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Auszug aus dem Urteil der Abteilung V
i.S. A. gegen Bundesamt für Migration
E 1979/2008 vom 31. Mai 2013

Verfahren zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Schutzwürdiges Interesse an der Prüfung der originären Flüchtlingseigenschaft nach deren derivativem Erwerb. Kollektivverfolgung von nichtarabischen Ethnien in Darfur. Grundsatzurteil.

Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
BV. Art. 48 Abs. 1 Bst. c
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
, Art. 54
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 54 - Die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfügung bildet, geht mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz über.
und Art. 58
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
VwVG. Art. 3 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
und 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
sowie Art. 51
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
5    ...152
AsylG. Art. 5
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 5 Asylgesuche von Ehepaaren, eingetragenen Partnerinnen und Partnern oder Familien
und Art. 37
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 37 Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft - (Art. 17 Abs. 2 und Art. 51 AsylG)
AsylV 1.

1. Ein Interesse ist schutzwürdig, wenn es praktisch und aktuell ist (E. 3.1). Beschwerdeführende Personen, denen im Laufe des Beschwerdeverfahrens derivativ die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt wird, besitzen dessen ungeachtet ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung ihrer originären Flüchtlingseigenschaft (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3.2 und 3.3).

2. Kollektivverfolgung nichtarabischer Ethnien in Darfur. Lageanalyse (E. 9). Seit 2003 ist das ursprüngliche Schema der von der Regierung unterstützten arabischen Milizen (Janjaweed) versus nichtarabische Gruppen einer Fragmentierung der Konfliktparteien gewichen (E. 9.3.1 9.3.3). Die Existenz von gezielt gegen ein spezifisches Kollektiv (nichtarabische Gruppen) gerichteten Massnahmen wird zum jetzigen Zeitpunkt verneint (E. 9.3.4).

Procédure de reconnaissance de la qualité de réfugié. Intérêt digne de protection à un examen de la qualité de réfugié originaire après obtention de la qualité de réfugié à titre dérivé. Persécution collective d'ethnies non arabes au Darfour. Arrêt de principe.

Art. 5 al. 3 Cst. Art. 48 al. 1 let. c, art. 54 et art. 58 PA. Art. 3 al. 1 et 2 et art. 51 LAsi. Art. 5 et art. 37 OA 1.

1. Un intérêt est digne de protection lorsqu'il est pratique et actuel (consid. 3.1). Un recourant a un intérêt digne de protection à ce que sa qualité de réfugié originaire soit constatée, même si la qualité de réfugié à titre dérivé lui a été reconnue au cours de la procédure de recours et l'asile accordé (précision de la jurisprudence) (consid. 3.2 et 3.3).

2. Persécution collective d'ethnies non arabes au Darfour. Analyse de la situation (consid. 9). Depuis 2003, le schéma initial, opposant les milices arabes (Janjawid), soutenues par le gouvernement, à des groupes non arabes, a fait place à une fragmentation des parties au conflit (consid. 9.3.1 9.3.3). A l'heure actuelle, on ne constate pas d'actions dirigées spécifiquement contre une collectivité déterminée (groupes non arabes) (consid. 9.3.4).

Procedura per il riconoscimento della qualità di rifugiato. Interesse degno di protezione alla determinazione della qualità di rifugiato a titolo originario quando tale qualità è già stata acquisita a titolo derivato. Persecuzione collettiva di etnie non arabe nel Darfur. Sentenza di principio.

Art. 5 cpv. 3 Cost. Art. 48 cpv. 1 lett. c, art. 54 e art. 58 PA. Art. 3 cpv. 1 e 2 e art. 51 LAsi. Art. 5 e art. 37 OAsi 1.

1. L'interesse è degno di protezione, se è pratico e attuale (consid. 3.1). Il ricorrente che durante la procedura di ricorso si è visto riconoscere la qualità di rifugiato a titolo derivato ed ha ottenuto l'asilo, ha comunque un interesse degno di protezione alla constatazione della qualità di rifugiato a titolo originario (precisazione della giurisprudenza) (consid. 3.2 e 3.3).

2. Persecuzione collettiva di etnie non arabe nel Darfur. Analisi della situazione (consid. 9). Dal 2003, il conflitto che inizialmente vedeva opposte milizie arabe (Janjawid), appoggiate dal governo, e gruppi etnici non arabi, ha visto una frammentazione delle parti in causa (consid. 9.3.1 9.3.3). Al momento attuale non si constata l'esistenza di provvedimenti diretti specificatamente contro un gruppo determinato (gruppi etnici non arabi) (consid. 9.3.4).


Der Beschwerdeführer - ein sudanesischer Staatsangehöriger und ethnischer Fur mit letztem Wohnsitz in Darfur - verliess seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge Anfang 2004 und reiste am 2. September 2007 in die Schweiz ein, wo er am 3. September 2007 ein Asylgesuch stellte. Als Grund für die Ausreise aus seinem Heimatland nannte der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Unruhen in Darfur, welche im Februar 2003 ausgebrochen seien und ihn auch persönlich getroffen hätten. Zudem hätten die Menschen in dieser Region in konstanter Angst vor Angriffen der Janjaweed sowie Bombardierungen gelebt, denen sie sich durch Flucht in die Berge versucht hätten zu entziehen. Vor diesem Hintergrund habe er beschlossen, sein Heimatland zu verlassen.

Mit Verfügung vom 20. Februar 2008 - eröffnet am 25. Februar 2008 - lehnte das Bundesamt für Migration (BFM) das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz und deren Vollzug an. Seinen abweisenden Entscheid begründete das BFM im Wesentlichen damit, dass die Betroffenheit des Beschwerdeführers von bürgerkriegsähnlichen Zuständen keinen asylrelevanten Nachteil darstelle und angesichts der restriktiven Praxis des Bundesverwaltungsgerichts nicht von einer Kollektivverfolgung von nichtarabischen Ethnien in Darfur auszugehen sei.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 25. März 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Gewährung von Asyl und das Absehen vom Wegweisungsvollzug. Zur Begründung führte er aus, seine persönliche « Leidensgeschichte » sei von der Vorinstanz in ungenügender Weise betreffend ihre Asylrelevanz gewürdigt worden, da sich die angefochtene BFM-Verfügung lediglich darauf beschränke zu begründen, weshalb im Fall des Beschwerdeführers keine Kollektivverfolgung vorliege.

In seiner Vernehmlassung vom 28. April 2008 führte die Vorinstanz im Wesentlichen aus, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei dahingehend zu interpretieren, dass nach wie vor nicht von einer Kollektivverfolgung nichtarabischer Ethnien in Darfur auszugehen sei.

In der Replik vom 6. Juni 2008 weist der Beschwerdeführer erneut darauf hin, dass er keine Kollektivverfolgung geltend mache, sondern seine Flüchtlingsmotive individuell begründe.

