Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer: BE.2018.14
Beschluss vom 18. Januar 2019 Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz, Andreas J. Keller und Stephan Blättler, Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja
Parteien
Eidgenössische Spielbankenkommission, Gesuchstellerin
gegen
A., vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Hasler, Gesuchsgegner
Gegenstand
Entsiegelung (Art. 50 Abs. 3

Sachverhalt:
A. Aufgrund eines anonymen Hinweises, dass im „Lokal B.“ in Z. Serviceangestellte ohne Aufenthaltsbewilligung arbeiten und illegale Glücksspiele betrieben würden, führte die Kantonspolizei Solothurn am 25. Juni 2018 in den besagten Räumlichkeiten eine Kontrolle durch. Anlässlich dieser Kontrolle wurden zwei Glücksspielapparate (U6318 und U6319) und vier Laptops mit mutmasslich darauf installierten Glücksspielen sichergestellt.
B. Am 29. August 2018 wurde A. als Inhaber der Betriebsbewilligung für das „Lokal B.“ von der Kantonspolizei Solothurn einvernommen, da er anlässlich der Hausdurchsuchung vom 25. Juni 2018 weder im Lokal anzutreffen gewesen sei noch habe vor Ort beordert werden können. Anlässlich dieser Einvernahme wurde A. eine Kopie des Hausdurchsuchungsbefehls, des Durchsuchungsprotokolles und des Verzeichnisses der sichergestellten Gegenstände abgegeben und ihm die Rechtsmittelbelehrung zur Durchsuchung und Siegelung eröffnet. Darauf verlangte er die Siegelung sämtlicher sichergestellten Gegenstände (act. 1.1; 1.2; 1.9 – 11).
C. Am 3. September 2018 erstattete die Kantonspolizei Solothurn der Eidgenössischen Spielbankenkommission (nachfolgend „ESBK“) Strafanzeige wegen Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz durch Organisieren von Glücksspielen und Aufstellen von Glücksspielautomaten ohne Prüfung (act. 1.1).
D. Mit Gesuch vom 18. September 2018 gelangt das Sekretariat der Eidgenössischen Spielbankenkommission (nachfolgend „ESBK“) an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragt die Entsiegelung der anlässlich der Hausdurchsuchung vom 25. Juni 2018 sichergestellten Geräte U6318 und U6319 (act. 1).
E. A. beantragt in seiner Gesuchsantwort vom 15. Oktober 2018 die Abweisung des Entsiegelungsbegehrens (act. 5), was der ESBK am 16. Oktober 2018 zur Kenntnis gebracht wurde (act. 6).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen eingegangen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Mit Datum vom 1. Januar 2019 ist das Bundesgesetz über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS; SR 935.51) in Kraft getreten. Es ersetzt unter anderem das auf diesen Zeitpunkt ausser Kraft getretene Bundesgesetz über Glücksspiel und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52). Die Übergangsbestimmungen für Spielbankenspiele und Grossspiele im Sinne des neuen BGS sind in dessen Art. 137

Nach Art. 134 Abs. 1




1.2 Werden im Verwaltungsstrafverfahren Papiere und Datenträger (vgl. BGE 108 IV 76 E. 1) durchsucht, so ist dem Inhaber derselben, wenn immer möglich vor der Durchsuchung Gelegenheit zu geben, sich über deren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere vorläufig versiegelt und verwahrt (Art. 50 Abs. 3



