Urteilskopf

102 III 85

16. Entscheid vom 22. April 1976 i.S. B.

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 86

BGE 102 III 85 S. 86

A.- Nachdem der über A. in G. eröffnete Konkurs mangels Aktiven eingestellt und innerhalb der am 24. Februar 1976 abgelaufenen Frist von keinem Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens begehrt worden war, erklärte der Gerichtspräsident von H. am 1. März 1976 das Verfahren als geschlossen. Die Kosten legte er den Gläubigern auf, die die Konkurseröffnung verlangt hatten. Mit Verfügung vom 9. März 1976 änderte der Konkursrichter diesen Kostenspruch dahin ab, dass die entstandenen Verfahrenskosten im Betrage von Fr. 4'100.-- aus dem Massavermögen zu beziehen seien und die Konkursgläubiger nur für einen Ausfall aufzukommen hätten. Inzwischen hatte B. für Forderungen gegen A. in der Höhe von insgesamt Fr. 14'885.55 nebst Zins ein Arrestbegehren gestellt, dem die Arrestbehörde von H. mit Arrestbefehl vom 4. März 1976 entsprochen hatte. Der Arrest war am 8. März 1976 vollzogen worden. In die Arresturkunde vom 11. März 1976 nahm das Betreibungsamt H. die vom Gerichtspräsidenten im Zusammenhang mit dem geschlossenen Konkurs über den Arrestschuldner am 9. März 1976 erlassene Kostenverfügung auf.
B.- Gegen die Wiedergabe dieser Verfügung in der Arresturkunde beschwerte sich B. bei der kantonalen Aufsichtsbehörde, welche die Beschwerde am 6. April 1976 abwies.
C.- Diesen Entscheid hat der Arrestgläubiger mit Rekurs an das Bundesgericht weitergezogen. Er stellt den Antrag, es
BGE 102 III 85 S. 87

sei die in der Arresturkunde enthaltene Verfügung des Gerichtspräsidenten von H. aufzuheben.
Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Zur Begründung des Rekurses wird geltend gemacht, das Betreibungsamt habe in der Arresturkunde nicht lediglich zur Orientierung des Arrestgläubigers auf die Verfügung des Gerichtspräsidenten von H. vom 9. März 1976 hingewiesen, wie von der kantonalen Aufsichtsbehörde zu Unrecht angenommen worden sei. Aus dem Wortlaut der Wiedergabe sei vielmehr zu schliessen, dass das Betreibungsamt gewillt sei, der richterlichen Verfügung Folge zu leisten und aus dem Arresterlös vorab den Betrag von Fr. 4'100.-- zur Deckung der Kosten im geschlossenen Konkursverfahren an das Konkursamt weiterzuleiten. Materiell entbehre die in der Arresturkunde wiedergegebene Verfügung jeglicher Grundlage; ein privilegierter Pfändungsanschluss, wie er sich aus dem konkursrichterlichen Entscheid ergebe, sei im Gesetz nirgends vorgesehen. Der Rekurrent ist der Ansicht, dass er bei einem Vollzug jener Verfügung einen Eingriff in seine Rechte erleiden würde, für den jede gesetzliche Grundlage fehle.
2. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung fällt das Beschlagsrecht der Konkursgläubiger am Vermögen des Gemeinschuldners dahin, sobald das mangels Aktiven gestützt auf Art. 230 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 230 - 1 Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
1    Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
2    Das Konkursamt macht die Einstellung öffentlich bekannt. In der Publikation weist es darauf hin, dass das Verfahren geschlossen wird, wenn nicht innert zehn Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens verlangt und die festgelegte Sicherheit für den durch die Konkursmasse nicht gedeckten Teil der Kosten leistet.417
3    Nach der Einstellung des Konkursverfahrens kann der Schuldner während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden.418
4    Die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen leben nach der Einstellung des Konkurses wieder auf. Die Zeit zwischen der Eröffnung und der Einstellung des Konkurses wird dabei für alle Fristen dieses Gesetzes nicht mitberechnet.419
SchKG eingestellte Konkursverfahren geschlossen ist (BGE 90 II 253 mit Hinweisen). Davon geht übrigens auch das Gesetz aus, wenn es in Art. 230 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 230 - 1 Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
1    Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
2    Das Konkursamt macht die Einstellung öffentlich bekannt. In der Publikation weist es darauf hin, dass das Verfahren geschlossen wird, wenn nicht innert zehn Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens verlangt und die festgelegte Sicherheit für den durch die Konkursmasse nicht gedeckten Teil der Kosten leistet.417
3    Nach der Einstellung des Konkursverfahrens kann der Schuldner während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden.418
4    Die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen leben nach der Einstellung des Konkurses wieder auf. Die Zeit zwischen der Eröffnung und der Einstellung des Konkurses wird dabei für alle Fristen dieses Gesetzes nicht mitberechnet.419
SchKG dem Gläubiger die Möglichkeit einräumt, den Schuldner nach der Einstellung des Konkursverfahrens während zwei Jahren auch auf Pfändung zu betreiben. Ein Massavermögen, aus dem die im Konkurs über den heutigen Arrestschuldner erwachsenen Kosten bezogen werden könnten, besteht somit seit Ablauf der Frist für ein allfälliges Begehren um Durchführung des Konkursverfahrens und für die entsprechende Sicherstellung der Kosten nicht mehr. Für die bis zum 24. Februar 1976 entstandenen Kosten haben daher - wie dies im richterlichen Entscheid vom 1. März 1976 zutreffend verfügt worden war - nach Art. 169
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 169 - 1 Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.330
1    Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.330
2    Das Gericht kann von dem Gläubiger einen entsprechenden Kostenvorschuss verlangen.
SchKG die Gläubiger aufzukommen, die das Konkursbegehren gestellt hatten
BGE 102 III 85 S. 88