Mit Eingabe vom 26. Januar 2010 teilte der Beschwerdeführer dem Gericht unter anderem mit, dass am (...) seine Tochter in der Schweiz zur Welt gekommen sei. Der Kindsmutter - seine Lebensgefährtin - sowie der gemeinsamen Tochter sei mit Entscheid vom 20. Juni 2008 Asyl gewährt worden. Er wohne mit ihnen zusammen und habe eine innige Beziehung zu seiner Tochter, weshalb sich der Wegweisungsvollzug als nicht zumutbar erweise.

Mit Verfügung vom 4. März 2010 hob die Vorinstanz ihren Entscheid vom 20. Februar 2008 wiedererwägungsweise auf und stellte gleichzeitig fest, die Prüfung der Aktenlage habe ergeben, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
und 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) nicht erfülle, dass er aber als Lebensgefährte beziehungsweise Vater von anerkannten Flüchtlingen gestützt auf Art. 51 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
5    ...152
AsylG als Flüchtling anerkannt und ihm Asyl gewährt werde.

Mit Verfügung vom 10. März 2010 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Beschwerde vom 26. März 2008 angesichts der BFM-Verfügung vom 4. März 2010 betreffend Asyl und Wegweisung gegenstandslos geworden sei. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, sich zu einem möglichen Beschwerderückzug (Begehren betreffend originäre Flüchtlingseigenschaft nach Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG) zu äussern.

Mit Schreiben des Rechtsvertreters vom 26. März 2010 liess der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht mitteilen, dass er an der Beschwerde betreffend originäre Flüchtlingseigenschaft festhalte.


Aus den Erwägungen:

3. Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen einer Vernehmlassung mit Verfügung vom 4. März 2010 gestützt auf Art. 51 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
5    ...152
AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt. Dazu ist zu bemerken, dass zu diesem Zeitpunkt die Frage der originären Flüchtlingseigenschaft noch nicht rechtskräftig entschieden war, war doch das vorliegende Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht noch hängig (vgl. Art. 54
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 54 - Die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfügung bildet, geht mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz über.
des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 [VwVG, SR 172.021]). Diese ist indessen stets im Sinne von Art. 37
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 37 Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft - (Art. 17 Abs. 2 und Art. 51 AsylG)
der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311) zu prüfen, bevor Art. 51
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
5    ...152
AsylG - also die derivative Flüchtlingseigenschaft und das (Familien )Asyl - zur Anwendung kommt. Bei dieser Sachlage stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer noch beschwerdelegitimiert ist, das heisst insbesondere, ob er ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung seiner originären Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 48 Abs. 1 Bst. c
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
VwVG vorzuweisen vermag, obwohl ihm mit Verfügung vom 4. März 2010 derivativ die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt wurde.

3.1 Gemäss der Praxis des Bundesgerichts ist ein Interesse grundsätzlich nur schutzwürdig, wenn es im Urteilszeitpunkt aktuell und praktisch ist, weil der mit der angefochtenen Verfügung verbundene strittige Nachteil noch besteht (und insofern im Rahmen eines Urteils behoben werden könnte) (vgl. Said Huber/Vera Marantelli-Sonanini, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], VwVG - Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/Basel/Genf 2009, Art. 48 S. 952 m.H. in der Fn. 46 auf insbes. BGE 131 II 81 und weitere Entscheide). Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass die zuständige Behörde oder das Gericht über konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet, und dient damit der Prozessökonomie (vgl. Marion Spori, Vereinbarkeit des Erfordernisses des aktuellen schutzwürdigen Interesses mit der Rechtsweggarantie von Art. 29a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29a Rechtsweggarantie - Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen.
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101] und dem Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 13 Recht auf wirksame Beschwerde - Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK, SR 0.101], in: Aktuelle Juristische Praxis [AJP] 2/2008, S. 148). In der Rechtsprechung wird
indes auf dieses Erfordernis verzichtet, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jeweils unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, an ihrer Beantwortung angesichts ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige richterliche Prüfung im Einzelfall kaum je stattfinden könnte (vgl. Huber/ Marantelli-Sonanini, a.a.O., S. 953). Die nachträgliche Überprüfung einer gegenstandslos gewordenen Anordnung hat sich dabei zu beschränken auf diejenigen streitigen Grundsatzfragen, welche sich in Zukunft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut stellen könnten, unter Ausserachtlassen der zufälligen Modalitäten des obsolet gewordenen Falles. Der Klärungsbedarf bestimmt sich aufgrund der individuellen, potenziell wiederholbaren Situation des Beschwerdeführers (vgl. BGE 131 II 670 E. 1.2). Die vom Bundesgericht dazu entwickelte Praxis sei vielschichtig, aber nicht immer hinreichend bestimmt und voraussehbar (vgl. Huber/ Marantelli-Sonanini, a.a.O., S. 953). Die beiden Autoren fordern deshalb, dass - im Lichte der Rechtsweggarantie von Art. 29a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29a Rechtsweggarantie - Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen.
BV sowie der Verfahrensrechte und garantien der EMRK - eine Beschwerde immer zu behandeln ist, wenn die Rechtmässigkeit eines
angefochtenen Hoheitsaktes in keinem anderen Verfahren mit diesbezüglich mindestens gleichwertigem Rechtsschutzstandard beurteilt werden kann (m.H.a. Spori, a.a.O., S. 152). Praxisgemäss wird das Rechtsschutzinteresse immer dann verneint, wenn rein theoretische Probleme zur Diskussion gestellt werden oder sich eine Beschwerde nur gegen die Begründung (Motive) einer angefochtenen Verfügung richtet, ohne dass eine (den Beschwerdeführer begünstigende/entlastende) Änderung des Dispositivs verlangt wird (vgl. Huber/Marantelli-Sonanini, a.a.O., S. 953).

3.2 Die asylrechtlichen Abteilungen des Bundesverwaltungsgerichts haben das jeweilige schutzwürdige Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Person die Beurteilung ihrer originären Flüchtlingseigenschaft betreffend - nachdem während des beim Bundesverwaltungsgericht hängigen Beschwerdeverfahrens den beschwerdeführenden Personen anlässlich eines Schriftenwechsels vom BFM gestützt auf Art. 51
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
5    ...152
AsylG die derivative Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt wurde - mehrheitlich bejaht. Entweder erging mit Hinweis auf die Nichtgegenstandslosigkeit der Beschwerde im Sinne von Art. 58
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
VwVG den Punkt der originären Flüchtlingseigenschaft betreffend ein materielles Urteil, ohne explizit auf diese Frage einzugehen (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts E 4113/2006 vom 21. August 2008 E. 2, D 5501/2006 vom 2. September 2009 E. 3, D 5545/2006 vom 30. März 2009 E. 3, E 3247/2006 vom 6. Mai 2009), oder das schutzwürdige/ aktuelle Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Person wurde ausdrücklich bejaht (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts D 4154/2006 vom 10. November 2008 E. 2 sowie E 5176/2006 vom 19. August 2009). Einzig im Verfahren D 4935/2006 erging am 14. März
2007 ein Abschreibungsentscheid wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde, mit der Begründung, dass dem schweizerischen Asylgesetz ein einziger einheitlicher Flüchtlingsbegriff zugrunde liege und es sich bei der Unterscheidung zwischen originärer und derivativer Flüchtlingseigenschaft nicht um eine vom Gesetz vorgenommene Differenzierung, sondern um eine in der Praxis aufgegriffene dogmatische Unterscheidung handle, der aber im Asylgesetz nicht unterschiedliche Begriffe oder ein anderer Rechtsstatus entsprechen würden (m.H.a. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2003 Nr. 11 E. 8c).

