125 I 21
4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Oktober 1998 i.S. Grüne Bewegung Uri (u.a.) gegen Landrat des Kantons Uri (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 85 lit. a OG; Urner Volksinitiative `für gleiche Wahlchancen' ("Wahlchanceninitiative").
- Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- Als Gleichstellungsmassnahmen kommen auch ergebnisbezogene Quoten in Betracht (E. 3d/aa; Präzisierung von BGE 123 I 152).
- Die quotenmässige Zuteilung von Volkswahl-Mandaten stellt eine unzulässige Einschränkung des freien und gleichen Wahlrechts dar (E. 3d/dd).
- Kriterien für die Beurteilung von Quotenregelungen nach Völkerrecht (E. 4).
- Beurteilung der Gleichstellungsmassnahmen der `Wahlchanceninitiative': Quoten für Behörden und Kommissionen, die direkt vom Volk gewählt werden (E. 5a); Quoten für Behörden und Kommissionen, die nur indirekt vom Volk gewählt werden (E. 5b); Quoten für Majorzwahlen und Wahlvorschlagsquoten für Proporzwahlen zum Landrat (E. 5c); Teilgültigkeit der Initiative (E. 7).
Regeste (fr):
- Art. 85 let. a OJ; initiative populaire uranaise "Pour des chances égales aux élections".
- Résumé de la jurisprudence rendue à ce jour sur l'art. 4 al. 2 Cst. en général (consid. 3a) et sur les quotas féminins en particulier (consid. 3b); examen des critiques formulées à l'encontre de cette jurisprudence (consid. 3c et 3d).
- Les quotas de résultat font également partie des mesures visant à assurer l'égalité des sexes (consid. 3d/aa; précision de l'ATF 123 I 152).
- La répartition en fonction de quotas de mandats octroyés par élections populaires représente une limitation inadmissible au droit égal d'élire et d'être élu (consid. 3d/dd).
- Critères d'examen des quotas selon le droit international public (consid. 4).
- Examen des mesures visant à assurer l'égalité des sexes contenues dans l'initiative "Pour des chances égales aux élections": quotas pour les autorités et les commissions élues directement par le peuple (consid. 5a); quotas pour les autorités et les commissions élues indirectement par le peuple (consid. 5b); quotas pour les élections au système majoritaire et quotas de listes pour les élections au Grand Conseil selon le système de la représentation proportionnelle (consid. 5c); validité partielle de l'initiative (consid. 7).
Regesto (it):
- Art. 85 lett. a OG; iniziativa popolare urana "Per chances uguali nelle elezioni" ("iniziativa sulle chances elettorali").
- Riepilogo della giurisprudenza relativa all'art. 4 cpv. 2 Cost. in generale (consid. 3a) e alle quote femminili in particolare (consid. 3b); esame delle critiche mosse al riguardo (consid. 3c e 3d).
- Quali misure tendenti alla realizzazione dell'uguaglianza tra i sessi possono entrare in considerazione anche quote legate al risultato (consid. 3d/aa; precisazione della DTF 123 I 152).
- La ripartizione di mandati per quote nell'ambito di una elezione popolare costituisce una limitazione inammissibile del diritto uguale e libero di eleggere e di essere eletto (consid. 3d/dd).
- Criteri per la valutazione di regole sulle quote secondo il diritto internazionale pubblico (consid. 4).
- Valutazione delle misure tendenti alla realizzazione dell'uguaglianza tra i sessi proposte nell'"iniziativa sulle chances elettorali": quote per autorità e commissioni elette direttamente dal popolo (consid. 5a); quote per autorità e commissioni elette solo indirettamente dal popolo (consid. 5b); quote per elezioni secondo il sistema maggioritario e quote per liste di candidati per elezioni al Gran Consiglio secondo il sistema del voto proporzionale (consid. 5c); validità parziale dell'iniziativa (consid. 7).
Sachverhalt ab Seite 22
BGE 125 I 21 S. 22
Am 15. April 1996 wurde dem Regierungsrat des Kantons Uri die Volksinitiative "für gleiche Wahlchancen (Wahlchancen-Initiative)" mit folgendem Wortlaut eingereicht: "Die Verfassung des Kantons Uri ist durch den folgenden Artikel 75bis (Gleichstellung der Geschlechter) zu ergänzen:
1 Alle Behörden und Kommissionen, die vom Volk gewählt oder durch gewählte Organe bestimmt werden, sind annähernd je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt. Jedes Geschlecht ist jedoch mindestens zu einem Drittel vertreten. Für den Landrat gelten die Vorschriften der Absätze 2 und 3. 2 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, in denen nach Proporzsystem gewählt wird, beträgt die zahlenmässige Differenz zwischen Frauen und Männern auf den gedruckten Wahllisten höchstens eins.
