94 I 111
18. Urteil vom 6. März 1968 i.S. X gegen Einwohnergemeinde A und Rekurskommission des Kantons Zug.
Regeste (de):
- Wertzuwachssteuer, Enteignung
- Umfang der bundesgerichtlichen Prüfungsbefugnis (Erw. 3).
- Die Eigentumsgarantie als Grenze der Besteuerung; Frage offen gelassen, da die Voraussetzungen für die Annahme einer sog. konfiskatorischen Besteuerung hier ohnehin fehlen (Erw. 4a).
- Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
- Auslegung der einschlägigen Vorschriften eines Gemeindesteuerreglements ist mit Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
Regeste (fr):
- Impôt sur les plus-values, expropriation.
- Pouvoir d'examen du Tribunal fédéral (consid. 3).
- La garantie constitutionnelle de la propriété en tant que limite au pouvoir d'imposer: question laissée ouverte en l'espèce, où font défaut les conditions qui permettraient de conclure au caractère prohibitif de l'imposition (consid. 4a).
- L'art. 92 LEx. n'empêche pas de prélever l'impôt de plus-value sur une indemnité d'expropriation (consid. 4b).
- L'interprétation de prescriptions détaillées contenues dans un règlement communal sur les impôts est compatible avec l'art. 4 Cst. (consid. 5).
Regesto (it):
- Imposta sul maggior valore, espropriazione.
- Potere d'esame del Tribunale federale (consid. 3).
- La garanzia della proprietà come limite al potere d'imporre; questione lasciata aperta nella fattispecie, perchè mancano i presupposti che permetterebbero di ammettere il carattere proibitivo dell'imposizione (consid. 4a).
- L'art. 92 LEspr. non impedisce di prelevare, sopra un'indennità d'espropriazione, l'imposta sul maggior valore (consid. 4b).
- L'interpretazione delle corrispondenti prescrizioni contenute in un regolamento fiscale comunale è conciliabile con l'art. 4 CF (consid. 5).
Sachverhalt ab Seite 112
BGE 94 I 111 S. 112
A.- Nach § 125 des zugerischen Gesetzes über die Kantons- und Gemeindesteuern vom 7. Dezember 1946 können die Einwohnergemeinden unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Regierungsrat u.a. Grundstückgewinnsteuern beschliessen. Die Einwohnergemeinde A. erliess demgemäss am 9. September 1960 ein Reglement über die Grundstückgewinnsteuer, welches der Regierungsrat des Kantons Zug am 21. November 1960 genehmigte. Für die Beurteilung des vorliegenden Falles sind namentlich die folgenden Vorschriften des genannten Reglementes von Bedeutung:
"§ 3
Die Grundstückgewinnsteuer wird auf den Gewinnen erhoben, die sich bei der Handänderung der in der Gemeinde gelegenen Grundstücke oder Anteilen von Grundstücken ergeben. Handänderungen an Grundstücken sind gleichgestellt:
a) ...
b) die Belastung von Grundstücken mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, sofern diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder Veräusserung der Grundstücke wesentlich beeinträchtigen und die Belastung gegen Entgelt erfolgt. § 8
Grundstückgewinn ist der Betrag, um welchen der Erlös die Anlagekosten übersteigt. Die Anlagekosten ergeben sich aus dem Erwerbspreis und den Aufwendungen. ..."
B.- X. ist Eigentümer der 64'165 m2 haltenden, in A. gelegenen Parzelle Nr. 53. Auf dem Wege der Enteignung erhielten das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) und die Nordostschweizerischen Kraftwerke AG in Baden (NOK) zulasten der Parzelle Nr. 53 das Durchleitungsrecht für die Dauer von 50 Jahren in folgendem Umfang eingeräumt: - Recht zur Erstellung, Beibehaltung und zum Betrieb einer 220 kV-Leitung und zur Überspannung des Grundstückes Nr. 53 auf eine mittlere Länge von 254 m mit einer Leitung, bestehend aus 6 Bündelleitern und einem Erdseil;
BGE 94 I 111 S. 113
- ichtung einer Bauverbotszone zulasten des ganzen leitungsbelasteten Streifens (beidseitiger Abstand des äussersten Drahtes des Bündelleiters von der Leitungsachse je 7,5 m sowie beidseitiger Schutzstreifen von je 5 m), d.h. in einer Breite von 25 m über einer Grundfläche von 6'150 m2; - Pflanzungsverbot für Bäume, welche näher als bis auf 4 m an die untersten Leiter heranwachsen können und Verpflichtung des Grundeigentümers, höher herangewachsene Bäume ohne Aufforderung zurückzuschneiden, sowie Recht des Werkes, die Zurückschneidung oder Entfernung solcher Bäume selbst zu besorgen, sofern der Grundeigentümer einer entsprechenden Aufforderung nicht rechtzeitig nachkommt; - Recht der Enteignerinnen, das belastete Grundstück und die dazu führenden Wege jederzeit durch ihre Beauftragten für den Bau und Betrieb der Leitung gegen Vergütung des Kulturschadens betreten und befahren zu lassen. Die X. für die Einräumung der genannten Rechte zukommende Entschädigung setzte die staatsrechtliche Kammer des Schweiz. Bundesgerichtes mit Urteil vom 16. Dezember 1964 letztinstanzlich wie folgt fest: Bauverbot auf 6'150 m2 für 50 Jahre Fr. 120'000.--
