354 Expropriacionsrecht. N° 49.

G. EXPBOPRIATIONSRECHT EXPROPBIATION

49. Urteil vom 6. November 1925 i. S. von Arx gegen Regierungsrat des
Kantons Solothurn.

Es ist keine Willkür und keine Verletzung des eidgenössischen
Exproprlationsgesetzes, wenn demjenigen, dem ein Grundstück enteignet
werden ist, infolgedessen eine Wertzuwachssteuer unterlegt wird.

A. Die Schweizerischen Bundesbahnen haben in Olten eine Liegenschaft
expropriiert, die dem Rekurrenten gehörte; dafür wurde diesem in Jahr
1923 eine Entschädigung von 26,275 Fr. zugesprochen. Der Regierungsrat
des Kantons Solothurn entschied infolgedessen am 8. Juni 1925,
dass er der Gemeinde Olten eine Wertzuwachsoder Kapitalgewinnsteuer
bezahlen müsse, und setzte den steuerpflichtigen Wertzuwachs auf 2835
Fr. 40 Cts. fest. Aus der Begründung des Entscheides' ist folgendes
hervorzuheben : Die im Streite liegende Steuerforderung stützt sich
auf § '? Ziff. 5 des Steuerreglementes der" Einwohnergemeinde Olten vom
16. Dezember 1909 (genehmigt vom Regierungsrat den 11. April 1910), wonach
der auf Liegenschaften bei Handänderungen erzielte Kapitalgewinn für das
Steuerjahr, in welchem er erzielt wird, als Einkommen berechnet wird. Nach
den Ausführungsbestimmungen hiezu vom 29. April 1910/11. Dezember
1913 ist als Liegenschaftengewinn anzusehen die Differenz zwischen
dem Veräusserungspreis und dem frihrern ErwerbsPreis. Der Rekurrent
wendet ein, dass die Terminologie der Ausführungsbestimmungen zum
Gemeindesteuerreglement,

Expropriationsrecht. N° 49. 355.

die mit § 14 a der Vollziehungsverordnung zum Staatssteuergesetz
übereinstimmen, sowie die Detailberatung über die Revision
der kantonalen Vollzieliungsverordnung zum Staatssteuergesetz
(vgl. Kantonsratsverhandlungen vom Jahre 1912, .S. 119/121/189)
unbedingt darauf schliessen lassen, dass bloss freiwillige Kaufe-,
geschäfte der Uegenschaftengewinnsteuer unterliegen, und niemals
Entschädigungsforderungen der Eigentümer von Liegenschaften,
die im Expropriationsverfahren denselben als Schadenersatzwerte
zugesprochen werden. Dieser Einwand ist aber unstichhaltig. Gemäss
§ 7 Ziff. 5 des erwähnten Reglementes unterliegt der bei allen
Handänderungen n resultierende Liegenschaftengewinn schlechterdings der
Einkommenssteuerpflicht. Eine solche Handänderung ist sicherlich auch die
Expropriation. Es würde übrigens, wie die Steuer-kommission zutreffend
hervorhebt, eine Rechtsungleichheit gegenüber den Eigentümern, die einen
im Wege der freiwilligen Veräusserung erzielten ,Wertzuwachs zu versteuern
haben, bedeuten, wenn anderseits der infolge Zwangsenteignung realisierte
megenschaftengewinn nicht besteuert würde. Art. 44 des Bundesgesetzes
betreffend die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten statuiert
wohl, dass die Rechte, die Gegenstand der Abtretung sind, nach Bezahlung
der Entschädigung ohne weiteres und ohne dass daher die Beobachtung
irgend einer sonst etwa vorgeschriebenen Form erforderlich, oder der
Bezug irgendwelcher daherigen Steuern oder Gebühren zulässig ist, an den
Bauunternehmer übergeben, bezieht sich aber nicht auf eine allfällige,
nach kantonalem Steuerrecht zu entrichtende Wertzuwachssteuer, sondern
hat lediglich die von dieser grundverschiedene Handänderungssteuer und
die Handänderungsgebühren im Auge.

