102 II 122
20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1976 i.S. Ringier & Co. AG gegen Annabelle Verlagsgesellschaft und Weltwoche-Verlag Karl von Schumacher & Co. AG.
Regeste (de):
- Markenschutz und unlauterer Wettbewerb.
- 1. Art. 40
OG und Art. 73
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 73 - 1 Der vor dem Richter erklärte oder dem Richter zur Verurkundung im Protokoll eingereichte Vergleich der Parteien und der Abstand einer Partei beenden den Rechtsstreit.
1 Der vor dem Richter erklärte oder dem Richter zur Verurkundung im Protokoll eingereichte Vergleich der Parteien und der Abstand einer Partei beenden den Rechtsstreit. 2 In den gerichtlichen Vergleich können ausserhalb des Prozesses liegende Streitfragen zwischen den Parteien und einer Partei mit Dritten einbezogen werden, sofern es der Beilegung des Prozesses dient. 3 Ist die Einrede erhoben worden, der Anspruch sei nicht fällig oder er sei von einer Bedingung abhängig, oder ist ein Prozessmangel gerügt worden, so kann der Kläger die Klage unter dem Vorbehalt zurücknehmen, sie nach Eintritt der Fälligkeit oder der Bedingung oder nach Behebung des Prozessmangels wieder einzureichen. 4 Gerichtlicher Vergleich und Abstand sind wie das Urteil vollstreckbar. - 2. Art. 6 Abs. 1
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt.
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt.
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 1 - Dieses Gesetz bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten.
- 3. Art. 32 Abs. 1
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 32 Glaubhaftmachung des Gebrauchs - Behauptet der Widerspruchsgegner den Nichtgebrauch der älteren Marke nach Artikel 12 Absatz 1, so hat der Widersprechende den Gebrauch seiner Marke oder wichtige Gründe für den Nichtgebrauch glaubhaft zu machen.
SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
UWG Art. 6 Verletzung von Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen - Unlauter handelt insbesondere, wer Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse, die er ausgekundschaftet oder sonst wie unrechtmässig erfahren hat, verwertet oder andern mitteilt.
Regeste (fr):
- Protection des marques de fabrique et concurrence déloyale.
- 1. Art. 40 OJ et 73 PCF. La déclaration du défendeur de renoncer à poursuivre l'emploi d'une marque ne prive pas d'objet des conclusions tendant à faire constater la violation de droits résultant de l'enregistrement d'une autre marque, si le défendeur conteste néanmoins que ces marques prétent à confusion (consid. 1).
- 2. Art. 6 al. 1 et 3 LMF et art. 1 al. 2 litt. d LCD. Risque de confusion entre les marques "annabelle" et "Annette", se rapportant à des journaux similaires (consid. 2 et 3).
- 3. Art. 32 al. 1 LMF et art. 6 LCD. Publication du jugement (consid. 4).
Regesto (it):
- Protezione delle marche di fabbrica e concorrenza sleale.
- 1. Art. 40
OG e art. 73 PCF. La dichiarazione del convenuto di rinunciare all'ulteriore uso di una marca non rende senza oggetto le conclusioni volte all'accertamento di una violazione di diritto attinenti alla marca, se il convenuto contesta che le marche in questione possano dar luogo a confusione (consid. 1).
- 2. Art. 6 cpv. 1 e 3 LMF e art. 1 cpv. 2 lett. d LCSI. Rischio di confusione tra le marche "annabelle" e "Annette", riferite a riviste simili (consid. 2 e 3).
- 3. Art. 32 cpv. 1 LMF e art. 6 LCSI. Pubblicazione della sentenza (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 123
BGE 102 II 122 S. 123
A.- Die Annabelle Verlagsgesellschaft in Zürich gibt seit über 30 Jahren die Frauenzeitschrift "Annabelle" heraus, die alle 14 Tage erscheint. Die Verlagsrechte gehören der Weltwoche-Verlag Karl von Schumacher & Co. AG in Zürich (abgekürzt Weltwoche-AG). Diese Gesellschaft ist auch Inhaberin der Marken "ANNABELLE" und "annabelle"; letztere ist seit 11. Juli 1966 unter Nr. 218'593 im schweizerischen Markenregister eingetragen und insbesondere für den Gebrauch auf Druckerzeugnissen bestimmt. Die Ringier & Co. AG, Zofingen, erteilte in den Jahren 1971 und 1973 je einem Marktforschungsinstitut den Auftrag, die Aussichten einer neuen Frauenzeitschrift zu prüfen. Die Zeitschrift "Annabelle" spielte bei diesen Prüfungen eine erhebliche Rolle, da sie angeblich den besten Ruf genoss. Vom Oktober 1973 bis Ende 1975 liess die Ringier & Co. AG wöchentlich die Frauenzeitschrift "Annette" erscheinen; dazu kam monatlich eine Sonderausgabe unter dem Namen "Annette extra". Im Dezember 1973 ersuchten die Annabelle Verlagsgesellschaft und die Weltwoche-AG den Richter, der Ringier & Co. AG die Verwendung der Bezeichnung "Annette" oder "Annette extra" vorsorglich bei Strafe zu untersagen. Der Präsident des Handelsgerichtes des Kantons Aargau wies das Gesuch am 29. Januar 1974 ab.