BGE 125 I 21 S. 23
3 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, denen nur ein Sitz zusteht, wird eine Kandidatin oder ein Kandidat gewählt. In Gemeinden mit zwei Sitzen werden je eine Frau und ein Mann gewählt. Übergangsbestimmungen:
1 Nimmt ein gewähltes Organ Ersatzwahlen für eine Behörde oder Kommission vor, hat jedes Geschlecht Anspruch auf jede zweite Nachfolge, bis das Minimalziel von Artikel 75bis Abs. 1 erfüllt ist. 2 Bei der ersten nach den Bestimmungen von Artikel 75bis durchgeführten Gesamterneuerungswahl von Behörden oder Kommissionen, die vom Volk im Majorz gewählt werden, gilt folgende Ausnahme: Personen, die bereits bisher Mitglieder der gleichen Behörde oder der gleichen Kommission waren und wiedergewählt werden, gelten auch dann als gewählt, wenn das Ziel von Artikel 75bis noch nicht erfüllt ist. 3 Bei der ersten Gesamterneuerungswahl des Landrates nach Annahme von Artikel 75bis beträgt in den Gemeinden, in denen nach Proporz gewählt wird, der Anteil jedes Geschlechts auf den gedruckten Wahllisten mindestens je 30 Prozent." Der Regierungsrat erstattete am 22. April 1997 Bericht und Antrag an den Landrat des Kantons Uri. Er führte aus, die Initiative wirke sich diskriminierend aus. Sie führe dazu, dass in konkreten Wahlen ein Mann oder eine Frau wegen des Geschlechts nicht wählbar sei. Dies verletze den Anspruch der Kandidaten und Kandidatinnen auf rechtsgleiche Behandlung und, soweit Volkswahlen betroffen seien, auch die Wahl- und Abstimmungsfreiheit der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen. Desgleichen schränke die unterbreitete Wahlvorschlagsquote für die Landratswahlen in den Proporzgemeinden die Auswahlfreiheit der Stimmberechtigten ein. Dafür gebe es keine Rechtfertigung. Der Regierungsrat beantragte deshalb, die Wahlchancen-Initiative sei für ungültig zu erklären und nicht dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Der Landrat folgte mit Beschluss vom 4. Juni 1997 dem Antrag des Regierungsrats. Die Grüne Bewegung Uri, Annalise Russi, Doris Rosenkranz, Raphael Brand und Alf Arnold Rosenkranz haben gegen die Ungültigerklärung der Initiative eine staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht und beantragen die Aufhebung des Beschlusses des Landrates. Eventualiter sei der Beschluss im Umfang der Teilgültigkeit der Wahlchancen-Initiative aufzuheben. Die Beschwerdeführerinnen und die Beschwerdeführer (nachfolgend: Beschwerdeführerinnen) machen eine Verletzung ihrer politischen Rechte geltend.
BGE 125 I 21 S. 24
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
3. a) Im Mittelpunkt der Rechtserörterungen steht Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 125 I 21 S. 25
der Geschlechter begründet werden. Quotenregelungen lassen sich nach der gegenwärtigen Rechtsprechung nicht auf Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 125 I 21 S. 26
Mandate und Richterstellen zwischen Männern und Frauen. Das Bundesgericht hielt deshalb die vorgeschlagene Quotenregelung für kein geeignetes Mittel zur Verwirklichung tatsächlicher Gleichstellung (E. 5b S. 164 f.). Hinsichtlich der Voraussetzung der Erforderlichkeit folgte es der Ansicht der Solothurner Regierung. Diese hatte ausgeführt, dass sich die Wahlchancen der Frauen im Kanton Solothurn zu Beginn der 90er Jahren erheblich verbessert hätten (Frauenanteil im Kantonsrat von 34,7%) und dass in den nächsten Jahren eine langsame Annäherung der Sitzzahlen der Geschlechter im Parlament zu erwarten sei. Deshalb könne auf harte Massnahmen, wie Quotenregelungen es seien, verzichtet werden (E. 6 S. 167 ff.). Das Bundesgericht erachtete sodann die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn (Zweck-Mittel-Relation) als verletzt, da die vorgeschlagene Quotenregelung keine Rücksicht auf die Qualifikation der Bewerber nehme (E. 7b S. 169 ff.). Schliesslich prüfte das Bundesgericht die vorgeschlagene Quotenregelung in Bezug auf vom Volk gewählte Behörden unter dem Gesichtspunkt des Stimm- und Wahlrechts. Es hielt fest, dass das allgemeine, freie und gleiche Stimm- und Wahlrecht grundsätzlich absolut gelte und dass Einschränkungen nur zulässig seien, um ein Wahlsystem zu verwirklichen. Das Abstellen auf das Geschlecht sei keine solche systembedingte Abweichung. Das Geschlecht sei deshalb sowohl in Bezug auf das aktive wie auch das passive Wahlrecht grundsätzlich ein unzulässiges Kriterium. Werde das Geschlecht zum determinierenden Kriterium erhoben, könne der freie Willen der Stimmbürger nicht mehr zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck kommen. Das Bundesgericht nahm deshalb an, die vorgeschlagene Initiative kollidiere - soweit sie vom Volk gewählte Behörden betraf - auch mit den politischen Rechten beider Geschlechter (E. 8 S. 171 ff.). c) Der bundesgerichtliche Quotenentscheid ist in der Lehre unterschiedlich aufgenommen worden. Im folgenden Überblick sollen hauptsächlich die Punkte stichwortartig aufgezeigt werden, die zu abweichenden Meinungsäusserungen Anlass gegeben haben und auf welche im Rahmen der Beurteilung der vorliegenden Quoteninitiative - soweit erforderlich - einzugehen ist. Das Quotenurteil hat bei YVO HANGARTNER Zustimmung gefunden (Urteilsbesprechung in AJP 1997, S. 1031-1033). ETIENNE GRISEL hält das Urteil im Ergebnis für richtig, kritisiert aber die bundesgerichtliche Auslegung von Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 125 I 21 S. 27
