96 I 758
114. Urteil vom 16. Dezember 1970 i.S. Krummenacher gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung. BG vom 16. März 1955.
- 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid, der sich zwar ausdrücklich nur auf kantonales Recht, der Sache nach aber auf Bundesrecht stützt (Erw. 1).
- 2. Die Erteilung der Baubewilligung für eine Schweinemästerei setzt nach dem BG vom 16. März 1955 nicht die dingliche Sicherstellung der Verwertungsfläche für die anfallende Jauche voraus (Erw. 3-7).
Regeste (fr):
- Protection des eaux contre la pollution. LF du 16 mars 1955.
- 1. Recevabilité du recours de droit administratif contre une décision qui, quoique expressément fondée sur le seul droit cantonal, l'est sur le droit fédéral, d'après la nature de l'affaire (consid. 1).
- 2. L'octroi du permis de construire une porcherie ne suppose pas, selon la LF du 16 mars 1955, la garantie réelle de la surface d'épandage du purin produit par l'exploitation (consid. 3-7).
Regesto (it):
- Protezione delle acque dall'inquinamento. LF del 16 marzo 1955.
- 1. Ammissibilità del ricorso di diritto amministrativo contro una decisione che, sebbene esplicitamente fondata sul solo diritto cantonale, lo è invece sul diritto federale secondo la natura della causa (consid. 1).
- 2. Il rilascio del permesso di costruire un porcile non suppone, secondo la LPA, la garanzia reale della superficie di spargimento del colaticcio che ne risulta (consid. 3-7).
Sachverhalt ab Seite 759
BGE 96 I 758 S. 759
A.- Der Beschwerdeführer Leo Krummenacher will in Dachsenhausen-Oerlingen, Gemeinde Ossingen (ZH), ein Einfamilienhaus und einen Schweinestall für etwa 550 Schweine bauen. Die Gebäude sollen nicht an eine Kanalisation angeschlossen werden. Leo Krummenacher beabsichtigt, die Abwässer aus dem Stall und dem Wohnhaus in einer geschlossenen Grube zu sammeln und sie auf dem Land benachbarter Landwirte auszubringen. Der Gemeinderat von Ossingen verweigerte Leo Krummenacher die Baubewilligung für dieses Projekt mangels hinreichender Zufahrt, wegen ungenügender Garantien für die einwandfreie Beseitigung der Abwässer, wegen zu kleiner Jauchegrube, wegen ungenügend abgeklärter Verhältnisse bezüglich des Trink- und Brauchwassers, wegen Verletzung der Gemeinde-Bauordnung, wegen widerspruchsvoller Baueingabe sowie aus Gründen des Natur- und Heimatschutzes. Der Bezirksrat Andelfingen bestätigte auf Rekurs hin den Entscheid des Gemeinderates von Ossingen. Einen Rekurs Leo Krummenachers gegen den Entscheid des Bezirksrates wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 29. Januar 1970 ab. Als Grund für die Verweigerung der Baubewilligung anerkannte er indessen lediglich noch die mangelhafte Regelung der Abwasserbeseitigung. Die projektierte Grube sei zu klein. Nach § 89 Abs. 3 des kantonalen Wassergesetzes dürften sodann Abwasser- und Jauchegruben nur bewilligt werden, wenn die Beseitigung ihres Inhaltes dauernd so sichergestellt sei, dass öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt würden. Dazu bedürfe es einer dinglichen Sicherung der Verwertungsfläche für die Jauche aus Haus und Stall.
B.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates erhebt Leo Krummenacher Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, soweit damit "der Beschwerdeführer im Sinne der Erwägungen verpflichtet wird, die sog. Ausbringfläche für sein Bauvorhaben mit Grunddienstbarkeiten und Grundlasten sicherzustellen, und es sei demzufolge der Regierungsrat anzuweisen, die erforderliche gewässerschutzrechtliche Bewilligung ohne diese Bedingung zu erteilen".
BGE 96 I 758 S. 760
Er führt im wesentlichen an, eine obligationenrechtliche Sicherung der Verwertungsfläche genüge den Anforderungen des Gewässerschutzes, wie sie sich aus dem Gewässerschutzgesetz des Bundes ergäben.
