Urteilskopf

117 Ia 251

40. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. Juni 1991 i.S. M. gegen P. AG und Obergericht des Kantons Zug (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 252

BGE 117 Ia 251 S. 252

Die P. AG reichte gegen M. Strafanzeige ein wegen ungetreuer Geschäftsführung im Sinne von Art. 159
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 159 - Der Arbeitgeber, der die Verpflichtung verletzt, einen Lohnabzug für Steuern, Abgaben, Versicherungsprämien und -beiträge oder in anderer Weise für Rechnung des Arbeitnehmers zu verwenden, und damit diesen am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB, eventuell wegen Betrugs im Sinne von Art. 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.207
StGB. Am 22. Juni 1990 stellte das Verhöramt Zug die Strafuntersuchung gegen M. ein, auferlegte ihm jedoch einen Teil der Untersuchungskosten. M. gelangte in der Folge an die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug und beantragte die Aufhebung der Kostenauflage sowie eine Entschädigung aus ungerechtfertigter Haft. Die P. AG erhob gegen den Einstellungsbeschluss ebenfalls Beschwerde und beantragte die Fortsetzung des Strafverfahrens. Am 8. November 1990 hiess die Justizkommission die Beschwerde der P. AG gut, hob die angefochtene Einstellungsverfügung auf und wies das Verhöramt an, die Strafuntersuchung gegen M. fortzusetzen (Ziffer 1 des Dispositivs). Die Beschwerde von M. wurde als gegenstandslos geworden abgeschrieben (Ziffer 2 des Dispositivs). M. wurde verpflichtet, der P. AG eine Parteientschädigung von Fr. 400.-- zu bezahlen (Ziffer 4 des Dispositivs). M. führt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, die Ziffern 1 und 4 des Entscheides der Justizkommission des Obergerichts vom 8. November 1990 seien aufzuheben. Er rügt eine Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV (Willkür). Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein
Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

1. Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 116 Ia 317, 79 mit Hinweis).
BGE 117 Ia 251 S. 253

Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid im Rahmen eines Strafverfahrens. Der Beschwerdeführer rügt einzig eine Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. Gemäss Art. 87 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung dieser Verfassungsbestimmung erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. a) Endentscheid im Sinne von Art. 87 OG ist jeder Entscheid, der ein Verfahren vorbehältlich der Weiterziehung an eine höhere Instanz abschliesst, sei es durch einen Entscheid in der Sache selber, sei es aus prozessualen Gründen. Als Zwischenentscheide gelten dagegen jene Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen, sondern bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen (BGE 116 Ia 43; BGE 115 Ia 317, je mit Heinweisen). Im vorliegenden Fall hat die Justizkommission des Obergerichts die Beschwerde der P. AG gutgeheissen, den Einstellungsbeschluss aufgehoben und die Sache zur Fortsetzung der Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer dem Verhöramt zurückgewiesen. Das kantonale Verfahren ist demnach noch nicht abgeschlossen; vielmehr wird das Verhöramt nochmals zu entscheiden haben. Rückweisungsentscheide sind aber nach ständiger Praxis des Bundesgerichts Zwischenentscheide (BGE 116 Ia 43; BGE 106 Ia 228, je mit Hinweisen). Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdelegitimation der P. AG im kantonalen Verfahren anficht.
Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich nicht nur gegen den Rückweisungsentscheid an sich, sondern auch gegen die von der Justizkommission beschlossene Parteientschädigung, die der Beschwerdeführer der P. AG für das kantonale Beschwerdeverfahren zu bezahlen hat. Das Bundesgericht hat in seiner neueren Rechtsprechung festgehalten, dass Art. 87 OG auch dann zur Anwendung kommt, wenn ein Zwischenentscheid in bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen angefochten ist (unveröffentlichte Urteile vom 7. Mai 1991 i.S. H.; vom 22. November 1990 i.S. St., E. Ia; vom 4. Oktober 1990 i.S. F., E. 1 und vom 29. Mai 1990 i.S. M., E. 3). Zu prüfen ist daher, ob der angefochtene Entscheid für den Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts bedarf es eines Nachteils rechtlicher Natur; eine bloss tatsächliche Beeinträchtigung
BGE 117 Ia 251 S. 254

