111 Ib 300
55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. November 1985 i.S. N. und EDI gegen B. und Verwaltungsgericht des Kantons Zug (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 31
FPolG und Art. 1 Abs. 1
und 3
FPolV; Waldfeststellung.
- 1. Ein 900 m2 überschreitender, zwanzigjähriger Fichtenbestand stellt Waldareal im Sinne des Forstpolizeirechts dar. Selbst wenn diese Bestockung 1965 als Christbaumkultur angelegt worden ist, kann sie heute wegen ihres Wachstumsstandes nicht mehr als solche bezeichnet werden (E. 3).
- 2. Die bundesgerichtliche Sachverhaltsabklärung hat ergeben, dass die Fichten in vorbestehendes Waldareal gepflanzt wurden. Die von der Rechtsprechung entwickelte Regel, ein früher nicht bewaldetes Grundstück werde dadurch, dass dort von selbst Waldbäume und -sträucher gewachsen sind, dann nicht zu geschütztem Waldareal, wenn der Eigentümer zur Verhinderung der Bewaldung alles vorgekehrt hat, was unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise von ihm erwartet werden konnte, ist deshalb nicht anwendbar (E. 4).
Regeste (fr):
- Art. 31 LFor et art. 1 al. 1 et 3 OFor; constatation de la nature forestière d'un fonds.
- 1. Un peuplement de sapins de vingt ans et dont la surface dépasse 900 m2 représente une surface forestière au sens de la législation sur la police des forêts. Même s'il a été procédé au boisement en 1965 en vue d'une culture d'arbres de Noël, ce peuplement ne peut plus aujourd'hui, en l'état de sa croissance, être considéré comme tel (consid. 3).
- 2. Selon la jurisprudence, la présence d'arbres ou d'arbustes forestiers ayant crû spontanément sur un fonds précédemment non boisé ne confère pas à ce fonds la qualité de forêt, lorsque le propriétaire a pris toutes les mesures que l'on pouvait raisonnablement attendre de lui, compte tenu des circonstances, pour entraver le processus d'afforestation. Cette règle n'est cependant pas applicable en l'espèce, puisqu'il a été procédé au boisement sur une surface qui était déjà de nature forestière, selon les constatations faites par le Tribunal fédéral (consid. 4).
Regesto (it):
- Art. 31 LVPF, art. 1 cpv. 1 e 3 OVPF; accertamento della natura boschiva di un fondo.
- 1. Un insieme di abeti rossi aventi un'età di venti anni e che occupano un'estensione di 900 mq costituisce una superficie boschiva ai sensi della legislazione sulla polizia delle foreste. Anche se si fosse trattato nel 1965 di una coltivazione di alberi di natale, tale non potrebbe più essere considerato l'insieme degli alberi attuali, a causa delle dimensioni da essi nel frattempo raggiunte (consid. 3).
