TPF 2015 121, p.121

TPF 2015 121

22. Auszug aus dem Entscheid der Beschwerdekammer in Sachen Anwaltskanzlei A. AG, Rechtsanwalt B. und Rechtsanwältin C. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 21. Oktober 2015 (RR.2015.39, RR.2015.40, RR.2015.41)

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Herausgabe von Beweismitteln. Anwaltsgeheimnis. Notargeheimnis. Tätigkeit als Escrow-Agent. Substanziierungspflicht von Berufsgeheimnisträgern im Rechtshilfeverfahren.
Art. 9
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 9 Schutz des Geheimbereichs - Bei der Ausführung von Ersuchen richtet sich der Schutz des Geheimbereichs nach den Bestimmungen über das Zeugnisverweigerungsrecht. Für die Durchsuchung von Aufzeichnungen und die Siegelung gelten die Artikel 246-248 StPO30 sinngemäss.31
IRSG, Art. 42
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 42 - 1 Das Zeugnis kann verweigert werden:
1    Das Zeugnis kann verweigert werden:
a  von folgenden Personen, wenn die Beantwortung der Frage sie der Gefahr der strafgerichtlichen Verfolgung oder einer schweren Benachteiligung der Ehre aussetzen kann oder ihnen einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde:
abis  von Personen, gegen die nach Artikel 28a des Strafgesetzbuchs20 für die Verweigerung des Zeugnisses keine Strafen oder prozessualen Massnahmen verhängt werden dürfen;
a1  dem Zeugen, seinem Ehegatten, seiner eingetragenen Partnerin, seinem eingetragenen Partner oder einer Person, mit der er eine faktische Lebensgemeinschaft führt,
a2  Verwandten oder Verschwägerten des Zeugen in gerader Linie und im zweiten Grad der Seitenlinie;
b  von den in Artikel 321 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches genannten Personen über Tatsachen, die nach dieser Vorschrift unter das Berufsgeheimnis fallen, sofern der Berechtigte nicht in die Offenbarung des Geheimnisses eingewilligt hat.
2    Die Offenbarung anderer Berufsgeheimnisse sowie eines Geschäftsgeheimnisses kann der Richter dem Zeugen erlassen, wenn dessen Interesse an der Geheimhaltung auch bei Berücksichtigung der Sicherungsmassnahmen gemäss Artikel 38 das Interesse des Beweisführers an der Preisgabe überwiegt.
3    Für die Zeugnispflicht von Beamten und deren Hilfspersonen über Wahrnehmungen in Ausübung ihres Amtes oder ihrer Hilfstätigkeit sind die einschränkenden Vorschriften des Verwaltungsrechtes des Bundes und der Kantone massgebend.21
BZP, Art. 13
SR 935.61 Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA) - Anwaltsgesetz
BGFA Art. 13 Berufsgeheimnis - 1 Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
1    Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
2    Sie sorgen für die Wahrung des Berufsgeheimnisses durch ihre Hilfspersonen.
BGFA

Berufsfremde Aktivitäten wie Vermögensverwaltung, Verwaltungsratsmandate oder Geschäftsführung sind nicht vom Berufsgeheimnis geschützte Tätigkeiten des Anwalts (E. 6.3.1, 6.3.2 und 6.4.5).

Die Escrow-Tätigkeit eines Anwalts zur Abwicklung eines Vertrages oder einzig im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit wie der Vermögensverwaltung, ist nicht vom Berufsgeheimnis geschützt (E. 6.4.2).
Vom Notargeheimnis ist insbesondere die Beratungstätigkeit des Notars erfasst (E. 6.3.3).

Insbesondere besteht im Rechtshilfebzw. Beschwerdeverfahren eine weitergehende Substanziierungspflicht zum Anwaltsgeheimnis als im nationalen Strafverfahren (E. 7.2 und 7.3).

Entraide judiciaire internationale en matière pénale. Remise de moyens de preuve. Secret professionnel de l'avocat. Secret professionnel du notaire. Activité déployée en tant qu'agent «Escrow». Devoir de motivation incombant aux détenteurs du secret professionnel dans le cadre de la procédure d'entraide.
TPF 2015 121, p.122

Art. 9 EIMP, art. 42 PCF, art. 13 LLCA

Des activités telles que gestion de fortune, mandats d'administrateur ou de directeur ne sont pas typiques de l'activité d'avocat et ne sont pas couvertes par le secret professionnel (consid. 6.3.1, 6.3.2 et 6.4.5).
L'activité d'Escrow exercée par un avocat en vue de conclure un contrat ou simplement en lien avec une activité économique telle que la gestion de fortune, n'est pas couverte par le secret professionnel (consid. 6.4.2).
Le secret professionnel du notaire couvre en particulier l'activité de conseil déployée par ce dernier (consid. 6.3.3).

