S. 266 / Nr. 44 Versammlungsfreiheit (d)
BGE 57 I 266
44. Auszug aus dem Urteil vom 10. Juli 1931 i. S. Moser und Mitbeteiligte
gegen Obergericht Aargau.
Regeste:
Regierungsratsbeschluss, wodurch eine angekündigte Versammlung und die
Aufforderung zur Teilnahme daran wegen mit Bestimmtheit oder doch hoher
Wahrscheinlichkeit vorauszusehender Störung der öffentlichen Sicherheit und
Ruhe durch die Versammlungsteilnehmer allgemein, unter Strafandrohung
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gegenüber jedem Zuwiderhandelnden verboten wird, und anschliessende
gerichtliche Bestrafung wegen Übertretung dieses Erlasses. Anfechtung des
Verbots und der Strafurteile wegen Verletzung der Versammlungsfreiheit und des
Grundsatzes nulla poena sine lege (Art. 18 und 19 der aargauischen KV).
Abweisung.
Ein Aufruf des Kommunistischen Jugendverbandes (K. J. V.) Baden forderte die
«Jungarbeiter, Jungarbeiterinnen und Lehrlinge von Baden und Umgebung» zur
Teilnahme an einem «Roten Treffen des revolutionären Jungproletariats von
Zürich und Baden» auf, das am 10. und 11. Mai 1930 in Baden auf dem
Schulhausplatz und in Wettingen abgehalten werden sollte, um gegen die zu
niedrigen Löhne und die Ausbeutung der Lehrlinge und jungen Arbeiter zu
protestieren. Zunächst sahen die Gemeindebehörden von Baden sich nicht
veranlasst gegen die Veranstaltung etwas vorzukehren. Nachdem dann aber noch
ein Blatt «Der junge B. B. C.» (gemeint ist Brown, Boveri & Cie.) «Buetzer»
verteilt worden war, das mit einem erneuten Aufruf zu der erwähnten
Versammlung eine Reihe heftiger und beleidigender Angriffe gegen die
Direktoren der genannten Gesellschaft, die Kirche und ihre Diener verband und
als symbolisches Bild ein mit einem Beil gefälltes Kreuz enthielt, verboten
der Gemeinderat und das Bezirksamt Baden die Abhaltung der Kundgebung in Baden
und Umgebung. Als trotz der Bekanntgabe dieses Verbotes am Samstag 10. Mai
nachmittags eine Anzahl junger Kommunisten aus Zürich in Baden einrückten, um
die Demonstration gleichwohl durchzuführen, stiessen sie auf die aufgebotene
Polizei. 7 Teilnehmer, welche den polizeilichen Anordnungen Widerstand
entgegensetzten, wurden verhaftet, davon aber 5 noch am gleichen Abend, die
zwei letzten am folgenden Tage wieder entlassen. Die auf den 11. Mai
angesetzte Versammlung fand dann nicht statt. Dagegen sagte der in Zürich
erscheinende «Kämpfer, offizielles Organ der Kommunistischen Partei der
Schweiz» in der Nummer vom Montag, 12. Mai 1930 eine Kommunistische
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Tagung der ganzen Schweiz auf Sonntag, den 18. Mai in Baden auf dem gleichen
Platz an. Die Ankündigung sprach von «Brutalen Knüppeleien und
Massenverhaftungen jugendlicher Arbeiter durch aargauische Polizeikosaken.
Heraus zum wuchtigen Protest» usw. und erklärte, dass die Versammlung vom 18.
Mai «jedem eventuellen Verbot zum Trotz» abgehalten werde. «Für uns
Kommunisten sind Verbote und Polizeiaufgebote kein Hindernis, wenn es gilt die
Arbeiter zum revolutionären Kampf zu mobilisieren». Die Nummer des «Kämpfer»
vom 14. Mai 1930 wiederholte die Aufforderung zur Teilnahme an der
Demonstration, mit dem Schlusse: «Am kommenden Sonntag aber werden wir
gemeinsam mit den Badener Arbeitern gegen diese Unternehmerwillkür und gegen
die schändlichen Ausbeutungsmethoden der Metallindustriellen demonstrieren.