B. Gegen den ,Entscheid des Regierungsrates hat Ad. von Arx die
staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen mit den
Anträgen : 1. Es sei

356 Expropriationsrecht. N° 451.

der Wertzuwachsstenerentscheid wegen Rechtsverweigerung und Willkür
aufzubeben. 2. Es sei die dem Beschwerdeführer zugesprochene
Expropriationsentschädi--

gung als nicht wertzuwachssteuerpflichtig zu erklären. '

Zur Begründung wird ausgeführt. Der Entscheid der Regierung verstosse
gegen das Gesetz über die Wertzuwachssteuern, das den unverdienten
Liegenschaften-'

gewinn , besteuere, sich also nicht auf die Expropriations

entschädigung beziehe. Diese müsse in der Hauptsache einen Ersatz
ermöglichen und bringe keinen Gewinn. Bei der Enteignung gebe es auch
keinen Veräusserungspreis, der mit dem Erwerbspreis verglichen werden
könne. Sodann lasse es das eidgenössische Expr0priationsgesetz, speziell
in Art. 3 und 44, nicht zu, dass der Exprepriat wegen der Enteignung
mit einer Steuer belastet werde.

c ............................................. D. Der Regierungsrat
und der Gemeinderat von

Olten haben Ahweisung der Beschwerde beantragt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Nach § 7 Ziff. 5 des (_)ltener Steuerreglementes und den dazu
bestehenden Ausführungsbestimmungen gilt als steuerpflichtiges Einkommen
der auf Liegenschaften bei Handänderungen erzielte Kapitalgewinn , bei
dessen Berechnung von der Differenz zwischen dem Veräusserungspreise
und dem früheren Erwerbspreise auszugehen ist. Nun handelt es
sich bei der Enteignung, wenn dabei, wie im vorliegenden Falle, der
Expropriant das Eigentum an Grundstücken erwirbt, zweifellos auch
um eine Handänderung. Und als Kapitalgewinn im Sinne der erwähnten
Bestimmungen ist, wie das Bundesgericht schon einmal festgestellt hat
(BGE 45 I S. 286, vgl. auch 47 I S. 472), die durch die Konjunktur
herbeigeführte Vermehrung des Wertes einer Liegenschaft anzusehen, die
bei einer Veräusserung oder Handänderung zu Tage tritt. Es ist klar,
dass sich einExpropriationsreeht. N° 49. . 35?

solcher Wertzuwachs auch bei einer Zwangsenteignung der vorliegenden Art
ergeben und in der Expr-0priationsentschädigung widerspiegeln kann. Beim
Wort Veräusserungspreis hat man allerdings in der Regel nicht eine solche
Entschädigung im Auge; allein gleich, wie die Ausführungsbestimr'nungen
zum Oltener Steuerreglement beim Tausch die amtliche Schätzung, vermehrt
bezw. vermindert um das Nachgeld dem Ver-

väusserungspreis beim Kauf gleichstellen, so kann mit

diesem in analoger Weise der durch die Expropriationsentschädigung
ersetzte Wert einer enteigneten Liegenschaft auf eine Linie gestellt
werden. Dazu kommt, dass sich nicht ohne Grund sagen lässt, es wäre
ungleiche Behandlung, wenn nur der bei einem Verkauf oder Tausch nicht
auch der bei einer Zwangsenteignung zu Tage tretende Wertzuwachs
besteuert Würde. Der Vorwurf, dass das Oltener Steuerreglement mit
den Ausführungsbestimmungen in willkürlicher Weise angewendet worden
sei, erweist sich demnach als unbegründet (vgl. den Entscheid des
Bundesgerichts i. S. Büttikofer gegen Bern _ vom 4. Mai 1923, wo die
Frage der Willkür in einem ganz analogen Falle verneint wurde).

2. Nach Art. 3 ExprG kann der Expropriat allerdings vollen Ersatz aller
Vermögensnachteile, die für ihn ohne seine Schuld aus der Enteignung
erwachsen, beanspruchen. Dieser Anspruch richtet sich aber nur gegen den
Exproprianten, und das Bundesgericht hat im Entscheid i. S Karlen gegen
SBB vom 16. Juli 1924 (BGE 50 I S. 137 ff.) bereits festgestellt, dass
eine Wertzuwachssteuerauflage nicht zu den Vermögensnachteilen gehöre,
für die der Expropriant den Expropriaten entschädigen muss. Man kann
zwar aus Art. 3 ExprG den Satz ableiten, dass der Staat nicht einen
Teil der Expropriationsentschädigung für sich beanspruchen oder den
Expropriaten speziell wegen der Enteignung mit einer besonderen Steuer
belasten dürfe. Einen solchen allenfalls unzulässigen Anspruch stellt