Le devoir de motivation qui incombe à l'avocat lorsqu'il invoque son secret professionnel est plus étendu dans le domaine de l'entraide judiciaire, y compris devant l'autorité de recours, qu'il ne l'est dans le cadre d'une procédure pénale nationale (consid. 7.2 et 7.3).

Assistenza internazionale in materia penale. Consegna di mezzi di prova. Segreto professionale dell'avvocato. Segreto professionale del notaio. Attività in quanto agente «escrow». Obbligo del titolare del segreto di sostanziare il proprio diritto nella procedura di assistenza internazionale.

Art. 9 AIMP, art. 42 PC, art. 13 LLCA

Attività estranee alla professione di avvocato come la gestione di patrimoni, mandati in consigli d'amministrazione o la gestione d'affari non sono coperte dal segreto professionale dell'avvocato (consid. 6.3.1, 6.3.2 e 6.4.5).
L'attività «escrow» di un avvocato, in vista della conclusione di un contratto o esclusivamente in relazione ad attività economiche come la gestione di patrimoni, non è coperta dal segreto professionale (consid. 6.4.2).
L'attività di consulenza in materia notarile è segnatamente coperta dal segreto professionale del notaio (consid. 6.3.3).

L'obbligo di sostanziare l'esistenza di un segreto professionale dell'avvocato è più ampio nella procedura di assistenza internazionale, e nella rispettiva procedura ricorsuale, che nella procedura penale nazionale (consid. 7.2 e 7.3).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Deutschland ermittelte wegen Insolvenzverschleppung u. a. gegen Rechtsanwalt B. und ersuchte um Unterlagen aus der Anwaltskanzlei A. Die Kanzlei wurde durchsucht und dabei die Siegelung der gesicherten Unterlagen verlangt. Das Zwangsmassnahmengericht gab infolge
TPF 2015 121, p.123

Vergleichs einen Teil der Unterlagen frei, woraus die spätere Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft Dokumente an Deutschland herausgab. Das Bundesstrafgericht hob die Schlussverfügung auf (Entscheid RR.2014.1 vom 3. September 2014): Der gegen RA B. geschilderte Sachverhalt war in der Schweiz nicht strafbar, sein Berufsgeheimnis somit zu beachten und davon Erfasstes auszusondern. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde dagegen, u. a. von RA B., nicht ein (Urteil 1C_452/2014 vom 25. September 2014). Die erneute Schlussverfügung gab die meisten Unterlagen frei zur Herausgabe und wurde angefochten mit der Begründung, es liege Beratungstätigkeit vor. Verwaltungsratsakten der H. AG seien in andersfarbigen Ordnern und räumlich getrennt gelagert worden. Ein Escrow-Agent übe klassische Anwaltstätigkeit aus. RAin C. habe als Hilfsperson des Rechtsanwalts B. und als Notarin gehandelt.
Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde grossmehrheitlich ab.
Urteil des Bundesgerichts 1C_576/2015 vom 10. Dezember 2015: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

Aus den Erwägungen:

6.3
6.3.1 Bei der Ausführung von Rechtshilfeersuchen richtet sich der Schutz des Geheimbereichs nach den Bestimmungen über das Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 9
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 9 Schutz des Geheimbereichs - Bei der Ausführung von Ersuchen richtet sich der Schutz des Geheimbereichs nach den Bestimmungen über das Zeugnisverweigerungsrecht. Für die Durchsuchung von Aufzeichnungen und die Siegelung gelten die Artikel 246-248 StPO30 sinngemäss.31
IRSG) genauer nach Art. 42
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 42 - 1 Das Zeugnis kann verweigert werden:
1    Das Zeugnis kann verweigert werden:
a  von folgenden Personen, wenn die Beantwortung der Frage sie der Gefahr der strafgerichtlichen Verfolgung oder einer schweren Benachteiligung der Ehre aussetzen kann oder ihnen einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde:
abis  von Personen, gegen die nach Artikel 28a des Strafgesetzbuchs20 für die Verweigerung des Zeugnisses keine Strafen oder prozessualen Massnahmen verhängt werden dürfen;
a1  dem Zeugen, seinem Ehegatten, seiner eingetragenen Partnerin, seinem eingetragenen Partner oder einer Person, mit der er eine faktische Lebensgemeinschaft führt,
a2  Verwandten oder Verschwägerten des Zeugen in gerader Linie und im zweiten Grad der Seitenlinie;
b  von den in Artikel 321 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches genannten Personen über Tatsachen, die nach dieser Vorschrift unter das Berufsgeheimnis fallen, sofern der Berechtigte nicht in die Offenbarung des Geheimnisses eingewilligt hat.
2    Die Offenbarung anderer Berufsgeheimnisse sowie eines Geschäftsgeheimnisses kann der Richter dem Zeugen erlassen, wenn dessen Interesse an der Geheimhaltung auch bei Berücksichtigung der Sicherungsmassnahmen gemäss Artikel 38 das Interesse des Beweisführers an der Preisgabe überwiegt.
3    Für die Zeugnispflicht von Beamten und deren Hilfspersonen über Wahrnehmungen in Ausübung ihres Amtes oder ihrer Hilfstätigkeit sind die einschränkenden Vorschriften des Verwaltungsrechtes des Bundes und der Kantone massgebend.21
BZP (Art. 16 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 16 - 1 Das Recht der Zeugnisverweigerung bestimmt sich nach Artikel 42 Absätze 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 194745 über den Bundeszivilprozess (BZP).
1    Das Recht der Zeugnisverweigerung bestimmt sich nach Artikel 42 Absätze 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 194745 über den Bundeszivilprozess (BZP).
1bis    Der Mediator ist berechtigt, über Tatsachen, die er bei seiner Tätigkeit nach Artikel 33b wahrgenommen hat, das Zeugnis zu verweigern.46
2    Der Träger eines Berufs- oder Geschäftsgeheimnisses im Sinne von Artikel 42 Absatz 2 BZP kann das Zeugnis verweigern, soweit ihn nicht ein anderes Bundesgesetz zum Zeugnis verpflichtet.
3    ...47
VwVG i.V.m. Art. 12 Abs. 1
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 12 Im Allgemeinen - 1 Wenn dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wenden die Bundesverwaltungsbehörden das Bundesgesetz vom 20. Dezember 196843 über das Verwaltungsverfahren, die kantonalen Behörden die für sie geltenden Vorschriften sinngemäss an. Für Prozesshandlungen gilt das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht.
1    Wenn dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wenden die Bundesverwaltungsbehörden das Bundesgesetz vom 20. Dezember 196843 über das Verwaltungsverfahren, die kantonalen Behörden die für sie geltenden Vorschriften sinngemäss an. Für Prozesshandlungen gilt das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht.
2    Die kantonalen und eidgenössischen Bestimmungen über den Stillstand von Fristen gelten nicht.44
IRSG). Das Zeugnis kann nach dieser Bestimmung über Tatsachen verweigert werden, die gemäss Art. 321 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
1    Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
2    Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
3    Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.457
StGB unter das Berufsgeheimnis fallen (Art. 42 Abs. 1 lit. b
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 42 - 1 Das Zeugnis kann verweigert werden:
1    Das Zeugnis kann verweigert werden:
a  von folgenden Personen, wenn die Beantwortung der Frage sie der Gefahr der strafgerichtlichen Verfolgung oder einer schweren Benachteiligung der Ehre aussetzen kann oder ihnen einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde:
abis  von Personen, gegen die nach Artikel 28a des Strafgesetzbuchs20 für die Verweigerung des Zeugnisses keine Strafen oder prozessualen Massnahmen verhängt werden dürfen;
a1  dem Zeugen, seinem Ehegatten, seiner eingetragenen Partnerin, seinem eingetragenen Partner oder einer Person, mit der er eine faktische Lebensgemeinschaft führt,
a2  Verwandten oder Verschwägerten des Zeugen in gerader Linie und im zweiten Grad der Seitenlinie;
b  von den in Artikel 321 Ziffer 1 des Strafgesetzbuches genannten Personen über Tatsachen, die nach dieser Vorschrift unter das Berufsgeheimnis fallen, sofern der Berechtigte nicht in die Offenbarung des Geheimnisses eingewilligt hat.
2    Die Offenbarung anderer Berufsgeheimnisse sowie eines Geschäftsgeheimnisses kann der Richter dem Zeugen erlassen, wenn dessen Interesse an der Geheimhaltung auch bei Berücksichtigung der Sicherungsmassnahmen gemäss Artikel 38 das Interesse des Beweisführers an der Preisgabe überwiegt.
3    Für die Zeugnispflicht von Beamten und deren Hilfspersonen über Wahrnehmungen in Ausübung ihres Amtes oder ihrer Hilfstätigkeit sind die einschränkenden Vorschriften des Verwaltungsrechtes des Bundes und der Kantone massgebend.21
BZP). Dies erfasst u. a. das Berufsgeheimnis der Anwälte und Notare.
6.3.2 Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer Person mit ihrem Anwalt dürfen nicht beschlagnahmt werden, sofern dieser nach dem Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist.