Davon wird uns niemand abhalten.»
Am 14. Mai 1930 fasste der Regierungsrat des Kantons Aargau, gestützt auf Art.
39 lit. b KV und in Anbetracht, dass die «angedrohten kommunistischen
Demonstrationen geeignet sind, die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Ruhe zu
stören», nachstehenden Beschluss:
Ǥ 1. Die auf Samstag und Sonntag den 17. und 18. Mai 1930 in Baden und
Umgebung geplanten Demonstrationen ausländischer und inländischer Kommunisten
werden für das Gebiet des Kantons Aargau verboten. Sollten die erwähnten
Demonstrationen auf einen andern Termin verschoben werden, so gilt das Verbot
in allen Teilen auch für solche Kundgebungen.
§ 2. Desgleichen ist jegliche Aufforderung zur Teilnahme an den in § 1 hievor
erwähnten Kundgebungen durch Wort oder Schrift, insbesondere auch mittels
öffentlicher Aufrufe und Plakate oder durch Flugschriften verboten.
§ 3. Wer den in vorstehenden §§ umschriebenen Verboten zuwiderhandelt, wird,
sofern nicht der Tatbestand eines Verbrechens nach peinlichem Strafgesetz
vorliegt, zuchtpolizeilich bestraft.
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§ 4. Wer sich den Befehlen und Anordnungen der Polizeiorgane in ihren
Vorkehren zur Nachachtung vorstehender Vorschriften nicht fügt oder sich ihnen
widersetzt, ist dem zuständigen Bezirksamt zur Einleitung der
Strafuntersuchung zu verzeigen, und wenn nötig, sofort durch die Polizei zu
verhaften.»
Um die Durchführung des Beschlusses zu sichern, wurde der Polizei ein
Bataillon Infanterie beigegeben. Infolge dieser Massnahmen fand die geplante
Versammlung nicht statt. Immerhin waren eine Anzahl Kommunisten aus Zürich und
Winterthur im Hinblick auf dieselbe am Samstag 17. Mai nach Baden gereist.
Darunter befanden sich auch die 8 heutigen Rekurrenten Eduard Moser und
Mitbeteiligte. Sie wurden, weil sie sich dort an den Versammlungsort
(Schulhausplatz) begeben hatten, um trotz des Verbotes zu demonstrieren, und
dabei zum Widerstand gegen die Anordnungen der Polizei und des Militärs
aufgereizt oder weil sie die Vollziehung dieser Anordnungen (den Dienst der
Polizei und Truppe) sonst durch ihr Verhalten erschwert hätten, vorübergehend
verhaftet, wegen «Zuwiderhandlung gegen den Beschluss des Regierungsrates vom
14. Mai 1930» den Gerichten zur zuchtpolizeilichen Bestrafung überwiesen und
vom Bezirksgericht Baden im Sinne der Anzeige zu Strafen verurteilt, die von 1
Tag Gefängnis (entsprechend der ausgestandenen Untersuchungshaft) bis zu 10
Tagen Gefängnis gehen. Die hiegegen erhobenen Beschwerden der Verurteilten hat
das Obergericht des Kantons Aargau am 12. Dezember 1930 abgewiesen, mit der
Begründung: nach Art. 39 lit. b KV habe der Regierungsrat «für die Handhabung
der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Kanton, sowie für die Vollziehung
der Gesetze, Dekrete und Beschlüsse des Grossen Rates zu sorgen»: Es stehe ihm
danach zum erstgenannten Zwecke eine selbständige, über die blosse
Gesetzesvollziehung hinausgehende Polizeiverordnungsgewalt für den Fall zu,
dass infolge besonderer Ereignisse Störungen der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung drohten, denen auf dem Wege der ordentlichen
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Gesetzgebung nicht rechtzeitig entgegengetreten werden könnte.