1.3 Gegenstand des Ersuchens bildet die Entsiegelung von Gegenständen, namentlich von vier Laptops und zwei „Apparaten Glücksspiel“, die in den Räumlichkeiten des „Lokals B.“ in Z. anlässlich einer Kontrolle durch die Kantonspolizei Solothurn vom 25. Juni 2018 sichergestellt und im Anschluss an die polizeiliche Einvernahme des Gesuchsgegners am 29. August 2018 versiegelt wurden. Der Gesuchsgegner sei der Inhaber der Betriebsbewilligung für das besagte Restaurant/Café. Gemäss § 15 Abs. 2 des Wirtschafts- und Arbeitsgesetzes (WAG) des Kantons Solothurn vom 8. März 2015 führt der Inhaber einer Betriebsbewilligung für gastwirtschaftliche Tätigkeiten den Betrieb persönlich und hat während der überwiegenden Dauer der Öffnungszeiten im Betrieb anwesend zu sein. Unter diesem Umständen ist damit davon auszugehen, dass der Gesuchsgegner zumindest Inhaber der anlässlich der Hausdurchsuchung des „Lokals B.“ sichergestellten Tischgeräte und damit zur Einsprache legitimiert ist. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf das Entsiegelungsersuchen einzutreten ist.
2. Gemäss konstanter Praxis der Beschwerdekammer entscheidet diese bei Entsiegelungsgesuchen, ob die Durchsuchung im Grundsatz zulässig ist, mithin ob die Voraussetzungen für eine Entsiegelung grundsätzlich erfüllt sind. Eine Durchsuchung ist nur zulässig, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, anzunehmen ist, dass sich unter den sichergestellten Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1

Daraus folgt, dass auch allgemeine Einwände gegen die Durchsuchung einen Grund zur Siegelung darstellen, mithin die Siegelung auch aus Gründen mangelnden Tatverdachts sowie wegen fehlender Beweisrelevanz verlangt werden kann, sofern es dem Berechtigten im Ergebnis darum geht, die Einsichtnahme der Untersuchungsbehörde in die sichergestellten Unterlagen und deren Verwertung zu verhindern (BGE 140 IV 28 E. 4.3.6; Urteil des Bundesgerichts 1B_177/2012 vom 26. März 2012 E. 3.2. f.).
3.
3.1 Im Entsiegelungsentscheid ist vorab zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine die Durchsuchung rechtfertigende Straftat besteht. Dazu bedarf es – gemäss den einschlägigen Bestimmungen und Prinzipien der StPO – zweier Elemente: Erstens muss ein Sachverhalt ausreichend detailliert umschrieben werden, damit eine Subsumtion unter einen oder allenfalls auch alternativ unter mehrere Tatbestände des Strafrechts überhaupt nachvollziehbar vorgenommen werden kann. Zweitens müssen ausreichende Beweismittel oder Indizien angegeben und vorgelegt werden, die diesen Sachverhalt stützen. In Abgrenzung zum dringenden setzt dabei der hinreichende Tatverdacht gerade nicht voraus, dass Beweise oder Indizien bereits für eine erhebliche oder hohe Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sprechen (vgl. zum Ganzen ausführlich den Entscheid des Bundesstrafgerichts BE.2006.7 vom 20. Februar 2007 E. 3.1; zuletzt u.a. Beschluss des Bundesstrafgerichts BE.2017.1 vom 26. April 2017 E. 3.1; je m.w.H.).
3.2 Vorliegend ist zunächst zu prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht der Widerhandlung gegen die Strafbestimmungen des ausser Kraft getretenen SBG vorliegt (vgl. supra E. 1.1). Gemäss Art. 56 Abs. 1 lit. a



