4. Auszug aus dem Urteil der Strafkammer in Sachen Bundesanwaltschaft gegen A. vom 7. Oktober 2020 (SK.2019.74)
Terrorismus; Verbreiten von Propaganda
Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 2014 über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen (SR 122; Al-Qaïda/IS-Gesetz) Der objektive Tatbestand von Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz kann bereits erfüllt sein, wenn der Täter Propaganda für verbotene Gruppierungen oder deren Ziele gegenüber einer Drittperson betreibt. Eine Verbreitung an eine Vielzahl von Personen ist in der Regel nicht erforderlich (E. 2.2.2.3-2.2.2.4). Prüfung in concreto (E. 2.3.3).
Terrorisme; diffusion de la propagande
Art. 2 al. 1 de la loi fédérale du 12 décembre 2014 interdisant les groupes «AlQaïda» et «Etat islamique» et les organisations apparentées (RS 122; loi fédérale interdisant les groupes «Al-Qaïda» et «Etat islamique») L'élément constitutif objectif de l'infraction visée à l'art. 2 al. 1 de la loi fédérale interdisant les groupes «Al-Qaïda» et «Etat islamique» peut déjà être rempli si l'auteur fait de la propagande pour les groupes interdits ou pour leurs objectifs auprès d'un tiers. En règle générale, une diffusion à un grand nombre de personnes n'est pas nécessaire (consid. 2.2.2.3-2.2.2.4). Examen in concreto (consid. 2.3.3).
Terrorismo; diffusione di propaganda
Art. 2 cpv. 1 della legge federale del 12 dicembre 2014 che vieta i gruppi «AlQaïda» e «Stato islamico» nonché le organizzazioni associate (RS 122; legge che vieta i gruppi «Al-Qaïda» e «Stato islamico») L'elemento oggettivo del reato di cui all'art. 2 cpv. 1 della legge che vieta i gruppi «Al-Qaïda» e «Stato islamico» può già essere soddisfatto qualora l'autore svolga propaganda per gruppi vietati o per i loro obiettivi nei confronti di un terzo. La diffusione a un gran numero di persone non è di regola necessaria (consid. 2.2.2.3-2.2.2.4). Esame in concreto (consid. 2.3.3).
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Die Bundesanwaltschaft warf dem Beschuldigten A. vor, drei zusammengehörige Predigten der bekannten «Al-Shabaab»-Führungsperson Aadan Xaashi Ceyrow enthaltende Dateien von seiner USB-Festplatte auf den Computer von B. übertragen und damit verbreitet zu haben. Dadurch habe er die Terrorgruppierung «Islamischer Staat» (IS) und verwandte Organisationen in deren verbrecherischen Machenschaften gefördert.
Die Strafkammer sprach A. der Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 1 AlQaïda/IS-Gesetz schuldig.
Urteil der Berufungskammer CA.2020.15 vom 8. März 2021: Die Berufung von A. wurde teilweise gutgeheissen. Die Gutheissung betrifft indes nicht den vorliegenden Urteilspunkt.
Aus den Erwägungen:
2.2.2 Den Tatbestand von Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz erfüllt insbesondere, wer Propaganda für verbotene Gruppierungen in objektiv erkennbarer Weise bewusst verbreitet (vgl. z.B. Urteile des Bundesgerichts 6B_169/2019 vom 26. Februar 2020 E. 2.4 und 6B_948/2016 vom 22. Februar 2017 E. 4.2.2; Urteile des Bundesstrafgerichts SK.2019.63 vom 18. Dezember 2019 E. 2.2.2 und SK.2019.23 vom 15. Juli 2019 E. 3.2.2 und E. 5.1 f.).
2.2.2.1 Propaganda im allgemeinen Sinne äussert sich - genau wie Werbung - in Massnahmen, die darauf abzielen, den Adressaten zu einem bestimmten Denken, Verhalten oder Handeln zu veranlassen. Der Unterschied der Begriffe Werbung und Propaganda liegt grundsätzlich nicht in deren Ziel oder Art; Werbung und Propaganda unterscheiden sich vielmehr im Anwendungsbereich. Als Propaganda wird im Allgemeinen jene Werbung bezeichnet, die sich nicht auf kommerzielle, sondern auf ideologische Bereiche bezieht. Das sind z.B. kulturelle, soziale, politische oder religiöse Bereiche (vgl. DAVID/REUTTER, Schweizerisches Werberecht, 3. Aufl. 2015, N. 10 f. und 15).
2.2.2.2 Nach gängiger Rechtsprechung und Lehre zum strafrechtlichen Propagandabegriff besteht Propaganda objektiv in irgendwelchen von den Mitmenschen wahrnehmbaren Handlungen und subjektiv sowohl im Bewusstsein, dass eine bestimmte Handlung von Mitmenschen wahrgenommen wird, als auch in der Absicht, damit zu werben, d.h. so auf die Mitmenschen einzuwirken, dass sie für die geäusserten Gedanken und Werte gewonnen oder, falls sie ihnen bereits zugetan sind, in ihrer Überzeugung gefestigt werden (vgl. BGE 68 IV 145 E. 2; 140 IV 102 E. 2.2.2; 143 IV 308 E. 5.2; NIGGLI, Rassendiskriminierung, 2. Aufl. 2007, N. 1222 f.; VEST, in: Schubarth [Hrsg.], Delikte gegen den öffentlichen Frieden, 2007, Art. 261bis

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 261bis - Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft, |

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2.2.2.3 Hinsichtlich des Erfordernisses der Öffentlichkeit gilt es, dieses in dreifacher Hinsicht zu unterscheiden: 1.) Die Öffentlichkeit der Tathandlung, wie sie beispielsweise von Art. 261bis Abs. 1

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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 260ter - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
|
1 | Mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer: |
a | sich an einer Organisation beteiligt, die den Zweck verfolgt: |
a1 | Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern, oder |
a2 | Gewaltverbrechen zu begehen, mit denen die Bevölkerung eingeschüchtert oder ein Staat oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen genötigt werden soll; oder |
b | eine solche Organisation in ihrer Tätigkeit unterstützt. |
2 | Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung auf humanitäre Dienste, die von einer unparteiischen humanitären Organisation, wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, in Übereinstimmung mit dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Abkommen vom 12. August 1949345 erbracht werden. |
3 | Übt der Täter einen bestimmenden Einfluss in der Organisation aus, so wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. |
4 | Das Gericht kann die Strafe mildern (Art. 48a), wenn der Täter sich bemüht, die weitere Tätigkeit der Organisation zu verhindern. |
5 | Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, wenn die Organisation ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in der Schweiz ausübt oder auszuüben beabsichtigt. Artikel 7 Absätze 4 und 5 sind anwendbar. |

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2.2.2.4 Die Tathandlungen des Unterstützens, Organisierens von Propagandaaktionen, des Anwerbens sowie Förderns auf andere Weise gemäss Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz stellen verselbständigte Teilnahmebzw. Hilfshandlungen zugunsten von Aktivitäten der verbotenen Gruppierungen dar. Als weitere Tathandlung gilt gemäss Rechtsprechung zudem, wie erläutert, das Fördern einer Propagandaaktion, z.B. durch Verstecken von Propagandamaterial (vgl. vorne E. 2.2.2.3). Nach der Rechtsprechung zu Art. 25

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft. |

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Beim Verbreiten von Propaganda wird Propaganda für verbotene Gruppierungen oder deren Ziele vom Täter an Drittpersonen mitgeteilt. Bereits die Mitteilung an einen Dritten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Propaganda bzw. die Propagandaaktion weitere Beachtung findet. In der Regel ist somit nicht erforderlich, dass die Propaganda an eine Vielzahl von Personen verbreitet wird. Das Verbreiten von Propaganda für verbotene Gruppierungen oder deren Ziele stellt ein Fördern einer Propagandaaktion i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz dar. Letzteres liesse sich am ehesten unter die Tatvariante des Förderns der Aktivitäten verbotener Gruppierungen auf andere Weise subsumieren, wobei es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts einerlei ist, ob ein den Tatbestand von Art. 2 Abs. 1 Al-Qaïda/IS-Gesetz erfüllendes Verhalten unter eine konkrete Tatvariante oder unter die Generalklausel der «Förderung auf andere Weise» fällt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_948/2016 vom 22. Februar 2017 E. 4.2.2, mit Bezug auf einen zum IS Reisenden).
2.3.3 [...]. Mit dem Übertragen der Propagandareden Ceyrows auf den Computer von B. hat der Beschuldigte die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Propaganda(aktion) von Ceyrow für die «Al-Shabaab» weitere Beachtung findet. Dies umso mehr als B.s Computer von verschiedenen weiteren Personen benutzt wurde, wie etwa dessen Ehefrau E. sowie Besuchern. Bereits dadurch hat er Ceyrows Propagandaaktion gefördert. Mit dem Übertragen der Dateien auf B.s Computer verliessen diese überdies den Herrschaftsbereich des Beschuldigten, wodurch er keinen Einfluss mehr auf deren weitere Verwendung bzw. keine Kontrolle darüber hatte. Indem er die fraglichen Dateien B. und einer unbestimmten Anzahl weiterer Benutzer von dessen Computer zugänglich machte, hat er deren Beeinflussung im Sinne des Propagandabegriffs ermöglicht. Im Übrigen hätte der Beschuldigte, wie dargelegt, auch durch weniger intensive Propagandahandlungen, wie z.B. durch ein Verstecken verbotener Propaganda den Tatbestand bereits erfüllt (vgl. vorne E. 2.2.2.3). Demgemäss spielt es entgegen dem Vorbringen des Verteidigers auch keine Rolle, ob die inkriminierten drei Dateien tatsächlich verwendet worden sind oder nicht.