weshalb es kein Spannungsverhältnis zwischen Satz 1 und Satz 2 gebe (Egalité des sexes et quotas de représentation, in: Festschrift Hangartner, St. Gallen 1998, S. 537-550, insbes. S. 539 ff.). ASTRID EPINEY kritisiert die vom Bundesgericht getroffene Unterscheidung zwischen Massnahmen, die eine "Ergebnisgleichheit", und solchen, die eine "Chancengleichheit" im Auge haben, sowie die daran anknüpfende Verfassungswidrigkeit der ersteren (Chancengleichheit über das Ergebnis? AJP 1997, S. 1033-1036). Es sei nicht sachgerecht, eine bestimmte, dazu noch sehr schwer abzugrenzende Kategorie von Massnahmen von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 125 I 21 S. 28
Gegenseite. Dies sei der Normalfall bei Gleichstellungsmassnahmen. Formell geschlechtsneutral ausgestaltete Quoten hätten an sich keine Schlechterstellung eines Geschlechtes zur Folge. Sie bewirkten zwar materiell eine Besserstellung des bis anhin untervertretenen Geschlechts. Die Kompensationswirkung von Gleichstellungsmassnahmen sei jedoch verfassungsrechtlich gewollt. Gegen die Annahme des Bundesgerichts, dass die umstrittene Quotenregelung wegen ihrer Ergebnisorientiertheit über die Zielsetzung von Art. 4 Abs. 2
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BGE 125 I 21 S. 29
sei im Fluss. Bei dieser Sachlage hätte sich das Bundesgericht - entsprechend seiner traditionellen Praxis - grosse Zurückhaltung auferlegen und der Verfassungsautonomie der Kantone Rechnung tragen sollen, welche diesen einen weiten Spielraum bei der Handhabung von Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 125 I 21 S. 30
bemerkt in der oben zitierten Urteilsbesprechung, es wäre eine unzulässige Vereinfachung, aus dem Entscheid ableiten zu wollen, Quoten als Massnahme zur Gleichstellung von Frauen (oder von Männern) seien zum Vornherein stets unzulässig (a.a.O., S. 1031). In der Doktrin besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Gleichstellungsmittel im Sinn von Art. 4 Abs. 2
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Demgegenüber vertritt CHRISTA TOBLER eine Auslegung von Art. 4 Abs. 2
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BGE 125 I 21 S. 31
Behandlung der Geschlechter durch Frauenquoten (a.a.O., S. 115 ff.). Die Autorin kritisiert, dass das Bundesgericht den Geschlechtergleichheitssatz im Ansatz als formelle Gleichbehandlung der Geschlechter versteht. Damit lasse sich echte Rechtsgleichheit und mithin das Ziel der seinerzeitigen Verfassungsrevision, nämlich die umfassende Besserstellung der Frau, nicht erreichen (s. Botschaft über die Volksinitiative "Gleiche Rechte für Mann und Frau" vom 14. November 1979, BBl 1980 I 69 ff., insbes. S. 141 f.). Ausgehend von einem materiellen Verständnis der Rechtsgleichheit befürwortet die Autorin eine Änderung der Praxis zu Art. 4 Abs. 2
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BGE 125 I 21 S. 32
cc) Bei diesem Verständnis der Geschlechtergleichheit stehen Satz 1 und Satz 2 von Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
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BGE 125 I 21 S. 33
auf Kritik gestossen. Es sei nicht erklärbar, weshalb allein wahlsystembedingte Eingriffe in die Wahlrechtsgleichheit verfassungsrechtlich Bestand haben sollen, obwohl diese (im Gegensatz zum Gleichstellungsauftrag) nicht verfassungsrechtlich vorgegeben seien (POLEDNA/BUSER, a.a.O., S. 986). Sodann habe das Bundesgericht den weiten Spielraum der Kantone bei der Ausgestaltung ihrer Verfassung und insbesondere ihres Wahlrechts missachtet (POLEDNA/BUSER, a.a.O., S. 986; AUER/MARTENET, a.a.O., S. 641 ff.). Die Stimmrechtsfreiheit und die Wahlrechtsgleichheit stellen fundamentale Prinzipien des demokratischen Staatswesens dar, die nur aus gewichtigen, zwingenden Gründen eingeschränkt werden dürfen. Nur einzelne wenige spezifische Elemente können im Bereich der politischen Rechte eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (BGE 124 I 55 E. 5a S. 62 unter Berufung auf ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich, Bern 1985, S. 57); in der Literatur wird daher von einem "absoluten" oder "strengen" Gleichheitsgrundsatz im Bereich des Stimmrechts gesprochen (vgl. FRITZ FLEINER/ZACCARIA GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 407; HÄFELIN/HALLER, a.a.O., Rz. 1568, S. 514; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, S. 180; TOMAS POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze und kantonale Parlamentswahlen, Diss. Zürich 1988, S. 5 ff. und S. 23 ff. unter Hinweis auf Art. 4 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 125 I 21 S. 34
Im Solothurner Quotenfall hat das Bundesgericht entschieden, dass die quotenmässige Zuteilung von Volkswahl-Mandaten eine unzulässige Einschränkung des freien und gleichen Wahlrechts darstellt. Derartige Quotenregelungen greifen in höherem Masse in die Wahlfreiheit und -gleichheit ein als andere Modalitäten des Wahlsystems und sind daher als verfassungswidrig zu betrachten. An dieser erst vor kurzem begründeten Praxis ist festzuhalten.