Die herkömmliche Tätigkeit des Anwalts ist durch juristische Beratung geprägt, durch die Verfassung von juristischen Urkunden wie auch durch Unterstützung oder Vertretung von Personen vor einer Verwaltungsoder Gerichtsbehörde (BGE 135 III 410 E. 3.3).

TPF 2015 121, p.124

Die Rechtsprechung der Beschwerdekammer hat sich verschiedentlich mit der Abgrenzung zwischen eigentlicher, vom Anwaltsgeheimnis abgedeckter Anwaltstätigkeit und nicht darunter fallender Tätigkeit eines Anwalts geäussert; so etwa im von den Beschwerdeführern zitierten Entscheid BE.2009.22 vom 23. Februar 2010, E. 3.2. Gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung bezieht sich danach das Anwaltsgeheimnis nur auf Informationen, die einem Anwalt im Rahmen seiner ursprünglichen, berufsspezifischen Tätigkeit, d. h. in Ausübung seines Anwaltsmandates, anvertraut worden sind. Tatsachen, die er in Zusammenhang mit einer anderen, nicht berufsspezifischen Tätigkeit erfahren hat, sind nicht geschützt (vgl. hierzu ausführlich TPF 2008 141 E. 4.1 S. 143; vgl. auch BGE 112 Ib 606 S. 607 ff.).
Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn sich ein Anwalt nicht auf rein anwaltliche Tätigkeiten beschränkt, namentlich wenn er zugleich Verwaltungsrat seiner Klientin ist. Überwiegt in solchen Fällen das kaufmännische Element derart, dass die Tätigkeit des Anwalts nicht mehr als anwaltliche betrachtet werden kann, so kann sich der Anwalt nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts zumindest nicht in einem umfassenden Sinne auf sein Berufsgeheimnis berufen. Die Entscheidung darüber, welche Tatsachen vom Berufsgeheimnis erfasst werden, kann jedoch nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles getroffen werden (BGE 114 III 105 E. 3a S. 107 f.). BOHNET/MARTENET (Droit de la profession d'avocat, Bern 2009, N. 1831) vertreten unter Hinweis auf nicht amtlich publizierte Entscheide des Bundesgerichts die Auffassung, dass im Zweifelsfall vom rein wirtschaftlichen Charakter der Aktivität auszugehen sei. Von den eigenen Akten des Anwaltes sind diesbezüglich die Geschäftsakten der Gesellschaft zu unterscheiden. Für Letztere kann sich der Anwalt als einzelzeichnungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates der Gesellschaft nicht auf sein Anwaltsgeheimnis berufen, da die Verwaltungsratstätigkeit gerade nicht zur berufsspezifischen Tätigkeit des Anwalts gehört. Anders zu entscheiden hiesse, dem Rechtsmissbrauch Tür und Tor zu öffnen (vgl. hierzu ausführlich BGE 115 Ia 197 E. 3d/cc S. 200 f.; 114 III 105 E. 3b und E. 3c S. 108 f.; BGE 135 III 597 E. 3.3).
Im Beschluss BE.2013.4 vom 14. Oktober 2014 verwies die Beschwerdekammer u. a. darauf, dass mit dem Bundesgesetz über die Anpassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis (vgl. die Botschaft vom 26. Oktober 2011; BBl 2011 S.
TPF 2015 121, p.125

8181 ff.) die Regeln über den Beizug anwaltlicher Dokumente als Beweismittel in den verschiedenen Verfahrensgesetzen des Bundes harmonisiert wurden (siehe Botschaft, BBl 2011 S. 8182). Massgebend für diese Änderungen waren gemäss Botschaft (BBl 2011 S. 8184) u. a. die folgenden Voraussetzungen: Geschützt sind nur Gegenstände und Unterlagen, die im Rahmen eines berufsspezifischen Mandates von der Anwältin oder vom Anwalt selber, der Klientschaft oder Dritten erstellt wurden. Zu den Unterlagen gehören nicht nur die Korrespondenz im üblichen Sinne wie Briefe oder E-Mails, sondern auch eigene Aufzeichnungen, rechtliche Abklärungen im Vorfeld eines Verfahrens, Besprechungsnotizen, Strategiepapiere, Vertragsoder Vergleichsentwürfe usw. Zur berufsspezifischen Anwaltstätigkeit gehören dem strafund anwaltsrechtlichen Schutz des Berufsgeheimnisses (Art. 321 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
1    Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
2    Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
3    Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.457
StGB und Art. 13
SR 935.61 Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA) - Anwaltsgesetz
BGFA Art. 13 Berufsgeheimnis - 1 Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
1    Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
2    Sie sorgen für die Wahrung des Berufsgeheimnisses durch ihre Hilfspersonen.
BGFA) entsprechend namentlich Prozessführung und Rechtsberatung, nicht jedoch berufsfremde Aktivitäten wie Vermögensverwaltung, Verwaltungsratsmandate, Geschäftsführung oder Sekretariat eines Berufsverbandes, Mäkelei, Mediation oder Inkassomandate (vgl. BGE 135 III 597 E. 3.3 S. 601; 132 II 103 E. 2.1; jeweils m.w.H.).

Bezüglich des gleichen Verfahrens befasste sich die Beschwerdekammer im Beschluss BE.2014.16 vom 19. Dezember 2014, E. 2.4, z. B. damit, dass ein Anwalt, welcher einzelzeichnungsberechtigter Bevollmächtigter von Gesellschaften war, konkrete Einfuhranweisungen (für die Einfuhr von Kunst) erteilte. Ferner hatte das Anwaltsbüro als Referenzund Korrespondenzadresse für Konten gedient und für ein Konto hatte eine Einzelunterschriftsberechtigung eines Anwalts bestanden. Diese Funktionen würden nicht unter die berufsspezifische Tätigkeit des Rechtsanwalts fallen (E. 2.5).

6.3.3 Nach dem Gesetz über die öffentliche Beurkundung und die Beglaubigung in Zivilsachen des Kantons Zug vom 3. Juni 1946 (Beurkundungsgesetz, BeurkG/ZG; BGS 223.1) können Rechtsanwälte zur öffentlichen Beurkundung ermächtigt werden (§ 2 Abs. 1 BeurkG; notarielle Tätigkeit von Zuger Rechtsanwälten). Das Bundesgericht übertrug in einem nicht amtlich publizierten Entscheid die Rechtsprechung zum Geheimnisschutz von Rechtsanwälten analog auf Notare (Urteil des Bundesgerichts 1B_226/2014 vom 18. September 2014, E. 2.4). Vom Notargeheimnis (Art. 321 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
1    Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
2    Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
3    Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.457
StGB) ist insbesondere die Beratungstätigkeit des Notars erfasst. Das Ergebnis der Beratung, das beurkundete Dokument, kann zur Verwendung im Geschäftsverkehr oder
TPF 2015 121, p.126

Eintrag in einem öffentlichen Register bestimmt sein. Solche notariellen Dokumente sind nur in Ausnahmefällen berufsgeheimnisgeschützt (vgl. MOOSER, Le droit notarial en Suisse, 2. Aufl., Bern 2014, N. 245c: Beschränkung bei Art. 321
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
1    Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht455 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.456
2    Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
3    Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.457
StGB auf «geheimhaltungswürdige Tatsachen» des Notars).

6.4 Auf den vorliegenden Fall bezogen ergibt sich aus der soeben dargestellten Rechtslage Folgendes:

6.4.2 Akten als Escrow Agent: Die Parteien sind sich uneins, ob die Tätigkeit als Escrow Agent unter klassische Anwaltstätigkeit gehört und damit vom Anwaltsgeheimnis geschützt ist. Beim Escrow Vertrag ein aus dem englischen oder US-amerikanischen Recht stammendes Institut handelt es sich um einen Vertrag, der je nach konkreter Ausgestaltung nach schweizerischem Rechtsverständnis entweder eher Aspekte der Anweisung (Art. 466 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 466 - Durch die Anweisung wird der Angewiesene ermächtigt, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen auf Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten, und dieser, die Leistung von jenem in eigenem Namen zu erheben.
. OR) bzw. des Hinterlegungsvertrages (Art. 472 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 472 - 1 Durch den Hinterlegungsvertrag verpflichtet sich der Aufbewahrer dem Hinterleger, eine bewegliche Sache, die dieser ihm anvertraut, zu übernehmen und sie an einem sicheren Orte aufzubewahren.
1    Durch den Hinterlegungsvertrag verpflichtet sich der Aufbewahrer dem Hinterleger, eine bewegliche Sache, die dieser ihm anvertraut, zu übernehmen und sie an einem sicheren Orte aufzubewahren.
2    Eine Vergütung kann er nur dann fordern, wenn sie ausdrücklich bedungen worden ist oder nach den Umständen zu erwarten war.
. OR) enthält und am ehesten einer Unterform des Hinterlegungsvertrages, demjenigen des Sequesters (Art. 480
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 480 - Haben mehrere eine Sache, deren Rechtsverhältnisse streitig oder unklar sind, zur Sicherung ihrer Ansprüche bei einem Dritten (dem Sequester) hinterlegt, so darf dieser die Sache nur mit Zustimmung der Beteiligten oder auf Geheiss des Richters herausgeben.
OR), entspricht. Der Escrow Agent hält z. B. Vermögenswerte mit der Weisung, diese je nach den Bedingungen des Vertrags zwischen Dritten an einen davon weiterzuleiten oder bei oder nach einem Rechtsstreit an Parteien oder Dritte weiterzuleiten (vgl. Wikipedia, Englische Version, zum Begriff Escrow).

