Urteilskopf

96 IV 148

38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Dezember 1970 i.S. Verlag Finanz und Wirtschaft AG gegen Dr. Manfred Kuhn.
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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 148

BGE 96 IV 148 S. 148

Aus den Erwägungen:
Der Kassationshof hat die Aktivlegitimation iuristischer Personen für Ehrverletzungsklagen in einem Urteil vom 2. Februar 1945 (BGE 71 IV 36) bejaht und daran in weitern nicht veröffentlichten Entscheidungen festgehalten, zuletzt in einer solchen vom 6. Mai 1966, welche die Verletzung der Ehre einer Aktiengesellschaft zum Gegenstand hatte. Die Auffassung, dass neben den natürlichen auch die iuristischen Personen der Ehre fähig sind und Anspruch auf strafrechtlichen
BGE 96 IV 148 S. 149

Schutz ihres Rechts auf Achtung besitzen, wird nicht nur durch den Wortlaut des Gesetzes (Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
, 174
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 174 - 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.229
3    Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.
und 177
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
1    Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
2    Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien.
3    Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien.
StGB) gedeckt, sondern ist entgegen den Einwänden des Beschwerdegegners auch mit dem strafrechtlichen Begriff der Ehre vereinbar. Der Wert der iuristischen Personen, auch der Aktiengesellschaften, erschöpft sich nicht in der wirtschaftlichen Tätigkeit, die sie ausüben; sie erfüllen noch weitere Aufgaben, insbesondere soziale, die für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, weshalb sie auf Grund ihrer gesamten Stellung gesellschaftliche Geltung geniessen, die nicht weniger schützenswert ist als jene der natürlichen Personen. Dem Ehrenschutz iuristischer Personen steht auch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sowohl die äussere Geltung der Persönlichkeit als auch ihr subjektives Ehrgefühl geschützt sind. Diese Umschreibung des Schutzobjektes bedeutet nicht, dass die Tatbestände der Verleumdung, üblen Nachrede und Beschimpfung eine Verletzung beider Seiten der Ehre voraussetzen. Vielmehr genügt das eine oder andere, je nachdem, ob die ehrbeleidigende Äusserung gegenüber Dritten getan und damit der Ruf des Verletzten geschädigt oder gefährdet wird oder ob sie ausschliesslich an den Verletzten selbst gerichtet ist und darum nur das Ehrgefühl betroffen sein kann (BGE 77 IV 98 Erw. 1). Im vorliegenden Falle, wo die eingeklagten Äusserungen gegenüber Dritten getan wurden, stellt sich somit die Frage, ob bei iuristischen Personen eine Verletzung des Ehrgefühls möglich sei, nicht. Richtig ist, dass die vom Bundesrat anlässlich der Teilrevision des StGB von 1950 vorgeschlagene Aufnahme eines Art. 177bis, worin die Beleidigungsfähigkeit von Behörden und Personenverbänden, die keine Rechtspersönlichkeit besitzen, hätte anerkannt werden sollen, vom Ständerat (Sten. Bulletin 1949 S. 613) und hierauf auch vom Nationalrat (Sten. Bulletin 1950 S. 203) abgelehnt wurde. Die Ablehnung dieser Vorlage ist jedoch kein Grund, die bisherige Rechtsprechung, die einzig den iuristischen Personen, nicht aber den Behörden und andern Personenverbänden den Ehrenschutz zuerkennt (BGE 69 IV 83, BGE 71 IV 36), aufzugeben. Dies umso weniger, als diese Praxis, auf die im Ständerat hingewiesen wurde, bei den Revisionsverhandlungen unangefochten war und auch in der Literatur gebilligt wird (HAFTER, Bes. Teil I S. 186 f.; LOGOZ, Bes. Teil I S. 240; THORMANN-OVERBECK, Vorbemerkungen zu Art. 173 ff. N. 1;
BGE 96 IV 148 S. 150

SCHENITZA, Die Beleidigung von Personenverbänden, S. 35, 62; BRUNSCHVIG, Die Kollektiv-Ehrverletzung, S. 16). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher einzutreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 96 IV 148
Datum : 10. Dezember 1970
Publiziert : 31. Dezember 1970
Quelle : Bundesgericht
Status : 96 IV 148
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 173 ff. StGB. Die iuristischen Personen, deren Ehre verletzt wird, sind klageberechtigt.


Gesetzesregister
StGB: 173 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
174 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 174 - 1. Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden wider besseres Wissen bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Ist der Täter planmässig darauf ausgegangen, den guten Ruf einer Person zu untergraben, so wird er mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.229
3    Zieht der Täter seine Äusserungen vor dem Gericht als unwahr zurück, so kann er milder bestraft werden. Das Gericht stellt dem Verletzten über den Rückzug eine Urkunde aus.
177
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
1    Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
2    Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien.
3    Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien.
BGE Register
69-IV-81 • 71-IV-36 • 77-IV-94 • 96-IV-148
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ehre • aktiengesellschaft • kassationshof • entscheid • gerichts- und verwaltungspraxis • bundesrat • literatur • wert • frage • nationalrat • natürliche person • beschwerdegegner • richtigkeit • beschimpfung • bundesgericht • beleidigung