3.2.1 Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D 4154/2006 vom 10. November 2008 E. 2 heisst es zur Begründung des schützenswerten Interesses wie folgt: « Die Beschwerdeführerin wurde vom BFM als Flüchtling anerkannt - im Rahmen des Einbezuges in die Flüchtlingseigenschaft ihres Ehemannes (Art. 51 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
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3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
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AsylG) - und es wurde ihr vom BFM Asyl in der Schweiz gewährt. Prozessgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet somit nicht die Frage der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Gewährung von Asyl an sich, sondern einzig die Frage nach der korrekten Grundlage eines diesbezüglich positiven Entscheides. In dieser Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, es sei ihr nicht abgeleitet von ihrem Ehemann, sondern originär - also aufgrund der von ihr geltend gemachten Gesuchsgründe respektive aufgrund des Bestehens einer eigenen Gefährdungslage im Heimatsstaat - die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Obwohl im Falle einer ungetrennten Ehe faktisch kaum ein Unterschied zwischen der zur Frage stehenden originären Flüchtlingseigenschaft und einer bloss abgeleiteten, also derivativen Flüchtlingseigenschaft (nach Art. 51 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
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3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
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AsylG) besteht, ist diesbezüglich nach Praxis des
Bundesverwaltungsgerichts von einem schützenswerten Interesse an der korrekten Bestimmung der Grundlage der Flüchtlingseigenschaft auszugehen (vgl. in diesem Zusammenhang BVGE 2007/19 E. 3.3 [gegen Ende des dritten Absatzes] S. 225 [unten]). » Unter Hinweis auf die zitierte Erwägung wird im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D 4154/2006 das schützenswerte Interesse letztlich mit dem Anspruch der beschwerdeführenden Person auf prioritäre Prüfung der originären Flüchtlingseigenschaft (d.h. einer persönlichen Gefährdung nach Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG) begründet. Dieser Grundsatz leitet sich aus dem Prinzip von Treu und Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
BV ab und findet seinen Ausdruck auch in Art. 37
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 37 Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft - (Art. 17 Abs. 2 und Art. 51 AsylG)
AsylV 1, der besagt, dass ein Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 51
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
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3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
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AsylG erst erfolgt, nachdem festgestellt worden ist, dass die einzubeziehende Person die Flüchtlingseigenschaft nicht selbständig nach Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG erfüllt. Art. 5
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 5 Asylgesuche von Ehepaaren, eingetragenen Partnerinnen und Partnern oder Familien
AsylV 1 hält zudem fest, dass jede urteilsfähige Person Anspruch auf Prüfung ihrer eigenen Asylvorbringen hat.

3.2.2 Zusammenfassend ist der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen, dass mehrheitlich angenommen wurde, es bestehe jeweils ein schutzwürdiges (und im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aktuelles und praktisches) Interesse der beschwerdeführenden Person an der Feststellung ihrer originären Flüchtlingseigenschaft, obwohl ihr vorgängig anlässlich eines Schriftenwechsels vom BFM gestützt auf Art. 51
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
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3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
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AsylG bereits die derivative Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt worden war. Begründet wurde dieses schutzwürdige Interesse an der korrekten Bestimmung der Grundlage der Flüchtlingseigenschaft unter anderem mit dem Anspruch der beschwerdeführenden Person auf prioritäre Prüfung der originären Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVGE 2007/19). Bezüglich der Ausnahmen dazu ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Abschreibungsentscheid vom 14. März 2007 (D 4935/2006) vor dem in BVGE 2007/19 publizierten Urteil vom 6. Juli 2007 erging, und andererseits, dass im Abschreibungsentscheid vom 19. August 2009 (E 5176/2006) der Beschwerdeführer darauf hingewiesen wurde, er könne sein aktuelles Interesse an der Feststellung seiner originären Flüchtlingseigenschaft im Rahmen eines
allfälligen Beschwerdeverfahrens gegen die (anfechtbare) Verfügung des BFM wahrnehmen, mit welcher es ihm die derivative Flüchtlingseigenschaft zuerkannte.

3.3 Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass bei der vorliegenden Sachlage das praktische Interesse des Beschwerdeführers an der Klärung der Frage, ob er Flüchtling im Sinne von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG und Art. 1 A Ziff. 2 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) ist, offensichtlich besteht, zumal er eine persönliche Gefährdung vorbringt. Indessen könnte argumentiert werden, dass das Rechtsschutzinteresse erst dann aktuell wird, wenn der Beschwerdeführer sich auf ein Recht beruft, das seine originäre Flüchtlingseigenschaft voraussetzt, namentlich die Ableitung seiner Flüchtlingseigenschaft auf Angehörige (vgl. nachfolgende Ausführung zur Schranke der Weiterübertragung), aber auch Widerrufsgründe, die mit dem Ableiter zu tun haben und ihn - als abgeleiteten Flüchtling - mittreffen könnten. Die Unterscheidung der Flüchtlingseigenschaft (derivativ oder originär) hat zwar in der Entstehung keine unterschiedliche Rechtsstellung zur Folge, indes aber eine Schranke der Weiterübertragung, denn gemäss geltender Praxis zu Art. 51
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
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AsylG kann die Flüchtlingseigenschaft nur dann weiterübertragen werden, wenn ihrem Träger oder ihrer Trägerin seiner- oder
ihrerseits auch die originäre (materielle) Flüchtlingseigenschaft zukommt (vgl. EMARK 2003 Nr. 11 E. 8). Gemäss Art. 51
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
5    ...152
AsylG anspruchsberechtigte Personen erhalten also kein Familienasyl, wenn deren Familienangehörige ihrerseits bloss die abgeleitete (formelle) Flüchtlingseigenschaft besitzen; die abgeleitete Flüchtlingseigenschaft kann nicht weiterübertragen werden (vgl. EMARK 1997 Nr. 1, EMARK 1998 Nr. 9, EMARK 2000 Nr. 23, EMARK 2003 Nr. 11). Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit vorliegendem Urteil die geltende (Mehrheits )Praxis, wonach beschwerdeführende Personen, denen im Laufe des Beschwerdeverfahrens derivativ die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und Asyl gewährt wird, dessen ungeachtet ein schutzwürdiges beziehungsweise aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Feststellung ihrer originären Flüchtlingseigenschaft besitzen, zumal zu einem späteren Zeitpunkt die originäre Flüchtlingseigenschaft oft nicht mehr oder nicht mehr zuverlässig festgestellt werden kann.