4. a) Nebst Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte UNO-Pakt-II Art. 25 - Jeder Staatsbürger hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen |
|
a | an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen; |
b | bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden; |
c | unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben. |
IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte UNO-Pakt-II Art. 25 - Jeder Staatsbürger hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen |
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a | an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen; |
b | bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden; |
c | unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben. |
BGE 125 I 21 S. 35
18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau bestätigt, das den Pakt konkretisiert und ergänzt. Das Übereinkommen ist für die Schweiz am 26. April 1997 in Kraft getreten, wurde allerdings (entgegen Art. 2 lit. a und 6 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Gesetzessammlungen und das Bundesblatt vom 21. März 1986 [Publikationsgesetz; PublG.; SR 170.512]) noch nicht in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts veröffentlicht (was im Lichte von Art. 10 Abs. 1
SR 170.512 Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt (Publikationsgesetz, PublG) - Publikationsgesetz PublG Art. 10 Formelle Berichtigungen - 1 Die Bundeskanzlei berichtigt in der AS sinnverändernde Fehler und Formulierungen, die nicht dem Beschluss der erlassenden Behörde entsprechen: |
|
1 | Die Bundeskanzlei berichtigt in der AS sinnverändernde Fehler und Formulierungen, die nicht dem Beschluss der erlassenden Behörde entsprechen: |
a | in Erlassen des Bundes, mit Ausnahme der Erlasse der Bundesversammlung: in eigener Verantwortung; |
b | in völkerrechtlichen Verträgen und Beschlüssen des internationalen Rechts: im Einvernehmen mit den Vertragspartnern.16 |
2 | Für die Berichtigung von Erlassen der Bundesversammlung gelten die Artikel 57 Absatz 1bis und 58 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200217.18 |
3 | Fehler in Erlassen der Bundesversammlung, die bei der Veröffentlichung entstanden sind, berichtigt die Bundeskanzlei im Einvernehmen mit der Redaktionskommission der Bundesversammlung in der AS.19 |
BGE 125 I 21 S. 36
zu machen, um die Integration der Frauen namentlich im Bereich der Politik zu fördern (Allgemeine Empfehlung Nr. 5, 7. Session, 1988, abgedruckt in: Lars Adam Rehof, Guide to the Travaux Préparatoires of the United Nations Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, Dordrecht/Boston/ London, 1993, S. 308; vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 23. August 1995 betreffend das Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, BBl 1995 IV 934). Das Übereinkommen enthält diesbezüglich aber keine konkrete Verpflichtung, sondern überlässt den Vertragsstaaten die Wahl der Mittel, mit denen sie die Untervertretung von Frauen im politischen und öffentlichen Leben beheben wollen (CHRISTINA HAUSAMMANN/ERIKA SCHLÄPPI: Menschenrechte und Frauenrechte: Das UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und seine Bedeutung für die Schweiz, AJP 1995, S. 32-46, insbes. S. 38 und 44; Botschaft des Bundesrates, BBl 1995 IV S. 941).
5. Die vorliegende Quoteninitiative ist im Lichte der obigen Rechtserörterungen zu prüfen. Sie trifft eine Quotenregelung für: a) Behörden und Kommissionen, die direkt vom Volk gewählt werden; b) Behörden und Kommissionen, die nur indirekt vom Volk gewählt werden; c) Landratswahlen.