(Notstandsrecht.) Ein solcher Fall habe hier vorgelegen. Sei der Regierungsrat
zum Erlass der im Beschluss vom 14. Mai 1930 enthaltenen allgemeinen Gebote
und Verbote kompetent gewesen, so habe er aber auch auf deren Übertretung
Strafe androhen können. Die Bestrafung der Rekurrenten stütze sich also auf
eine allgemein verbindliche Norm (gesetzesvertretende Verordnung), so dass ihr
Art. 19 KV nicht entgegengehalten werden könne. Ebensowenig habe der Beschluss
des Regierungsrates den Art. 18 KV verletzt, da Veranstaltungen, durch welche
die öffentliche Ordnung gefährdet werde, auf die hier gewährleistete
Versammlungsfreiheit keinen Anspruch erheben könnten. Auch die Frage, ob den
Rekurrenten eine Zuwiderhandlung gegen den Beschluss (die Verordnung) zur Last
falle, sei zu bejahen (was in den Urteilen im Einzelnen ausgeführt wird).
Moser und Mitbeteiligte zogen die obergerichtlichen Urteile durch
staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht weiter. Sie beharrten darauf,
dass das vom Regierungsrat erlassene Versammlungsverbot schon als solches
gegen die KV, nämlich deren Art. 18 verstossen habe, der ausdrücklich das
freie Versammlungsrecht anerkenne und dessen Ausübung «keinen anderen
Beschränkungen als denjenigen des allgemeinen Rechts und der Sittlichkeit»
unterwerfe. Weder nach allgemeinem Recht noch nach den Geboten der
Sittlichkeit habe aber Anlass bestanden, eine Versammlung einer staatlich
anerkannten politischen Partei zu untersagen. Jedenfalls sei der Regierungsrat
nicht befugt gewesen, in Verbindung mit einem solchen Verbot
Vergehenstatbestände aufzustellen, wie es durch die Androhung der
Strafsanktionen des aargauischen Zuchtpolizeigesetzes (die nach §§ 6, 13
ebenda bis zu 2000 Fr. Geldbusse und 2 Jahren Gefängnis gehen) auf die
Übertretung geschehen sei. Art. 19 KV verlange für die Bestrafung des Bürgers
ein Gesetz («niemand soll anders als in den durch das Gesetz bezeichneten
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Fällen und in den durch dasselbe vorgeschriebenen Formen gerichtlich verfolgt
oder verhaftet werden»). Der Regierungsrat habe aber kein Gesetzgebungsrecht.
Auch seine Befugnisse hinsichtlich der Handhabung der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit nach Art. 39 lit. b KV beschränkten sich darauf, gegen Störungen
derselben exekutiv einzuschreiten, auf den konkreten Fall angewendet, eine
angekündigte Versammlung durch polizeiliche Machtmittel zu verhindern (falls
nicht, wie hier, das Versammlungsverbot selbst schon unzulässig sei). Dafür
sei durch das Aufgebot eines Schützenbataillons und des kantonalen
Polizeikorps gesorgt worden. Diese Vollzugsmassnahmen hätten sich denn auch
als wirkungsvoll und genügend erwiesen, indem es weder zu einer Demonstration
noch zu einer Versammlung gekommen sei. Wenn das Obergericht ausführe, dass
der Begriff «Gesetz» in Art. 19 KV auch die in einer verfassungsmässig
zustandegekommenen Verordnung enthaltenen allgemein verbindlichen Rechtssätze
umfasse, so übersehe es, dass es sich im vorliegenden Falle nicht um einen
solchen Erlass handle. Denn der angefochtene Regierungsratsbeschluss sei keine
Verordnung in jenem Sinne, wie er sich denn auch nicht als solche, sondern
bloss als Beschluss bezeichne. Er enthalte nicht allgemeine, in allen Fällen
in gleicher Weise anwendbare Normen über politische Versammlungen, sondern
eine typische Gelegenheitsanordnung, indem dadurch Strafbestimmungen lediglich
für eine einmalige konkrete Veranstaltung, «für einen Tag» aufgestellt und mit
den Sanktionen des aargauischen Strafgesetzes ausgestattet würden. Gerade
gegen solche willkürliche und unechte Gesetzgebungsakte von
Vollziehungsbehörden (Ausnahmegesetze) wolle aber Art. 19 KV den Bürger
schützen. Wegen des Übergriffes in die Befugnisse des Gesetzgebers durch einen
derartigen Erlass des Regierungsrates erscheine auch der Grundsatz der
Gewaltentrennung (Art. 3 KV) als verletzt. Sei der Erlass, der die Strafe
androhe, verfassungswidrig, so müssten
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aber auch die auf Grund desselben ausgefällten Strafen aufgehoben werden.
