Urteilskopf

101 II 86

18. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Juni 1975 i.S. Michael gegen Brandenberger.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 86

BGE 101 II 86 S. 86

A.- Frau Michael hat von Brandenberger an der Kalchbühlstrasse 79 in Zürich eine Dreizimmerwohnung gemietet, für die sie monatlich Fr. 450.-- Zins bezahlt. Als Brandenberger
BGE 101 II 86 S. 87

die Wohnung mit Schreiben vom 28. September 1972 auf den 31. März 1973 kündigte, stellte sie beim Mietgericht des Bezirkes Zürich am 23. Oktober 1972 das Begehren, das Mietverhältnis um ein Jahr, d.h. bis Ende März 1974 zu erstrecken. Mit Urteil vom 30. Januar 1974, das am 1. März 1974 zugestellt wurde, entsprach das Mietgericht diesem Begehren und setzte der Klägerin für den Fall, dass sie ein zweites Erstreckungsbegehren einreichen wollte, zehn Tage Frist ab schriftlicher Mitteilung des Entscheides. Ein Rekurs Brandenbergers gegen dieses Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 10. April 1974 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. Es hielt die Fristansetzung durch das Mietgericht rechtlich für unbeachtlich.
B.- Mit Eingabe vom 1. März 1974 beantragte Frau Michael dem Mietgericht, das Mietverhältnis um zwei weitere Jahre zu erstrecken. Durch Beschluss vom 5. Juni 1974 stellte das Mietgericht ihr die Klagefrist, die gemäss Art. 267a Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
OR am 31. Januar 1974 abgelaufen war, wieder her. Am 10. Oktober 1974 wies es sodann das zweite Erstreckungsbegehren ab, weil die Klägerin sich nicht genügend um eine andere Wohnung bemüht habe. Die Klägerin erhob Rekurs, den das Obergericht mit Beschluss vom 27. Februar 1975 abwies. Es hielt die Klage gemäss Art. 267a Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
OR für verspätet und eine Wiederherstellung der Frist wegen Verschuldens des klägerischen Vertreters für unzulässig.
C.- Die Klägerin hat gegen diesen Beschluss Berufung eingelegt. Sie beantragt, ihn aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Beschluss.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Sind die Voraussetzungen gemäss Art. 267a Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
und 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
OR gegeben, so kann der Richter das Mietverhältnis über eine Wohnung auf Begehren des Mieters das erste Mal um höchstens ein Jahr und das zweite Mal um höchstens zwei weitere Jahre erstrecken. Das erste Begehren ist innert dreissig Tagen seit Empfang der Kündigung, das zweite spätestens sechzig Tage vor Ablauf der Dauer zu stellen, um die das
BGE 101 II 86 S. 88