Die Zulässigkeit einer Quotierung ist für jede der drei Kategorien einzeln zu prüfen, weil sich unterschiedliche Fragen stellen und nicht überall dieselben Kriterien massgebend sind. a) Abs. 1 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV sieht u.a. eine Quotenregelung für die Organe vor, die vom Volk gewählt werden. Satz 1 statuiert die annähernd hälftige Vertretung beider Geschlechter. Satz 2 schreibt als Minimalziel vor, dass jedes Geschlecht mindestens zu einem Drittel vertreten sein muss. Von dieser Regelung sind die Landratswahlen ausgenommen, für welche ausschliesslich die besonderen Vorschriften der Absätze 2 und 3 gelten. Nach dem in E. 3d/dd Gesagten sind Quotenvorgaben für die Zuteilung von Volkswahl-Mandaten grundsätzlich unzulässig. Dies gilt auch für die von der Wahlchancen-Initiative erfassten Volkswahlen. In dieser Hinsicht sind die politischen Rechte der Beschwerdeführerinnen durch den angefochtenen Entscheid des Landrates nicht verletzt worden. Man kann sich allerdings fragen, ob der erste Satz von Art. 75bis Abs. 1 KV nicht Bestand haben könnte. Die annähernd
BGE 125 I 21 S. 37
paritätische Repräsentation wird lediglich als Ziel formuliert, ohne einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf eine bestimmte Vertretung zu begründen. Dies ist - auch unter dem Blickwinkel der politischen Rechte - mit einer starren Quotenregelung nicht vergleichbar. Wie es sich damit verhält, kann aber vorliegend offen bleiben. Die Zielnorm (Satz 1) und der vorgeschriebene Mindestvertretungsanteil (Satz 2) bilden eine einheitliche Regelung. Erweist sich der eine Teil als verfassungswidrig, macht es wenig Sinn, den anderen Teil zu belassen. Der angefochtene Entscheid ist somit zu schützen, soweit er sich auf Volkswahlen gemäss Art. 75bis Abs. 1 der Wahlchancen-Initiative sowie die dazugehörige Übergangsbestimmung (Abs. 2) bezieht. b) Anders zu beurteilen ist dagegen die Regelung in Art. 75bis Abs. 1, soweit es um die Wahl von Behörden und Kommissionen durch vom Volk gewählte Organe geht. Bei diesen Wahlen wird die Wahl- und Abstimmungsfreiheit nicht berührt. Das Stimmrecht schützt nur diejenigen politischen Rechte, die dem Bürger eine direkte Mitwirkung an der politischen Willensbildung ermöglichen, sei es durch die Unterzeichnung von Referendums- und Initiativbegehren oder durch die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen, nicht aber die besonderen Befugnisse, die einem Bürger als Behörde- oder Parlamentsmitglied zustehen (Bundesgerichtsurteil vom 4. Oktober 1978, publ. im ZBl 80/1979 S. 74 E. 1a mit Hinweisen; vgl. auch GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, a.a.O., S. 315 a.E.). Demzufolge ist aufgrund einer Verhältnismässigkeitsprüfung zu beurteilen, ob die Quotenregelung für Behördenwahlen im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 125 I 21 S. 38
Differenzierungen Raum lässt. Hingegen darf der in Satz 2 garantierte Drittelsanteil nicht unterschritten werden. Die Wahlbehörden können - unter dem Vorbehalt der Mindestvertretungsgarantie - aus nachvollziehbaren Gründen vom allgemeinen Ziel des annähernden Geschlechtergleichgewichts abweichen, so etwa dann, wenn nicht genügend geeignete Kandidatinnen zur Verfügung stehen. Dies kann so weit gehen, dass ein Geschlecht mit zwei Dritteln und das andere mit nur einem Drittel vertreten ist. Es besteht somit nur in Bezug auf die Mindestanteilgarantie eine starre Quote. Diese verunmöglicht keineswegs eine Auswahl nach Leistungs- und Eignungskriterien. Wird die Minimalgrenze von einem Drittel unterschritten, ist dies vielmehr ein Indiz dafür, dass traditionelle Rollenvorstellungen den Ausschlag gegeben haben, deren Überwindung Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 125 I 21 S. 39
Befristung unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit nicht in Betracht gezogen werden muss. Die vorgesehene Übergangslösung verhindert sodann - anders als im Solothurner Quotenfall -, dass Männer auf Jahre hinaus bei Ersatzwahlen nicht berücksichtigt werden könnten und hat somit nicht zur Folge, dass Männern der Zugang zu gewissen Ämtern oder Kommissionen jahrzehntelang versperrt wäre. dd) Insgesamt kann der Quotenregelung für Behördenwahlen die Verhältnismässigkeit nicht abgesprochen werden, so dass sie keine Diskriminierung im Sinn von Art. 4 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 131.214 Verfassung des Kantons Uri, vom 28. Oktober 1984 KV/UR Art. 88 Wahl - 1 Jede Einwohnergemeinde wählt so viele Landräte, als ihr zustehen. Für Gemeinden, denen fünf oder mehr Landräte zustehen, gilt das System der Verhältniswahl, für die übrigen das System der Mehrheitswahl.36 Das Nähere regelt das Gesetz.37 |
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1 | Jede Einwohnergemeinde wählt so viele Landräte, als ihr zustehen. Für Gemeinden, denen fünf oder mehr Landräte zustehen, gilt das System der Verhältniswahl, für die übrigen das System der Mehrheitswahl.36 Das Nähere regelt das Gesetz.37 |