(vgl. dazu auch BGE 55 III 93 und BGE 64 III 169 E. 1). Etwas anderes ergibt sich auch aus den von der Vorinstanz angeführten Literaturstellen (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, 3. A., N. 2 zu Art. 169
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 169 - 1 Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.330
1    Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.330
2    Das Gericht kann von dem Gläubiger einen entsprechenden Kostenvorschuss verlangen.
und N. 1 Abs. 3 zu Art. 230
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 230 - 1 Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
1    Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
2    Das Konkursamt macht die Einstellung öffentlich bekannt. In der Publikation weist es darauf hin, dass das Verfahren geschlossen wird, wenn nicht innert zehn Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens verlangt und die festgelegte Sicherheit für den durch die Konkursmasse nicht gedeckten Teil der Kosten leistet.417
3    Nach der Einstellung des Konkursverfahrens kann der Schuldner während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden.418
4    Die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen leben nach der Einstellung des Konkurses wieder auf. Die Zeit zwischen der Eröffnung und der Einstellung des Konkurses wird dabei für alle Fristen dieses Gesetzes nicht mitberechnet.419
SchKG) nicht, bezieht sich doch die dort geäusserte Auffassung, die Haftung der Gläubiger sei gegenüber jener des Massavermögens subsidiär, allein auf jene Fälle, in denen der Konkurs durchgeführt wird bzw. das Verfahren noch nicht geschlossen ist. War aber nach dem 24. Februar 1976 ein Massavermögen nicht mehr vorhanden, fiel die richterliche Anweisung vom 9. März 1976, die bis zur Schliessung des Verfahrens erwachsenen Kosten seien aus der Konkursmasse zu beziehen, ins Leere. Die Verfügung kann gar nicht vollzogen werden, weil sie etwas Unmögliches anordnet. Dieser Mangel ist derart offensichtlich und schwerwiegend, dass sie als nichtig zu betrachten ist (vgl. IMBODEN, Der nichtige Staatsakt, S. 138/139; IMBODEN, Nichtige Betreibungshandlungen BlSchK 8/1944, S. 133 ff.; GULDENER, Zwangsvollstreckung und Zivilprozess, ZSR 74 I S. 55; WEISS, Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und Widerruf von Betreibungshandlungen, Zürcher Diss. 1957, S. 19 ff. und 31 ff., insbes. S. 33). Nun können die kantonalen Aufsichtsbehörden und das Bundesgericht im Rekursverfahren nach den Art. 78 ff. OG/19 SchKG allerdings nur nichtige Verfügungen eines Betreibungs- und Konkursamtes jederzeit von Amtes wegen aufheben (vgl. BGE 96 III 118 /119 E. 4b), nicht aber Entscheide des Konkursrichters. Indessen sind auch konkursrichterliche Verfügungen in einem weiteren Sinne als Betreibungshandlungen zu betrachten (vgl. BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 203 ff.; WEISS, a.a.O. S. 1/2). Sind derartige Verfügungen mit einem Nichtigkeitsgrund behaftet, so sind die Betreibungsbehörden befugt und verpflichtet, sie unbeachtet zu lassen, ebenso wie andere Behörden nichtige Anordnungen der Betreibungsämter grundsätzlich als nicht bestehend zu betrachten haben und lediglich dort, wo es die Rechtssicherheit erfordert, gehalten sind, vorerst einen Entscheid der Betreibungsbehörden über die Frage der Nichtigkeit herbeizuführen (BGE 78 III 51, BGE 96 III 119), wozu indes im vorliegenden Fall kein Anlass besteht. Die Verfügung des Gerichtspräsidenten von H. vom 9. März 1976 hätte demnach unbeachtet bleiben sollen und in der Arresturkunde
BGE 102 III 85 S. 89