Mietverhältnis auf das erste Begehren hin verlängert worden ist. Es handelt sich dabei, was von keiner Seite bestritten wird, um Verwirkungsfristen. Die Vorschriften über den Stillstand und die Unterbrechung der Verjährung (Art. 134
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 134 - 1 Die Verjährung beginnt nicht und steht still, falls sie begonnen hat:
1    Die Verjährung beginnt nicht und steht still, falls sie begonnen hat:
1  für Forderungen der Kinder gegen die Eltern bis zur Volljährigkeit der Kinder;
2  für Forderungen der urteilsunfähigen Person gegen die vorsorgebeauftragte Person, solange der Vorsorgeauftrag wirksam ist;
3  für Forderungen der Ehegatten gegeneinander während der Dauer der Ehe;
3bis  für Forderungen von eingetragenen Partnerinnen oder Partnern gegeneinander, während der Dauer ihrer eingetragenen Partnerschaft;
4  für Forderungen der Arbeitnehmer, die mit dem Arbeitgeber in Hausgemeinschaft leben, gegen diesen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses;
5  solange dem Schuldner an der Forderung eine Nutzniessung zusteht;
6  solange eine Forderung aus objektiven Gründen vor keinem Gericht geltend gemacht werden kann;
7  für Forderungen des Erblassers oder gegen diesen, während der Dauer des öffentlichen Inventars;
8  während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder anderer Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, sofern die Parteien dies schriftlich vereinbaren.
2    Nach Ablauf des Tages, an dem diese Verhältnisse zu Ende gehen, nimmt die Verjährung ihren Anfang oder, falls sie begonnen hatte, ihren Fortgang.
3    Vorbehalten bleiben die besondern Vorschriften des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes.
und 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
OR) sind auf solche Fristen nicht anwendbar, und der Richter kann sie grundsätzlich weder verlängern noch wiederherstellen, wenn sie versäumt worden sind (BGE 95 II 269, BGE 98 II 181, BGE 99 II 168). Vereinzelt sieht das Bundesrecht freilich selbst eine Wiederherstellung vor, wenn die Säumnis unverschuldet ist. Das ist z.B. nach Art. 257
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 257 - 1 Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
1    Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
2    Wird diese Vermutung beseitigt, so gilt der erste Ehemann als Vater.
ZGB, Art. 45 Abs. 3
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 45
1    Ist vereinbart worden, dass der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte wegen Verletzung einer Obliegenheit von einem Rechtsnachteil betroffen wird, so tritt dieser Nachteil nicht ein, wenn:
a  die Verletzung den Umständen nach als eine unverschuldete anzusehen ist; oder
b  der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der vom Versicherungsunternehmen geschuldeten Leistungen gehabt hat.85
2    Die wegen Zahlungsunfähigkeit des Prämienschuldners versäumte Prämienzahlung gilt nicht als unverschuldet.
3    Wo der Vertrag oder dieses Gesetz den Bestand eines Rechtes aus der Versicherung an die Beobachtung einer Frist knüpft, ist der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte befugt, die ohne Verschulden versäumte Handlung sofort nach Beseitigung des Hindernisses nachzuholen.
VVG und nach Art. 47
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 47
1    Vermag der Patentbewerber oder Patentinhaber glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer durch das Gesetz oder die Vollziehungsverordnung vorgeschriebenen oder vom IGE angesetzten Frist verhindert wurde, so ist ihm auf sein Gesuch hin Wiedereinsetzung in den früheren Stand zu gewähren.
2    Das Gesuch ist innert zwei Monaten seit dem Wegfall des Hindernisses, spätestens aber innert eines Jahres seit dem Ablauf der versäumten Frist bei der Behörde einzureichen, bei welcher die versäumte Handlung vorzunehmen war; gleichzeitig ist die versäumte Handlung nachzuholen.
3    Eine Wiedereinsetzung ist nicht zulässig im Fall von Absatz 2 hievor (Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch).
4    Wird dem Gesuch entsprochen, so wird dadurch der Zustand hergestellt, welcher bei rechtzeitiger Handlung eingetreten wäre; vorbehalten bleibt Artikel 48.
PatG der Fall. Solche Ausnahmebestimmungen dürfen jedoch nicht analog auf andere Verhältnisse angewendet werden; sie gelten nur für Fälle, für die sie ausdrücklich vorgesehen sind (BGE 45 II 238; HEGNAUER, N. 21 ff. zu Art. 308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
ZGB; BÜHLER, Einl. zu Art. 137 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
. ZGB N. 62 ff.). Als Ausnahmebestimmung ist ferner die dem Verjährungsrecht angehörende Regel über eine Nachfrist bei Rückweisung der Klage zu betrachten (Art. 139
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 139 - Haften mehrere Schuldner solidarisch, so verjährt der Regressanspruch jenes Schuldners, der den Gläubiger befriedigt hat, mit Ablauf von drei Jahren vom Tage an gerechnet, an welchem er den Gläubiger befriedigt hat und den Mitschuldner kennt.
OR). Gewiss ist diese Regel aus Gründen der Billigkeit von der Rechtsprechung sinngemäss auch auf Klagefristen des Bundesrechts angewendet worden (BGE 89 II 307, 93 II 369, BGE 96 III 95, BGE 98 II 183). Sie setzt jedoch voraus, dass innert der Frist geklagt worden ist, wenn auch beim unzuständigen Richter oder in mangelhafter Form. Das trifft hier nicht zu. Nach der Rechtsprechung gilt sodann die Einrede eines Beklagten, die Klagefrist sei versäumt worden, als missbräuchlich im Sinne von Art. 2 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB, wenn er die Säumnis arglistig herbeigeführt oder dem Kläger durch sein Verhalten sonst Anlass gegeben hat, von einer rechtzeitigen Klage abzusehen (BGE 83 II 98; MERZ, N. 407 ff. zu Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB). Ein solcher Fall liegt hier ebenfalls nicht vor. Das Obergericht hält bei Verwirkungsfristen eine Wiederherstellung nach Prozesessrecht für möglich, hat diese im vorliegenden Fall aber abgelehnt, weil die strengen Voraussetzungen von Art. 35
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
OG und § 221 des zürch. Gerichtsverfassungsgesetzes nicht erfüllt seien. Art. 35
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
OG gilt indes nur für prozessuale, nicht auch für Fristen des materiellen Rechts (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 38; vgl. BGE 79 IV 44, BGE 81 III 83). Ebensowenig kann für den Fall, dass eine vom Bundesrecht vorgesehene Klagefrist versäumt wird, etwas darauf ankommen, ob und unter welchen Voraussetzungen das kantonale
BGE 101 II 86 S. 89