3.4 Damit kann die Frage (weiterhin, vgl. dazu auch BVGE 2007/12 E. 2.5) offengelassen werden, ob das Erfordernis der Aktualität des Rechtsschutzinteresses allenfalls mit dem Recht auf eine wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 13 Recht auf wirksame Beschwerde - Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
EMRK und der Rechtsweggarantie von Art. 29a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29a Rechtsweggarantie - Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen.
BV kollidieren könnte.

Nachfolgend wird deshalb lediglich noch zu prüfen sein, ob die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat, der Beschwerdeführer erfülle aufgrund seiner Vorbringen die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG nicht selbstständig.

4. - 8. (Prüfung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund individueller [Vor ]Fluchtgründe; Frage verneint)

9. Eine asylsuchende Person kann ausnahmsweise davon befreit werden, im Asylverfahren eine individuelle, gezielt gegen sie gerichtete Verfolgung darzulegen. Dies ist dann der Fall, wenn sie zu einer Gruppe gehört, die in einem bestimmten Herkunftsland in ihrer Gesamtheit auf einem flüchtlingsrelevanten Motiv beruhenden, intensiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt ist.

Die Vorinstanz äusserte sich in ihrer Verfügung vom 20. Februar 2008 und ihrer Vernehmlassung vom 28. April 2008 zu Unrecht lediglich (und dies zudem inhaltlich falsch) zur Kollektivverfolgung von nichtarabischen Ethnien in Darfur, was zu der Äusserung des Beschwerdeführers führte, er wolle seine individuellen Asylgründe geprüft sehen und mache keine Kollektivverfolgung geltend (vgl. seine Eingaben vom 25. März 2008 und 6. Juni 2008). Das Bundesverwaltungsgericht wird angesichts dieser Umstände und seiner vollen Kognition (Art. 106
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
1    Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens;
b  unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts;
c  ...
2    Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 68 Absatz 2 bleiben vorbehalten.
AsylG) nachfolgend prüfen, ob gegen die nichtarabische Bevölkerung in Darfur auf systematische, organisierte und massive Weise eine ethnische Verfolgung verübt wurde beziehungsweise wird, die sich unterschiedslos gegen jede einzelne Person nichtarabischer Ethnie in dieser sudanesischen Region richtet, mithin die von der Vorinstanz abschlägig beurteilte Frage, ob eine Kollektivverfolgung vorliegt. Diese Frage wurde in EMARK 2006 Nr. 25 offengelassen (vgl. E. 8.2).

9.1 Wie das Bundesverwaltungsgericht zuletzt in BVGE 2011/16 (betreffend Yeziden im Zentralirak) festhielt, sind die Anforderungen an die Feststellung einer Kollektivverfolgung sehr hoch (E. 5.1 m.H.a. die entsprechende Rechtsprechung der ARK, welche auch für das Bundesverwaltungsgericht Geltung behalte). Als erstes, unbestrittenes Erfordernis wird der Betroffene seine Zugehörigkeit zum entsprechenden Kollektiv nachweisen müssen. Sodann ist analog der Prüfung einer geltend gemachten Individualverfolgung zu prüfen, ob die gegen das Kollektiv erfolgte Massnahme in ihrer Art und Weise gezielt auf dieses Kollektiv gerichtet ist, mithin über das hinausgeht, was andere Teile der Bevölkerung an Nachteilen und Übergriffen hinzunehmen haben. Die als gezielt gegen ein Kollektiv gerichtet beurteilten Massnahmen müssen sodann eine gewisse Intensität aufweisen, um der Anforderung der ernsthaften Nachteile im Sinne von Art. 3 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG zu genügen. Aus der Verfolgung einzelner, zum Kollektiv gehöriger Personen kann dabei nicht ohne Weiteres auf die Verfolgung des Kollektivs geschlossen werden. Die gezielten und intensiven Nachteile müssen vielmehr zum Ziel haben, möglichst alle Mitglieder des
Kollektivs zu treffen, und sie müssen in Relation zur Grösse des Kollektivs eine bestimmte Dichte aufweisen, so dass der Einzelne aus der erheblichen Wahrscheinlichkeit heraus, selbst verfolgt zu werden, objektiv begründete Furcht hat. Erheblich ist eine solche Wahrscheinlichkeit vor Verfolgung dann, wenn in der Vergangenheit ein beträchtlicher Anteil des Kollektivs tatsächlich ernsthafte Nachteile zu erleiden hatte (EMARK 1996 Nr. 21). So wird zum Beispiel in der deutschen Rechtsprechung im vorliegenden Kontext von einer genügenden Verfolgungsdichte ausgegangen, wenn ein Zehntel des Kollektivs von Verfolgung betroffen war (vgl. Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil A 10 K 3473/09 vom 9. Juni 2010, zitiert in BVGE 2011/16 E. 5.2).

9.2 Ausgangspunkt für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist zwar die Frage nach der im Zeitpunkt der Ausreise vorhandenen Verfolgung oder begründeten Furcht vor einer solchen. Die Situation im Zeitpunkt des Asylentscheides ist jedoch im Rahmen der Prüfung nach der Aktualität der Verfolgungsfurcht ebenfalls wesentlich. Veränderungen der objektiven Situation im Heimatstaat zwischen Ausreise und Asylentscheid sind deshalb zugunsten und zulasten der das Asylgesuch stellenden Person zu berücksichtigen (vgl. BVGE 2008/12 E. 5.2).

9.3 Im Rahmen des vorliegenden Urteils ist es zur Beurteilung der Vorbringen des Beschwerdeführers deshalb angebracht, sich mit der aktuellen Lage in Darfur auseinanderzusetzen und namentlich auf die seit der letzten vom Gericht vorgenommenen Lageanalyse (vgl. das Urteil der ARK vom 5. September 2006 in EMARK 2006 Nr. 25) eingetretenen Ereignisse und die daraus resultierenden Entwicklungen näher einzugehen. Vorauszuschicken ist dabei einerseits, dass aufgrund des restriktiven Zugangs zur Region Darfur die verfügbaren Informationen teilweise lückenhaft, unbestätigt, widersprüchlich und detailarm sind. Es existiert keine zeitlich und räumlich umfassende Übersicht über die Geschehnisse in Darfur. Oft geht aus Berichten über Angriffe auf Märkte, Dörfer und Konvois nicht hervor, ob die Akteure Angehörige von Rebellengruppen, bewaffnete Zivilisten, kriminelle Banden oder Stammesmilizen waren; auch Informationen über die Ethnizität von Tätern und Opfern fehlen oft. Human Rights Watch (HRW) spricht von einem « information vacuum » (HRW, Sudan: Deteriorating Situation in Darfur, 08.01.2011). Andererseits gilt es zu berücksichtigen, dass 2004 und 2005 der Darfur-Konflikt unter dem Einfluss
der amerikanischen « Save Darfur » Kampagne in internationalen Medien stark präsent war, er aber meist vereinfachend dargestellt und auf arabische Gruppen als Täter versus afrikanische/nichtarabische Gruppen als Opfer reduziert worden war (Marc Gustafson [Cates Institute], Rethinking Darfur, 01.06.2010; Feinstein International Center/Tufts University, Navigating Without a Compass: The Erosion of Humanitarianism in Darfur, Januar 2011).