2 | Die 64 Sitze verteilen sich auf die Einwohnergemeinden nach ihrer schweizerischen Wohnbevölkerung gemäss jeweils neuester eidgenössischer Volkszählung. Es gelten folgende Regeln: |
a | Die schweizerische Bevölkerungszahl des Kantons wird durch 64 geteilt. Gemeinden, deren schweizerische Bevölkerungszahl die so ermittelte, auf die nächste ganze Zahl aufgerundete Ziffer nicht überschreitet, erhalten einen Sitz zugeteilt und scheiden für die weitere Zuteilung aus. |
b | Die restlichen Landratssitze werden auf die verbleibenden Gemeinden verteilt, indem die schweizerische Bevölkerungszahl dieser Gemeinden durch die Zahl der verbleibenden Landratssitze geteilt wird. Jede dieser Gemeinden erhält soviel Sitze, als die sich ergebende Ziffer in ihrer Bevölkerungszahl aufgeht. |
c | Die übrigbleibenden Sitze fallen der Reihe nach an die Gemeinden mit den grössten Restzahlen. |
SR 131.214 Verfassung des Kantons Uri, vom 28. Oktober 1984 KV/UR Art. 88 Wahl - 1 Jede Einwohnergemeinde wählt so viele Landräte, als ihr zustehen. Für Gemeinden, denen fünf oder mehr Landräte zustehen, gilt das System der Verhältniswahl, für die übrigen das System der Mehrheitswahl.36 Das Nähere regelt das Gesetz.37 |
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1 | Jede Einwohnergemeinde wählt so viele Landräte, als ihr zustehen. Für Gemeinden, denen fünf oder mehr Landräte zustehen, gilt das System der Verhältniswahl, für die übrigen das System der Mehrheitswahl.36 Das Nähere regelt das Gesetz.37 |
2 | Die 64 Sitze verteilen sich auf die Einwohnergemeinden nach ihrer schweizerischen Wohnbevölkerung gemäss jeweils neuester eidgenössischer Volkszählung. Es gelten folgende Regeln: |
a | Die schweizerische Bevölkerungszahl des Kantons wird durch 64 geteilt. Gemeinden, deren schweizerische Bevölkerungszahl die so ermittelte, auf die nächste ganze Zahl aufgerundete Ziffer nicht überschreitet, erhalten einen Sitz zugeteilt und scheiden für die weitere Zuteilung aus. |
b | Die restlichen Landratssitze werden auf die verbleibenden Gemeinden verteilt, indem die schweizerische Bevölkerungszahl dieser Gemeinden durch die Zahl der verbleibenden Landratssitze geteilt wird. Jede dieser Gemeinden erhält soviel Sitze, als die sich ergebende Ziffer in ihrer Bevölkerungszahl aufgeht. |
c | Die übrigbleibenden Sitze fallen der Reihe nach an die Gemeinden mit den grössten Restzahlen. |
BGE 125 I 21 S. 40
durchblicken lassen, dass die Wahlrechtsgrundsätze Massnahmen der Wahllistengestaltung nicht von vornherein ausschliessen (BGE 123 I 152 E. 6 S. 167 f.). Nominationsquoten wirken sich auf einer anderen Stufe aus als Mandatsquoten. Freilich erfassen die Wahlrechtsgrundsätze auch die Phase der Wahlvorbereitung und mithin das Nominationsverfahren (vgl. BGE 121 I 138 E. 3 S. 141 f. mit Hinweisen). Betroffen sind die passive Wahlgleichheit der Kandidierenden, die Wahlvorschlagsfreiheit der Stimmberechtigten und der Parteien und die Auswahlfreiheit der Stimmenden (s. DENISE BUSER, Verfassungskonforme Quoten für Volkswahl-Mandate, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 187-230, insbes. S. 208). Das Mass der Betroffenheit hängt davon ab, wie das Wahlsystem im Einzelnen ausgestaltet ist. aa) Die Verhältniswahl des Urner Landrates ist im Proporzgesetz vom 3. März 1991 (ProporzG) geregelt. Dieses sieht ein System konkurrierender, freier Listen vor, wie es die meisten schweizerischen Kantone kennen (vgl. PIERRE GARRONE, L'élection populaire en Suisse, Diss. Genève 1991, S. 179 ff.). Wahlvorschläge können von mindestens 15 in der Gemeinde wohnhaften stimmberechtigten Personen eingereicht werden (Art. 2). Sie dürfen höchstens so viele Namen enthalten als in der Gemeinde Landräte zu wählen sind (Art. 4 Abs. 1). Eine stimmberechtigte Person darf nicht mehr als einen Wahlvorschlag unterzeichnen (Art. 6 Abs. 2). Die bereinigten Wahlvorschläge heissen Listen (Art. 12 Abs. 1). Zwei oder mehrere Listen können durch übereinstimmende Erklärungen ihrer Vertreter miteinander verbunden werden (Art. 13 Abs. 1). Wählbar ist nur, wer auf einer Wahlliste steht (Art. 17 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2). Die Gemeinde stellt den Stimmberechtigten neben den Wahllisten auch einen amtlichen Wahlzettel ohne Vordruck zu (Art. 15 Abs. 1 und 2). Darauf kann der Wähler nach Belieben Namen von Kandidaten verschiedener Wahllisten eintragen (Art. 17 Abs. 1). Wähler, die vorgedruckte Wahllisten benutzen, können einzelne Kandidatennamen streichen und Kandidatennamen aus anderen Listen eintragen (panaschieren; vgl. Art. 17 Abs. 2). Art. 17 Abs. 3 ProporzG gestattet, den Namen des gleichen Kandidaten auf dem Wahlzettel zweimal aufzuführen (kumulieren). bb) Die passive Wahlgleichheit kann insofern betroffen sein, als nach Ausschöpfung der Quote auf einer Liste Kandidierende des betreffenden Geschlechts nicht mehr berücksichtigt werden können. Indessen besteht ohne weiteres die Möglichkeit, auf einer anderen