Prozessrecht eine Wiederherstellung zulässt. Das Bundesrecht kennt diese, ausser in den hiervor erwähnten Sonderfällen, selbst dann nicht, wenn eine Klagefrist unverschuldet versäumt worden ist. Das ist auch bei Erstreckungsbegehren gemäss Art. 267a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
OR zu beachten. Bei dieser allgemeinen Rechtslage kann offen bleiben, ob der Vertreter der Klägerin die Klagefrist schuldhaft versäumt habe, was vom Obergericht bejaht, vom Anwalt aber bestritten wird. Zu bemerken ist immerhin, dass diesem bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit weder die gesetzliche Klagefrist für das zweite Erstreckungsbegehren noch deren Vorrang gegenüber einer richterlichen Nachfrist entgehen konnte (vgl. BGE 92 I 217).
3. Das Gesetz legt den äussersten Termin für beide Erstreckungsbegehren in Art. 267a Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
OR selber fest; er ist im ersten Fall selbst bei vorzeitiger Kündigung durch den Vermieter (vgl. BGE 99 II 169 /70), im zweiten auch dann einzuhalten, wenn der Entscheid über das erste Begehren noch aussteht. Fällt dieser Entscheid negativ aus, so wird eine schon vorher erhobene zweite Klage auf Erstreckung des Mietverhältnisses allerdings gegenstandslos. Das kann dem Gesetzgeber aber nicht entgangen sein, zumal es nicht aussergewöhnlich ist, dass eine Partei z.B. vorsorglich Klage einreicht, Betreibung einleitet, ein Rechtsmittel ergreift oder ein Vertragsverhältnis kündigt und die damit verbundenen Kosten in Kauf nimmt, um ihre Rechte jedenfalls wahren zu können. Dass die Frist für das zweite Begehren bereits vor dem Entscheid über das erste ablaufen kann, wenn dieser Entscheid wegen Verzögerung des Verfahrens erst gegen Ende der beantragten Verlängerung gefällt wird, ist eine Folge der starren gesetzlichen Regelung, die aber nicht bloss vom Mieter, sondern auch vom Richter zu beachten ist. Unklarheiten können sich freilich ergeben, wenn der Richter das Mietverhältnis auf das erste Begehren hin um weniger als die beantragte Höchstdauer von einem Jahr verlängert, weil sich diesfalls der letzte Tag der Frist für das zweite Begehren nicht zum vorneherein ermitteln lässt. Die Klägerin wendet denn auch ein, sie habe Ende Januar 1974 noch nicht wissen können, in welchem Ausmass ihrem ersten Gesuch entsprochen werde. Eine solche Unklarheit bestand hier jedoch nicht. Von der einjährigen Verlängerung, welche die Klägerin
BGE 101 II 86 S. 90