wie beispielsweise die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht. Der Nachteil ist nur dann rechtlicher Natur, wenn er auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte (BGE 115 Ia 314 E. c; BGE 108 Ia 104). Dabei ist es nicht nötig, dass sich der Nachteil schon im kantonalen Verfahren durch einen günstigen Endentscheid beheben lässt. Es genügt, wenn er in einem anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren beseitigt werden kann (BGE 116 Ia 445 E. 1b). An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Dem Beschwerdeführer steht gegen den kantonalen Endentscheid in der Hauptsache wiederum die staatsrechtliche Beschwerde offen, mit welcher er die heute erhobenen Rügen hinsichtlich der Beschwerdelegitimation der P. AG im kantonalen Verfahren nochmals vorbringen kann. In bezug auf die der P. AG zugesprochene Parteientschädigung ist zwar einzuräumen, dass die unteren kantonalen Instanzen darüber nicht mehr befinden können. Indessen wird der Beschwerdeführer zusammen mit der staatsrechtlichen Beschwerde in der Hauptsache auch noch den Zwischenentscheid vom 8. November 1990 mitanfechten können (BGE 106 Ia 234). Obwohl nicht zu verkennen ist, dass über die Parteientschädigung an die P. AG im kantonalen Verfahren endgültig entschieden wurde, besteht kein Grund, vom Erfordernis des Art. 87 OG eine Ausnahme zu machen. Das Bundesgericht hat bereits im Entscheid BGE 106 Ia 229 ff. festgehalten, dass Gründe der Prozessökonomie zum Erlass des Art. 87 OG geführt haben. Mit dieser Bestimmung sollte das Bundesgericht entlastet werden. Es soll sich als Staatsgerichtshof im Rahmen einer Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV in der Regel nur einmal mit einem Prozess befassen müssen (BGE BGE 106 Ia 235 E. 3d mit Hinweisen). Diese Forderung hat seit dem Inkrafttreten des heute geltenden Organisationsgesetzes von 1943 nichts an Aktualität eingebüsst. Die notorische Überlastung des Bundesgerichts gebietet vielmehr, am dargelegten Grundsatz festzuhalten (BGE 106 Ia 235 E. 3d). Es fragt sich indessen, ob diese Rechtsprechung dem Beschwerdeführer hinsichtlich der beanstandeten Parteientschädigung im vorliegenden Fall nicht doch zum Nachteil gereichen könnte. Dies wäre zum Beispiel denkbar, wenn eine der kantonalen Instanzen voll zu seinen Gunsten entscheiden, wenn das kantonale Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit oder Rückzugs des Rechtsmittels als erledigt erklärt oder wenn das Strafverfahren eingestellt würde.
BGE 117 Ia 251 S. 255

Der Beschwerdeführer könnte dann gegen den Sach- resp. Prozessentscheid mangels Rechtsschutzinteresses keine weiteren Rechtsmittel ergreifen, somit auch den Zwischenentscheid nicht mehr mitanfechten. Dieser Umstand ist jedoch für das vorliegende Verfahren nicht von Belang. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts kann ein Betroffener gegen den Kostenentscheid staatsrechtliche Beschwerde führen, auch wenn ihm die Legitimation zur Anfechtung des Hauptentscheides fehlt; denn durch den Kostenentscheid (Gerichts- und/oder Parteikosten) wird er persönlich und unmittelbar in seinen Interessen betroffen (BGE 109 Ia 91; BGE 100 Ia 298 E. 4). Daher könnte der Beschwerdeführer im Anschluss an das neue kantonale Urteil staatsrechtliche Beschwerde erheben, gegebenenfalls direkt nach einem unterinstanzlichen Entscheid (vgl. BGE 106 Ia 236). Diese hätte sich allenfalls ausschliesslich gegen die im Zwischenentscheid vom 8. November 1990 der P. AG zugesprochene Parteientschädigung zu richten.