S. 301 / Nr. 60 Befreiung von kantonalen Abgaben (d)

BGE 70 I 301

60. Auszug aus dem Urteil vom 3. November 1944 i. S. Ruckli und Seiler gegen
Gemeinderat von Emmen und Regierungsrat des Kantons Luzern.

Regeste:
Wertzumachsteuer, Enteignung:
Weder Art. 92 (Verbot der Handänderungssteuer) noch Art. 16 des Bundesgesetzes
über die Enteignung vom 20. Juni 1930 (Grundsatz der vollen Entschädigung)
befreit den Enteigneten von der Steuer auf dem Mehrerlös, den er bei der
Enteignung eines Grundstücks gegenüber dem Erwerbspreis erzielt.
Impôt sur la plus-value, expropriation:
Ni l'art. 92 (qui interdit le prélèvement de droits de mutation) ni l'art. 16
de la loi du 20 juin 1930 sur l'expropriation (principe du dédommagement
intégral) ne s'oppose ù ce que le canton frappe l'exproprie d'un impôt sur la
plus-value réalisée lors de l'expropriation d`un immeuble.
Imposta sul maggior valore, espropriazione:
Nè l'art. 92 (divieto di riscuotere tasse di mutazione), ne l'art. 16 della
legge federale sull'espropriazione del 20 giugno 1930 (principio della piena
indennità) esonera l'espropriato dall'imposta percepita dal cantone sul
maggior valore realizzato nell'espropriazione d'un immobile.


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A. - Mit Verfügungen vom 25. Juni 1943 belastete der Gemeinderat von Emmen F.
Ruckli-Peyer und T. Seiler gemäss den-durch § 107 des luzernischen
Steuergesetzes vom 22. September 1922 in Kraft belassenen-§§ 20 ff. der
kantonalen Steuergesetznovelle vom 28. Juli 1919 mit Wertzuwachssteuern,
berechnet vom Mehrerlös, den sie bei der Enteignung von Grundstücken durch die
Schweizerische Eidgenossenschaft gegenüber dem Erwerbspreis erzielt hatten.
Die von den Betroffenen gegen die Besteuerung erhobenen Rekurse wies der
Regierungsrat des Kantons Luzern am 22. Mai 1944 ab. Zur Begründung führte er
im wesentlichen aus: Nach dem klaren Wortlaut des § 20 der Steuergesetznovelle
werde auch der bei einer Enteignung entstandene Wertzuwachs von der Steuer
erfasst. Die Besteuerung werde nicht ausgeschlossen durch Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
des
Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 (EntG), wonach für den
Eigentumsübergang infolge Enteignung keine Handänderungssteuern, sondern nur
Kanzleigebühren erhoben werden dürfen, welche vom Enteigner zu tragen sind.
Unter der Herrschaft des Bundesgesetzes betreffend die Verbindlichkeit zur
Abtretung von Privatrechten vom 1. Mai 1850 habe das Bundesgericht
festgestellt, das Verbot in Art. 44 dieses Gesetzes, bei der Enteignung
«irgend welche daherige Steuern oder Gebühren» zu beziehen, betreffe die
Wertzuwachssteuer nicht, da sie nicht die Handänderung erfasse, sondern die
bis dahin entstandene Vermehrung des Wertes der Liegenschaft (BGE 51 I 358);
die Enteignung sei nicht der Rechtsgrund, sondern nur der äussere Anlass der
Besteuerung (BGE 50 I 143). Diese Erwägungen träfen auch auf Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
EntG zu.
Ruckli habe in keiner Eingabe an den Gemeinderat deutlich verlangt, dass man
ihn rechtzeitig über den Bezug einer Wertzuwachssteuer orientiere, damit er
den Betrag im Enteignungsverfahren geltend machen könne. Ein solcher Vorbehalt
wäre auch wertlos gewesen, da diese Steuer nicht vom Enteigner zu tragen sei
(BGE 50 I 144).