C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Eidg. Departement des Innern beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind Verfügungen anfechtbar, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (Art. 97 Abs. 1
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
BGE 96 I 758 S. 761
Neben dieser umfassenden Ordnung des Bundesrechts hat die vom Regierungsrat angewandte kantonale Vorschrift keine selbständige Bedeutung (BGE 64 I 189, BGE 93 I 137). Sie gebietet nichts, was nicht schon durch das Bundesrecht geboten wäre. Stützt sich der angefochtene Entscheid auch nicht ausdrücklich auf öffentliches Recht des Bundes, so ist er der Sache nach doch in Anwendung solchen Bundesrechts ergangen. Damit aber ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im vorliegenden Falle grundsätzlich zulässig (vgl. BGE 96 I 689 mit Hinweisen; FELIX BENDEL, Probleme des Gewässerschutzes in der Schweiz, 100). Der Regierungsrat hat als letzte kantonale Instanz entschieden (Art. 98 lit. g
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
2. Zur Begründung seines Entscheides führt der Regierungsrat u.a. an, das Projekt des Beschwerdeführers sehe eine zu kleine Jauchegrube vor. Diese Feststellung ist unbestritten. Dennoch müssen, entgegen der allgemeinen Regel (BGE 87 I 375) im vorliegenden Falle auch die übrigen Begründungen des angefochtenen Entscheides geprüft werden. Der angeführte Grund zwang nicht dazu, die Baubewilligung zu verweigern. War die projektierte Jauchegrube zu klein bemessen, so hätte die Baubewilligung mit der Auflage verbunden werden können, es sei eine genügend grosse Jauchegrube zu erstellen.
3. Der Beschwerdeführer ist damit einverstanden, dass sein Bauprojekt nur ausgeführt werden darf, wenn die Beseitigung der in der Schweinemastanstalt anfallenden Abwässer so geordnet ist, dass den Erfordernissen von Art. 2 Abs. 1
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
BGE 96 I 758 S. 762
Betriebe benötigen - 71,9 ha. Erforderlich und ausreichend für die Jauche aus dem vom Beschwerdeführer projektierten Betrieb sind laut dem angefochtenen Entscheid 59 ha. Sofern und solange also die Abnehmer die Produktion ihrer eigenen Betriebe nicht vergrössern und nicht Abnahmeverträge mit andern Jauchelieferanten abschliessen, reicht die vom Beschwerdeführer angebotene Verwertungsfläche für die in seinem Betrieb anfallende Jauche reichlich aus. Das wird übrigens vom Regierungsrat nicht bestritten.
4. Bestritten ist einzig die Art der Sicherstellung. Gegenüber der vom Beschwerdeführer angebotenen obligatorischen verlangt der Regierungsrat eine doppelte dingliche Sicherstellung der Abnahmepflicht: a) durch Bestellung von Grundlasten auf den Verwertungsgrundstücken zugunsten des Grundstücks des Beschwerdeführers, b) durch Bestellung von Dienstbarkeiten auf den Verwertungsgrundstücken zugunsten des Grundstücks des Beschwerdeführers sowie zugunsten des Kantons Zürich und der Gemeinde Ossingen. Die Vorteile der dinglichen Sicherung sind klar: berechtigt und verpflichtet sind nicht nur die Kontrahenten, sondern alle jeweiligen Eigentümer und Pächter. Die Eigentümer der Verwertungsgrundstücke können nicht kündigen. Der Eigentümer des Baugrundstückes und seine Rechtsnachfolger können eine Überbauung der Verwertungsgrundstücke verhindern. Hingegen fragt sich, ob Art. 2
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
5. Hauptzweck des Gewässerschutzgesetzes ist die Erhaltung gesunden Trink- und Brauchwassers (DIETRICH SCHINDLER, Rechtsfragen des Gewässerschutzes in der Schweiz, ZSR 1965 II 450). Massnahmen, die diesem Zwecke dienen, müssen unter allen Umständen verwirklicht werden, "ohne Rücksicht auf die entstehende wirtschaftliche und finanzielle Belastung" (Art. 2 Abs. 3
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
BGE 96 I 758 S. 763
neuen Gewässerschutzgesetz vom 26. August 1970, BBl 1970 II 431). Insbesondere kann im Rahmen dieser Kompetenz ein Betrieb - auch ein Schweinemastbetrieb - geschlossen werden, wenn seine Abwässer Trinkwasser gefährden (vgl. den Entscheid des Bundesrates vom 5. Juli 1963 betr. Stillegung der Zellulosefabrik Dozière, SCHINDLER, a.a.O. S. 454). Art. 2 Abs. 1
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