Das Bundesgericht hat die staatsrechtlichen Beschwerden abgewiesen,
hinsichtlich der eben erwähnten Rügen mit der
Begründung:
Art. 18 der aargauischen KV gewährleistet die Versammlungsfreiheit nur innert
den Schranken des allgemeinen Rechts und der Sittlichkeit, eine Einschränkung,
die sich übrigens von selbst verstehen wurde, sogar wenn sie in der Verfassung
nicht besonders ausgesprochen wäre. Zu diesen Schranken gehört aber zweifellos
auch die Aufrechthaltung der allgemeinen Sicherheit, Ruhe und Ordnung im
Staate, deren Wahrung als eine primäre Staatsaufgabe durch Art. 39 lit. b KV
dem Regierungsrat übertragen ist. Versammlungen, bei denen es auf eine Störung
der öffentlichen Sicherheit und Ruhe abgesehen ist, oder von denen eine solche
Störung, auch wenn sie von den Veranstaltern nicht geradezu bezweckt sein
sollte, doch von Seite der Versammlungsteilnehmer als Folge nach den Umständen
mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen ist, müssen
infolgedessen polizeilich verhindert, verboten werden können, ohne dass
dagegen Art. 18 KV angerufen werden könnte (Urteil vom 24. Dezember 1917 in
Sachen Breguet gegen Regierungsrat Neuenburg S. 11 ff.). Diese Voraussetzungen
durften hier als gegeben betrachtet werden. Nach dem, was sich am 10./11. Mai
in Baden abgespielt hatte, den offensichtlich unzutreffenden und übertriebenen
Meldungen des «Kämpfer» über das Eingreifen der Polizei gegenüber den damals
geplanten Kundgebungen und der gereizten Stimmung, die dadurch bei den
Anhängern der kommunistischen Partei erweckt werden musste, dem heftigen Ton
der Aufrufe zu den geplanten neuen Veranstaltungen vom 18./19. Mai selbst und
der darin enthaltenen Ankündigung, dass man sich um eventuelle einschränkende
Polizeimassregeln nicht kümmern,
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d. h. sich darüber mit Gewalt hinwegsetzen werde, bei den Reden endlich, die
nach all diesen Vorgängen an der Versammlung selbst zu erwarten waren, liess
sich nicht annehmen, dass die Versammlungsteilnehmer bei einer theoretischen
Äusserung ihres Unwillens stehen bleiben werden (vgl. den ähnlichen Fall BGE
48 II 145 ff. insbesondere 151 letzter Absatz). Es musste damit gerechnet,
wenn nicht geradezu als sicher angesehen werden, dass sie zu Taten übergehen
werden und es zu Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten gegen Personen und
Sachen komme, durch die bei der Abhaltung der Versammlung im Freien zum
mindesten die Sicherheit des Verkehrs auf den öffentlichen Strassen, wenn
nicht sogar weiterer Personen als der Strassenbenützer erheblich gestört und
gefährdet worden wäre. Auch die Sorge für den ungestörten und sichern Verkehr
auf den öffentlichen Verkehrswegen gehört aber und zwar in erster Linie mit
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die zu wahren selbst auf die
Gefahr einer Beschränkung des Versammlungsrechtes hin Aufgabe und Pflicht der
Polizei ist (BGE 55 I 238 Abs. 3). Wenn der Regierungsrat sich aus solchen
Gründen veranlasst gesehen hat, die geplanten Kundgebungen zu verbieten, so
hat er demnach dadurch die Schranken, welche Art. 18 KV dem polizeilichen
Eingreifen zieht, nicht überschritten. Dass Veranstalter der Versammlung eine
«anerkannte», d. h. nicht schon als solche für rechtswidrig erachtete
politische Partei war, ändert hieran nichts. Eine Widerlegung der anderen
konkreten Umstände des Falles aber, welche den Regierungsrat dazu geführt
haben, eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im oben
umschriebenen Sinne anzunehmen, wird in der Beschwerdeschrift nicht einmal
versucht.