Minderwert von 21'000 m2 für 50 Jahre ... Fr. 79'800.--
Insgesamt Fr. 199'800.--
C - In ihrem Einschätzungsvorschlag vom 26. Mai 1967 setzte die Steuerkommission A. den aus der oben genannten Enteignungsentschädigung herrührenden Grundstückgewinn auf Fr. 181'140.-- (Fr. 199'800.-- abzüglich Anlagekosten im Betrage von Fr. 18'660.--) an und errechnete einen Steuerbetrag von Fr. 16'351.50. Auf Einsprache des X. hin bestätigte die Steuerkommission ihre Steuerberechnung mit Beschluss vom 28. Juni 1967. Diesen zog der Steuerpflichtige an die kantonale Steuer-Rekurskommission (RK) weiter. Er machte namentlich geltend, es fehle an den gesetzlichen Voraussetzungen zur Erhebung einer Grundstückgewinnsteuer. Einmal habe er keinen Gewinn realisiert, sondern einen zukünftigen Schaden gedeckt erhalten. Sodann sei auch das in § 3 lit. b des Reglementes aufgestellte Erfordernis der wesentlichen
BGE 94 I 111 S. 114
Beeinträchtigung der unbeschränkten Bewirtschaftung oder Veräusserung der Liegenschaft nicht gegeben. Die RK hat den Rekurs des X. am 17. November 1967 abgewiesen. Sie legte ihrem Entscheid den § 3 lit. b des Reglementes zugrunde und führte u.a. aus, weder das Bundesrecht noch das Grundstückgewinnsteuerreglement der Gemeinde A. sähen eine Steuerbefreiung des Enteigneten für den Gewinn aus der zwangsweisen Abtretung von Grundstücken vor. Stichhaltige Gründe für eine Privilegierung des Enteigneten bestünden nicht, da er Anspruch auf Ersatz des Verkehrswertes der Liegenschaft habe. Mit Recht würden auch Entschädigungen für dingliche Belastungen von Grundstücken der Grundstückgewinnsteuer unterworfen, da in Wirklichkeit die Schaffung von entschädigungspflichtigen Bauverboten einer Teilliquidation des Grundeigentums gleichkomme. Wohl verbiete Art. 92
![](media/link.gif)
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen. |
D.- X. führt staatsrechtliche Beschwerde. Er beantragt dem Bundesgericht, den angefochtenen Entscheid der RK wegen Verletzung der Eigentumsgarantie und des Art. 4
![](media/link.gif)
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
E.- Die Steuerrekurskommission des Kantons Zug und die Grundstückgewinnsteuerkommission von A. stellen den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
BGE 94 I 111 S. 115
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Im angefochtenen Entscheid hat die RK die Beschwerde gegen den Entscheid der Steuerkommission A. abgewiesen und damit festgestellt, dass die dem Beschwerdeführer ausgerichtete Enteignungsentschädigung der Grundstückgewinnsteuer unterliege. Mit der andern, nach den Vorschriften des Enteignungsrechts zu beantwortenden Frage, ob der Enteigner dem Expropriaten auch (allfällige) Wertzuwachssteuern zu ersetzen habe, hatte sich die RK dagegen nicht zu befassen. Soweit die in der Beschwerde erhobene Kritik den angefochtenen Entscheid von dieser Seite her angreift, sich insbesondere mit Urteilen des Bundesgerichts auseinandersetzt, die nicht die Frage der Steuerbarkeit, sondern diejenige des Umfanges der Enteignungsentschädigung betreffen, stösst sie deshalb von vornherein ins Leere. Es ist im vorliegenden Fall lediglich zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer angerufenen verfassungsmässigen Rechte einer Besteuerung der Enteignungsentschädigung entgegenstehen.
2. Dass die angefochtene Besteuerung über eine gesetzliche Grundlage verfüge, bestreitet der Beschwerdeführer zu Recht nicht. Die erforderliche Grundlage ist in § 125 des zugerischen Steuergesetzes enthalten. Diese Vorschrift ermächtigt die Gemeinden, unter Vorbehalt der regierungsrätlichen Genehmigung Grundstückgewinnsteuern zu beschliessen. Mit ihrem Reglement über die Grundstückgewinnsteuer, auf dessen § 3 lit. b die RK den angefochtenen Entscheid im wesentlichen gestützt hat, machte die Gemeinde A. von der erwähnten Ermächtigung Gebrauch. Der Zuger Regierungsrat hat das Reglement genehmigt.
