Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C 265/2015
Urteil vom 12. Oktober 2015
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
Stadt Opfikon,
Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV,
Oberhauserstrasse 25, 8152 Glattbrugg,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. A.________,
2. B.________,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 23. März 2015.
Sachverhalt:
A.
Der 1954 geborene A.________ bezieht seit 1. Mai 2007 eine Dreiviertelsrente resp. seit 1. August 2007 eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Das Gesuch um Leistungen der Invalidenversicherung seiner 1958 geborenen Ehefrau B.________ hingegen wies die damals zuständige IV-Stelle Luzern mit Verfügung vom 7. November 2008 mangels einer invaliditätsbedingten Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ab (bestätigt durch Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 6. August 2009; vgl. Urteil 9C 726/2009 vom 23. September 2009). A.________ wurden ausserdem Ergänzungsleistungen ausgerichtet, bis er mit seiner Ehefrau am 1. August 2012 den Wohnsitz vom Kanton Luzern nach Opfikon (Kanton Zürich) verlegte.
Im August 2012 meldete er sich bei der Stadt Opfikon, Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV (nachfolgend: Durchführungsstelle) zum Bezug von Ergänzungs- und Zusatzleistungen an. Mit Verfügung vom 18. September 2012 sprach ihm die Durchführungsstelle eine jährliche Ergänzungsleistung ab 1. August 2012 in Höhe von monatlich Fr. 3'976.- resp. jährlich Fr. 47'712.- zu. Dabei berücksichtigte sie ein hypothetisches Erwerbseinkommen der Ehefrau von jährlich Fr. 6'000.-, wovon sie Fr. 3'000.- anrechnete. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 24. Oktober 2013 fest.
B.
Dagegen führte B.________ Beschwerde, welche das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich guthiess, soweit es darauf eintrat. Es hob den Einspracheentscheid vom 24. Oktober 2013 auf und wies die Sache an die Durchführungsstelle zurück, damit sie den Leistungsanspruch des A.________ ab 1. August 2012 im Sinne der Erwägungen neu bemesse und dabei insbesondere von der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens der Ehefrau absehe (Entscheid vom 23. März 2015).
C.
Die Durchführungsstelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 23. März 2015 sei aufzuheben bzw. die Berechnung der Ergänzungsleistung sei entsprechend der Verfügung vom 18. September 2012 zu belassen. In prozessualer Hinsicht beantragt sie, es seien "von der Ausgleichskasse Luzern die vollständigen Akten über die Bemessung der Leistungen der Invalidenversicherung sowie Ergänzungsleistungen über A.________ und B.________ - insbesondere der Entscheid des Verwaltungsgerichts Luzern vom 6. August 2009 - zu edieren" und ihr sei anschliessend unter Ansetzung einer Nachfrist Gelegenheit zur Stellungnahme und ergänzenden Begründung der Beschwerde "in Bezug auf diese ganz wesentlichen Schriftlichkeiten" einzuräumen.
B.________ beantragt "nicht nur" die Bestätigung des Entscheids vom 23. März 2015, sondern die zusätzliche Berücksichtigung der Kosten für die Haltung eines Hundes. A.________ lässt sich nicht vernehmen; das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
1.1. Ob es sich beim angefochtenen Rückweisungsentscheid um einen End- oder einen Zwischenentscheid handelt (vgl. Art. 90



1.2. Die prozessualen Anträge der Beschwerdeführerin, die sich auf das bundesgerichtliche Verfahren beziehen (vgl. MEYER/DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 7 zu Art. 107






Sodann ist die Beschwerde samt Begründung innert 30 Tagen nach Eröffnung des angefochtenen Entscheids beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1





1.3. Das von der Durchführungsstelle neu eingebrachte Schreiben der Ausgleichskasse Luzern vom 13. April 2015ist als echtes Novum von vornherein unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1


1.4. Auf den in der Beschwerdeantwort gestellten Antrag der Beschwerdegegnerin, wonach für die Berechnung der Ergänzungsleistung über das im angefochtenen Entscheid Angeordnete hinaus die Kosten für die Haltung eines Hundes zu berücksichtigen seien, ist nicht einzutreten, weil das Bundesgerichtsgesetz die Anschlussbeschwerde nicht vorsieht (Art. 90 ff