358 Expropriationsrecht. N° 49.

aber die vorliegende Liegenschaftengewinnsteuer nicht dar; ihr Objekt ist
nicht die erwähnte Entschädigung als solche, sondern die Wertvermehrung,
die bei der Liegenschaft des Rekurrenten vom Erwerb bis zur Entsi
eignung eingetreten ist (BGE 45 -I S. 286 und 47 I S. 473), und zudem
wird die-steuer nach § 7 Ziff. 5 des Steuerregl. von Olten bei jeder
gegen Entgelt vor sich gehenden Handänderung, nicht bloss bei einer
Enteignung erhoben. _

3. Nach Art. 44 ExprG erwirbt der Expropriant die enteigneten Rechte,
ohne dass der Bezug irgend welcher daherigen Steuern oder Gebühren
zulässig ist (im franz. Text : a sans qu'il puisse etre soumis à aucun
impòt ou èmolument queiconque ). Diese Vorschrift befreit also nach
ihrem .Wortlaut nur den Exproprianten, nicht auch den Expropriaten von
gewissen Steuern (vgl. BGE 20 S. 375, 40 I S. 322). Nimmt man aber
auch an, dass sie jegliche Besteuerung des mit der Enteignung sich
vollziehenden Eigentumswechsele, also die Belastung des Expropriaten
mit einer Handänderungsgebühr oder -steuer ebenfalls ausschliesse,
so folgt daraus doch nicht, dass diesem eine Wertzuwachssteuer
der vorliegenden Art auch nicht aufgelegt werden dürfe ; denn diese
Steuer trifft nicht, Wiejene, die Handänderung, sondern die bis dahin
entstandene Vermehrung des Wertes der enteigneten Liegenschaft. Nach
HòNrGER, Reichszuwachssteuergesetz S. 41 f. Anm. 6 N. 1 ist denn auch
bei einer Enteignung zwar die Auflage der Reichsbesitzwechselabgabe,
nicht aber diejenige der Reichszuwaehssteuer ausgeschlossen.

4. Die Annahme des Regierungsrates, dass der Wertzuwachs für Ad. von
Arx 2835 Fr. 40 Cts. hetrage, ist nicht angefochten worden.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Der Rekurs wird
abgewiesen.Exproprlationsrecht. N° 50. _ 359

50. Arret du 20 novembre 1925 dans la cause Chemins de fer fédéranx
contre Société coopérative suisse de consommsticn.

Expropriation : Il n'y a pas de recours par wie de fonction en matière
d'expropriation.

La suppression d?un droit de préempiion confère au titulaire de ce droit
la qualité d'exproprié et lui donne droit à la réparation de tout le
dommage causé y compris celui resultant de la privation d'avantages de
fait connexes.

A. Les Chemins de fer fédéraux exproprient, à Genève, les terrains
nécessaires à la reecnstruction de la gare de Cornavin. Au tableau
d'expropriation figure, notamment, un immeuble sis place de Montbrillant
et appartenant aux hoirs Noirfalise (parcelle N° 5850. feuille 41,
extrait du feuillet 2818, de 560,30 in).

Un hangar avait été construit, dans les années 1860 , à 1865, sur le
terrain en question. M. Ch. Noirfalise y exploitait, autrefois, un
commerce de combustibles.

En date du 10 mai 1918, le Conseil d'administration de la Société
cooperative suisse de consommation ratifia l'entente intervenne avec
Monsieur Noirfaiise concernant la reprise de ses chantiers, savoir :

prix de location ......... Fr. 13,000 prix d'achat des hangars .....
25,000 reprise ............. 25,000 .

La vente de la construction ne fit point l'objet d'une convention
écrite ni d'une annotation au registre foncier. Un contrat fut passe,
en revanche, pour la location du terrain, le 25 juin 1918, et inscrit
au registre foncier le 25 avril 1923. Aux termes de cet accord, le hail
était consenti pour une durée de dix ans, soit jusqu'au 31 mai 1928. Il
renfermait la clause suivante:

Au cas où, pendant la période allant du ler juin 1918 au 31 mai 1928,
M. Noirfalise' recevrait de la part d'un tiers des offres d'aequisition
des immeubles dont
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Dokument : 51 I 354
Datum : 06. November 1925
Publiziert : 31. Dezember 1925
Quelle : Bundesgericht
Status : 51 I 354
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 354 Expropriacionsrecht. N° 49. G. EXPBOPRIATIONSRECHT EXPROPBIATION 49. Urteil


BGE Register
45-I-282 • 50-I-137
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
olten • regierungsrat • bundesgericht • enteigneter • terrain • kapitalgewinn • wert • tausch • enteignung • begründung des entscheids • tag • sbb • rechtsgleiche behandlung • entscheid • kaufpreis • solothurn • willkürverbot • staatsrechtliche beschwerde • kauf • gegenstand
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