Ob im vorliegenden Falle Trinkwasser in der Nähe der Ausbringfläche gefasst wird oder sich andere schutzbedürftige Gewässer in deren näherer Umgebung befinden, geht aus den Akten nicht hervor. Dies ist auch bedeutungslos, da die Art der Ausbringung, wie sie der Beschwerdeführer vorschlägt, vom Regierungsrat in Würdigung der tatsächlichen Umstände gutgeheissen worden ist, mithin angenommen werden darf, dass sie für die Gewässer keine Gefahr bedeutet. Die Verteilung der Abwässer aus der Schweinemästerei des Beschwerdeführers muss aber, wie der Regierungsrat zu Recht verlangt, dauernd sichergestellt sein. Die erforderliche Ausbringfläche muss jedenfalls solange zur Verfügung stehen, als die Schweinemästerei betrieben wird. Nur dann ist der Schutz der Gewässer gewährleistet. Das Bundesgericht hat in BGE 94 I 499 entschieden, bei Wohnbauten könnten die Kantone gestützt auf Art. 2
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
6. Im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit von Verwaltungseingriffen ermächtigt Art. 2 Abs. 1
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |
BGE 96 I 758 S. 764
Sicherstellung gesunden Trink- und Brauchwassers geht. Die Frage der Sicherstellung gesunden Trink- und Brauchwassers stellt sich im vorliegenden Falle nicht. Der Regierungsrat und das Eidg. Departement des Innern stimmen mit dem Beschwerdeführer darin überein, dass eine Kontrolle der tatsächlichen Verhältnisse bei dinglicher wie bei obligatorischer Sicherung der Ausbringfläche unerlässlich ist. Nur auf Grund eigener Kontrollen können die zuständigen Instanzen sich vergewissern, dass die Abwässer tatsächlich ordnungsgemäss ausgebracht werden. Die Kontrolle ist den Kantonen in Art. 6
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 6 Grundsatz - 1 Es ist untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einzubringen oder sie versickern zu lassen. |
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1 | Es ist untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einzubringen oder sie versickern zu lassen. |
2 | Es ist auch untersagt, solche Stoffe ausserhalb eines Gewässers abzulagern oder auszubringen, sofern dadurch die konkrete Gefahr einer Verunreinigung des Wassers entsteht. |
BGE 96 I 758 S. 765
sie die Pflicht der zuständigen Behörden nicht auf, die tatsächlichen Verhältnisse auch in diesem Falle zu kontrollieren.
7. Es scheint somit nicht unerlässlich, die Ausbringflächen einer Schweinemästerei gleich wie jene eines Wohnhauses dinglich sicherzustellen. Die Prüfung des Falles ergibt im Gegenteil, dass die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene obligatorische Sicherstellung verbunden mit ergänzenden Massnahmen den Gewässerschutz genügend gewährleistet. In der Baubewilligung kann die Fassungskraft der Baute und die Verwertungsfläche für die entsprechende Anzahl Tiere festgelegt werden. Im Hinblick auf spätere Änderungen kann überdies generell bestimmt werden, in welchem Verhältnis der Tierbestand zur Verwertungsfläche stehen muss (lo bis 12 Tiere/ha Verwertungsfläche nach dem Kreisschreiben des Amtes für Gewässerschutz vom 4. Januar 1968). Die Behörde kann vom Beschwerdeführer verlangen, dass er sich und seine Rechtsnachfolger verpflichte, jede Änderung der Verwertungsfläche oder des Tierbestandes zu melden, den Tierbestand jeder Verminderung der Verwertungsfläche unverzüglich anzupassen und den Betrieb einzustellen, wenn keine Verwertungsfläche mehr zur Verfügung steht. Zur Sicherstellung dieser Auflagen sowie der Kosten von Schadenfällen kann zudem die Hinterlegung einer angemessenen Kaution oder eine gleichwertige Sicherheitsleistung verlangt werden (§ 80 des zürcherischen Wassergesetzes). Auch die Kontrolle des Betriebes kann schon im Zusammenhang mit der Baubewilligung so geregelt werden, dass die mit der Aufsicht betrauten Instanzen (Art. 6
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 6 Grundsatz - 1 Es ist untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einzubringen oder sie versickern zu lassen. |
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1 | Es ist untersagt, Stoffe, die Wasser verunreinigen können, mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einzubringen oder sie versickern zu lassen. |
2 | Es ist auch untersagt, solche Stoffe ausserhalb eines Gewässers abzulagern oder auszubringen, sofern dadurch die konkrete Gefahr einer Verunreinigung des Wassers entsteht. |
BGE 96 I 758 S. 766
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Streitsache zu neuer Beurteilung an den Regierungsrat des Kantons Zürich zurückgewiesen.