3.3 Der Gesuchsgegner bestreitet das Vorliegen des hinreichenden Tatverdachts. Die Durchsuchung sei gestützt auf das anonyme Schreiben von Anfang Juni 2018 erfolgt; dieses Schreiben vermöge aber keinen hinreichenden Tatverdacht zu begründen. Dies sei offenbar auch der Gesuchstellerin bewusst, weshalb sie nun behelfsweise argumentiere, bei den sichergestellten Tischgeräten handle es sich um Zufallsfunde. Dies sei aber offensichtlich nicht der Fall, denn im anonymen Schreiben sei mitgeteilt worden, dass im Lokal auch illegale Glückspiele betrieben würden.
3.4 Der Gesuchsgegner verkennt, dass die Kantonspolizei Solothurn bereits gestützt auf § 41 Abs. 4 der Verordnung zum Wirtschafts- und Arbeitsgesetz (VWAG) vom 22. September 2015 des Kantons Solothurn befugt ist, Gastwirtschaftsbetriebe zu betreten und zu kontrollieren (was diese im Übrigen auch in ziviler Kleidung tun kann, vgl. § 18 Abs. 1 des Gesetzes über die Kantonspolizei des Kantons Solothurn vom 23. September 1990). Diese Kontrollbefugnis ist nicht an das Vorliegen eines konkreten hinreichenden Tatverdachts geknüpft. Das anonyme Schreiben ist somit für die Frage nach der Zulässigkeit der polizeilichen Kontrolle nicht erheblich. Der Tatverdacht der Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz gründet vorliegend denn auch gar nicht auf dem anonymen Schreiben, sondern auf der durch die Polizeibeamten angetroffenen Situation anlässlich der Kontrolle vom 25. Juni 2018. Im Lokal sollen sich zwei „Vegas“-Glückspielautomaten und vier angeblich „spielbereite“ Laptops befunden haben, wobei an einem der Glückspielautomaten eine Person, C., gespielt habe. C. sagte in der polizeilichen Befragung vom 25. Juni 2018 aus, das Spiel auf dem Glückspielautomaten habe er per Startknopf zum Laufen gebracht, und man kriege Punkte, wenn drei gleiche Symbole auf einer Linie erscheinen würden (act. 1.7).
Die „Vegas“-Spiele stellen klassische (Casino-)Glücksspiele dar (vgl. Beschlusse des Bundesstrafgerichts BV.2013.14 vom 11. Februar 2014). Ob C. ohne Leistung eines Einsatzes gespielt hat, wie von ihm behauptet, steht gegenwärtig nicht fest. Bei den vor C. auf dem Tisch liegenden fünf Banknoten à zwanzig Franken soll es sich – seinen Aussagen gemäss – um Geld gehandelt haben, das er fürs anschliessende Tanken habe verwenden wollen. Wie es sich genau damit verhält und ob auf den sichergestellten Laptops tatsächlich Glückspiele getätigt worden sind, wird die Sichtung der betreffenden Geräte zu zeigen haben. Die sich aus den Akten ergebende Verdachtslage genügt zur Begründung eines hinreichenden (Anfangs-) Tatverdachts mit Bezug auf die vorgeworfene Verletzung von Art. 56 Abs. 1 lit. a

3.5 Ebenso ist vorliegend der hinreichende Tatverdacht mit Bezug auf eine Widerhandlung gegen Art. 130 Abs. 1 lit. a

Damit besteht ein hinreichender (Anfangs-)verdacht sowohl nach dem alten wie auch nach dem neuen Recht. Welches das mildere und damit anwendbare Recht ist, braucht in diesem Verfahren nicht weiter geprüft zu werden.
4.
4.1 Weiter ist zu prüfen, ob anzunehmen ist, dass sich unter den zu durchsuchenden Papieren Schriften befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Deliktskonnex; Art. 50 Abs. 1

4.2 In den Räumlichkeiten des „Lokals B.“ wurden 4 Laptops sowie zwei Spielautomaten sichergestellt. Dass diese mit Blick auf den oben geschilderten Untersuchungsgegenstand grundsätzlich verfahrenserheblich sein könnten, ist offensichtlich und wird auch nicht bestritten.
5. Soweit der Gesuchsgegner sodann geltend macht, die Hausdurchsuchung und Sicherstellung der Gegenstände sei unverhältnismässig, da es sich bei der vorgeworfenen Tat lediglich um eine Übertretung handle, ist Folgendes festzuhalten: Aus Art. 45 Abs. 2

6. Gemäss Art. 50 Abs. 2

7. Nach dem Gesagten ist das Entsiegelungsgesuch gutzuheissen, und es ist die Gesuchstellerin zu ermächtigen, die versiegelten Geräte und Datenträger zu entsiegeln und zu durchsuchen.
8. Die Gerichtskosten sind bei diesem Ausgang des Verfahrens dem Gesuchsgegner aufzuerlegen (vgl. Art. 25 Abs. 4




Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1. Das Gesuch um Entsiegelung wird gutgeheissen.
2. Die Gesuchstellerin wird ermächtigt, die sichergestellten Gegenstände zu entsiegeln und zu durchsuchen.
3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2‘000.-- wird dem Gesuchsgegner auferlegt.
Bellinzona, 21. Januar 2019
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Zustellung an
- Eidgenössische Spielbankenkommission
- Rechtsanwalt Patrick Hasler
Rechtsmittelbelehrung
Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.
Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103