BGE 102 II 122 S. 124
B.- Die Annabelle Verlagsgesellschaft und die Weltwoche-AG klagten daraufhin gegen die Ringier & Co. AG auf Feststellung, dass die Beklagte durch Gebrauch der Bezeichnung "Annette" oder "Annette extra" das Recht der Weltwoche-AG aus der Marke Nr. 218'593 "Annabelle" verletze (Rechtsbegehren 1) und unlauteren Wettbewerb begehe (Rechtsbegehren 2); sie verlangten ferner, der Beklagten diesen Gebrauch unter Strafandrohung zu verbieten (Rechtsbegehren 3) und die Klägerinnen zu ermächtigen, den Urteilsspruch in zwei Frauenzeitschriften ihrer Wahl je einmal zu veröffentlichen (Rechtsbegehren 4). Das Handelsgericht des Kantons Aargau hiess die Klagebegehren am 28. Oktober 1975 gut.
C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerinnen beantragen, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beklagte macht in ihren Ausführungen zur Veröffentlichung des Urteils geltend, die Zeitschrift "Annette" sei nach Ausfällung des angefochtenen Entscheides mit einer anderen Frauenzeitschrift verschmolzen worden und erscheine seit Januar 1976 unter dem Namen "Femina". Den Klägerinnen fehle deshalb ein Interesse an der Feststellung einer Verletzung und ihr Anspruch auf Unterlassung sei gegenstandslos geworden. Dieser Einwand geht fehl. Das Berufungsbegehren vom 21. Januar 1976 lautet auf Abweisung der Klage in vollem Umfange. In der Berufungsbegründung beharrt die Beklagte auf ihrem Standpunkt, dass zwischen den streitigen Zeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe, folglich weder von einer Markenrechtsverletzung noch von unlauterem Wettbewerb die Rede sein könne. Sie versucht die gegenteilige Auffassung des Handelsgerichtes denn auch bis ins einzelne zu Widerlegen und hält "Annette" für ein zulässiges Zeichen. Angesichts dieses prozessualen Verhaltens der Beklagten haben die Klägerinnen unbekümmert darum, dass die Zeitschrift "Annette" seit anfangs 1976 unter einem anderen Namen erscheint, auch im Berufungsverfahren noch ein schützenswertes Interesse am
BGE 102 II 122 S. 125
Entscheid darüber, ob ihre Klagebegehren begründet sind. Anders verhielte es sich nur, wenn die Beklagte die Begehren der Klägerinnen in der Berufungsschrift wenigstens teilweise anerkannt oder sich ihnen gegenüber verpflichtet hätte, die Bezeichnungen "Annette" und "Annette extra" inskünftig nicht mehr zu verwenden, was gemäss Art. 40
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SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 73 - 1 Der vor dem Richter erklärte oder dem Richter zur Verurkundung im Protokoll eingereichte Vergleich der Parteien und der Abstand einer Partei beenden den Rechtsstreit. |
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1 | Der vor dem Richter erklärte oder dem Richter zur Verurkundung im Protokoll eingereichte Vergleich der Parteien und der Abstand einer Partei beenden den Rechtsstreit. |
2 | In den gerichtlichen Vergleich können ausserhalb des Prozesses liegende Streitfragen zwischen den Parteien und einer Partei mit Dritten einbezogen werden, sofern es der Beilegung des Prozesses dient. |
3 | Ist die Einrede erhoben worden, der Anspruch sei nicht fällig oder er sei von einer Bedingung abhängig, oder ist ein Prozessmangel gerügt worden, so kann der Kläger die Klage unter dem Vorbehalt zurücknehmen, sie nach Eintritt der Fälligkeit oder der Bedingung oder nach Behebung des Prozessmangels wieder einzureichen. |
4 | Gerichtlicher Vergleich und Abstand sind wie das Urteil vollstreckbar. |
2. Die Beklagte hat die Zeichen "Annette" und "Annette extra" nicht als Marken eintragen lassen. Das schliesst eine Verletzung von älteren Drittrechten indes nicht aus, wenn die Zeichen, wie dies hier geschehen ist, tatsächlich wie Marken gebraucht worden sind. Die Beklagte wendet dagegen mit Recht nichts ein. Sie bestreitet auch nicht, dass ihre Zeichen und die Marke "annabelle" der Weltwoche-AG sich auf gleichartige Erzeugnisse, nämlich auf Zeitschriften bezogen haben, mögen diese in ihrer äusseren Aufmachung auch voneinander abgewichen sein; die Beklagte anerkannte vielmehr schon im kantonalen Verfahren, dass wegen der Gleichartigkeit der Ware ein strenger Massstab anzulegen ist (vgl. BGE 84 II 319 /20, BGE 96 II 404 Erw. 2 mit Zitaten). Ihre Zeichen wären daher nur zulässig, wenn sie sich durch wesentliche Merkmale von demjenigen der Weltwoche-AG unterschieden (Art. 6 Abs. 1