9.3.1 Für die nachfolgende Zusammenstellung der Entwicklung des Darfur-Konflikts und die Einschätzung der gegenwärtigen Situation in Darfur wurde eine Vielzahl von Länder- und Themenberichten sowohl internationaler wie auch ausländischer nichtstaatlicher und staatlicher Organisationen sowie von ausländischen und inländischen Presseberichten ausgewertet. Für seine Beurteilung hat sich das Gericht auf die nachfolgend in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Quellen gestützt:

- Amnesty International, Sudan: No end to violence in Darfur - Arms supplies continue despite ongoing human rights violations, Februar 2012;

- Amnesty International, Darfur: Government forces involved in gold mine attacks, 30.01.2013;

- BBC, Sudan's Darfur region dabbles with peace, 02.03.2012;

- Flint Julie (Small Arms Survey), Beyond « Janjaweed »: Understanding the Militias of Darfur, Juni 2009;

- Gettleman Jeffrey (The New York Times), Chaos in Darfur Rises as Arabs Fight With Arabs, 03.09.2007;

- Gettleman Jeffrey (The New York Times), A Taste of Hope Sends Refugees Back to Darfur, 26.02.2012;

- Gramizzi Claudio/Tubiana Jérôme (Sudan Human Security Baseline Assessment), Forgotten Darfur: Old Tactics and New Players, Juli 2012;

- Gustafson Marc (Cates Institute), Rethinking Darfur, 01.06.2010;

- HRW, Darfur 2007: Chaos by Design, 20.09.2007;

- HRW, Five Years On. No Justice for Sexual Violence in Darfur, April 2008;

- HRW, Sudan: Halt Wave of Attacks on Civilians in Darfur, 11.11.2010;

- HRW, Sudan: New Attacks on Civilians in Darfur, 28.01.2011;

- HRW, Darfur in the Shadows, 06.06.2011;

- HRW, World Report 2012: Sudan, 22.01.2012;

- International Crisis Group, Darfur's New Security Reality, 26.11.2007;

- IRIN, Briefing: Sudans' border clashes, 29.03.2012;

- Reuters, Sudan, Chad agree « definitive end » to proxy wars, 09.02.2010;

- Sudan Human Security Baseline Assessment Project, Darfur Armed Opposition Groups and Coalitions, 29.02.2012;

- The New York Times, Tribal Battles Displace Thousands in Darfur, 01.02.2013;

- UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), About OCHA Sudan;

- UN OCHA, Sudan Humanitarian Bulletin, 3rd Quarter 2010, 30.09.2010;

- UN OCHA, Sudan Humanitarian Bulletin, 2nd Quarter 2011, 30.08.2011;

- UN OCHA, Sudan Humanitarian Bulletin, 4th Quarter 2011, 31.01.2012;

- UN OCHA, Sudan Humanitarian Bulletin, 1st Quarter 2012, 23.04.2012;

- UN OCHA, Sudan Humanitarian Update, 2nd Quarter 2012, 16.07.2012;

- UN OCHA, Sudan: Humanitarian Snapshot (30 June 2012);

- United Nations Security Council, Report of the Secretary-General on the African Union-United Nations Hybrid Operation in Darfur (S/2011/22), 18.01.2011;

- United Nations Security Council, Report of the Secretary-General on the African Union-United Nations Hybrid Operation in Darfur (S/2011/244), 14.04.2011;

- United Nations Security Council, Report of the Secretary-General on the African Union-United Nations Hybrid Operation in Darfur (S/2011/422), 08.07.2011;

- United Nations Security Council, Report of the Secretary-General on the African Union-United Nations Hybrid Operation in Darfur (S/2011/643), 12.10.2011;

- United Nations Security Council, Report February 2012 Sudan/Darfur;

- United Nations Security Council, Report of the Secretary-General on the African Union-United Nations Hybrid Operation in Darfur (S/2012/231), 17.04.2012;

- United Nations Security Council, Report of the Secretary-General on the African Union-United Nations Hybrid Operation in Darfur (S/2012/548), 16.07.2012;

- U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2011 - Sudan, Mai 2012;

- Voice of America (VOA), UNAMID, World's Largest Peacekeeping Mission, Faces Cuts, 27.03.2012.

9.3.2 Der Darfur-Konflikt kann in vier Phasen unterteilt werden:

Phase 1 (2003 2004): Nach der Machtergreifung des heutigen sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir 1989 sahen sich nichtarabische Gruppen in Darfur, besonders die Fur, Zaghawa und Masalit, als Verlierer einer Politik, welche arabische Gruppen in Darfur bevorzugte. Die Rebellion wurde wesentlich von diesen drei nichtarabischen Gruppen organisiert. Als Beginn des Darfur-Konflikts gilt der Angriff von Rebellen auf den Flughafen von El Fasher (Nord-Darfur) im April 2003, worauf die sudanesische Armee unter Einsatz von arabischen Janjaweed-Milizen eine massive Militäraktion startete. Diese richtete sich gegen die nichtarabischen Gruppen der Fur, Zaghawa und Masalit, da die beiden Rebellengruppen Sudan Liberation Army/Movement (SLA/M) und Justice and Equality Movement (JEM) mehrheitlich aus Angehörigen dieser ethnischen Gruppen bestanden. Zwischen 2003 und 2005 ging die meiste Gewalt von Janjaweed-Milizen aus, die von den Behörden unterstützt wurden. Die höchste Zahl von Toten in Darfur gab es in den Jahren 2003 und 2004.

