urteil? (Erw. 2).
- - Wie gestaltet sich (landes- und völkerrechtlich betrachtet) der im Nachgang an den Gerichtshofentscheid angehobene Revisionsprozess im Sinne von Art. 139a OG? (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Art. 139a en corrélation avec l'art. 135 OJ, art. 38 en liaison avec l'art. 135 OJ, art. 132 en relation avec l'art. 114 al. 2 OJ, art. 41 LAI, art. 14 combiné avec l'art. 6 par. 1 CEDH, art. 50 CEDH. Dans le cadre d'une procédure de révision du droit à une rente de l'assurance-invalidité, le Tribunal fédéral des assurances avait statué de manière définitive en défaveur d'une assurée ayant droit jusque-là à une rente entière d'invalidité, son arrêt ayant, selon le droit interne, la force formelle et matérielle de chose jugée. Saisie de l'affaire, la Cour européenne des Droits de l'homme considéra que l'administration et l'appréciation des preuves à la base de l'arrêt du Tribunal fédéral des assurances comportait une discrimination fondée sur le sexe et était par là contraire à la Convention, raison pour laquelle elle admit partiellement la requête individuelle de l'assurée.
- - Quels sont les effets d'une telle décision de droit international sur l'arrêt passé en force selon le droit national? (consid. 2).
- - Comment s'organise (sous l'angle du droit national et du droit international) le procès en révision au sens de l'art. 139a OJ, ouvert à la suite de la décision de la Cour européenne des Droits de l'homme? (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 139a in relazione con l'art. 135 OG, art. 38 in combinazione con l'art. 135 OG, art. 132 in relazione con l'art. 114 cpv. 2 OG, art. 41 LAI, art. 14 in combinazione con l'art. 6 n. 1 CEDU, art. 50 CEDU. Nell'ambito di una procedura di revisione del diritto a una rendita dell'assicurazione per l'invalidità, il Tribunale federale delle assicurazioni aveva statuito in modo definitivo a sfavore di un'assicurata sino allora al beneficio di una rendita intera, la sua sentenza avendo giusta il diritto interno acquisito forza di cosa giudicata formale e materiale. Chiamata a pronunciarsi, la Corte europea dei diritti dell'uomo ha considerato che l'assunzione e la valutazione delle prove alla base della sentenza del Tribunale federale delle assicurazioni comportava una discriminazione fondata sul sesso ed era per questo motivo in contrasto con la Convenzione, ragione per cui ha parzialmente accolto il ricorso individuale dell'assicurata.
- - Quali sono gli effetti di una simile pronunzia di diritto internazionale sulla sentenza cresciuta in giudicato secondo il diritto nazionale? (consid. 2).
- - Come viene disciplinato (dal profilo del diritto nazionale e del diritto internazionale) il procedimento di revisione ai sensi dell'art. 139a OG, promosso al seguito della decisione della Corte europea dei diritti dell'uomo? (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 151
BGE 120 V 150 S. 151
A.- a) Durch Verfügung vom 25. März 1980 war S. (geboren 1948) rückwirkend ab 1. Mai 1978 in den Genuss einer ganzen Invalidenrente gekommen. Nachdem diese Rente in zwei Revisionsverfahren am 10. Juni 1981 und 23. August 1984 bestätigt worden war, beauftragte die damals zuständige kantonale Invalidenversicherungs-Kommission (IVK) in einem erneuten Revisionsverfahren die Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS) mit einer stationären Abklärung des Gesundheitszustandes der Versicherten. Aufgrund des MEDAS-Gutachtens vom 14. Januar 1986, welchem der Konsiliarbericht des Dr. med. B., Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 24. Dezember 1985 beilag, gelangte die IVK zum Schluss, S. sei in ihrer Eigenschaft als Hausfrau, welche Tätigkeit sie seit der Geburt ihres Sohnes am 4. Mai 1984 ausübe, höchstens noch zu 30% eingeschränkt. Demgemäss hob die Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie (vormals Ausgleichskasse der Schweizerischen Maschinen- und Metallindustrie) die ganze Invalidenrente mit Verfügung vom 21. März 1986 auf Ende April 1986 auf. b) Hiegegen liess S. Beschwerde an die Rekurskommission X für die AHV/IV/EO führen mit dem Rechtsbegehren, es sei ihr, unter Aufhebung der
BGE 120 V 150 S. 152
