99 V 140
44. Auszug aus dem Urteil vom 19. Oktober 1973 i.S. Camerotto gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Luzern
Regeste (de):
- Überversicherung bei Krankengeldbezug (Art. 74 Abs. 3
KUVG).
- Über die gesetzlichen Vorschriften (Art. 324 lit. b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 324 - 1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.
1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. 2 Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat.
Regeste (fr):
- Surassurance en cas d'indemnité de chômage (art. 74 al. 3 LAMA) .
- Des prestations de l'employeur dépassant celles auxquelles celui-ci est tenu suivant les dispositions légales (art. 324 lit. b CO) peuvent conduire à une réduction de l'indemnité si elles sont dues en vertu du contrat de travail.
Regesto (it):
- Sovrassicurazione in caso d'indennità di malattia (art. 74 cpv. 3 LAMI) .
- Prestazioni del datore di lavoro che superano quelle prescritte dall'art. 324 lit. b CO possono condurre alla riduzione dell'indennità se dovute in virtù del contratto di lavoro.
Sachverhalt ab Seite 140
BGE 99 V 140 S. 140
A.- Liliana Camerotto erlitt am 13. September 1968 einen Betriebsunfall, bei dem ihr durch einen Warenlift der linke
BGE 99 V 140 S. 141
Arm oberhalb des Ellbogengelenkes abgetrennt wurde. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) kam für die Krankenpflege auf und gewährte der Versicherten bis Ende 1970 das Krankengeld und ab l. Januar 1971 eine Invalidenrente. Zudem bezog Liliana Camerotto ab l. September 1969 eine (ausserordentliche) ganze einfache Rente der Invalidenversicherung von Fr. 200.-- im Monat. Die Genossenschaft Migros als Arbeitgeberin entschädigte Liliana Camerotto für 11/2 Karenztage sowie für die 20%ige Differenz zwischen dem SUVA-Krankengeld und dem vollen Lohn während der ganzen Dauer des Krankengeldbezuges, d.h. vom 16. September 1968 bis 31. Dezember 1970.
Entschädigungsberechtigter Lohnausfall
Fr. 24 006.40
gesetzlicher Anspruch 80%
Fr. 19 205.10
Leistungen des Arbeitgebers
Fr. 4850.50
Rente der IV (September 69-Dezember 70)
Fr. 3200.--
Gesamtentschädigung
Fr. 27 255.60
tatsächlicher Lohnausfall
Fr. 24 055.60
Überversicherung
Fr. 3200.--
anrechenbare Nebenkosten
Fr. 1344.--
Rückerstattungsbetrag
Fr. 1856.--
Am 15. Oktober 1971 wurde diese Rückforderung verfügungsweise bestätigt...
B.- Gegen diese Verfügung liess die Versicherte Beschwerde einreichen mit dem Antrag, die Rückforderung sei als unbegründet zu erklären und die Beklagte sei zu verpflichten, den anerkannten Betrag von Fr. 1344.-- für Nebenkosten auszurichten... Mit Entscheid vom l. September 1972 wies das Versicherungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde ab. Da es sich bei der fraglichen Leistung der Arbeitgeberin nicht um eine freiwillige, sondern um eine dienstvertraglich geschuldete Leistung handle, sei diese zu Recht in die Vergleichsrechnung einbezogen worden...
BGE 99 V 140 S. 142
C.- Die Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben unter Wiederholung der vor der Vorinstanz gestellten Anträge. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 74 Abs. 3
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Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Leistungen der Arbeitgeberin seien nicht freiwillig erfolgt; vielmehr habe die Versicherte einen obligatorischen Rechtsanspruch hierauf gehabt. lm Umfange der von der SUVA nicht gedeckten 20% liege daher kein entgehender Verdienst im Sinne von Art. 74 Abs. 3
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Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. -...
2. Materiell ist zu prüfen, ob die während der Ausrichtung des SUVA-Krankengeldes von der Arbeitgeberin erbrachten Leistungen bei der Beurteilung der Überversicherungsfrage zu berücksichtigen seien oder nicht. Der massgebende Art. 74 Abs. 3
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Aus dem Umstand, dass die Gesetzesbestimmung von "Leistungen... von anderen Versicherern" spricht, schliesst die Beschwerdeführerin, dass Leistungen des Arbeitgebers bei der Überversicherung nicht zu berücksichtigen seien. Es trifft zu, dass die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall nicht Versicherer im Sinne von Art. 74 Abs. 3
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BGE 99 V 140 S. 143
bestimmt, wobei zu prüfen ist, inwieweit diese im Rahmen von Art. 74 Abs. 3
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3. In seinem Urteil vom 21. Juni 1971 i.S. Kretschmann (BGE 97 V 94 ff.) hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass freiwillige Leistungen des Arbeitgebers nicht als Verdienst im Sinne von Art. 74 Abs. 3
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Die Beschwerdeführerin begründet den freiwilligen Charakter dieser Leistungen damit, dass die Arbeitgeberin weder nach Art. 130
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 324 - 1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. |
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1 | Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. |
2 | Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 324 - 1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. |
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1 | Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. |
2 | Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat. |
BGE 99 V 140 S. 144
b) Im erwähnten Urteil Kretschmann hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, "freiwillige, auf keiner Rechtspflicht beruhende Zahlungen" seien bei der Bestimmung des entgehenden Verdienstes nicht zu berücksichtigen. Daraus zieht die SUVA - per argumentum e contrario - den Schluss, im Falle dienstvertraglicher Leistungen habe keine Anrechnung zu erfolgen. Demgegenüber vertritt die Beschwerdeführerin den Standpunkt, das Eidg. Versicherungsgericht habe im genannten Entscheid lediglich den konkreten Fall einer freiwilligen Leistung des Arbeitgebers beurteilt, sich jedoch nicht darüber ausgesprochen, wie es sich mit vertraglich vereinbarten Lohnzuschüssen verhält. Im Falle Kretschmann hat sich das Gericht zwar nicht ausdrücklich zur Frage geäussert, wie vertraglich vereinbarte Lohnzuschüsse im Rahmen von Art. 74 Abs. 3
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 335 - 1 Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |
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1 | Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden. |
2 | Der Kündigende muss die Kündigung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt. |
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 324 - 1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. |
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1 | Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist. |
2 | Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat. |
4. Die im vorliegenden Fall zum Verdienst zu rechnende Leistung der Arbeitgeberin entspricht dem Gesamtbetrag des nicht durch das SUVA-Krankengeld gedeckten Lohnausfalles. Die Versicherte hat somit während der fraglichen Zeit keine finanzielle Einbusse erlitten, so dass sich im Umfange der Rente der Invalidenversicherung eine Überversicherung ergibt.
BGE 99 V 140 S. 145
Vom entsprechenden Betrag von Fr. 3200.-- hat die SUVA einen solchen von Fr. 1344.-- für unfallbedingte Nebenkosten abgezogen. Hiefür besteht zwar keine gesetzliche Grundlage; es entspricht jedoch ständiger Praxis der SUVA, aus Billigkeitsgründen derartige Abzüge vorzunehmen. Das Eidg. Versicherungsgericht sieht sich nicht veranlasst, hierauf näher einzutreten, zumal die Beschwerdeführerin diesbezüglich nichts vorbringt. Demnach ergibt sich ein Rückforderungsbetrag wegen Überversicherung von Fr. 1856.--.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.