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B. - Mit der verwaltungsrechtlichen Klage beantragen die beiden Betroffenen
dem Bundesgericht, die Entscheide des Regierungsrates aufzuheben und die
Expropriationsentschädigung als nicht wertzuwachssteuerpflichtig zu erklären.
Sie machen geltend, die Rechtsprechung des Bundesgerichtes zum alten
eidgenössischen Enteignungsgesetz könne unter der Herrschaft des neuen
Gesetzes nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Wertzuwachssteuer sei eine
Handänderungssteuer im Sinne des Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
EntG. Ferner widerspreche die
Verpflichtung des Enteigneten zu einer Wertzuwachssteuer dem Grundsatz der
vollen Entschädigung nach Art. 16
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 16 - Die Enteignung kann nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
EntG.
C. - Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Klage.
Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen
in Erwägung:
Die vorliegende nach Art. 18 lit. a VDG erhobene verwaltungsrechtliche Klage
setzt voraus, dass das Recht des Kantons Luzern einer luzernischen Gemeinde
gestatte, den bei einer Enteignung nach eidgenössischem Recht erzielten
Mehrerlös gegenüber dem Erwerbspreis mit der Wertzuwachssteuer zu belegen. Die
Kläger machen geltend, das Bundesrecht, nämlich Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
und 16
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 16 - Die Enteignung kann nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
EntG befreie
einen nach diesem Gesetz Enteigneten von der Wertzuwachssteuer.
Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung zum Bundesgesetz betreffend die
Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten vom 1. Mai 1850 entschieden,
dass sich das Verbot des Bezugs irgend welcher daherigen (den Übergang der
enteigneten Rechte belastenden) Steuern oder Gebühren in Art. 44 (am Ende)
dieses Gesetzes lediglich auf Handänderungsabgaben beziehe, wozu die Steuer
auf der Vermehrung des Wertes der enteigneten Liegenschaft nicht gehöre, und
dass eine solche Besteuerung auch nicht gegen den Grundsatz des vollen
Ersatzes aller Vermögensnachteile (Art. 3 daselbst) verstosse (BGE 50 I

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141 ff., 51 I 357 f.). An dieser Rechtslage hat das neue EntG entgegen der
Auffassung der Kläger nichts Wesentliches geändert. Abgesehen von den hier
ausser Betracht fallenden Kanzleigebühren bestätigt Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
EntG lediglich die
bisherige Rechtsprechung, dass keine Handänderungssteuer zulässig sei. In
seiner Botschaft an die Bundesversammlung (BBl 1926 II S. 92) führte der
Bundesrat denn auch aus, die Handänderungssteuer stehe «im Gegensatz zu einer
Steuer, die von dem bei der Realisierung einer Liegenschaft erzielten Gewinn
erhoben wird, für deren Ausschliessung ein stichhaltiger Grund nicht
vorliegt». Diese Auffassung wurde im Nationalrat von den Berichterstattern
Sträuli und Pilet-Golaz geteilt (Sten. Bull., 1928, NR., S. 822), welche
freilich übersahen, dass die Steuer auf dem bei Anlass der Enteignung zutage
getretenen Gewinn nicht vom Enteigner, sondern vom Enteigneten, der ihn
erzielt hat, zu entrichten ist (BGE 50 I 143, 51 I 357 f.; HESS,
Enteignungsrecht des Bundes, Anm. 1 zu Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
EntG). Die Kläger verkennen den
grundlegenden Unterschied zwischen der Wertzuwachssteuer, einer
Einkommenssteuer, und der Handänderungssteuer, einer Rechtsverkehrssteuer
(vgl. BLUMENSTEIN, Schweizerisches Steuerrecht, Bd. I, S. 198 f., insbesondere
Anm. 102). Demnach kann keine Rede davon sein, dass die den Klägern auferlegte
Steuer eine nach Art. 92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
EntG nicht zulässige Handänderungssteuer sei oder
durch den in Art. 16
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 16 - Die Enteignung kann nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
EntG bestätigten Grundsatz der vollen Entschädigung des
Enteigneten ausgeschlossen werde.
Vgl. Nr. 54. - Voir no 54.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 I 301
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 03. November 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 I 301
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wertzumachsteuer, Enteignung:Weder Art. 92 (Verbot der Handänderungssteuer) noch Art. 16 des...


Gesetzesregister
EntG: 16 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 16 - Die Enteignung kann nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
92
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 92 - Für den Eigentumsübergang infolge Enteignung dürfen keine Handänderungssteuern, sondern nur Kanzleigebühren erhoben werden; sie sind vom Enteigner zu tragen.
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50-I-137 • 51-I-354 • 70-I-301
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1926/II/92