In der Literatur ist die Zuordnung von Escrow zur klassischen Anwaltstätigkeit umstritten (bejahend, jedoch ohne Begründung: NATER/ZINDEL, Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011, Art. 13
SR 935.61 Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA) - Anwaltsgesetz
BGFA Art. 13 Berufsgeheimnis - 1 Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
1    Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
2    Sie sorgen für die Wahrung des Berufsgeheimnisses durch ihre Hilfspersonen.
BGFA N. 121; als kontrovers bezeichnet in MAURER/GROSS, Commentaire romand, Basel 2010, Art. 13
SR 935.61 Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA) - Anwaltsgesetz
BGFA Art. 13 Berufsgeheimnis - 1 Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
1    Anwältinnen und Anwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist. Die Entbindung verpflichtet sie nicht zur Preisgabe von Anvertrautem.
2    Sie sorgen für die Wahrung des Berufsgeheimnisses durch ihre Hilfspersonen.
BGFA N. 202). Überzeugend sind die Überlegungen zur Zuordnung zu eigentlicher anwaltlicher Tätigkeit oder eben anderer wirtschaftlichen Tätigkeit bei BOHNET/MARTENET (a.a.O., N. 3550). BOHNET/MARTENET unterscheiden unter dem Kriterium der Unterstellung unter das Geldwäschereigesetz (GwG) drei grundsätzliche Fallkonstellationen. Die Argumentationslinie von BOHNET/MARTENET ist auch ausserhalb der Frage der GwGUnterstellung brauchbar zur Abgrenzung von anwaltlicher und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit des Anwalts. In der ersten Konstellation hängt das Escrow Mandat direkt mit einem Mandat zusammen, welches aus der spezifischen beruflichen Praxis als Anwalt (oder Notar) stammt, womit dieses nicht unter das Geldwäschereigesetz fällt. Damit wäre das Escrow Mandat Anwaltstätigkeit im eigentlichen Sinn. In einer zweiten Konstellation interveniert der Anwalt als Escrow Agent, um die
TPF 2015 121, p.127

Abwicklung eines Vertrages sicherzustellen, ohne dabei spezifische Leistungen seines (anwaltlichen) Berufs anzubieten. In dieser Konstellation dominiert der rein wirtschaftliche Aspekt, womit das Mandat nicht unter anwaltliche Leistungen fällt. Schliesslich würde drittens eine Escrow Tätigkeit einzig im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Anwalts wie der Vermögensverwaltung ausgeübt, womit es wiederum nicht zur eigentlich anwaltlichen Tätigkeit zählt. Dieser differenzierten Abgrenzung ist bei der Zuordnung der Akten aus der Escrow Agententätigkeit zu folgen.

6.4.5 RAin C. (und in untergeordnetem Umfang auch andere Anwälte der Anwaltskanzlei A. AG) habe im anwaltlichen Auftrag gemäss Instruktion von Verwaltungsrat RA B. gehandelt. Ihre Tätigkeit der Vertragsformulierung stelle klassische Anwaltsarbeit dar. Letzteres kann zutreffen: Das Ausformulieren bzw. Anpassen von Vertragstexten gehört zur klassischen anwaltlichen Beratungstätigkeit und ist durch das Anwaltsgeheimnis abgedeckt. Grundsätzlich dürfen solche Unterlagen nicht herausgegeben werden; sie wären auszuscheiden und zurückzugeben.
Indessen müssen RAin C. zugeordnete Unterlagen darauf geprüft werden, ob eine solche, eigenständige Vertragsberatung/-formulierung tatsächlich anzunehmen ist oder ob sie nur sozusagen als verlängerter Arm des Verwaltungsrats gehandelt hat. Jedenfalls kann nicht ein leitender Anwalt (hier RA B.), der als Verwaltungsrat einer Drittgesellschaft tätig ist, in einer Anwalts-AG einen Anwalt der gleichen AG beauftragen und auf diesem Weg an sich nicht anwaltlicher Tätigkeit zuzuordnende Akten zu Anwaltsakten «umfirmieren». Dies umso weniger, als RA B. seine Verwaltungsratstätigkeit organisatorisch gerade über die Anwaltskanzlei A. AG abwickelte. Darin läge eine Umgehung bzw. ein Rechtsmissbrauch. Auch die Behauptung, die anwaltlichen Hilfspersonen des Verwaltungsrates seien nicht direkt von H. AG bezahlt worden, ist weder substanziiert noch ausschlaggebend. RAin C. ist somit als ebenfalls im Rahmen der Anwaltskanzlei A. AG tätige Anwältin keine externe Drittanwältin. Unter diesen Umständen kann sich RAin C. nicht weitergehend auf ein Anwaltsgeheimnis berufen, als dies auch RA B. könnte.
7.2 Die Beschwerdeführer haben im Rechtshilfeverfahren konkret darzulegen, Dokument für Dokument, welche einzelnen Aktenstücke (bzw. welche Passagen daraus) für die ausländische Strafuntersuchung offensichtlich entbehrlich seien, und diese Auffassung auch zu begründen (BGE 130 II 14 E. 4.3/4.4; 126 II 258 E. 9b/aa; Urteil des Bundesgerichts
TPF 2015 121, p.128

