93 I 200
25. Urteil vom 17. Februar 1967 i.S. de Vigier und Mitbeteiligte gegen Zweckverband Abwasserregion Solothurn-Emme und Regierungsrat des Kantons Solothurn.
Regeste (de):
- Gewährung des Enteignungsrechtes im Rahmen des Gewässerschutzes; Art. 13 Abs. 1 GSchG.
- 1. Ist die verwaltungsrechtliche oder die staatsrechtliche Beschwerde unzulässig, wenn sie nicht von allen Mitgliedern einer Erbengemeinschaft eingereicht worden ist (Erw. 1)?
- 2. Die Grundlage für das Enteignungsrecht, das zur Erstellung von Anlagen des Gewässerschutzes gewährt wird, ist das eidgenössische und nicht das kantonale Recht (Erw. 2).
- 3. Die Befugnis, das Enteignungsrecht zu verleihen, steht der Kantonsregierung zu (Erw. 3).
- 4. Voraussetzungen der Gewährung des Enteignungsrechtes; Eigentumsgarantie (Erw. 4a).
- 5. Angemessenheit eines Entscheides, der das Enteignungsrecht gewährt (Erw. 4b).
Regeste (fr):
- Droit d'expropriation conféré à une association de communes en vue d'exécuter des travaux de protection des eaux contre la pollution. Art. 13 al. 1 LPEP.
- 1. Recevabilité du recours de droit administratif ou de droit public interjeté par une partie seulement des membres d'une hoirie (consid. 1)?
- 2. C'est en vertu du droit fédéral, non du droit cantonal, que le droit d'expropriation est accordé pour construire les installations qu'exige la protection des eaux (consid. 2).
- 3. Le pouvoir de conférer le droit d'expropriation appartient au gouvernement cantonal (consid. 3).
- 4. Conditions de l'octroi du droit d'expropriation; garantie de la propriété (consid. 4a).
- 5. Opportunité d'une décision qui accorde le droit d'expropriation (consid. 4b).
Regesto (it):
- Conferimento del diritto d'espropriazione nel quadro della protezione delle acque; art. 13 cpv. 1 LPA.
- 1. Il ricorso di diritto amministrativo o di diritto pubblico è irricevibile quando non è stato interposto da tutti i membri d'una comunione ereditaria (consid. 1)?
- 2. Il diritto d'espropriazione per la costruzione degli impianti richiesti dalla protezione delle acque è conferito in virtù del diritto federale, non in virtù del diritto cantonale (consid. 2).
- 3. La facoltà di conferire il diritto d'espropriazione appartiene al governo cantonale (consid. 3).
- 4. Presupposti per il conferimento del diritto d'espropriazione; garanzia della proprietà (consid. 4a).
- 5. Opportunità di una decisione che accorda il diritto d'espropriazione (consid. 4b).
Sachverhalt ab Seite 201
BGE 93 I 200 S. 201
A.- Zwanzig Gemeinden der Region Solothurn und untere Emme haben sich zum "Zweckverband Abwasserregion Solothurn-Emme mit Sitz in Solothurn" zusammengeschlossen. Dieser Verband beabsichtigt, eine grosse Kläranlage bei der Einmündung der Emme in die Aare zu errichten. Ursprünglich war vorgesehen, die Kläranlage im Vogelschutzreservat "Inseli" im "Emmenspitz" östlich der Einmündung zu erstellen. In der Folge beschloss jedoch der Regierungsrat des Kantons Solothurn, das Reservat unverändert zu erhalten und die Anlage auf dem gegenüberliegenden Grundstück zu errichten. Dieses gehört der Erbengemeinschaft de Vigier/Studer, welche die Erben W. A. de Vigier, Dr. Charles Studer, Dr. Rudolf Studer und Wilhelm de Vigier umfasst. Am 26. August 1966 erteilte der Regierungsrat gestützt auf Art. 15 Abs. 2 der Kantonsverfassung und § 26 Abs. 1 des kantonalen Wasserrechtsgesetzes (WRG) vom 27. September 1959 dem Zweckverband das Recht, von der der Erbengemeinschaft gehörenden Liegenschaft 49'670 m2 zu enteignen.