- 2. Dall'accertamento a cui ha dato luogo il Tribunale federale è risultato che gli abeti rossi sono stati piantati in una superficie che era già in precedenza boschiva. Non è quindi applicabile nella fattispecie la regola giurisprudenziale, secondo cui la presenza di vegetazione boschiva sviluppatasi spontaneamente su di un terreno che ne era precedentemente privo non attribuisce al medesimo la qualità di bosco, ove il proprietario abbia adottato le misure che da lui potessero ragionevolmente attendersi nelle circostanze concrete per impedire il processo d'inselvatichimento (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 301
BGE 111 Ib 300 S. 301
B., dem bereits ein Grundstück am Dorfrand von O. gehörte, kaufte 1969 von der Korporation O. einen Teil des östlich bergaufwärts angrenzenden Landes hinzu und liess beide Flächen zur Parzelle Nr. 186 vereinigen. Er beabsichtigte, auf diesem Grundstück ein Wohnhaus mit Magazin und Werkplatz zu erstellen. Obwohl ein entsprechendes Bauermittlungsgesuch abgewiesen wurde, weil das Projekt Waldareal in Anspruch nehme, begann er im Frühjahr 1980 den Baumbestand abzuholzen. Nachdem das Kantonsforstamt ihm die Weiterführung der Rodung verboten hatte, ersuchte er die Regierung des Kantons Zug um eine Rodungsbewilligung für den rund 920 m2 umfassenden Wald auf der Parzelle Nr. 186. Der Regierungsrat entschied nach Durchführung von Beweismassnahmen am 19. April 1983 und stellte fest, die bestockte Fläche auf der Parzelle Nr. 186 habe als Wald im Sinne der Forstgesetzgebung zu gelten. Er lehnte deshalb das Rodungsgesuch ab und verpflichtete B., die widerrechtlich abgeholzte Fläche wieder aufzuforsten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug hiess eine Beschwerde von B. insofern gut, als es feststellte, die Bestockung auf der Parzelle Nr. 186 stelle keinen Wald im Sinne der Forstgesetzgebung dar. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts führt N. als Nachbar von B. und das EDI Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Beide machen übereinstimmend geltend, die Bestockung auf der Parzelle Nr. 186 habe als Waldareal im Sinne von Art. 1
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BGE 111 Ib 300 S. 302
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
2. Das Verwaltungsgericht ist in seinem Urteil davon ausgegangen, dass die heutige Bestockung auf der Parzelle Nr. 186 aus forstkundlicher Sicht die Voraussetzungen eines Waldes erfüllt. Dem ist zuzustimmen. Der Augenschein hat die unbestrittenen Feststellungen des Regierungsrates bestätigt, dass es sich um eine zusammenhängende Bestockung handelt, die vor allem aus Fichten, Eschen, Ahorn, Kirschbaum und diversen Sträuchern sowie einer entsprechenden Bodenvegetation besteht. Entgegen der Meinung des Beschwerdegegners und des Verwaltungsgerichtes sind aber auch die Voraussetzungen von Art. 1
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3. Für seine Auffassung, es liege kein Wald im Rechtssinne vor, führt das Verwaltungsgericht an, die von der Korporation O. 1965 vorgenommene Fichtenanpflanzung habe der Christbaumgewinnung dienen sollen und gelte daher gemäss Art. 1 Abs. 3
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BGE 111 Ib 300 S. 303
gefällt worden. Diese Feststellung entspricht der Auffassung des Zuger Regierungsrates, der sich seinerseits auf Erkenntnisse seines früheren, seit 1943 im Dienst gestandenen Kantonsoberförsters stützt. Über diesen Befund hat sich das Verwaltungsgericht ohne nähere Erhebungen, namentlich ohne Durchführung einer forstkundlichen Expertise, mit ungenügenden Gründen hinweggesetzt. Es schliesst aus einer Flugaufnahme aus dem Jahre 1965 und aus den Aussagen eines nicht forstkundlichen Gemeinderates auf das Vorhandensein vereinzelter junger Laubbäume und Sträucher und auf das Fehlen einer zusammenhängenden Bestockung, ohne indessen näher geprüft zu haben, in welchem Ausmass damals Laubbäume zugunsten der Fichtenbepflanzung bereits geschlagen waren. Den damaligen Kantonsoberförster hat es nicht befragt. Die Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichtes ist somit offensichtlich unrichtig und unvollständig (Art. 105 Abs. 2
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BGE 111 Ib 300 S. 304
sich vielmehr um eine Aufforstung aus forstwirtschaftlichen Gründen. Die Ausführungen des Experten sind überzeugend; sie erscheinen weder offensichtlich falsch noch lückenhaft, noch widersprüchlich, weshalb für das Bundesgericht kein Anlass besteht, von ihnen abzuweichen (BGE 101 Ib 408 E. 3b/aa). Auch die Parteien haben gegen den Inhalt des Gutachtens keine gewichtigen Argumente vorgebracht. Es steht somit fest, dass das Stampfbord im Bereich der Parzelle Nr. 186 schon vor der Bepflanzung mit Fichten nicht nur mit Einzelbäumen, sondern mit einem geschlossenen Baumbestand von grösserem Ausmass bestockt und somit Waldareal im Sinne der Forstgesetzgebung war. Die Fichtenbepflanzung gegen die Mitte der Sechzigerjahre machte daraus nicht eine Christbaumkultur im Sinne von Art. 1 Abs. 3
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BGE 111 Ib 300 S. 305
Nichtnutzung im Laufe der Jahre Wald geworden wäre. Weder die Korporation noch der Beschwerdegegner haben indessen die Fichtenanpflanzung als Christbaumkultur genutzt.