nicht erwähnt werden dürfen. Das Betreibungsamt H. ist daher anzuhalten, den entsprechenden Hinweis zu streichen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 102 III 85
Datum : 22. April 1976
Publiziert : 31. Dezember 1976
Quelle : Bundesgericht
Status : 102 III 85
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Art. 230 SchKG; Kosten des geschlossenen Verfahrens. Da das Beschlagsrecht der Konkursgläubiger am Vermögen des Gemeinschuldners


Gesetzesregister
SchKG: 169 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 169 - 1 Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.330
1    Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.330
2    Das Gericht kann von dem Gläubiger einen entsprechenden Kostenvorschuss verlangen.
230
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 230 - 1 Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
1    Reicht die Konkursmasse voraussichtlich nicht aus, um die Kosten für ein summarisches Verfahren zu decken, so verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens.416
2    Das Konkursamt macht die Einstellung öffentlich bekannt. In der Publikation weist es darauf hin, dass das Verfahren geschlossen wird, wenn nicht innert zehn Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens verlangt und die festgelegte Sicherheit für den durch die Konkursmasse nicht gedeckten Teil der Kosten leistet.417
3    Nach der Einstellung des Konkursverfahrens kann der Schuldner während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden.418
4    Die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten Betreibungen leben nach der Einstellung des Konkurses wieder auf. Die Zeit zwischen der Eröffnung und der Einstellung des Konkurses wird dabei für alle Fristen dieses Gesetzes nicht mitberechnet.419
BGE Register
102-III-85 • 55-III-92 • 64-III-166 • 78-III-49 • 90-II-247 • 96-III-111
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
nichtigkeit • arresturkunde • betreibungsamt • konkursverfahren • bundesgericht • betreibungshandlung • verfahrenskosten • konkursamt • erwachsener • biene • entscheid • konkursbegehren • arrestbegehren • begründung des entscheids • ausführung • frage • innerhalb • zivilprozess • sachverhalt • mass • bezogener • zwangsvollstreckung • frist • deckung • zins • rechtssicherheit • konkursmasse • weiler • vorinstanz • schuldner • von amtes wegen • arrestbefehl
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BlSchK
1944 S.133