2.
Die jährliche Ergänzungsleistung entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Art. 9 Abs. 1


3.
3.1.
3.1.1. Die Vorinstanz hat festgestellt, die Beschwerdegegnerin habe i n ihrem Heimatland Syrien nach Absolvierung der Matura zwei Jahre studiert. Anschliessend habe sie geheiratet und sei als Hausfrau und Mutter von vier inzwischen erwachsenen Söhnen tätig gewesen. Nachdem sie 2001 in die Schweiz eingereist sei, sei sie einzig 2005 während dreier Monate in einem Pensum von 20 % als Küchenhilfe erwerbstätig gewesen. Sie sei nicht (teil-) invalid. Bei der erstmaligen Anrechnung eines hypothetischen Einkommens im August 2012 habe sie das 54. Altersjahr bereits überschritten gehabt.
Diese Feststellungen sind nicht offensichtlich unrichtig. Sie beruhen auch nicht auf einer Rechtsverletzung, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich bleiben (E. 1.2 Abs. 1).
3.1.2. Das kantonale Gericht ist - unter Verweis auf die scheidungsrechtliche Rechtsprechung zum nachehelichen Unterhalt (insbesondere BGE 137 III 102 E. 4.2.2.2 S. 108 f.; Urteile 5A 21/2012 vom 3. Mai 2012 E. 3.3 und FamPra.ch 2012 S. 193, 5A 340/2011 E. 5.2.2) und das Alter der Ehefrau - der Auffassung, unter den gegebenen Umständen könne der Ehefrau die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr zugemutet werden. Folglich hat es die Beschwerde in diesem Punkt gutgeheissen.
3.2.
3.2.1. Unter dem Titel des Verzichtseinkommens (Art. 11 Abs. 1 lit. g




Schadenminderungspflicht (SZS 2010 S. 48, 9C 184/2009 E. 2.2; Urteile 9C 103/2015 vom 8. April 2015 E. 2.2; 9C 539/2009 vom 9. Februar 2010 E. 4.1).
Eine (in grundsätzlicher oder masslicher Hinsicht) fehlende Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit kann nur angenommen werden, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) feststeht (vgl. Urteile 9C 946/2011 vom 16. April 2012 E. 3.2; 8C 489/2007 vom 28. Dezember 2007 E. 4.1, je mit Hinweisen).
3.2.2. Die Festsetzung des hypothetischen Einkommens stellt, soweit sie auf der Würdigung konkreter Umstände beruht, eine Tatfrage dar, die lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbar ist (E. 1). Rechtsfrage ist dagegen, nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung über die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit erfolgt (BGE 140 V 267 E. 2.4 S. 270 mit Hinweisen).
3.3.
3.3.1. Die Beschwerdegegnerin macht - angesichts des Abklärungsberichts der IV-Stelle vom 25. Juni 2013 betreffend Hilflosenentschädigung zu Recht - nicht (mehr) geltend, dass der Gesundheitszustand ihres Ehemannes sie an einer Erwerbstätigkeit gehindert habe. Anhaltspunkte dafür, dass sie sich vergeblich um eine (teilzeitliche) Arbeitsstelle bemühte (vgl. Urteil 9C 946/2011 vom 16. April 2012 E. 4.4), sind nicht aktenkundig. Unbestritten ist auch die Höhe des der Ehefrau angerechneten Einkommens (jährlich Fr. 6'000.-). Streitig und zu prüfen ist an dieser Stelle einzig, ob ihr Alter der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von vornherein entgegensteht.
3.3.2. Im hier interessierenden Zusammenhang geht es nicht um den nachehelichen Unterhalt (vgl. Art. 125


55-jährigen Ehegattin - trotz gesundheitlicher Einschränkungen mit (qualitativen) Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit sowie fehlender Ausbildung, Berufstätigkeit und Sprachkenntnisse (Urteil 9C 946/2011 vom 16. April 2012 E. 4.1 und 4.3) - denn auch keinen Grund, die Verwertbarkeit der (Rest-) Arbeitsfähigkeit zu verneinen. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wird auch für Witwen ohne minderjährige Kinder (vgl. Art. 14b


3.4.
3.4.1. Im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1

3.4.2. Ein hypothetisches Einkommen der Ehefrau wurde erstmals von der Durchführungsstelle angerechnet, und zwar ab Anspruchsbeginn am 1. August 2012. Bis zu diesem Zeitpunkt musste sich die Beschwerdegegnerin aufgrund der im Kanton Luzern bezogenen Ergänzungsleistungen (Sachverhalt lit. A) nicht zu Stellenbemühungen veranlasst sehen (vgl. Urteil 9C 12/2013 vom 19. November 2013 E. 3.5.2). Es ist ihr daher eine realistische Übergangsfrist für die zumutbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu gewähren (SZS 2015 S. 61, 9C 630/2013 E. 5.1). Die Durchführungsstelle wird eine solche festzusetzen und erneut über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen zu entscheiden haben.
4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Beschwerdegegner die Gerichtskosten unter solidarischer Haftung zu tragen (Art. 66 Abs. 1



Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. März 2015 und der Einspracheentscheid der Stadt Opfikon, Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, vom 24. Oktober 2013 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuem Entscheid an die Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdegegnern unter solidarischer Haftung auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 12. Oktober 2015
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Glanzmann
Die Gerichtsschreiberin: Dormann