Auch die Rüge, dass die Bestrafung der Rekurrenten gegen den Grundsatz nulla
poena sine lege (Art. 19 KV) verstosse, ist unbegründet. Wenn hier für jede
gerichtliche Verfolgung eines Bürgers ein «Gesetz» verlangt
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wird, so ist dieser Ausdruck - wie das Bundesgericht für die übereinstimmenden
Vorschriften anderer kantonaler Verfassungen oder Gesetzgebungen schon
wiederholt entschieden hat - nicht in dem wörtlichen, formellen Sinne eines
Erlasses des als Gesetzgeber bezeichneten Staatsorgans im Gegensatz zu einem
solchen eines anderen Staatsorgans, z. B. des Inhabers der sogenannten
vollziehenden Gewalt zu verstehen. Es sollen lediglich die Bürger vor
behördlicher Willkür auf dem Gebiete des Strafrechts dadurch geschützt werden,
dass eine Bestrafung nicht schon auf Grund der blossen Überzeugung des
Richters von der sittlichen Verwerflichkeit oder Gemeinschädlichkeit der
eingeklagten Handlung oder wegen ihrer vermeintlichen Ähnlichkeit mit anderen
gesetzlich als strafbar erklärten Handlungen eintreten darf, sondern eine dem
geschriebenen Recht angehörende allgemein verbindliche Norm, ein giltiger
Rechtssatz vorhanden sein muss, der das betreffende Verhalten (Handeln oder
Unterlassen) allgemein gegenüber jedem Täter in gleicher Weise mit Strafe
bedroht. Gesetzlich angedroht ist eine Strafe demnach, sobald sie in einem
solchen aus einer verfassungsmässig anerkannten Quelle der Rechtssetzung
stammenden Rechtssatze vorgesehen ist. Dass der letztere auf dem «Wege der
Gesetzgebung» zustandegekommen, in einem Gesetze im formellen Sinne enthalten
sei, ist nicht erforderlich. Es genügt auch die Aufstellung durch Verordnung,
sofern das Organ, welches die Verordnung erlassen hat, dabei im Rahmen seiner
verfassungsmässigen Kompetenzen gehandelt hat (BGE 32 I 107; 41 I 500; 45 I
73). Auch nach aargauischem Staatsrechte erschöpfen sich aber die Befugnisse
des Regierungsrates nicht in der Vollziehung der vom Volk oder Grossen Rat
erlassenen Gesetze und Dekrete. Es kommt ihm daneben und zwar als selbständige
Aufgabe in der Stellung als «oberste Vollziehungs- und Verwaltungsbehörde»
(Art. 37 KV) auch die Ausübung der Polizeigewalt zu, wie Art. 39 lit. b KV bei
Aufzählung seiner Kompetenzen
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durch Erwähnung der «Sorge für die Handhabung der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit im Kanton» neben jener Vollziehungstätigkeit noch besonders
hervorhebt. Inwieweit sich daraus nicht sogar eine allgemeine
Verordnungsgewalt auf dem engeren Gebiete der Polizei in jenem Sinne, d. h.
