135 II 334
34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation gegen X. und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_130/2009 vom 1. September 2009
Regeste (de):
- Art. 16 Abs. 3
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; b ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; c sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; d Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; e unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. - Die Mindestdauer des Führerausweisentzugs darf auch bei Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist nicht unterschritten werden (E. 2.2).
- Frage offengelassen, ob im Falle einer schweren Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist, der nicht in anderer Weise Rechnung getragen werden kann, ausnahmsweise gänzlich auf eine Massnahme verzichtet werden darf (E. 2.3).
- Feststellung im Dispositiv des bundesgerichtlichen Urteils, dass der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist verletzt worden ist (E. 3).
Regeste (fr):
- Art. 16 al. 3 LCR, art. 29 al. 1 Cst., art. 6 par. 1 CEDH; pas d'abaissement de la durée minimale du retrait de permis de conduire en raison d'une violation du droit d'être jugé dans un délai raisonnable.
- La durée minimale du retrait du permis de conduire ne peut pas être abaissée, même en cas de violation du droit d'être jugé dans un délai raisonnable (consid. 2.2).
- Possibilité de renoncer exceptionnellement à toute mesure, en cas de violation grave du droit d'être jugé dans un délai raisonnable dont on ne peut pas tenir compte d'une autre manière? Question laissée indécise (consid. 2.3).
- Constatation, dans le dispositif de l'arrêt du Tribunal fédéral, d'une violation du droit d'être jugé dans un délai raisonnable (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 16 cpv. 3 LCStr, art. 29 cpv. 1 Cost., art. 6 n. 1 CEDU; nessuna riduzione della durata minima della revoca della licenza di condurre a causa della violazione del diritto d'essere giudicato entro un termine ragionevole.
- La durata minima della revoca della licenza di condurre non può essere ridotta neppure in caso di violazione del diritto di essere giudicato entro un termine ragionevole (consid. 2.2).
- La questione di sapere se in caso di una grave lesione del diritto di essere giudicato entro un termine ragionevole, che non può essere considerata in altra maniera, si possa eccezionalmente rinunciare ad adottare una misura è stata lasciata aperta (consid. 2.3).
- Accertamento, nel dispositivo della sentenza del Tribunale federale, di una violazione del diritto d'essere giudicato entro un termine ragionevole (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 335
BGE 135 II 334 S. 335
A. Am 7. Mai 2006 fuhr X. innerorts auf der Zürichstrasse in Aathal-Seegräben Richtung Uster mit einer rechtlich massgebenden Geschwindigkeit (d.h. unter Abzug einer Sicherheitsmarge von 5 km/ h) von 80 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Mit Strafbefehl vom 29. August 2006 auferlegte ihm die Staatsanwaltschaft See/Oberland wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Ziff. 2

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16c - 1 Eine schwere Widerhandlung begeht, wer: |
B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. März 2009 beantragt das Bundesamt für Strassen (ASTRA), der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und X. sei der Führerausweis für die Dauer von drei Monaten zu entziehen.
BGE 135 II 334 S. 336
Das ASTRA macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 16 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16c - 1 Eine schwere Widerhandlung begeht, wer: |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Das beschwerdeführende Amt ist der Ansicht, dass Art. 16 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |
2.2 Nach der früheren Rechtsprechung zu den altrechtlichen Administrativmassnahmen konnte die Mindestentzugsdauer unterschritten und allenfalls von der Anordnung einer Massnahme abgesehen werden, wenn seit dem massnahmeauslösenden Ereignis verhältnismässig lange Zeit verstrichen war, sich der Betroffene während dieser Zeit wohl verhalten hatte und ihn an der Verfahrensdauer keine Schuld traf (BGE 120 Ib 504 E. 4e S. 510). In späteren Entscheiden wurde die Möglichkeit, die gesetzliche Mindestentzugsdauer zu unterschreiten, bestätigt (vgl. etwa BGE 127 II 297 E. 3d S. 300; BGE 124 II 103 E. 2a und b S. 108 f.; je mit Hinweisen). Das Administrativmassnahmenrecht des Strassenverkehrsgesetzes wurde per 1. Januar 2005 verschärft. Gemäss Art. 16 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |
BGE 135 II 334 S. 337
vorgeschriebenen Mindestentzugsdauer berücksichtigt werden können (vgl. Art. 16 Abs. 3

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden. |
2.3 Eine andere Frage ist, ob - ebenfalls nach Massgabe des früheren Rechts - bei einer schweren Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist, der nicht in anderer Weise Rechnung getragen werden kann, ausnahmsweise gänzlich auf eine Massnahme verzichtet werden kann (siehe für das Strafrecht: BGE 133 IV 158 E. 8 S. 170; Urteil 6B_801/2008 vom 12. März 2009 E. 3.5; je mit Hinweis). Die Frage braucht nicht weiter erörtert zu werden, da hier, wo bis zum Entscheid der Sicherheitsdirektion etwa vier und bis zu jenem des Regierungsrats dreizehn Monate vergingen, kein solcher Fall vorliegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die zur Diskussion stehende Massnahme durch den Zeitablauf ihrer erzieherischen Wirkung beraubt worden wäre (vgl. BGE 127 II 297 E. 3d S. 300 mit Hinweisen).
3. Die Vorinstanz hätte von einer Reduktion der Dauer des Führerausweisentzugs absehen und es in teilweiser Gutheissung der Beschwerde bei einer Feststellung der Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist bewenden lassen müssen (vgl. etwa BGE 130 I 312 E. 5.3 S. 333 mit Hinweis; Urteil des EGMR P.B. gegen Frankreich vom 1. August 2000 § 52). Das angefochtene Urteil ist deshalb auch diesbezüglich aufzuheben und es ist festzustellen, dass der Anspruch des Beschwerdegegners auf Beurteilung innert angemessener Frist verletzt worden ist (Art. 107 Abs. 2

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 107 Entscheid - 1 Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. |
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1 | Das Bundesgericht darf nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. |
2 | Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es kann die Sache auch an die Behörde zurückweisen, die als erste Instanz entschieden hat. |
3 | Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen oder der internationalen Amtshilfe in Steuersachen als unzulässig, so fällt es den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels. Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist es nicht an diese Frist gebunden, wenn das Auslieferungsverfahren eine Person betrifft, gegen deren Asylgesuch noch kein rechtskräftiger Endentscheid vorliegt.97 |
4 | Über Beschwerden gegen Entscheide des Bundespatentgerichts über die Erteilung einer Lizenz nach Artikel 40d des Patentgesetzes vom 25. Juni 195498 entscheidet das Bundesgericht innerhalb eines Monats nach Anhebung der Beschwerde.99 |