3. Der Beschwerdeführer hält dafür, die Besteuerung der ihm ausgerichteten Enteignungsentschädigung sei mit der Eigentumsgarantie unvereinbar und ausserdem auch willkürlich. Im Bereiche der Eigentumsgarantie entscheidet das Bundesgericht mit freier Kognition, ob eine Bestimmung des kantonalen oder kommunalen Rechts vor dem genannten Verfassungsgrundsatz standhalte. Geht es dagegen um die Anwendung einer derartigen Vorschrift, so ist der Staatsgerichtshof auf die Willkürprüfung beschränkt (vgl. BGE 93 I 138 E. 4). Eine Ausnahme zugunsten der freien Kognition auch in diesem Falle
BGE 94 I 111 S. 116
liesse sich möglicherweise erwägen, wenn eine Expropriationsentschädigung besteuert werden soll, die für die Beschaffung von existenznotwendigem Ersatzland bestimmt ist. Die Frage braucht indessen nicht entschieden zu werden, weil der Beschwerdeführer das Vorliegen solcher Umstände nicht einmal behauptet, geschweige denn dargetan hat. Insoweit die Auslegung von § 3 lit. b des Reglementes durch die RK nach Ansicht des Beschwerdeführers die Eigentumsgarantie verletzt, fällt dieser Vorwurf nach dem Gesagten mit der ebenfalls erhobenen Rüge der Willkür zusammen.
4. a) Im Zusammenhang mit der Rüge, die beanstandete Besteuerung verletze die Eigentumsgarantie, beruft sich der Beschwerdeführer auf den Grundsatz der "vollen Entschädigung" und bringt u.a. vor, die Steuergesetze hätten auf Verfassungsgarantien "nicht nur formell, sondern auch materiell, d.h. in ihrer ganzen Konsequenz Rücksicht zu nehmen"; andernfalls müssten sie als verfassungswidrig und damit als nicht anwendbar gelten. Es liegt nahe anzunehmen, in dieser These sei der Vorwurf enthalten, der § 3 lit. b des Reglementes, auf welchen sich der angefochtene Entscheid zur Hauptsache stützt, verstosse selber gegen die Eigentumsgarantie. Eine solche Rüge ist zulässig, da die Verfassungswidrigkeit eines allgemein verbindlichen Erlasses noch im Anschluss an jeden einzelnen Anwendungsfall geltend gemacht werden kann (BGE 90 I 79 /80 und 91, BGE 88 I 265, BGE 86 I 274 mit Verweisungen). Der Vorwurf wäre aber selbst dann unbegründet, wenn man mit der neuern Rechtslehre (vgl. WACKERNAGEL, Über die Steuergerechtigkeit, 1956 S. 16 ff.; IMBODEN, Die verfassungsmässige Gewährleistung des Privateigentums als Schranke der Besteuerung, ASA Bd. 29 S. 2 ff.; ferner H. HUBER, N. 231 zu Art. 6
![](media/link.gif)
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 6 - 1 Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt. |
|
1 | Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt. |
2 | Sie können in den Schranken ihrer Hoheit den Verkehr mit gewissen Arten von Sachen beschränken oder untersagen oder die Rechtsgeschäfte über solche Sachen als ungültig bezeichnen. |
BGE 94 I 111 S. 117
dieser Entschädigung neues Vermögen bilden kann (vgl. IMBODEN a.a.O. S. 10). b) Wie das Bundesgericht in BGE 70 I 303 /4 erkannt hat und auch im Schrifttum angenommen wird (vgl. HESS, Enteignungsrecht des Bundes, Anm. 1 zu Art. 92
![](media/link.gif)
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen. |
![](media/link.gif)
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen. |
![](media/link.gif)
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen. |
BGE 94 I 111 S. 118
wonach unter den Handänderungssteuern nach Art. 92
![](media/link.gif)
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen. |
![](media/link.gif)
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen. |
5. Es bleibt zu prüfen, ob die RK die massgebenden Bestimmungen des Reglementes, insbesondere den § 3 lit. b, willkürlich angewandt habe. Der Beschwerdeführer bejaht dies. Zwar bestreitet er nicht, dass es sich beim Durchleitungsrecht, welches seine Liegenschaft belastet, um eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung handelt und diese Belastung gegen Entgelt erfolgt. Vielmehr hält er den § 3 lit. b deshalb für nicht anwendbar, weil weder eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift noch ein Gewinn vorliege. Nach Ansicht des Beschwerdeführers hat die RK, welche die genannten Voraussetzungen als erfüllt betrachtete, damit den Art. 4
![](media/link.gif)
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
![](media/link.gif)
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 94 I 111 S. 119
verstösst unter solchen Umständen auch dann nicht gegen Art. 4
![](media/link.gif)
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
![](media/link.gif)
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.