das Recht zum Erlass von polizeilichen Normen auch dauernden Charakters
herleiten liesse - wie es das Bundesgericht in dem bereits erwähnten Falle Bon
(BGE 32 I S. 108 ff.) auf Grund einer ähnlichen Rechtslage für den Kanton
Luzern angenommen hat (Regelung des Motorfahrzeugverkehrs auf den öffentlichen
Strassen mit Strafsanktionen durch blosse regierungsrätliche Verordnung) -,
kann unerörtert bleiben. Denn auf jeden Fall wird dem Regierungsrat diese
Rechtssetzungsgewalt auch ohne weitere gesetzliche Ermächtigung in dem Umfange
nicht bestritten werden können, wie sie hier beansprucht und vom Obergericht
anerkannt worden ist, nämlich wenn es sich darum handelt, eine infolge
bestimmter Ereignisse unmittelbar drohende Störung oder Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit zu verhindern, der gegenüber der Erlass gesetzlicher
Normen wegen der Langsamkeit des ordentlichen Gesetzgebungsweges als
Abwehrmittel versagen müsste (vgl. im gleichen Sinne allgemein auf Grund einer
in der Schweiz überlieferten feststehenden staatsrechtlichen Anschauung
FLEINER Bundesstaatsrecht S. 321). Beide Voraussetzungen des Einschreitens im
Verordnungswege, eine unmittelbar drohende Gefahr und die damit gegebene
Dringlichkeit des Eingreifens, lagen aber hier nach dem in Erwägung 2 Gesagten
vor. Die Auffassung der Beschwerde, wonach der Regierungsrat zwar eine solche
Störung auf Grund von Art. 39 lit. b KV, ohne dafür noch einer besonderen
gesetzlichen Ermächtigung zu bedürfen, durch Entfaltung polizeilicher (und
eventuell militärischer) Machtmittel, d. h. durch unmittelbaren Zwang
verhindern dürfte, dagegen nicht die Kompetenz hätte, die betreffenden
Handlungen durch Aufstellung allgemein verbindlicher Normen, deren
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Nichtbeachtung einen Rechtsbruch darstellt, zu verbieten, ist nicht haltbar.
Denn auch die Anwendung jener polizeilichen Machtmittel ist nur statthaft,
wenn das Verhalten, das dadurch verhindert werden soll, rechtswidrig ist und
deshalb untersagt werden kann. Sie setzt also dieses Verbot logisch voraus. In
der verfassungsmässigen Befugnis einer Behörde Vorschriften
verwaltungsrechtlicher Natur, insbesondere allgemeine Gebote und Verbote
polizeilicher Natur zu erlassen, ist aber beim Fehlen einer entgegenstehenden
positiven Vorschrift auch die weitere als eingeschlossen anzusehen, auf die
Übertretung dieser Vorschriften Strafe anzudrohen (BGE 41 I 501). Dass der von
den Rekurrenten angerufene Art. 19 KV einer solchen Verbindung von
Strafsanktionen mit einer Verordnung nicht entgegensteht, ist bereits
dargelegt worden. Eine andere Vorschrift der aargauischen Verfassung aber, die
dies auch bei an sich gegebener Rechtssetzungsgewalt der verordnenden Behörde
für den Gegenstand selbst ausschliessen würde, hat nicht angeführt werden
können. Dass die im Beschlusse des Regierungsrates enthaltenen Gebote und
Verbote sich lediglich auf das Verhalten anlässlich einer bestimmten in
Aussicht stehenden Veranstaltung bezogen, nimmt ihnen den Charakter von
Rechtssätzen, allgemeiner Normen und damit eines Gesetzes (in dem in Art. 19
KV vorausgesetzten Sinne) nicht. Denn zum Wesen des Rechtssatzes im Gegensatz