1A.234/2005 vom 31. Januar 2006, E. 3.2). Dies gilt besonders bei einer komplexen Untersuchung mit zahlreichen Akten. Die Beschwerdeinstanz forscht nicht von sich aus nach Aktenstücken, die im ausländischen Verfahren (mit Sicherheit) nicht erheblich sein könnten (BGE 122 II 367 E. 2c; Urteil des Bundesgerichts 1A.223/2006 vom 2. April 2007, E. 4.1).
7.3 Auch Berufsgeheimnisträger unterliegen prozessualen Substanziierungsobliegenheiten. Dabei geht es nicht darum, schutzwürdige Geheimnisse inhaltlich preiszugeben, sondern lediglich zu umschreiben, welcher Art die angeblich tangierten Geheimnisinteressen sind und inwiefern sie so wichtig seien, dass sie das Strafverfolgungsinteresse überwiegen (vgl. BGE 138 IV 225 E. 7.1; Urteile des Bundesgerichts 1B_63/2014 vom 16. April 2014, E. 1.6; 1B_303/2013 vom 21. März 2014, E. 7; 1B_637/2012 vom 8. Mai 2013, E. 3.6.2 [in BGE 139 IV 246 nicht publizierte Erwägung]; 1B_352/2013 vom 12. Dezember 2013, E. 3.2; 1B_492/2011 vom 2. Februar 2012, E. 6.2).

Führt die Rechtshilfe leistende Staatsanwaltschaft kein eigenes Strafverfahren im Sachzusammenhang, so ist sie als Rechtshilfebehörde und nicht als Strafbehörde im Sinne von Art. 264 Abs. 3
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 264 Einschränkungen - 1 Nicht beschlagnahmt werden dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind:
1    Nicht beschlagnahmt werden dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind:
a  Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung;
b  persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt;
c  Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 170-173 das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind;
d  Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen Person mit ihrer Anwältin oder ihrem Anwalt, sofern die Anwältin oder der Anwalt nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000148 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist.
2    Die Einschränkungen nach Absatz 1 gelten nicht für Gegenstände und Vermögenswerte, die zur Rückgabe an die geschädigte Person oder zur Einziehung beschlagnahmt werden müssen.
3    Macht die Inhaberin oder der Inhaber geltend, eine Beschlagnahme von Gegenständen oder Vermögenswerten sei nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor.149
StPO tätig («so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor»). Die ausländischen Strafbehörden erlangen gemäss Art. 80l Abs. 1
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 80l Aufschiebende Wirkung - 1 Aufschiebende Wirkung haben nur Beschwerden gegen die Schlussverfügung oder Beschwerden gegen jede andere Verfügung, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten an das Ausland bewilligt.138
1    Aufschiebende Wirkung haben nur Beschwerden gegen die Schlussverfügung oder Beschwerden gegen jede andere Verfügung, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten an das Ausland bewilligt.138
2    Jede der Schlussverfügung vorangehende Zwischenverfügung ist sofort vollstreckbar.
3    Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts kann der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung nach Absatz 2 die aufschiebende Wirkung erteilen, wenn der Berechtigte einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Artikel 80e Absatz 2 glaubhaft macht.139
IRSG erst nach der Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung der Schlussverfügung und nur von nicht vorrangig geheimnisgeschützten Unterlagen Kenntnis. Von der Staatsanwaltschaft erfahrene Berufsgeheimnisse können auch nicht auf dem Wege der unaufgeforderten Übermittlung (Art. 67a Abs. 4
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz
IRSG Art. 67a Unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen - 1 Eine Strafverfolgungsbehörde kann Beweismittel, die sie für ihre eigene Strafuntersuchung erhoben hat, unaufgefordert an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde übermitteln, wenn diese Übermittlung aus ihrer Sicht geeignet ist:
1    Eine Strafverfolgungsbehörde kann Beweismittel, die sie für ihre eigene Strafuntersuchung erhoben hat, unaufgefordert an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde übermitteln, wenn diese Übermittlung aus ihrer Sicht geeignet ist:
a  ein Strafverfahren einzuleiten; oder
b  eine hängige Strafuntersuchung zu erleichtern.
2    Die Übermittlung nach Absatz 1 hat keine Einwirkung auf das in der Schweiz hängige Strafverfahren.
3    Die Übermittlung von Beweismitteln an einen Staat, mit dem keine staatsvertragliche Vereinbarung besteht, bedarf der Zustimmung des BJ.
4    Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Beweismittel, die den Geheimbereich betreffen.
5    Informationen, die den Geheimbereich betreffen, können übermittelt werden, wenn sie geeignet sind, dem ausländischen Staat zu ermöglichen, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen.
6    Jede unaufgeforderte Übermittlung ist in einem Protokoll festzuhalten.
IRSG) herausgegeben und ebenso wenig ohne Weiteres für ein nationales Strafverfahren verwendet werden (Beschlagnahmeverbot von Art. 264
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 264 Einschränkungen - 1 Nicht beschlagnahmt werden dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind:
1    Nicht beschlagnahmt werden dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind:
a  Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung;
b  persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt;
c  Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 170-173 das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind;
d  Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen Person mit ihrer Anwältin oder ihrem Anwalt, sofern die Anwältin oder der Anwalt nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000148 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist.
2    Die Einschränkungen nach Absatz 1 gelten nicht für Gegenstände und Vermögenswerte, die zur Rückgabe an die geschädigte Person oder zur Einziehung beschlagnahmt werden müssen.
3    Macht die Inhaberin oder der Inhaber geltend, eine Beschlagnahme von Gegenständen oder Vermögenswerten sei nicht zulässig, so gehen die Strafbehörden nach den Vorschriften über die Siegelung vor.149
StPO; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2014.1 vom 3. September 2014, E. 3.8, 3.9 und 3.11).