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
BGE 102 II 122 S. 126
der Beklagten in weiten Kreisen der Bevölkerung bekannt ist, mag die angehängte Bildungssilbe auch aus der französischen Sprache stammen. Das fremde Suffix -ette kommt nicht nur bei französischen Vornamen (z.B. Jeanne/Jeannette, Georges/Georgette, Antoine/Antoinette), sondern als Verkleinerungsform auch im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch oft vor (z.B. Kasse/Kassette, Oper/Operette, Zigarre/Zigarette), ohne dass das abgeleitete Wort seine Beziehung zum Grundwort verliert. Angesichts dieser inneren Beziehung können hier in den übrigen Unterschieden zwischen den streitigen Zeichen keine wesentlichen Merkmale im Sinne von Art. 6 Abs. 1
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
Da die streitigen Zeichen auf einem gemeinsamen Frauennamen beruhen, schliesst das Handelsgericht zudem mit Recht, dass sie den Eindruck von Serienzeichen erwecken. Wer sie hört oder liest, kann leicht auf den Gedanken kommen, dass die Erzeugnisse, die sie kennzeichnen, aus dem gleichen Verlag stammen oder doch Waren von zwei Unternehmen seien, die wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind. Diese Täuschungsgefahr wird auch durch das Zeichen "Annette extra" nicht vermindert, sondern noch gefördert. Ob die Beklagte bewusst auf eine Nachahmung der Marke "annabelle" ausgegangen sei, was die Klägerinnen ihr unter Hinweis auf die Empfehlungen der beiden Markforschungsinstitute
BGE 102 II 122 S. 127
schon in der Klage vorgeworfen haben, das Handelsgericht aber bezweifelt, kann offen bleiben; die Verwechslungsgefahr ist unabhängig davon zu prüfen, ob der Inhaber des späteren Zeichens bei dessen Wahl gut- oder bösgläubig gehandelt habe (BGE 78 II 383, BGE 82 II 541). Immerhin ist zu bemerken, dass der Verdacht einer beabsichtigten Angleichung nach den umfangreichen Vorbereitungen der Beklagten nahe liegt, diese folglich auch deswegen nicht im Ernst behaupten kann, dass sich ihre Zeichen durch wesentliche Merkmale von der Marke der Weltwoche-AG unterschieden. Das Handelsgericht räumt denn auch ein, die Beklagte habe die Möglichkeit erkannt, dass die beiden Namen zu Verwechslungen führen könnten.
3. Liegt Verwechslungsgefahr nach Art. 6
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
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SR 241 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) UWG Art. 1 - Dieses Gesetz bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten. |
4. Die Beklagte beanstandet, dass das Handelsgericht die Klägerinnen ermächtigt, den Urteilsspruch in zwei Frauenzeitschriften ihrer Wahl zu veröffentlichen. Sie macht geltend, die Vorinstanz verkenne, dass auch die Klägerinnen an die Depeschenagentur gelangten und dadurch den Streit in der Öffentlichkeit weiter behandelten. Von weit grösserer Bedeutung sei jedoch die bereits im September 1975 erschienene Pressemitteilung,
BGE 102 II 122 S. 128
wonach die Zeitschrift "Annette" von 1976 an in die "Femina" aufgenommen werden sollte. Das Handelsgericht hält der Beklagten indes mit Recht vor, dass sie den Streit als erste in die Öffentlichkeit getragen hat, weshalb sich die Publikation des Urteilsspruches aufdränge. Dazu kommt, dass der Beklagten im Entscheid über die vorsorgliche Massnahme ausdrücklich nahegelegt wurde, angesichts der nicht geringen Prozessrisiken auf die weitere Verwendung der Zeichen zu verzichten. Sie tat das jedoch nicht, sondern machte den Streit reklamehalber öffentlich bekannt. Das rechtfertigt die Veröffentlichung des Urteilsspruches. Das Interesse der Klägerinnen an dieser Massnahme wurde durch das Zusammenlegen der Zeitschriften "Annette" und "Femina" nicht aufgehoben; denn die Beklagte hielt die klägerischen Begehren unbekümmert darum für unbegründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 28. Oktober 1975 bestätigt.