Phase 2 (2005 2010): Nach 2004 nahmen Angriffe auf Dörfer sowie die Zahl der Opfer durch direkte Gewalt signifikant ab; allerdings blieb die Zahl der Toten durch Krankheiten hoch. Im Jahr 2005 entsprach der Darfur-Konflikt nicht mehr dem in den Jahren 2003 und 2004 geprägten Schema von arabischen Milizen versus nichtarabische Gruppen. Die SLA/M spaltete sich in die von Minni Minawi (einem Zaghawa) geführte Sudan Liberation Army/Mouvement-Minni Minawi (SLA/MM) und in die von Abdul Wahid al-Nur (einem Fur) geführte Sudan Liberation Army-Abdul Wahid (SLA/AW). Kämpfe zwischen rivalisierenden Rebellengruppen nahmen zu. Bewaffnete Zaghawa von Minni Minawi und bewaffnete Fur von Abdul Wahid begannen sich im Jahr 2005 zu bekämpfen; auch zahlreiche Zivilisten wurden wegen ihrer Ethnizität durch diese Gruppen angegriffen. Nach der Unterzeichnung des Darfur Peace Agreements im Mai 2006 durch die Rebellengruppe SLA/MM kam es zunehmend zu Kämpfen zwischen arabischen Gruppen. Zwischen 2008 und 2010 betraf die meiste Gewalt in Darfur arabische Gruppen. Gewisse arabische Gruppen gingen Allianzen mit Rebellengruppen ein oder kreierten eigene Rebellengruppen, nachdem sie realisiert hatten, dass die Regierung kein verlässlicher Partner war und dass
sie für die bisherigen Einsätze nicht genügend entschädigt wurden. In der Folge kam es zur Zusammenarbeit zwischen arabischen Gruppen mit Fur (im Gebiet des Jebel Marra) sowie mit Masalit, nicht jedoch mit Zaghawa, denen in Darfur grosses Misstrauen entgegengebracht und vorgeworfen wurde, expansiv an Land und Einfluss gewinnen zu wollen. Die Regierung intensivierte Landenteignungen zugunsten von regierungsfreundlichen Arabern und Nichtarabern, darunter die mit SLA/MM assoziierten Zaghawa. Gleichzeitig nahm 2006 die Fragmentierung der Rebellengruppen in Darfur zu, oft entlang von ethnischen Identitäten. 2008 existierten in Darfur mehr als zwei Dutzend Rebellengruppen.

Phase 3 (2010 2012): Im Februar 2010 vereinbarten der tschadische Präsident Idriss Déby (ein Zaghawa) und der sudanesische Präsident Omar al-Bashir, Rebellengruppen im Grenzgebiet Tschad-Sudan (Darfur) nicht länger zu unterstützen und Rebellen des jeweiligen Nachbarlandes kein Rückzugsgebiet mehr zu gewähren. Zudem einigten sich die Präsidenten auf die gemeinsame Sicherung der Grenzen. Diese Annäherung zwischen Sudan und Tschad trug wesentlich zur seit 2010 verbesserten Sicherheitslage in der Grenzregion Sudan-Tschad (West-Darfur) bei. Im Gebiet von Zalingei (Süd-Darfur) kam es zwischen März und September 2010 bei Kämpfen zwischen bewaffneten Misseriya und Rezeigat (arabische Gruppen) zu schätzungsweise 700 Toten. Zwischen Januar und Oktober 2010 wurden in Darfur 106 715 neue Vertriebene registriert. In der zweiten Hälfte 2010 kam es zu einer weiteren Veränderung der Dynamiken in Darfur: Sudanesische Behörden begannen 2010, nichtarabische Milizen aufzubauen und diese als nichtarabische Popular Defence Forces (PDF) zu bewaffnen, um gegen Zaghawa im östlichen Darfur vorzugehen. Die Behörden instrumentalisierten dabei Ressentiments und Ängste - auch in Bezug auf Landfragen - von kleineren, marginalisierten nichtarabischen Gruppen im
östlichen Darfur wie den Bergid (auch Birgid geschrieben), Tunjur, Berti und Mima. Milizen aus Angehörigen dieser nichtarabischen Gruppen führten die meisten Angriffe auf Zaghawa aus. Die Regierung ermutigte sie, sich Land der Zaghawa anzueignen. Die Fur hielten sich aus dieser Konstellation weitgehend heraus und liessen sich nicht in die PDF rekrutieren. Die existierenden Spannungen zwischen den kleineren nichtarabischen Gruppen und den Zaghawa eskalierten im östlichen Darfur - mit Unterstützung staatlicher Organe - Ende 2010 und Anfang 2011. Wesentlich zu dieser Entwicklung trug der Bruch des Zaghawa Minni Minawi und seiner SLA/MM beziehungsweise SLM/MM mit der Regierung Ende 2010 bei. Ende November 2010 weigerte sich Minni Minawi, seine Kämpfer zu entwaffnen und in die sudanesische Armee zu integrieren, wie dies im Oktober 2010 vereinbart worden war. Anfang Dezember 2010 erklärte die sudanesische Armee Minni Minawi zu einem Feind der Regierung, und dieser wurde von seinem Posten als Chef der Transitional Darfur Regional Authority enthoben. Anfang Dezember 2010 eskalierte die Lage, als Kämpfer der SLM/MM einen Konvoi mit dem Gouverneur von Nord-Darfur in Shangil Tobayi (Nord-Darfur, auch Shangil Tobaya geschrieben) angriffen und
danach Märkte und Geschäfte plünderten. Als Reaktion begannen Regierungstruppen zwei Tage später eine Offensive in der Region. Neben Armeeeinheiten kamen Milizen auf Kamelen und Pferden zum Einsatz, darunter ethnische Tunjur aus der Region (wie Zaghawa eine nichtarabische Gruppe). Die Milizen schüchterten Zaghawa ein, plünderten deren Eigentum, richteten Zerstörungen an, nahmen einige Zaghawa fest und misshandelten diese. Armeeeinheiten und verbündete Milizen griffen Zivilisten, darunter Intern Vertriebene (Internally Displaced Persons, IDP's), an und brannten Häuser nieder. Es kam zu willkürlichen Festnahmen, sexueller Gewalt und Plünderungen, bei denen Zaghawa im Fokus standen. Bei den Angriffen wurden mindestens zwei Zivilisten getötet. Zahlreiche Zaghawa flüchteten. African Union/United Nations Hybrid Operation in Darfur (UNAMID) und internationale Hilfsorganisationen zogen ihre Zaghawa-Mitarbeiter aus der Region ab. Lokale Chiefs und Verwaltungen riefen zur Vertreibung von Zaghawa aus der Region auf und forderten in öffentlichen Versammlungen die Bildung neuer PDF, um gegen Zaghawa vorzugehen. Bereits im Oktober 2011 wurden in einer Ortschaft in Nord-Darfur Zaghawa von Berti und Angehörigen der PDF angegriffen, wobei vier
Personen getötet wurden. 600 Zaghawa flüchteten damals aus Nord-Darfur in ein IDP-Camp in Süd-Darfur. Im Frühjahr 2011 hielten Kämpfe in Nord- und Süd-Darfur an. Es kam zu Hausdurchsuchungen und Verhören von Dorfbewohnern, zu Festnahmen von Zaghawa und zu unbestätigten Tötungen von Zaghawa durch bewaffnete regierungstreue Milizen. Zwischen Februar und April 2011 verliessen als Folge der Belästigungen und Einschüchterungen die meisten Zaghawa Shangil Tobayi und Dar-es-Salam und flüchteten nach Norden, zumeist in das IDP-Camp Zamzam südlich von El Fasher. Zwischen Ende 2010 und Mitte 2011 kam es so zu rund 70 000 Vertriebenen. Das grösste IDP-Camp in Darfur, Zamzam, wuchs 2011 auf rund 130 000 Personen an. In der ersten Hälfte 2011 führten staatliche Sicherheitsdienste in den drei IDP-Camps Shangil Tobayi, Tawilla und Zamzam, deren Bewohner hauptsächlich Zaghawa sind, Durchsuchungen durch, da die Zaghawa als Unterstützer der Rebellengruppe SLA/MM gelten. Dabei kam es zu Übergriffen, zu Konfiszierungen von Gütern und zu willkürlichen Festnahmen. Gemäss der UNO wurden auch Waffen und Munition gefunden; 56 Verhaftete wurden nach mehreren Tagen bis zwei Wochen ohne Anklage freigelassen. Durch die Intervention der UNAMID wurde eine
Durchsuchung frühzeitig abgebrochen. Als Reaktion auf die Übergriffe von Milizen auf Zaghawa griffen die Zaghawa-dominierten Rebellengruppen SLM/MM und SLM/Justice die PDF und Regierungstruppen an, gingen aber auch gegen zivile Nicht-Zaghawa vor (Tötungen, Plünderungen, Zerstörung von Häusern). Es kam zu gezielten Tötungen von lokalen Nicht-Zaghawa-Notablen durch Zaghawa-Kämpfer. Diese Eskalation wiederum führte im Mai 2011 zu Racheakten von PDF an Zaghawa, bei denen mehr als 17 Zaghawa exekutiert wurden. Im Juni 2011 wurde Shangil Tobayi (Nord-Darfur) von mutmasslichen SLM/ MM-Rebellen mit Fahrzeugen und Kamelen überfallen; dabei wurden Unterkünfte angezündet und Waren geplündert. In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 blieb die Region weitgehend ruhig, trotz anhaltender Spannungen zwischen Zaghawa und Tunjur. Der Diebstahl von rund 150 Zaghawa gehörenden Rindern durch ebenfalls nichtarabische Birgid eskalierte im Februar 2011 in Shangil Tobayi in Auseinandersetzungen zwischen Birgid, die durch PDF, und Zaghawa, die durch Kämpfer der SLA/MM unterstützt wurden. Der Konflikt zwischen den beiden Gemeinschaften hielt im April 2011 an. Zwischen Januar und Juni 2011 führten Kämpfe zwischen Zaghawa und Birgid insgesamt zu 9 235 IDP's,
die ins IDP-Camp Zamzam nahe El Fasher flüchteten. Kämpfe zwischen nichtarabischen Birgid und arabischen Rezeigat brachen im April 2011 südöstlich von Nyala (Süd-Darfur) aus, nachdem eine bewaffnete Gruppe von Rezeigat Wiedergutmachung von Birgid als Folge von Verlusten durch Banditentum gefordert hatte. Ebenfalls im April 2011 kam es zu Kämpfen zwischen bewaffneten Gruppen von Taaisha und Rezeigat (beide arabische Gruppen) in Süd-Darfur. Im Juni 2011 wurden bei Kämpfen zwischen Stammesangehörigen der Habania und Salamat (arabische Gruppen) in einer Ortschaft in Süd-Darfur 70 Personen getötet und rund 7 500Personen vertrieben. Im September 2011 kämpften bewaffnete Saada und Rezeigat (arabische Gruppen) entlang der Strasse Nyala-Kass als Folge eines Fahrzeug-Diebstahls. Ende Dezember 2011 wurde der Anführer des JEM, Khalil Ibrahim, durch die sudanesische Armee getötet. Gibril Ibrahim, der Bruder des ehemaligen JEM-Chefs, übernahm im Januar 2012 die Führung des JEM und bekräftigte, JEM werde die bewaffnete Rebellion weiterführen. Der Tod von Khalil Ibrahim, die weggefallene Unterstützung durch Gadaffi in Libyen nach dessen Sturz sowie das fehlende Rückzugsgebiet im Tschad nach der Annäherung zwischen Sudan und Tschad
schwächten die bisher stärkste Rebellengruppe in Darfur.

