115 IV 162
37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. August 1989 i.S. A. gegen B. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen.
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. 2 Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. 3 Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. 4 Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe183 bestraft.
1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe183 bestraft. 2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt. - Art. 33
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. 2 Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. 3 Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. 4 Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen.
- Voraussetzungen der Notwehr und Amtspflicht hier verneint (E. 2b und c beziehungsweise E. 2d); ebenso das Vorliegen eines Rechtsirrtums (E. 3).
Regeste (fr):
- Art. 20, 32, 33 et 125 al. 2 CP, § 28 du règlement de service de la police cantonale du canton de Soleure; utilisation d'armes à feu.
- Les art. 33 et 32 CP définissent exhaustivement les conditions de la légitime défense, respectivement du devoir de fonction. En revanche, le contenu du devoir de fonction dépend de l'ensemble du contexte juridique et en particulier du droit cantonal (ici: le règlement de service de la police cantonale). Savoir si un devoir de fonction constitue une circonstance supprimant l'illicéité est une question de droit (consid. 2a).
- In casu, l'existence d'un état de légitime défense ou d'un devoir de fonction n'a pas été admise (consid. 2b et c, respectivement 2d), ni celle d'une erreur de droit (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 20, 32, 33 e 125 cpv. 2 CP, § 28 del regolamento di servizio della polizia cantonale del Cantone di Soletta; uso di armi da fuoco.
- Gli art. 33 e 32 CP regolano esaurientemente le condizioni della legittima difesa e del dovere d'ufficio. Per converso, il contenuto del dovere d'ufficio dipende dall'insieme della disciplina giuridica e, in particolare, dal diritto cantonale (nella fattispecie: il regolamento di servizio della polizia cantonale). È una questione di diritto quella se un dovere d'ufficio costituisca una scriminante (consid. 2a).
- Nel caso concreto è stata negata l'esistenza dei presupposti della legittima difesa o di un dovere d'ufficio (rispettivamente, consid. 2b-c e 2d) e dell'errore di diritto (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 163
BGE 115 IV 162 S. 163
Der Polizeibeamte A. beobachtete in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1982 zusammen mit einem Kollegen den Verkehrsablauf vor dem Hauptbahnhof in Solothurn. Dabei fiel ihnen ein Pontiac auf, der mit hoher Geschwindigkeit herannahte und in einer Kurve ins Schleudern geriet. Mit ihrem als solchem gekennzeichneten Polizeifahrzeug nahmen sie die Verfolgung auf. Nachdem sie das Fahrzeug zunächst aus dem Blickfeld verloren hatten, entdeckten sie es auf dem Areal der AVAG-Tankstelle. Der Pontiac stand mit abgestelltem Motor und gelöschten Lichtern, aber mit weit geöffneten Türen und brennender Innenbeleuchtung im Bereich der östlichen Tanksäule. Daneben beim Notenautomaten standen einige Personen. A. entstieg dem Polizeifahrzeug, das sich bis auf einige Meter genähert hatte, und ging langsam auf die Personengruppe zu. Plötzlich entfernte sich eine Person, sprang in den Pontiac und startete den Motor. A. rannte, die Dienstpistole ziehend, auf die rechte Seite des Wagens, Er hielt die Waffe durch die offene Beifahrertür und rief "halt". In diesem Moment setzte sich der Wagen in Bewegung, aus der Waffe des Polizisten löste sich ein Schuss und verletzte B., den Fahrer des Pontiacs, schwer.
Die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn verurteilte A. am 5. Oktober 1988 wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und versuchter Nötigung zu 14 Tagen Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug. A. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. B. schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Das Obergericht verzichtete auf Gegenbemerkungen, beantragte jedoch ebenfalls Abweisung der Beschwerde.
BGE 115 IV 162 S. 164
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, bei der Waffenhandhabung habe er im Rahmen seiner Amtspflicht gehandelt, weshalb ein Rechtfertigungsgrund gemäss Art. 32
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
BGE 115 IV 162 S. 165
Recht zur Notwehr und zur Notwehrhilfe wie jeder andere Bürger (MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, Band 1, Systematische Einleitung N. 170; REHBERG, a.a.O., 1977 S. 37). Ob sich der Beschwerdeführer auf Notwehr berufen kann oder nicht, ist daher ausschliesslich nach Art. 33
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
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BGE 115 IV 162 S. 166
beziehungsweise er habe dies annehmen dürfen, ist auf seine Beschwerde daher nicht einzutreten. c) Nach dem verbindlich festgestellten Sachverhalt verletzte die Vorinstanz Bundesrecht nicht, wenn sie den Rechtfertigungsgrund der Notwehr verneinte. Dass sie nach dem oben Gesagten (lit. a Abs. 2) zu Unrecht davon ausging, neben Art. 33
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
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1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen. |
3. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Rechtsirrtum gemäss Art. 20
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
BGE 115 IV 162 S. 167
so dass er die qualifizierte Form der Eigensicherung mittels Schusswaffe als verhältnismässig und gesetzeskonform gehalten habe. Ein Rechtsirrtum, d.h. ein Verbotsirrtum (BGE 109 IV 67 mit Hinweisen), ist gegeben, wenn dem Täter das Unrechtsbewusstsein trotz Kenntnis des unrechtsbegründenden Sachverhalts fehlt, wobei sich das Unrechtsbewusstsein gerade auf diejenigen Momente der Tat stützen muss, die sie als rechtlich verboten erscheinen lassen (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, AT I, S. 256, N. 53 f.). Der Beschwerdeführer macht nur geltend, sein Verhalten vor der Schussauslösung beziehungsweise die qualifizierte Form der Eigensicherung, die eine blosse Drohung mit einer Schussabgabe beinhalte, als nicht unrechtmässig betrachtet zu haben. Nicht wegen seines Verhaltens vor der Schussauslösung oder weil er sich selber schützen wollte, wird der Beschwerdeführer (wegen fahrlässiger Körperverletzung) zur Rechenschaft gezogen, sondern weil sich aus seiner Dienstpistole ein Schuss löste, der B. schwer verletzte. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, indem er die Waffe mit dem Finger am Abzug in den Personenwagen gehalten und gegen den Lenker gerichtet habe, sei er der gebotenen Vorsicht nicht nachgekommen (siehe oben E. 1). Dass er seine Sorgfaltspflichtverletzung als nicht unrechtmässig betrachtet habe, behauptet der Beschwerdeführer nicht und es liegt auch auf der Hand, dass er hiefür keine zureichenden Gründe haben konnte. Wenn er einwendet, er habe sich als zur Eigensicherung befugt betrachtet, so beruft er sich überdies nicht auf Rechtsirrtum, sondern auf Sachverhaltsirrtum; dass letzteres nicht zutrifft, wurde bereits dargelegt (E. 2b hievor). Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet.