5C.234/2001/ZBE/bnm
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
1. Oktober 2001
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
Bundesrichter Bianchi, Bundesrichter Raselli,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichterin Escher sowie Gerichtsschreiber Zbinden.
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In Sachen
X.________, Psychiatrische Klinik B.________, Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Manuel A. Brandenberg, Guggitalring 3, 6300 Zug,
gegen
Verwaltungsgericht des Kantons Z u g,
betreffend
fürsorgerische Freiheitsentziehung, hat sich ergeben:
A.- X.________ (1961) wurde am 16. Juli 2001 durch den Bürgerrat A.________ fürsorgerisch die Freiheit entzogen und in die Psychiatrische Klinik B.________ eingewiesen. Es ist dies die sechste Einweisung seit 1993.
B.-In seiner an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug weitergeleiteten Beschwerde vom 24. Juli 2001 ersuchte X.________ u.a. um seine Freilassung; am 25. Juli 2001 stellte er beim Chefarzt der Psychiatrischen Klinik ein weiteres Entlassungsgesuch, das die Klinik am 27. Juli 2001 an das Verwaltungsgericht weiterleitete. Dieses verlangte in der Folge am 30. Juli 2001 bei der Leitung der Psychiatrischen Klinik B.________ einen Arztbericht ein, der am 31. Juli 2001 erstattet wurde. Mit Urteil vom 3. August 2001 wies es die Beschwerde ab.
C.- Mit rechtzeitiger Berufung beantragt X.________, den Bürgerrat A.________ anzuweisen, für ihn eine Wohnmöglichkeit zu suchen und ihn aus der Klinik zu entlassen, sobald eine Wohnmöglichkeit gefunden sei. Eventuell sei das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und eine unabhängige Expertise über seinen Gesundheitszustand einzuholen. Es sei der Psychiatrischen Klinik B.________ zu untersagen, ihn zwangsweise zu "medikamentieren" oder ihm zwangsweise Medikation anzudrohen.
Für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Gemäss den Feststellungen des Verwaltungsgerichts leidet der Berufungskläger an einer chronischen paranoiden Schizophrenie, wobei Selbstgefährdung in Form einer zunehmenden Verwahrlosung und aufgrund der aggressiven Grundstimmung auch eine Gefährdung anderer Menschen und von Eigentum besteht.
Das Verwaltungsgericht hält im Weiteren dafür, da der Berufungskläger anlässlich der letzten Einweisung im Dezember 1998 durch einen klinikunabhängigen, externen Psychiater begutachtet worden sei und der Bürgerrat die gegenwärtige Einweisung verfügt habe, könne auf einen Arztbericht der Klinik abgestellt werden, zumal eine externe Begutachtung eine erhebliche zeitliche Verzögerung mit sich bringen würde.
Eine Rückkehr des Berufungsklägers ins Wohnheim stehe zwar im Vordergrund, doch seien die Voraussetzungen zur Zeit nicht erfüllt. In den letzten Monaten sei vielmehr eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten, und das Wohnheim könne ihm keine dauerhafte und angemessene Arbeitsregelung anbieten. Der Berufungskläger sei nicht krankheitseinsichtig, was eine ambulante Behandlung ausserordentlich erschwere. Ohne eine Verbesserung des Gesundheitszustandes sei er für das Wohnheim nicht tragbar; Fälle von Fremdgefährdung würden sich wiederholen. Ausserhalb des Wohnheims bestünde wegen Fehlens eines Beziehungsnetzes die Gefahr der Verwahrlosung. Eine Rückkehr ins Wohnheim sei möglich, sobald eine ausreichende Besserung des Gesundheitszustandes erreicht sei. Zur Zeit könne dem Berufungskläger die nötige Fürsorge nicht anders als durch einen stationären Klinikaufenthalt erwiesen werden.
2.- a) Den Hauptantrag, ihn zu entlassen, sobald eine Wohnmöglichkeit gefunden sei, begründet der Berufungskläger damit, dass er sich entgegen der Diagnose der Ärzte gesund fühle und normal ansprechbar sei. Auch liege keine Geisteskrankheit vor.
