VPB 69.115

Stellungnahme der Direktion für Völkerrecht vom 21. Oktober 2004

Art. 60, Art. 65 und Art. 66 Wiener Übereink. über das Recht der Verträge. Suspendierung eines bilateralen Abkommens. Verfahren.

Art. 60, art. 65 et art. 66 Conv. de Vienne sur le droit des traités. Suspension d'un traité bilatéral. Procédure.

Art. 60, art. 65 e art. 66 Conv. di Vienna sul diritto dei trattati. Sospensione di un trattato bilaterale. Procedura.

Die Direktion für Völkerrecht (DV/EDA) wurde gebeten, zur Frage des Verfahrens für die Suspendierung eines bilateralen Abkommens mit einem Staat (im Folgenden: X.), dem eine mangelhafte Befolgung des Abkommens vorgeworfen wurde, Stellung zu nehmen.

Rechtlich stellt die Suspendierung eine mögliche Reaktion auf die mangelhafte Befolgung des Abkommens durch X. dar. In dieser Hinsicht ist die DV/EDA einverstanden mit der Idee, das Abkommen mit X. wegen Vertragsverletzung gestützt auf Art. 60 Abs. 1
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 60 Beendigung oder Suspendierung eines Vertrags infolge Vertragsverletzung
a  in einer nach diesem Übereinkommen nicht zulässigen Ablehnung des Vertrags oder
ai  entweder im Verhältnis zwischen ihnen und dem vertragsbrüchigen Staat
aii  oder zwischen allen Vertragsparteien;
b  in der Verletzung einer für die Erreichung des Vertragsziels oder des Vertragszwecks wesentlichen Bestimmung.
c  berechtigt jede Vertragspartei ausser dem vertragsbrüchigen Staat, die Vertragsverletzung als Grund für die gänzliche oder teilweise Suspendierung des Vertrags in Bezug auf sich selbst geltend zu machen, wenn der Vertrag so beschaffen ist, dass eine erhebliche Verletzung seiner Bestimmungen durch eine Vertragspartei die Lage jeder Vertragspartei hinsichtlich der weiteren Erfüllung ihrer Vertragsverpflichtungen grundlegend ändert.
des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge[1] zu suspendieren. Das von der VRK für solche Fälle vorgesehene Verfahren bestimmt, dass die andere Vertragspartei innert einer Frist gegen die Suspendierung Einspruch erheben kann (Art. 65 Abs. 2
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 65 Verfahren bei Ungültigkeit oder Beendigung eines Vertrags, beim Rücktritt von einem Vertrag oder bei Suspendierung eines Vertrags - (1) Macht eine Vertragspartei auf Grund dieses Übereinkommens entweder einen Mangel in ihrer Zustimmung, durch einen Vertrag gebunden zu sein, oder einen Grund zur Anfechtung der Gültigkeit eines Vertrags, zu seiner Beendigung, zum Rücktritt vom Vertrag oder zu seiner Suspendierung geltend, so hat sie den anderen Vertragsparteien ihren Anspruch zu notifizieren. In der Notifikation sind die in Bezug auf den Vertrag beabsichtigte Massnahme und die Gründe dafür anzugeben.
VRK). Wird ein solcher Einspruch gemacht, sind die Parteien verpflichtet, unter Verwendung der in Art. 33 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945[2] genannten Mittel («Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel eigener Wahl») eine Lösung des Konflikts anzustreben. Wenn auf diesem Weg innerhalb von 12 Monaten keine Einigung gefunden werden kann, ist die Angelegenheit einer Vergleichskommission vorzulegen (Art. 66 Bst. b
IR 0.111 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (mit Anhang)
VRK Art. 66 Verfahren zur gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Beilegung oder zum Vergleich - Ist innerhalb von zwölf Monaten nach Erhebung eines Einspruchs keine Lösung nach Artikel 65 Absatz 3 erzielt worden, so sind folgende Verfahren anzuwenden:
a  jede Partei einer Streitigkeit über die Anwendung oder Auslegung des Artikels 53 oder 64 kann die Streitigkeit durch eine Klageschrift dem Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung unterbreiten, sofern die Parteien nicht vereinbaren, die Streitigkeit einem Schiedsverfahren zu unterwerfen;
b  jede Partei einer Streitigkeit über die Anwendung oder Auslegung eines sonstigen Artikels des Teiles V dieses Übereinkommens kann das im Anhang zu dem Übereinkommen bezeichnete Verfahren durch einen diesbezüglichen Antrag an den Generalsekretär der Vereinten Nationen einleiten.
und Anhang der VRK).

Sofern X. von seinem Recht auf Einspruch gegen die Suspendierung des Vertrags Gebrauch macht, kann die Suspendierung somit nicht durchgeführt werden, sondern wäre das oben geschilderte Verfahren durchzuführen. Die DV/EDA ist der Ansicht, dass eine Suspendierung nur dann sinnvoll ist, wenn seitens der Schweiz auch die Bereitschaft bestünde, bei einem allfälligen Einspruch von X. weitere Schritte zu unternehmen.

Die Zuständigkeit des Bundesrates zum Beschluss über die Suspendierung des Abkommens ergibt sich aus Art. 184 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999[3], welcher dem Bundesrat die Zuständigkeit zur Wahrung der auswärtigen Angelegenheiten überträgt.

[1] VRK, SR 0.111.
[2] SR 0.120.
[3] BV, SR 101.

Dokumente der DV/EDA
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : VPB-69.115
Datum : 21. Oktober 2004
Publiziert : 21. Oktober 2004
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als VPB-69.115
Sachgebiet : Direktion für Völkerrecht (DV/EDA)
Gegenstand : Art. 60, Art. 65 und Art. 66 Wiener Übereink. über das Recht der Verträge. Suspendierung eines bilateralen Abkommens. Verfahren....


Gesetzesregister
SR 0.111: 60  65  66
Stichwortregister
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