Phase 4 (seit 2012): Zwischen Januar und April 2012 kam es vor allem in Nord- und Zentral-Darfur zu sporadischen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Zwischen April und Juni 2012 kam es vor allem in Süd- und Ost-Darfur zu sporadischen Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen. Im Juni 2012 erwähnt OCHA eine Verbesserung der Sicherheitslage in West-Darfur. Direkte Konfrontationen zwischen Regierungstruppen und anderen bewaffneten Gruppen in Darfur haben gemäss der UNO im Jahr 2012 abgenommen; Kämpfe beschränken sich auf spezifische Gebiete, vor allem im nördlichen Süd-Darfur und im südlichen Nord-Darfur. Grösstes Sicherheitsrisiko in Darfur ist im Jahr 2012 gemäss der UNO Kriminalität. In der Regel handelt es sich um Bewaffnete, deren Hintergrund unklar ist (« unidentified armed men »). Im Januar 2013 eskalierten Kämpfe zwischen zwei rivalisierenden arabischen Gruppen in Nord-Darfur, den Rizeigat (Rezeigat) und den Beni Hussein (Bani Hussein). Gemäss Amnesty International waren auch Angehörige staatlicher sudanesischer Sicherheitskräfte in die Kämpfe involviert. Die Kämpfe hatten gemäss UN rund 100 000 Vertriebene zur Folge. Sie hatten ihren Ursprung in einem Konflikt über die Kontrolle von Goldvorkommen. Diese
neue Dimension des Darfur-Konflikts hängt indirekt mit den ausbleibenden Erdöleinnahmen durch den Konflikt mit dem Südsudan zusammen. Das ursprüngliche Schema des Darfur-Konflikts, nämlich « arabische Gruppen » versus « nichtarabische Gruppen », hat sich somit in neue Konflikte mit einer schwindelerregend hohen Anzahl an Teilnehmern aufgeteilt (« The original fault lines between herders and farmers and between Arabs and non-Arabs have split into new conflicts, with violence now being waged by a dizzying array of armed groups. »).

Zusammenfassend entspricht die aktuelle Lage in Darfur nicht mehr der Kategorisierung in arabische Milizen versus nichtarabische Gruppen, und die Janjaweed-Milizen existieren nicht mehr als einheitliche Gruppe, wie dies zu Beginn des Darfur-Konflikts der Fall war. Das Mosaik an Akteuren in Darfur lässt einen Zusammenschluss der nichtarabischen Gruppen nicht mehr als realistisch erscheinen. Im Jahr 2008 kam es beispielsweise zu Übergriffen von bewaffneten Zaghawa (nichtarabische Gruppe, die einst im Visier der Janjaweed stand) der SLA/MM auf unbewaffnete Fur und Tunjur. Die gebirgige Region des Jebel Marra, das Hauptsiedlungsgebiet der Fur und Operationsbasis der Rebellen der von einem Fur angeführten Rebellengruppe SLA/AW, ist immer wieder Schauplatz von Militäraktionen zwischen der sudanesischen Armee und SLA/AW-Rebellen. Im Jahr 2010 kam es im Jebel Marra-Gebiet zu Kämpfen zwischen der sudanesischen Armee und der SLA/AW, was bis Dezember 2010 zur Vertreibung von rund 40 000 Personen führte. Im März 2012 führten Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und der SLA/AW in einer Lokalität am Jebel Marra zur Vertreibung von 3 000 Personen.

9.3.3 Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Übergriffe durch Janjaweed-Milizen im Jahre 2003 fielen in die oben beschriebene Phase 1 des Darfur-Konflikts, welche stark geprägt war vom Schema der von der Regierung unterstützten arabischen Milizen (Janjaweed) versus nichtarabische Gruppierungen. Durch die Angriffe der Janjaweed-Milizen verloren zahlreiche nichtarabische Ethnien in Darfur ihr Leben oder wurden in ihrer physischen Integrität verletzt. Zwar mag es zutreffen, dass nicht alle der registrierten Überfälle während dieser Phase sich gezielt gegen die gesamte nichtarabische Bevölkerung gerichtet haben, sondern ihnen vereinzelt auch andere Motive, insbesondere kriminelle, zugrunde lagen. Dennoch kann den vorliegenden Quellen ohne Weiteres entnommen werden, dass die überwiegende Mehrheit der von den Janjaweed ausgehenden Übergriffe sich eben gegen die nichtarabischen Gruppen der Fur, Zaghawa und Masalit richtete und zum Ziele hatte, diesen zu schaden, da die beiden Rebellengruppen SLA/M und JEM mehrheitlich aus Angehörigen dieser ethnischen Gruppen bestanden. Indes kann auch festgestellt werden, dass dieses Schema seit der Phase 2 des Darfur-Konflikts stetig erodierte, insbesondere es
auch innerhalb der nichtarabischen Gruppierung zur Fragmentierung - Spaltung der SLA/M in die SLA/MM und in die SLA/AW - und danach auch zu Kämpfen zwischen Rebellengruppen entlang von ethnischen Identitäten kam. Der Lageanalyse kann auch entnommen werden, dass die sudanesischen Behörden ab 2010 begannen, Milizen aufzubauen und diese als nichtarabische PDF zu bewaffnen, um gegen Zaghawa im östlichen Darfur vorzugehen. Die Fur hielten sich aus dieser Konstellation weitgehend heraus und liessen sich nicht in die PDF rekrutieren. Die existierenden Spannungen zwischen den kleineren nichtarabischen Gruppen und den Zaghawa eskalierten im östlichen Darfur - mit Unterstützung staatlicher Organe - Ende 2010 und Anfang 2011, insbesondere aufgrund des Bruchs des Zaghawa Minni Minawi und seiner SLA/MM Ende 2010 mit der sudanesischen Regierung. Fortan waren insbesondere Zaghawa Übergriffen von Armeeeinheiten, aber auch von nichtarabischen Milizen ausgesetzt. Die Gruppe der ethnischen Fur betreffend - denen der Beschwerdeführer angehört - ist festzustellen, dass sie einerseits von Zaghawa angegriffen wurde und andererseits ihre Rebellengruppe SLA/AW im Siedlungsgebiet der Fur Ziel militärischer Operationen der sudanesischen Armee war.

9.3.4 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass, auch wenn Darfur weiterhin eine unsichere Gegend ist, keine gezielt gegen ein spezifisches Kollektiv (nichtarabische Gruppen) gerichtete Massnahmen (mehr) existieren, welche zum Ziel haben, möglichst alle Mitglieder dieses Kollektivs zu treffen. Folglich kann eine Kollektivverfolgung der Gruppe « nichtarabischer Ethnien » zum heutigen Zeitpunkt nicht bejaht werden. Damit fällt die Prüfung des Kriteriums der genügenden Verfolgungsdichte dahin.

10. (Prüfung subjektiver Nachfluchtgründe; Frage bejaht)
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2013/21
Datum : 31. Mai 2013
Publiziert : 15. Oktober 2013
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2013/21
Sachgebiet : Abteilung V (Asylrecht)
Gegenstand : Asyl und Wegweisung
Einordnung : Präzisierung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
AsylG: 3 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
51 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 51 Familienasyl - 1 Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1    Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen.146
1bis    Hat das SEM während des Asylverfahrens Anhaltspunkte dafür, dass ein Ungültigkeitsgrund nach Artikel 105 Ziffer 5 oder 6 des Zivilgesetzbuchs147 (ZGB) vorliegt, so meldet es dies der nach Artikel 106 ZGB zuständigen Behörde. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung dieser Behörde sistiert. Erhebt die Behörde Klage, so wird das Verfahren bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Urteils sistiert.148
2    ...149
3    In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.150
4    Wurden die anspruchsberechtigten Personen nach Absatz 1 durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen.151
5    ...152
106
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
1    Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens;
b  unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts;
c  ...
2    Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 68 Absatz 2 bleiben vorbehalten.
AsylV 1: 5 
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 5 Asylgesuche von Ehepaaren, eingetragenen Partnerinnen und Partnern oder Familien
37
SR 142.311 Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1) - Asylverordnung 1
AsylV-1 Art. 37 Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft - (Art. 17 Abs. 2 und Art. 51 AsylG)
BV: 5 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
29a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29a Rechtsweggarantie - Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen.
EMRK: 13
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 13 Recht auf wirksame Beschwerde - Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
VwVG: 48 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 48
1    Zur Beschwerde ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde berechtigt sind ferner Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
54 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 54 - Die Behandlung der Sache, die Gegenstand der mit Beschwerde angefochtenen Verfügung bildet, geht mit Einreichung der Beschwerde auf die Beschwerdeinstanz über.
58
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 58
1    Die Vorinstanz kann bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen.
2    Sie eröffnet eine neue Verfügung ohne Verzug den Parteien und bringt sie der Beschwerdeinstanz zur Kenntnis.
3    Die Beschwerdeinstanz setzt die Behandlung der Beschwerde fort, soweit diese durch die neue Verfügung der Vorinstanz nicht gegenstandslos geworden ist; Artikel 57 findet Anwendung, wenn die neue Verfügung auf einem erheblich veränderten Sachverhalt beruht oder eine erheblich veränderte Rechtslage schafft.
BGE Register
131-II-670 • 131-II-81
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K_3473/09
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