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Liste zu kandidieren. Dies wird dadurch erleichtert, dass schon eine kleine Anzahl Stimmberechtigte einen Wahlvorschlag einreichen kann und das Urner Wahlrecht die Listenverbindung gestattet. Allerdings gibt es in der Regel mehr kandidaturwillige Männer als Frauen. Kandidaturwillige Männer müssen daher unter Umständen eher zurücktreten als mitkonkurrierende Frauen. Die schlechteren Ausgangschancen von Frauen beruhen jedoch zum Teil auf frauenspezifischen Hindernissen (vgl. Bericht der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen: Viel erreicht - wenig verändert? Zur Situation der Frauen in der Schweiz, Bern 1995, S. 48), deren Abbau Nominationsquoten gerade bezwecken. Die Verringerung der Nominierungschancen der Männer ist die notwendige Konsequenz der gewollten Verbesserung der Chancen der Frauen. Nominationsquoten tangieren die passive Wahlgleichheit nach dem Gesagten nur marginal. Desgleichen erfährt die Wahlvorschlagsfreiheit der Stimmberechtigten und der Parteien (Vereinsfreiheit) angesichts der Ausgestaltung des Urner Wahlrechts keine wesentliche Einschränkung. Die Auswahlfreiheit der Stimmenden ist ohnehin durch das System der Listenwahl beschränkt, wonach nur ein gültig nominierter Kandidat wählbar ist. In der Praxis werden die Wahlvorschläge in aller Regel von den Parteien ohne Mitwirkung der übrigen Stimmberechtigten ausgearbeitet. Es lässt sich argumentieren, dass Nominationsquoten, welche die faktische Diskriminierung von Frauen im politischen Bereich durch Vorgaben für das parteiinterne Auswahlverfahren ausgleichen sollen, gerade dadurch eine diskriminationsfreie Auswahl durch die Stimmberechtigten ermöglichen. cc) Wahlvorschlagsquoten sind geeignete Gleichstellungsmassnahmen. Zwar sichern sie dem unterrepräsentierten Geschlecht keine Mandate zu, sie erhöhen aber deren Wahlchancen. Im Wahljahr 1996 zählte der 64-köpfige Landrat nur 10 Landrätinnen, was einem Anteil von 16% entspricht (im Wahljahr 1980: 1; 1984: 2; 1988: 6; 1992: 8). Mit diesem relativ tiefen Anteil lässt sich grundsätzlich die Erforderlichkeit von Wahlvorschlagsquotierungen begründen. Dabei ist, wie bereits gesagt wurde (vgl. oben, E. 5b/bb), ein gewisser Spielraum des kantonalen Verfassungsgebers anzuerkennen.
Bei der Erforderlichkeitsprüfung ist auch die Quotenhöhe zu berücksichtigen. Diese erscheint auf den ersten Blick relativ hoch - in den Proporzgemeinden mit einer geraden Anzahl Landratssitze läuft Art. 75bis Abs. 2 KV auf eine 50%-Quote hinaus. Die Erfahrungen seit 1971 haben jedoch gezeigt, dass die Wahlchancen der
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Frauen schlechter sind als die der Männer (RUTH VOGGENSBERGER, Frauenpartizipation, Wahlaspekte und Quotenregelungen für Kantonsparlamente: eine Annäherung von zwei Seiten, in: Frauenförderung durch Quoten, Hrsg. KATHRIN ARIOLI, Basel/Frankfurt a.M. 1997, S. 231-278, insbes. S. 240 ff.; Bericht der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen: Viel erreicht - wenig verändert, a.a.O., S. 48). Die Wahlvorschlagsquote muss somit, soll sie überhaupt wirksam werden, über der angestrebten Mindestrepräsentation der Frauen und damit nicht weit von der Parität entfernt liegen (vgl. BUSER, Verfassungskonforme Quoten, a.a.O., S. 213; VOGGENSBERGER, a.a.O., S. 262). Es kann daher nicht ohne weiteres gesagt werden, mit einer tieferen Quotenhöhe und somit milderen Massnahme könne das Ziel der Gleichstellungsmassnahme ebenso gut erreicht werden. dd) Angesichts der Ausgestaltung des Wahlsystems und des Umstandes, dass Wahlvorschlagsquoten an sich eine milde Gleichstellungsmassnahme darstellen, kann der Initiative in diesem Punkt die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn nicht abgesprochen werden. Dies gilt umso mehr, als Abs. 3 der Übergangsbestimmungen eine stufenweise Einführung ermöglicht. Insgesamt erscheint Abs. 2 des vorgeschlagenen Art. 75bis KV vor Art. 4 Abs. 2
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6. Im Sinne eines Zwischenergebnisses ist festzuhalten, dass die Quote für Wahlen durch (vom Volk gewählte) Behörden sowie die Wahlvorschlagsquote für die Landratswahlen in den Proporzgemeinden unter dem Blickwinkel von Art. 4 Abs. 2
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IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte UNO-Pakt-II Art. 25 - Jeder Staatsbürger hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen |
|
a | an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen; |
b | bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden; |
c | unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben. |
IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte UNO-Pakt-II Art. 25 - Jeder Staatsbürger hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen |
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a | an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen; |
b | bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden; |
c | unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben. |
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die Beibehaltung ungleicher oder gesonderter Massnahmen zur Folge haben dürfen und aufgehoben werden müssen, sobald die Ziele der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung erreicht sind. Daraus ergibt sich, dass die zeitliche Begrenzung der Massnahmen nicht unbedingt in Form einer Befristung der Gültigkeitsdauer erfolgen muss, sondern es genügt, wenn die Massnahmen aufgehoben werden, sobald sie ihr Ziel erreicht haben. Das gilt insbesondere dann, wenn nicht voraussehbar ist, wieviel Zeit der Abbau der Benachteiligung des unterrepräsentierten Geschlechts in Anspruch nehmen wird (in diesem Sinne auch die Botschaft des Bundesrates vom 17. März 1997 zur Volksinitiative "Für eine gerechte Vertretung der Frauen in den Bundesbehörden", BBl 1987 III S. 584 f., sowie ANDREAS AUER, a.a.O., S. 1346 f.). Auch im vorliegenden Fall kann hierüber keine verlässliche Prognose gemacht werden. Es ist sodann bereits gesagt worden (E. 5b/cc), dass einem relativ tiefen Mindestvertretungsanteil - wie er hier für Behördenwahlen vorgesehen wird - gewissermassen eine zeitliche Limitierung innewohnt. b) Konnte somit auf eine Befristung verzichtet werden, ergibt sich doch aus den genannten internationalen Übereinkommen wie auch aus Art. 4 Abs. 2
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7. a) Nach dem Gesagten erweist sich die Initiative nur teilweise als rechtswidrig: Gegen Art. 4 Abs. 2
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Abs. 1 und 3 - mit Bundesverfassungs- und Völkerrecht vereinbar. Am Initiativtext dargestellt, ergibt sich folgendes Bild, wobei der in Klammern gesetzte Text die Teile umfasst, deren Ungültigerklärung bestätigt worden ist: "1 Alle Behörden und Kommissionen, die (vom Volk gewählt oder) durch gewählte Organe bestimmt werden, sind annähernd je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt. Jedes Geschlecht ist jedoch mindestens zu einem Drittel vertreten. Für den Landrat gelten die Vorschriften der Absätze 2 und 3. 2 Bei den Landratswahlen in Gemeinden, in denen nach Proporzsystem gewählt wird, beträgt die zahlenmässige Differenz zwischen Frauen und Männern auf den gedruckten Wahllisten höchstens eins. 3 (Bei den Landratswahlen in Gemeinden, denen nur ein Sitz zusteht, wird eine Kandidatin oder ein Kandidat gewählt. In Gemeinden mit zwei Sitzen werden je eine Frau und ein Mann gewählt.) Übergangsbestimmungen:
1 Nimmt ein gewähltes Organ Ersatzwahlen für eine Behörde oder Kommission vor, hat jedes Geschlecht Anspruch auf jede zweite Nachfolge, bis das Minimalziel von Artikel 75bis Abs. 1 erfüllt ist. 2 (Bei der ersten nach den Bestimmungen von Artikel 75bis durchgeführten Gesamterneuerungswahl von Behörden oder Kommissionen, die vom Volk im Majorz gewählt werden, gilt folgende Ausnahme: Personen, die bereits bisher Mitglieder der gleichen Behörde oder der gleichen Kommission waren und wiedergewählt werden, gelten auch dann als gewählt, wenn das Ziel von Artikel 75bis noch nicht erfüllt ist.) 3 Bei der ersten Gesamterneuerungswahl des Landrates nach Annahme von Artikel 75bis beträgt in den Gemeinden, in denen nach Proporz gewählt wird, der Anteil jedes Geschlechts auf den gedruckten Wahllisten mindestens je 30 Prozent." b) Im Fall von Teilungültigkeit gebietet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, die Initiative nicht als Ganzes für ungültig zu erklären, sofern vernünftigerweise anzunehmen ist, die Unterzeichner der Initiative hätten den gültigen Teil auch unterzeichnet, wenn er ihnen allein unterbreitet worden wäre. Dies ist dann der Fall, wenn der verbleibende Teil der Initiative nicht von untergeordneter Bedeutung ist, sondern noch ein sinnvolles Ganzes im Sinne der ursprünglichen Stossrichtung ergibt, so dass die Initiative nicht ihres wesentlichen Gehaltes beraubt wird (BGE 121 I 334 E. 2a S. 338; 119 Ia 154 E. 9a S. 165 f. mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall zielen alle von der Initiative vorgesehenen Massnahmen darauf ab, die Repräsentation der Frauen im Landrat sowie in Behörden und Kommissionen zu erhöhen. Auch ohne die vorgesehenen Quoten bei Volkswahlen von Behörden und Kommissionen sowie bei Landratswahlen in Gemeinden
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mit nur zwei Sitzen erscheinen die verbleibenden Massnahmen geeignet, zur Verwirklichung der politischen Gleichstellung der Frauen im Kanton beizutragen. Sie sind auch keineswegs von nur untergeordneter Bedeutung. Das gilt insbesondere für Art. 75bis Abs. 2, werden doch derzeit 50 von 64 Sitzen im Landrat im Proporzwahlsystem besetzt. Unter diesen Umständen ist die Initiative als teilweise gültig zu betrachten und hätte vom Landrat in diesem Umfang zur Abstimmung gebracht werden müssen.