Aus diesem Grund rechtfertigt sich im Rechtshilfeverfahren und speziell im gerichtlichen Verfahren der Überprüfung der Schlussverfügung eine weitergehende Substanziierungspflicht zum Anwaltsgeheimnis als im nationalen Strafverfahren: Will sich ein Anwalt im Rechtshilfeverfahren auf ein Berufsgeheimnis berufen, so muss er rechtzeitig angeben, für wen er anwaltlich tätig geworden ist, sofern dies nicht schon aus den vorhandenen Unterlagen zureichend deutlich klar geworden ist.

TPF 2015 121, p.129
Decision information   •   DEFRITEN
Document : TPF 2015 121
Date : 21. Oktober 2015
Published : 05. November 2015
Source : Bundesstrafgericht
Status : TPF 2015 121
Subject area : Art. 9 IRSG, Art. 42 BZP, Art. 13 BGFA Berufsfremde Aktivitäten wie Vermögensverwaltung, Verwaltungsratsmandate...
Subject : Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Herausgabe von Beweismitteln. Anwaltsgeheimnis. Notargeheimnis. Tätigkeit...


Legislation register
BGFA: 13
BZP: 42
IRSG: 9  12  67a  80l
OR: 466  472  480
StGB: 321
StPO: 264
VwVG: 16
BGE-register
112-IB-606 • 114-III-105 • 115-IA-197 • 122-II-367 • 126-II-258 • 130-II-14 • 132-II-103 • 135-III-410 • 135-III-597 • 138-IV-225 • 139-IV-246
Weitere Urteile ab 2000
1A.223/2006 • 1A.234/2005 • 1B_226/2014 • 1B_303/2013 • 1B_352/2013 • 1B_492/2011 • 1B_63/2014 • 1B_637/2012 • 1C_452/2014 • 1C_576/2015
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
federal court • supervisory board • notary • board of appeal • lawyer • directive • federal law on the freedom of movement of lawyers • germany • federal criminal court • seal • auxiliary person • statement of affairs • abuse of legal right • english • decision • file • letter • [noenglish] • guideline • criminal investigation • mandate • berne • statement of reasons for the adjudication • statement of reasons for the request • document • court and administration exercise • judicial agency • zug • function • e-mail • question • outside • mutual assistance in criminal matters • condition • professional association • constitution • chancellery • civil matter • intention • evidence • import • accused • attestation • position • knowledge • literature • meadow • drawn • character
... Don't show all
BstGer Leitentscheide
TPF 2008 141 • TPF 2015 121
Decisions of the TPF
RR.2014.1 • BE.2013.4 • RR.2015.40 • BE.2014.16 • BE.2009.22 • RR.2015.41 • RR.2015.39
BBl
2011/8182 • 2011/8184