Feststellungen über den Gesundheitszustand sind solche tatsächlicher Natur (vgl. BGE 81 II 263). Für die Bestreitung tatsächlicher Feststellungen steht die Berufung nicht zur Verfügung (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Soweit der Berufungskläger einfach behauptet, er sei nicht geisteskrank, legt er nicht in rechtsgenüglicher Weise dar (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG), inwiefern das Verwaltungsgericht den Begriff der Geisteskrankheit (BGE 118 II 254 E. 4a S. 261) falsch ausgelegt hat (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Auf die entsprechenden Ausführungen ist demnach nicht einzutreten.
b) Im Weiteren beschwert sich der Berufungskläger gegen die zwangsweise Verabreichung von Medikamenten bzw.
gegen die Androhung der Verabreichung. Die bundesrechtlichen Bestimmungen über die fürsorgerische Freiheitsentziehung (Art. 397a ff. ZGB) stellen keine Grundlage für die Anordnung einer medikamentösen Behandlung in einer Klinik dar; vielmehr ist es Sache des kantonalen Gesetzgebers, diesbezüglich zu legiferieren, solange der Bundesgesetzgeber untätig bleibt (BGE 118 II 254 E. 6b S. 263; 125 III 169; 126 I 112 E. 3c S. 116; 127 I 6 E. 2a S. 8 f.). Enthält das kantonale Recht keine einschlägige Grundlage, vermögen sich Zwangsmassnahmen nur ausnahmsweise auf die polizeiliche Generalklausel zu stützen und müssen sie insbesondere verhältnismässig sein (BGE 126 I 112 E. 4 und 5 S. 117 ff.). Wie sich dies hier verhält, kann offen bleiben, wären doch Rügen der Verletzung kantonalen Rechts oder von Verfassungsrechten wie der Persönlichen Freiheit (Art. 10
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |
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1 | Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |
2 | Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit. |
3 | Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 7 Menschenwürde - Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 7 Menschenwürde - Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen. |
3.- Der Berufungskläger macht geltend, die Vorinstanz habe die fürsorgerische Freiheitsentziehung aufgrund einer (zwar bestrittenen) "zunehmenden Verwahrlosung" bestätigt, obwohl das Gesetz eine schwere Verwahrlosung voraussetze.
Gemäss Art. 397a Abs. 1
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Einweisungsgrund vorgesehen ist (BBl 1977 III 25; Thomas Geiser, Basler Kommentar, N. 10 zu Art. 397a ZGB; Eugen Spirig, Zürcher Kommentar, N. 106 ff. zu Art. 397a ZGB).
Das Verwaltungsgericht hat unter anderem ausgeführt, die Klinikärzte bejahten eine Selbstgefährdung in Form einer zunehmenden Verwahrlosung, da der Berufungskläger bei einer sofortigen Entlassung keinen Wohnplatz habe und seine Übernahme durch das Wohnheim im jetzigen Zeitpunkt abgelehnt würde.
Dieser Sachverhalt dürfte - für sich genommen - den Tatbestand der schweren Verwahrlosung nicht erfüllen. Nun ergibt sich aber aus dem angefochtenen Entscheid, dass der primäre Einweisungsgrund die festgestellte Geisteskrankheit ist und dem Hinweis auf die "zunehmende Verwahrlosung" mehr ergänzende Bedeutung zukommt. Die geschilderten Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden, haben in aller Regel auch nicht die Verwahrlosung zur Folge, können aber zu gravierenden Problemen führen, wenn jemand geisteskrank und deswegen eines geschützten Rahmens bedarf. Mit dem ergänzenden Hinweis auf die Gefahr zunehmender Verwahrlosung hat die Vorinstanz demnach kein Bundesrecht verletzt.
4.- Der Berufungskläger rügt eine Verletzung von Art. 397e Ziff. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 7 Menschenwürde - Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen. |
Daran vermöge auch das Visum des Chefarztes nichts zu ändern, zumal die Vorinstanz auch über das Entlassungsgesuch befunden und die Klinik zu diesem Stellung genommen habe.
Bereits anlässlich der mündlichen Anhörung hatte der Berufungskläger ausdrücklich einen unabhängigen Experten verlangt, da "die Ärzte hier ... immer wieder mit den gleichen alten Geschichten" kommen (Protokoll vom 30. Juli 2001, S. 7 oben).
a) Gemäss Art. 397e Ziff. 5
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An die Unabhängigkeit des Experten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an das urteilende Gericht. Damit wird namentlich die Mitwirkung in der unteren Instanz in demselben Verfahren ausgeschlossen, wie dies etwa der Fall ist, wenn zunächst die Klinikleitung zu einem Entlassungsgesuch Stellung zu nehmen hat, der Betroffene in der Folge den Rechtsweg beschreitet und in der Klinik tätige Ärzte als Sachverständige auftreten (BGE 118 II 249 E. 2c S. 253).