angefochtenen Verfügung, weiterhin eine ganze, eventuell eine halbe Invalidenrente auszurichten. Mit Entscheid vom 8. Mai 1987, zugestellt am 6. August 1987, wies die kantonale Rekurskommission die Beschwerde ab. c) Am 18. August 1987 wandte sich S. selber mit einem Akteneditionsbegehren an das Eidg. Versicherungsgericht. ... Der Antrag lautete auf Zusprechung einer vollen Invalidenrente, wobei in prozessualer Hinsicht das vollumfängliche Akteneinsichtsrecht verlangt wurde. Die Durchführungsstelle schloss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ebenso das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV). Am 23. November 1987 gewährte das Eidg. Versicherungsgericht S. Akteneinsicht durch Auflegung ihres Dossiers bei der kantonalen Rekurskommission. Die Versicherte übte ihr Recht am 30. November 1987 aus. Danach schaltete sich Fürsprecher R. ins Verfahren ein. Er ersuchte um Fristerstreckung für die Einreichung einer Beschwerdeergänzung nach vollzogener Akteneinsicht. Am 8. Januar 1988 teilte S. dem Gericht mit, sie werde, nachdem sie Fürsprecher R. die Vollmacht entzogen habe, die Ergänzung selber einreichen. Dem kam sie am 11. Januar 1988 nach. Nach Einholung einer zusätzlichen Stellungnahme der Verwaltung ging das Eidg. Versicherungsgericht zur Beurteilung der Streitsache über. Im Rahmen der Prüfung der veränderten Verhältnisse im massgebenden Vergleichszeitraum (25. März 1980 bis 21. März 1986) kam es zum Schluss, die Versicherte sei, anders als bei der Zusprechung der ganzen Rente, invalidenversicherungsrechtlich als Hausfrau zu qualifizieren, ihr Invaliditätsgrad somit nach der spezifischen Methode zu ermitteln. Das Gericht liess sich hiebei vom Umstand leiten, dass die Versicherte am 4. Mai 1984 ein Kind geboren hatte, welches der vollständigen Pflege und Erziehung (durch die Mutter) bedürfe. Damit erübrige sich eine Prüfung der Erwerbsunfähigkeit im angestammten Beruf als Büroangestellte. Unter pulmologischen Aspekten (keine Reaktivierung der 1975 erlittenen Lungentuberkulose) bezeichnete das Gericht die Versicherte als uneingeschränkt arbeitsfähig, wobei es vorgängig die Kritik an der Vollständigkeit der medizinisch-somatischen Unterlagen zurückgewiesen hatte. ... Das Eidg. Versicherungsgericht hiess die Beschwerde dispositivmässig teilweise gut, hob den Entscheid der kantonalen Rekurskommission und die angefochtene Revisionsverfügung auf und stellte fest, dass der Invaliditätsgrad ab 1. Mai 1986 einen Drittel betrage. Die Sache wurde an die Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie
BGE 120 V 150 S. 153
zurückgewiesen, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen (Härtefall), neu verfüge (Urteil vom 21. Juni 1988). d) Mit Verfügung vom 17. Juli 1989 lehnte die Ausgleichskasse mangels Vorliegens der wirtschaftlichen Voraussetzungen die Zusprechung einer Härtefallrente ab. ... e) Die Versicherte rief, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt M., mit - von der Europäischen Kommission für Menschenrechte als zulässig erklärter - Individualbeschwerde den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (nachfolgend "Gerichtshof") an. Dieser fällte am 24. Juni 1993 folgendes Urteil: "1. Dit, à l'unanimité, que l'article 6 § 1 s'appliquait en l'espèce; 2. Rejette, à l'unanimité, les exceptions préliminaires du Gouvernement; 3. Dit, à l'unanimité, qu'elle n'a pas compétence pour connaître du grief relatif à l'indépendance des experts médicaux;
4. Dit, par huit voix contre une, qu'il n'y a pas eu violation de l'article 6 § 1;
5. Dit, par huit voix contre une, qu'il y a eu violation de l'article 14 combiné avec l'article 6 § 1;
6. Dit, à l'unanimité, que le présent arrêt constitue par lui-même une satisfaction équitable suffisante quant au préjudice moral allégué; 7. Dit en l'état, par huit voix contre une, que la Confédération doit verser à la requérante, dans les trois mois, 7500 (sept mille cinq cents) francs suisses pour frais et dépens;
8. Dit, par huit voix contre une, que la question de l'application de l'article 50 ne se trouve pas en état pour le dommage matériel; en conséquence,
a) la réserve sur ce point;
b) invite le Gouvernement et la requérante à lui adresser par écrit, dans les six mois, leurs observations sur ladite question et notamment à lui donner connaissance de tout accord auquel ils pourraient aboutir; c) réserve la procédure ultérieure et délègue au président le soin de la fixer au besoin."