mit dem ersten Begehren verlangte, waren damals bereits zehn Monate abgelaufen. Sie konnte deshalb den 31. Januar 1974 als den äussersten Termin erkennen und musste ihn beachten, wenn sie das Klagerecht nicht verwirken wollte. Ebensowenig hilft der Klägerin, dass das Mietgericht ihr im Urteil vom 30. Januar 1974 eine Nachfrist von zehn Tagen angesetzt hat. Sie hat das Urteil erst am 1. März 1974 erhalten, die gesetzliche Klagefrist folglich nicht im Vertrauen auf eine unrichtige Rechtsbelehrung verstreichen lassen. Nach dem klaren Wortlaut des Art. 267a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
OR konnte das Mietverhältnis erstmals höchstens bis 31. März 1974 verlängert (Abs. 1) und musste das zweite Begehren spätestens sechzig Tage vorher, also bis 31. Januar 1974 gestellt werden (Abs. 3). Diese Lösung ist auch sachlich gerechtfertigt, da sie klare Verhältnisse schafft und im Interesse der Rechtssicherheit liegt. Stellt der Mieter in Fällen wie hier sechzig Tage vor Ablauf der beantragten Verlängerung kein zweites Gesuch, so soll der Vermieter selbst dann nicht mit einem zweiten Gesuch rechnen müssen, wenn der Entscheid über das erste noch aussteht. Andernfalls würde der Vermieter durch die gesetzliche Regelung, die für Wohnungen nur zwei Erstreckungsmöglichkeiten von insgesamt drei Jahren vorsieht, irregeführt, was zu neuen Auseinandersetzungen führen müsste. Diese Gefahr bestände namentlich dann, wenn der Mieter die gesetzliche Frist für das zweite Erstreckungsbegehren unbenützt verstreichen lässt, der Vermieter aber die Wohnung deswegen bereits an einen Dritten vermietet. Solche Auswirkungen lassen sich nur vermeiden, wenn auch in Fällen wie dem vorliegenden auf den Wortlaut des Art. 267a Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
OR abgestellt wird (vgl. BGE 99 II 170).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 101 II 86
Datum : 04. Juni 1975
Publiziert : 31. Dezember 1976
Quelle : Bundesgericht
Status : 101 II 86
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 267a Abs. 3 OR; Erstreckung des Mietverhältnisses. 1. Der Richter kann die Klagefristen dieser Bestimmung grundsätzlich