zu einer blossen Einzelverfügung gehört nicht notwendig, dass er auf die Dauer
angelegt sei, eine Regel für eine grundsätzlich unbegrenzte, steter
Wiederholung fähige Zahl von Talbeständen enthalte. Entscheidend ist der durch
den Erlass betroffene und erfasste Personenkreis. Auch ein Gebot, das als
selbständige Anordnung, nicht einfache Vollziehungsmassnahme zu einer bereits
in Gesetzesform aufgestellten Norm nur vorübergehend, für einen bestimmten
Zustand erlassen worden ist, kann einen Rechtssatz und damit ein «Gesetz»
(Verordnung) in der hier in Betracht kommenden Bedeutung
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des Wortes enthalten, wie es andererseits zu seiner Rechtsbeständigkeit
alsdann auch die Ausstattung der erlassenden Behörde mit Rechtssetzungsgewalt
voraus setzt, dann nämlich, wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, an die
Allgemeinheit, eine unbestimmte Vielheit von Personen wendet, die durch ihr
Verhalten die Merkmale (Bedingungen) des im Erlass umschriebenen Tatbestandes
erfüllen können, nicht bloss an eine Einzelperson oder Mehrzahl von Personen,
die durch namentliche Nennung oder ein zwischen ihnen bestehendes rechtliches
Band zum voraus bestimmt abgegrenzt ist. Wenn die Unterscheidung zwischen
beiden Arten staatlicher Willensäusserung gelegentlich Schwierigkeiten
bereiten mag, so kann doch da kein Zweifel bestehen, wo die Anordnung dazu
bestimmt ist, einer vorübergehenden staatlichen Notlage durch das Verbot von
Handlungen zu begegnen, für die eine nicht zum vorneherein bestimmbare
Vielheit von Personen als Täter in Betracht fällt. Sonst müsste auch einem auf
dem Wege der Gesetzgebung zustandegekommenen Erlasse dieses Inhaltes materiell
der Charakter eines Gesetzes abgesprochen werden, wovon offenbar nicht die
Rede sein kann. Dabei wird allerdings wohl verlangt werden dürfen, dass die
verordnende Behörde sich in einem solchen Noterlasse bei Festsetzung der
Strafsanktionen in einem gewissen angemessenen Rahmen hält und nicht Strafen
vorsieht, die zu der Art der verbotenen Handlungen und der sonstigen Ordnung
des Strafrechtes im Kanton in einem offenbaren Missverhältnis stehen. Hievon
kann indessen hier schon deshalb nicht die Rede sein, weil der streitige
Regierungsratsbeschluss lediglich die Anwendung der Strafen bestimmt hat,
welche im kantonalen Zuchtpolizeigesetz allgemein für das in § 1 desselben
erwähnte Gattungsdelikt der «Vergehen gegen die öffentliche Ruhe, Ordnung und
Sicherheit» vorgesehen sind. Es kann auch das Vorliegen einer Notlage, die den
Regierungsrat zur Aufstellung von Strafsanktionen im Verordnungswege
berechtigte, nicht
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etwa deshalb verneint werden, weil für die Verfolgung von Zuwiderhandlungen
gegen seinen Beschluss schon die erwähnte Bestimmung des Zuchtpolizeigesetzes
§ 1 ausgereicht hätte. Denn bei der Unbestimmtheit der Umschreibung des hier
aufgestellten Vergehensbegriffes, der verschiedener Auslegung, einer sehr
weiten und engerer Raum lässt, brauchte der Regierungsrat es nicht darauf
ankommen zu lassen, ob die Gerichte bei tatsächlich vorkommendem Ungehorsam
gegen seinen Beschluss schon darin allein das Vergehen des § 1 des
Zuchtpolizeigesetzes sehen würden.