B.- Wiederum vertreten durch Rechtsanwalt M. lässt S. am 1. November 1993 ein Revisionsgesuch einreichen mit folgenden Anträgen: 1. Aufhebung des Urteils vom 21. Juni 1988.
2. Feststellung, dass der Invaliditätsgrad ab 1. Mai 1986 weiterhin 100%, eventualiter 60% betrage.
3. Zusprechung einer ganzen, eventualiter einer halben Invalidenrente ab 1. Mai 1986.
...
BGE 120 V 150 S. 154
Zum Revisionsgesuch holte das Eidg. Versicherungsgericht Stellungnahmen der - seit dem 1. Juni 1992 neu zuständigen - Kantonalen Invalidenversicherungsstelle und des Bundesamtes für Justiz ein, welche dem Rechtsvertreter der Versicherten am 3. März 1994 zu Kenntnis- und allfälliger Stellungnahme zugestellt wurden. Mit Replik vom 16. März 1994 hielt Rechtsanwalt M. die Revisionsbegehren vollumfänglich aufrecht. Ferner wurde die Ausgleichskasse eingeladen, sich zu den prozessrechtlichen Aspekten des Falls zu äussern. Auf die Rechtsschriften, insbesondere die Begründung der einzelnen Revisionsanträge, wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Nach Art. 135 in Verbindung mit Art. 38 OG werden die Entscheidungen des Eidg. Versicherungsgerichts mit der Ausfällung formell und materiell rechtskräftig (POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bern 1990, N. 2 ff. zu Art. 38 OG). Dabei bedeutet die materielle Rechtskraft, dass die (letztinstanzlich) definitiv beurteilte Sache nicht wiederaufgenommen und zum Gegenstand eines neuen Verfahrens gemacht werden kann, und zwar insbesondere nicht durch das höchste Gericht selber (POUDRET, a.a.O., N. 4 zu Art. 38 OG). Der gesetzlich vorgesehene prozessuale Weg zur Überwindung dieser negativen Wirkung eines formell und materiell rechtskräftigen Urteils (ne bis in idem; vgl. HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. Basel und Frankfurt a.M. 1990, S. 277) ist das ausserordentliche Rechtsmittel der Revision, wie es für die Bundesrechtspflege in Art. 136 ff
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen. |
BGE 120 V 150 S. 155
Verpflichtung eingegangen war, sich nach den Entscheidungen eines EMRK-Organs zu richten (Art. 32 Ziff. 4
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 32 Zuständigkeit des Gerichtshofs - (1) Die Zuständigkeit des Gerichtshofs umfasst alle die Auslegung und Anwendung dieser Konvention und der Protokolle dazu betreffenden Angelegenheiten, mit denen er nach den Artikeln 33, 34, 46 und 47 befasst wird.23 |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 53 Wahrung anerkannter Menschenrechte - Diese Konvention ist nicht so auszulegen, als beschränke oder beeinträchtige sie Menschenrechte und Grundfreiheiten, die in den Gesetzen einer Hohen Vertragspartei oder in einer anderen Übereinkunft, deren Vertragspartei sie ist, anerkannt werden. |
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 66 - 1 Die Beschwerdeinstanz zieht ihren Entscheid von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei in Revision, wenn ihn ein Verbrechen oder Vergehen beeinflusst hat. |
|
1 | Die Beschwerdeinstanz zieht ihren Entscheid von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei in Revision, wenn ihn ein Verbrechen oder Vergehen beeinflusst hat. |
2 | Ausserdem zieht sie ihn auf Begehren einer Partei in Revision, wenn: |
a | die Partei neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorbringt; |
b | die Partei nachweist, dass die Beschwerdeinstanz aktenkundige erhebliche Tatsachen oder bestimmte Begehren übersehen hat; |
c | die Partei nachweist, dass die Beschwerdeinstanz die Bestimmungen der Artikel 10, 59 oder 76 über den Ausstand, der Artikel 26-28 über die Akteneinsicht oder der Artikel 29-33 über das rechtliche Gehör verletzt hat; oder |
d | der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil festgestellt hat, dass die Konvention vom 4. November 1950120 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat, sofern eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen, und die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen. |
3 | Gründe im Sinne von Absatz 2 Buchstaben a-c gelten nicht als Revisionsgründe, wenn die Partei sie im Rahmen des Verfahrens, das dem Beschwerdeentscheid voranging, oder auf dem Wege einer Beschwerde, die ihr gegen den Beschwerdeentscheid zustand, geltend machen konnte. |
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 66 - 1 Die Beschwerdeinstanz zieht ihren Entscheid von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei in Revision, wenn ihn ein Verbrechen oder Vergehen beeinflusst hat. |
|
1 | Die Beschwerdeinstanz zieht ihren Entscheid von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei in Revision, wenn ihn ein Verbrechen oder Vergehen beeinflusst hat. |
2 | Ausserdem zieht sie ihn auf Begehren einer Partei in Revision, wenn: |
a | die Partei neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorbringt; |
b | die Partei nachweist, dass die Beschwerdeinstanz aktenkundige erhebliche Tatsachen oder bestimmte Begehren übersehen hat; |
c | die Partei nachweist, dass die Beschwerdeinstanz die Bestimmungen der Artikel 10, 59 oder 76 über den Ausstand, der Artikel 26-28 über die Akteneinsicht oder der Artikel 29-33 über das rechtliche Gehör verletzt hat; oder |
d | der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil festgestellt hat, dass die Konvention vom 4. November 1950120 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat, sofern eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen, und die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen. |
3 | Gründe im Sinne von Absatz 2 Buchstaben a-c gelten nicht als Revisionsgründe, wenn die Partei sie im Rahmen des Verfahrens, das dem Beschwerdeentscheid voranging, oder auf dem Wege einer Beschwerde, die ihr gegen den Beschwerdeentscheid zustand, geltend machen konnte. |
BGE 120 V 150 S. 156
Individualbeschwerde mit Urteil vom 24. Juni 1993 gutgeheissen und festgestellt, dass das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 21. Juni 1988 eine Konventionsverletzung beinhalte. Die durch dieses - rechtskräftig gewordene - Urteil angeordnete Überprüfung der finanziellen Verhältnisse seitens der Verwaltung habe ergeben, dass kein wirtschaftlicher Härtefall vorliege (Verfügung vom 17. Juli 1989), so dass ihr die vorher ausgerichtete Invalidenrente ganz und endgültig entzogen worden sei. Die Rechtskraftwirkung dieser Entscheide könne nur auf dem Weg der Revision überwunden werden. d) Die Auffassung der Gesuchstellerin ist richtig. Im Hinblick auf die Frage der Anwendung des Art. 50
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 14 Diskriminierungsverbot - Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
3. a) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Revisionsgrund von Art. 139a OG vorliegt (vgl. auch POUDRET, a.a.O., N. 2.3 zu Art. 139a). Es stellt sich demnach die Frage, inwieweit der inkriminierte Entscheid zur Wiedergutmachung aufgehoben werden muss; denn das Verfahren ist nur so weit wieder aufzurollen, als der Revisionsgrund reicht (HABSCHEID, a.a.O., S. 497; BEERLI-BONORAND, Die ausserordentlichen Rechtsmittel in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes und der Kantone, Diss. Zürich 1985, S. 163 ff.). Das zu revidierende, formell und materiell rechtskräftige Urteil