b) Hat die vormundschaftliche Behörde die Unterbringung oder Zurückbehaltung angeordnet, entscheidet sie auch über Entlassungsgesuche (Art. 397b Abs. 3
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Beim Arzt, der diesen Bericht zumindest mitverfasst und auch mitunterzeichnet hat, handelt es sich um den behandelnden Arzt des Berufungsklägers; in dieser Eigenschaft war er auch bei der Anhörung des Berufungsklägers am 30. Juli 2001 zugegen. Geht man davon aus, dass an die Unabhängigkeit des Sachverständigen die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an das urteilende Gericht, so wird diese nicht nur durch eine förmliche Mitwirkung des Sachverständigen in der unteren Instanz in Frage gestellt. Freilich können Klinikärzte nicht generell als Gutachter ausgeschlossen werden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich aus praktischen Gründen eine erste Begutachtung durch Klinikärzte nicht beanstanden, wenn eine Person in eine Klinik eingewiesen wird, nachdem ihr unvorhergesehen und krisenbedingt fürsorgerisch die Freiheit entzogen worden ist (BGE 118 II 249 E. 2a S. 251). Anders verhält es sich, wenn jemand wegen stets gleicher Vorkommnisse mehrere Male in derselben Klinik untergebracht wird. Stützt sich das Gericht in solchen Fällen ausschliesslich auf Berichte des behandelnden Arztes bzw.
dessen Vorgesetzten, lässt sich die Objektivität der Begutachtung - bei aller subjektiven Redlichkeit des Gutachters - nicht hinreichend bejahen (BGE 118 II 249 E. 2b S. 252; Tho-mas Geiser, Basler Kommentar, N. 21 zu Art. 397e
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c) Das Verwaltungsgericht beruft sich aber auch auf ein anstaltsexternes Gutachten vom 16. Dezember 1998, in dem chronisch paranoide Schizophrenie und eine Polytoxikomanie (Alkohol und Drogen verschiedenster Art) diagnostiziert wurden. Gestützt darauf hat es damals festgestellt, dass dem Berufungskläger jegliche Krankheitseinsicht fehle und er die Einnahme dringend notwendiger Medikamente verweigere; es hat sodann erwogen, dass eine ambulante Behandlung ausser Betracht falle und wegen des Fehlens einer Wohnmöglichkeit, eines sozialen Netzes und einer Beschäftigung rasch mit einem Rückfall in die Verhältnisse zu rechnen wäre, die zur Einweisung geführt hätten.
Art. 397e Ziff. 5
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Diese, im bundesrätlichen Entwurf nicht vorgesehene Bestimmung (BBl 1977 III 60), geht auf einen Antrag der ständerätlichen Kommission zurück (AB 1978 S 44) und bezweckt ins richterliche Ermessen zu stellen, ob eine erneute Begutachtung anzuordnen ist, falls bereits ein Entscheid in einem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren unter Beizug eines Sachverständigen ergangen ist. Hingegen dispensiert die Bestimmung nicht davon, ein Sachverständigengutachten einzuholen, weil ein solches bereits in einem früheren Verfahren eingeholt worden ist. Dies ergibt sich aus der Formulierung "obere Gerichte" (siehe auch Alexander Imhof, Der formelle Rechtsschutz, insbesondere die gerichtliche Beurteilung, bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, Diss. Freiburg 1999, S. 110 f.; Eugen Spring, Zürcher Kommentar, N. 215 ff. zu Art. 397e
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Sieht nun ein Kanton - wie der Kanton Zug - eine einzige richterliche Instanz vor, die insoweit als oberes Gericht zu gelten hat, kommt der Verzichtsvorbehalt zwangsläufig nicht zum Zuge. Indem das Verwaltungsgericht auf das in einem früheren Verfahren dem Gericht erstattete Gutachten abgestellt hat, ist es der gesetzlichen Pflicht, einen Sachverständigen beizuziehen, nicht nachgekommen. Wie zu entscheiden wäre, wenn das Gutachten in einem dem vorliegenden Verfahren zeitlich unmittelbar vorangegangenen Verfahren eingereicht worden wäre, kann dahin stehen. Seit der Einreichung des Gutachtens vor rund zweieinhalb Jahren ist eine Zeitspanne verstrichen, die auch ohne die in Frage stehende Bestimmung eine erneute Begutachtung nahegelegt hätte.
Konnte demnach auf das Gutachten aus dem Jahre 1998 nicht abgestellt werden und verfügte die Klinik unter den gegebenen Umständen nicht über die erforderliche Unabhängigkeit, verstösst die Bestätigung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung gegen Art. 397e Ziff. 5
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5.- Dem Ausgang des Verfahrens zufolge wird keine Gerichtsgebühr erhoben. Insoweit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Im Übrigen ist es gutzuheissen, da die Voraussetzungen nach Art. 152
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.-Die Berufung wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kan-tons Zug, Fürsorgerechtliche Kammer, vom 3. August 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
2.-Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Dem Berufungskläger wird Rechtsanwalt Manuel A. Brandenberg, Guggitalring 3, 6300 Zug als Rechtsbeistand beigegeben.
3.-Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
4.-Rechtsanwalt Manuel A. Brandenberg wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.
5.-Dieses Urteil wird dem Berufungskläger sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Fürsorgerechtliche Kammer, schriftlich zugestellt.
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Lausanne, 1. Oktober 2001
Im Namen der II. Zivilabteilung des
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: