Urteilskopf

124 III 478

83. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. November 1998 i.S. Josef Sidler c Schweizerischer Baumeisterverband, Gewerkschaft Bau und Industrie, Christlicher Holz- und Bauarbeiterverband, Landesverband freier Schweizer Arbeitnehmer (Berufung)
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Sachverhalt ab Seite 479

BGE 124 III 478 S. 479

Josef Sidler (Kläger) reichte im Zusammenhang mit der Ausschreibung von Bauarbeiten in Arbeitsgemeinschaft mit der U. Schaller AG eine Offerte für Baumeisterarbeiten ein. In der Folge ersuchte die Bauherrschaft die paritätische Berufskommission für das Bauhauptgewerbe um Auskunft über die Einhaltung der Bestimmungen des Landesmantelvertrages für das schweizerische Bauhauptgewerbe (LMV). Auf entsprechende Anfrage war der Kläger nicht bereit, der paritätischen Berufskommission Angaben über die dem LMV unterstellten Arbeitnehmer zu machen, worauf diese am 4. Juni 1996 gestützt auf Art. 76 Abs. 3 lit. a LMV beschloss, bei ihm eine Lohnkontrolle durchzuführen. Auf Gesuch der Beklagten verpflichtete das Obergericht (I. Kammer) des Kantons Luzern den Kläger in zweiter Instanz, zwecks Abklärung allfälliger Verletzungen gesamtarbeitsvertraglicher Bestimmungen die Kontrolle durch ein vom Regierungsrat des Kantons Luzern bestelltes Kontrollorgan zu dulden. Dieser Entscheid vom 21. November 1997 ist in Rechtskraft erwachsen. Mit Eingabe vom 19. September 1997 beantragte der Kläger dem Regierungsrat des Kantons Luzern, eine positive Beurteilung des Begehrens auf Betriebskontrolle durch das Obergericht vorausgesetzt, ein unabhängiges Kontrollorgan einzusetzen und Gegenstand sowie Umfang der Kontrolle zu umschreiben. Mit Entscheid vom 28. April 1998 setzte der Regierungsrat das kantonale Einigungsamt als besonderes Kontrollorgan ein und umschrieb den Gegenstand der Kontrolle. Auf die dagegen eingelegte Berufung tritt das Bundesgericht nicht ein.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Der Regierungsrat hat in seiner Rechtsmittelbelehrung auf die Berufung hingewiesen. Soweit ersichtlich hat das Bundesgericht bis anhin die Frage nie entschieden, ob kantonale Entscheide berufungsfähig sind, mit denen ein besonderes Kontrollorgan i.S. von Art. 6
SR 221.215.311 Bundesgesetz vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen
AVEG Art. 6
1    Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt wird, können jederzeit bei der zuständigen Behörde die Einsetzung eines besonderen, von den Vertragsparteien unabhängigen Kontrollorgans an Stelle der im Vertrag vorgesehenen Kontrollorgane verlangen. Dieses Kontrollorgan kann auch auf Antrag der Vertragsparteien eingesetzt werden, wenn sich ein am Vertrag nicht beteiligter Arbeitgeber oder Arbeitnehmer weigert, sich einer Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen.
2    Die zuständige Behörde bestimmt Gegenstand und Umfang der Kontrolle nach Anhörung der Vertragsparteien und des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der die Einsetzung eines besonderen Kontrollorgans verlangt oder der sich geweigert hat, sich der Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen.
3    Die Kontrollkosten gehen zu Lasten des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der eine besondere Kontrolle verlangt oder der sich geweigert hat, sich der Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen; sie können jedoch von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise den Vertragsparteien auferlegt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.
des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG; SR 221.215.311) bezeichnet sowie Gegenstand und Umfang der Kontrolle umschrieben werden. In BGE 118 II 528 f. hat das Bundesgericht lediglich festgehalten, dass der Entscheid über die Anordnung einer Lohnkontrolle mit eidgenössischer Berufung angefochten werden kann, da insoweit über den zivilrechtlichen Anspruch der Parteien eines Gesamtarbeitsvertrages auf Kontrolle gemäss Art. 6
SR 221.215.311 Bundesgesetz vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen
AVEG Art. 6
1    Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt wird, können jederzeit bei der zuständigen Behörde die Einsetzung eines besonderen, von den Vertragsparteien unabhängigen Kontrollorgans an Stelle der im Vertrag vorgesehenen Kontrollorgane verlangen. Dieses Kontrollorgan kann auch auf Antrag der Vertragsparteien eingesetzt werden, wenn sich ein am Vertrag nicht beteiligter Arbeitgeber oder Arbeitnehmer weigert, sich einer Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen.
2    Die zuständige Behörde bestimmt Gegenstand und Umfang der Kontrolle nach Anhörung der Vertragsparteien und des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der die Einsetzung eines besonderen Kontrollorgans verlangt oder der sich geweigert hat, sich der Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen.
3    Die Kontrollkosten gehen zu Lasten des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der eine besondere Kontrolle verlangt oder der sich geweigert hat, sich der Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen; sie können jedoch von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise den Vertragsparteien auferlegt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.
AVEG entschieden wird. Ob sich der
BGE 124 III 478 S. 480

Kläger überhaupt einer Lohnkontrolle zu unterziehen hat, ist vorliegend nicht mehr zu prüfen. Darüber hat das Obergericht am 21. November 1997 bereits rechtskräftig entschieden. Vorliegend geht es noch darum, in Vollstreckung dieses Entscheides das Kontrollorgan zu bestimmen sowie Gegenstand und Umfang der Kontrolle präzise zu umschreiben. Gegenstand des vorliegenden Streites sind weder subjektive Rechte der Parteien noch irgendwelche, unter ihnen bestehende Rechsverhältnisse. Der Regierungsrat hat mit der Einsetzung des Einigungsamtes als besonderem Kontrollorgan und der Konkretisierung des Kontrollgegenstandes erst die Behörde bezeichnet, welche die für die Abklärung einer allfälligen Verletzung des LMV notwendigen Tatsachen feststellen soll. Über allfällige Pflicht- oder Rechtsverletzungen und damit über Ansprüche aus Bundeszivilrecht wird im Rahmen der Kontrolle nicht entschieden; die rechtliche Würdigung der Kontrollergebnisse bleibt - wie bereits im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde aufgezeigt - den hiefür zuständigen Zivilgerichten und allenfalls weiteren Behörden und Gerichten in einem eigenen Verfahren überlassen. Ähnlich der Ernennung einer bestimmten Person als Vormund oder Beistand (BGE 107 II 504 E. 2), der Abberufung eines Willensvollstreckers wegen mangelnder Eignung (ZBJV 131 [1995], 36) oder der Bestimmung von notwendigen baulichen Massnahmen gemäss Art. 647c
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 647c - Unterhalts-, Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten, die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache nötig sind, können mit Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer ausgeführt werden, soweit sie nicht als gewöhnliche Verwaltungshandlungen von jedem einzelnen vorgenommen werden dürfen.
ZGB (BGE 120 II 11 E. 2) liegt auch im vorliegenden Fall keine Zivilrechtsstreitigkeit vor und ist daher auf die Berufung nicht einzutreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 124 III 478
Datum : 02. November 1998
Publiziert : 31. Dezember 1998
Quelle : Bundesgericht
Status : 124 III 478
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Gesamtarbeitsvertrag; Einsetzung eines besonderen Kontrollorgans; Berufungsfähigkeit (Art. 6 Abs. 1 und 2 AVEG; Art. 46 OG).


Gesetzesregister
AVEG: 6
SR 221.215.311 Bundesgesetz vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen
AVEG Art. 6
1    Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt wird, können jederzeit bei der zuständigen Behörde die Einsetzung eines besonderen, von den Vertragsparteien unabhängigen Kontrollorgans an Stelle der im Vertrag vorgesehenen Kontrollorgane verlangen. Dieses Kontrollorgan kann auch auf Antrag der Vertragsparteien eingesetzt werden, wenn sich ein am Vertrag nicht beteiligter Arbeitgeber oder Arbeitnehmer weigert, sich einer Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen.
2    Die zuständige Behörde bestimmt Gegenstand und Umfang der Kontrolle nach Anhörung der Vertragsparteien und des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der die Einsetzung eines besonderen Kontrollorgans verlangt oder der sich geweigert hat, sich der Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen.
3    Die Kontrollkosten gehen zu Lasten des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der eine besondere Kontrolle verlangt oder der sich geweigert hat, sich der Kontrolle des paritätischen Organs zu unterziehen; sie können jedoch von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise den Vertragsparteien auferlegt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.
OG: 46
ZGB: 647c
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 647c - Unterhalts-, Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten, die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache nötig sind, können mit Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer ausgeführt werden, soweit sie nicht als gewöhnliche Verwaltungshandlungen von jedem einzelnen vorgenommen werden dürfen.
BGE Register
107-II-504 • 118-II-528 • 120-II-11 • 124-III-478
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • gesamtarbeitsvertrag • bundesgericht • arbeitnehmer • rechtsverletzung • bg über die allgemeinverbindlicherklärung von gesamtarbeitsverträgen • entscheid • revisionsstelle • gesuch an eine behörde • beklagter • rechtsmittelbelehrung • 1995 • erwachsener • vormund • subjektives recht • zivilrechtlicher anspruch • frage • staatsrechtliche beschwerde • sachverhalt • konkretisierung
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