BGE 120 V 150 S. 157
des Eidg. Versicherungsgerichts vom 21. Juni 1988 griff verändernd im Sinne von Art. 41
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 41 |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 41 |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 41 |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 41 |
BGE 120 V 150 S. 158
einerseits die landesrechtlichen materiell- und verfahrensrechtlichen Normen, anderseits die völkerrechtlichen Anforderungen gemäss EMRK, wie sie durch das Dispositiv des Urteils des Gerichtshofs vom 24. Juni 1993 für die Beurteilung der vorliegenden Sache verbindlich konkretisiert worden sind. aa) Gemäss Art. 132 in Verbindung mit Art. 114 Abs. 2 OG stehen dem Eidg. Versicherungsgericht im Rahmen einer nach gutgeheissenem Revisionsgesuch möglich gewordenen und gebotenen materiellen Neubeurteilung drei prozessuale Erledigungsarten zu, nämlich die Gutheissung der Anträge in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, deren Abweisung und die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne, dass die Sache zur Aktenergänzung an die Verwaltung (oder an die kantonale Gerichtsinstanz) zurückgewiesen wird, damit anschliessend über den streitigen Rechtsanspruch (hier jener auf eine ganze/halbe Invalidenrente ab 1. Mai 1986) erneut verfügt (oder entschieden) werde (BGE 117 V 241 Erw. 2a, nicht veröffentlichtes Urteil V. vom 24. Oktober 1990 Erw. 2b; GRISEL, Traité de droit administratif, Neuenburg 1984, S. 935 unten f.; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. Bern 1983, S. 319). bb) Der Anwendung einer dieser landesrechtlich vorgesehenen Arten der Verfahrenserledigung steht das Völkerrecht nicht entgegen. Der Gerichtshof stellt es den Konventionsstaaten in ständiger Rechtsprechung anheim, wie sie verfahrensmässig auf eine festgestellte Konventionsverletzung reagieren (vgl. POLAKIEWICZ, a.a.O., S. 97 ff. und 112 ff.; VILLIGER, a.a.O., S. 149 f.). Indessen bleibt für das Revisionsverfahren das Dispositiv des Urteilsspruchs vom 24. Juni 1993 beachtlich. Darin hat der Gerichtshof entschieden (Ziff. 8 lit. a, b und c), dass Art. 50
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 50 Kosten des Gerichtshofs - Die Kosten des Gerichtshofs werden vom Europarat getragen. |
BGE 120 V 150 S. 159
Der Gerichtshof hat demnach das Verfahren ausgesetzt, um dem für die Konventionsverletzung verantwortlichen Staat Gelegenheit zu geben, darauf nach eigenem Landesrecht zu reagieren. Dabei unterliegt der Staat der völkerrechtlichen Verpflichtung, für eine restitutio in integrum besorgt zu sein, d.h. den Betroffenen ungeschmälert in diejenige Lage zu versetzen, in welcher er sich ohne Konventionsverletzung befände (POLAKIEWICZ, a.a.O., S. 97 f.). Nur hierauf richtet sich der Wiedergutmachungsanspruch der Gesuchstellerin, vorliegend also auf die Beseitigung der festgestellten geschlechtsdiskriminierenden Beweisbeibringung ("recevabilité des preuves", "mode de présentation des moyens de preuve"), welche Art. 14
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 14 Diskriminierungsverbot - Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 41 |
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung des Revisionsgesuches wird das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 21. Juni 1988 aufgehoben.