Gesetzesregister
OG: 35
OR: 134 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 134 - 1 Die Verjährung beginnt nicht und steht still, falls sie begonnen hat:
1    Die Verjährung beginnt nicht und steht still, falls sie begonnen hat:
1  für Forderungen der Kinder gegen die Eltern bis zur Volljährigkeit der Kinder;
2  für Forderungen der urteilsunfähigen Person gegen die vorsorgebeauftragte Person, solange der Vorsorgeauftrag wirksam ist;
3  für Forderungen der Ehegatten gegeneinander während der Dauer der Ehe;
3bis  für Forderungen von eingetragenen Partnerinnen oder Partnern gegeneinander, während der Dauer ihrer eingetragenen Partnerschaft;
4  für Forderungen der Arbeitnehmer, die mit dem Arbeitgeber in Hausgemeinschaft leben, gegen diesen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses;
5  solange dem Schuldner an der Forderung eine Nutzniessung zusteht;
6  solange eine Forderung aus objektiven Gründen vor keinem Gericht geltend gemacht werden kann;
7  für Forderungen des Erblassers oder gegen diesen, während der Dauer des öffentlichen Inventars;
8  während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder anderer Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, sofern die Parteien dies schriftlich vereinbaren.
2    Nach Ablauf des Tages, an dem diese Verhältnisse zu Ende gehen, nimmt die Verjährung ihren Anfang oder, falls sie begonnen hatte, ihren Fortgang.
3    Vorbehalten bleiben die besondern Vorschriften des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes.
135 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen:
1  durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung;
2  durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs.
139 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 139 - Haften mehrere Schuldner solidarisch, so verjährt der Regressanspruch jenes Schuldners, der den Gläubiger befriedigt hat, mit Ablauf von drei Jahren vom Tage an gerechnet, an welchem er den Gläubiger befriedigt hat und den Mitschuldner kennt.
267a
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 267a - 1 Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
1    Bei der Rückgabe muss der Vermieter den Zustand der Sache prüfen und Mängel, für die der Mieter einzustehen hat, diesem sofort melden.
2    Versäumt dies der Vermieter, so verliert er seine Ansprüche, soweit es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung nicht erkennbar waren.
3    Entdeckt der Vermieter solche Mängel später, so muss er sie dem Mieter sofort melden.
PatG: 47
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 47
1    Vermag der Patentbewerber oder Patentinhaber glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer durch das Gesetz oder die Vollziehungsverordnung vorgeschriebenen oder vom IGE angesetzten Frist verhindert wurde, so ist ihm auf sein Gesuch hin Wiedereinsetzung in den früheren Stand zu gewähren.
2    Das Gesuch ist innert zwei Monaten seit dem Wegfall des Hindernisses, spätestens aber innert eines Jahres seit dem Ablauf der versäumten Frist bei der Behörde einzureichen, bei welcher die versäumte Handlung vorzunehmen war; gleichzeitig ist die versäumte Handlung nachzuholen.
3    Eine Wiedereinsetzung ist nicht zulässig im Fall von Absatz 2 hievor (Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch).
4    Wird dem Gesuch entsprochen, so wird dadurch der Zustand hergestellt, welcher bei rechtzeitiger Handlung eingetreten wäre; vorbehalten bleibt Artikel 48.
VVG: 45
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 45
1    Ist vereinbart worden, dass der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte wegen Verletzung einer Obliegenheit von einem Rechtsnachteil betroffen wird, so tritt dieser Nachteil nicht ein, wenn:
a  die Verletzung den Umständen nach als eine unverschuldete anzusehen ist; oder
b  der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der vom Versicherungsunternehmen geschuldeten Leistungen gehabt hat.85
2    Die wegen Zahlungsunfähigkeit des Prämienschuldners versäumte Prämienzahlung gilt nicht als unverschuldet.
3    Wo der Vertrag oder dieses Gesetz den Bestand eines Rechtes aus der Versicherung an die Beobachtung einer Frist knüpft, ist der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte befugt, die ohne Verschulden versäumte Handlung sofort nach Beseitigung des Hindernisses nachzuholen.
ZGB: 2 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
137  257 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 257 - 1 Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
1    Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269
2    Wird diese Vermutung beseitigt, so gilt der erste Ehemann als Vater.
308
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 308 - 1 Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
1    Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.
2    Sie kann dem Beistand besondere Befugnisse übertragen, namentlich die Vertretung des Kindes bei der Feststellung der Vaterschaft, bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruches und anderer Rechte und die Überwachung des persönlichen Verkehrs.413
3    Die elterliche Sorge kann entsprechend beschränkt werden.
BGE Register
101-II-86 • 45-II-235 • 79-IV-42 • 81-III-81 • 83-II-93 • 89-II-304 • 92-I-213 • 93-II-367 • 95-II-255 • 96-III-93 • 98-II-176 • 99-II-167
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
klagefrist • frist • tag • mietgericht • weiler • termin • erstreckung des mietverhältnisses • maler • monat • entscheid • verwirkung • dauer • rechtsmittel • bundesrechtspflegegesetz • gesuch an eine behörde • fristerstreckung • fristwiederherstellung • schutzmassnahme • beklagter • sachverhalt
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