4. Das Verwaltungsgericht ist sodann unter Hinweis auf BGE 98 Ib 364 ff. der Meinung, der Beschwerdegegner müsse das Heranwachsen der Fichten und deren heutige Erscheinung als Wald nicht gegen sich gelten lassen, da es ihm nicht zuzumuten gewesen sei, die Fichtenbäumchen vor dem Jahre 1980 zu entfernen. Diese Auffassung beruht auf einem Missverständnis der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Nach Art. 1
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BGE 111 Ib 300 S. 306
Fichtensetzlingen. Hätte es sich - entgegen der Erklärung des Experten - nicht um Waldareal gehandelt, so hätte der Beschwerdegegner wie bereits ausgeführt die Freiheit gehabt, durch rechtzeitige Entfernung der jungen Fichten deren Heranwachsen zu Waldbäumen und damit die Entstehung von neuem Waldareal zu verhindern. Der Beschwerdegegner macht nicht geltend, er sei aus finanzieller Not oder aus Mangel an Arbeitskräften von einer rechtzeitigen Ausführung dieser Arbeiten abgehalten worden. Unter diesen Umständen kann nicht mit Grund gesagt werden, der Eigentümer habe zur Verhinderung der Bewaldung alles vorgekehrt, was unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise von ihm erwartet werden durfte. Es war daher verfehlt, die in BGE 98 Ib 364 ff. zum Ausdruck gebrachte Ausnahmeregelung auf den Sachverhalt der Parzelle Nr. 186 anzuwenden. Der Umstand, dass die Korporation O. das Hanggrundstück im Jahre 1969 an B. als Bauland verkaufte, ist für die Waldfeststellung ohne Bedeutung; gehörte es damals zum Waldareal, so blieb es solches ungeachtet des privatrechtlichen Kaufvertrages (BGE 104 Ib 236 E. 2b). Die Meinung der Verkäuferin hinsichtlich der Waldeigenschaft war klarerweise unerheblich. Auch die Stellungnahmen der Gemeindebehörden konnten in dieser Frage zum vornherein nicht massgebend sein. Selbst eine rechtskräftige Einzonung in eine Bauzone hätte an der Waldeigenschaft der Parzelle nichts geändert (BGE 108 Ib 383 E. 2 mit Hinweisen). Zur rechtlichen Qualifikation der Bestockung auf der Parzelle Nr. 186 waren allein die Forstbehörden, nämlich das Kantonsforstamt und der Regierungsrat zuständig. Deren Stellungnahme hat der Beschwerdegegner indessen nicht vor 1974/75 veranlasst, als die Fichten bereits etwa zehnjährig waren. Dass die Strassenplanung und die langjährige Ungewissheit in der Ortsplanung dem Grundeigentümer die Hände gebunden hätten, nimmt das Verwaltungsgericht zu Unrecht an. Auf der Parzelle Nr. 186 stand bereits beim Kauf im Jahre 1969 eine Bestockung, angesichts deren sich die Frage stellen musste, ob es sich um Wald im Sinne von Art. 1
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BGE 111 Ib 300 S. 307
Ansicht des Verwaltungsgerichts ist mit dem Bundesrecht nicht vereinbar.
5. Ist die Bestockung auf der Parzelle Nr. 186 aber nicht nur forstkundlich, sondern auch rechtlich als Waldareal im Sinne von Art. 1
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