B.- W. A. de Vigier, Dr. Charles Studer und Dr. Rudolf Studer führen hiegegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde und subsidiär staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der
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regierungsrätliche Entscheid sei im Sinne der Erwägungen aufzuheben. Mit beiden Beschwerden wird eine Missachtung der Eigentumsgarantie, der Gewaltentrennung und der Rechtsgleichheit geltend gemacht. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zudem eine Verletzung von Art. 13 des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) und Art. 9
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 9 |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
C.- Der Regierungsrat beantragt, beide Beschwerden seien abzuweisen. Dem Entscheid über die Erteilung des Enteignungsrechtes seien sorgfältige Detailabklärungen vorausgegangen. Die für die Enteignung vorgesehene Fläche stelle ein unbedingt nötiges Minimum für die Anlage dar. Die Zuständigkeit des Regierungsrates ergebe sich unmittelbar aus Art. 13 Abs. 1 GSchG.
D.- Das Eidg. Departement des Innern beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen. Das Projekt - mit seinen verschiedenen Varianten - sei so gut durchgedacht, dass es möglich sei, den Flächenbedarf für die Kläranlage hinreichend genau zu ermitteln. Es sei unerlässlich, dass der Zweckverband sich auch das Land für die später zu schaffende Schlammverwertungs-
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und Schlammvernichtungsanlage sichere. Der Standort auf dem Grundstück der Beschwerdeführer sei wesentlich besser gewählt als der ursprünglich vorgesehene Standort im Naturschutzreservat; als Vorfluter komme nur die Aare in Betracht.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Regierungsrat hat dem Zweckverband im angefochtenen Entscheid das Recht zur Enteignung von Land erteilt, das der Erbengemeinschaft de Vigier/Studer zur gesamten Hand gehört. Nach Art. 602
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 9 |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 9 |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
2. In zweiter Linie fragt sich, ob auf die verwaltungsrechtliche Beschwerde oder auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten sei. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob der regierungsrätliche Entscheid in Anwendung des Gewässerschutzgesetzes ergangen ist. Trifft dies zu, dann kann er nach Art. 14 mit der verwaltungsrechtlichen Beschwerde angefochten werden und ist die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde ausgeschlossen (BGE 86 I 193 Erw. 3). Nach Art. 13 Abs. 1 GSchG können die Kantonsregierungen Gemeinden und privaten Unternehmungen, wenn Gründe des öffentlichen Wohles bestehen, für die Erstellung von Anlagen des Gewässerschutzes das Enteignungsrecht gewähren. Das hat der Regierungsrat getan, und die Grundlage ist jene Bestimmung, auch wenn er nicht sie, sondern Vorschriften des kantonalen Wasserrechtsgesetzes genannt hat, die aber ihrerseits auf dem Gewässerschutzgesetz beruhen und seiner Durchführung dienen.
BGE 93 I 200 S. 204
Richtig ist, dass der Kanton Solothurn, wie § 27 Abs. 2 der kantonalen Wasserrechtsverordnung vom 22. März 1960/16. Februar 1962 zu entnehmen ist, von der Möglichkeit von Art. 13 Abs. 2
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 9 |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 9 |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 9 |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
3. Die Beschwerdeführer behaupten, die Kompetenz des Regierungsrates, das Enteignungsrecht zu verleihen, könne weder aus dem kantonalen Recht noch aus dem Gewässerschutzgesetz abgeleitet werden. Art. 13 Abs. 1 GSchG räumt die Befugnis, das Enteignungsrecht zu verleihen, ausdrücklich "der Kantonsregierung" ein. Die Beschwerdeführer glauben, dass diese Bestimmung nicht wörtlich verstanden werden dürfe; der Bund habe allgemein den Kantonen das Enteignungsrecht einräumen wollen; Sache des kantonalen Gesetzgebers sei es, die zur Verleihung zuständigen kantonalen Organe zu bestimmen. Für die Ansicht der Beschwerdeführer kann die Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1954 (BBl 1954 I S. 342) herangezogen werden, wo in der Tat erklärt wird:
"Art. 9 (sc. Abs. 1, jetzt Art. 13 Abs. 1) erteilt den Kantonen die Ermächtigung, Gemeinden und privaten Unternehmen das Enteignungsrecht
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zu gewähren, falls sie nicht über den für den Bau einer Reinigungsanlage erforderlichen Boden verfügen." Doch hat der Berichterstatter im Ständerat die Bestimmung durchaus im wörtlichen Sinne verstanden (Sten. Bull. StR 1954 S. 204), wenn er ausführte: "Mit den in Abs. 2 a und b vorgesehenen Ausnahmen von den Bestimmungen des Enteignungsgesetzes wird bewirkt, dass hier eine Kantonsregierung die Funktion ausüben kann, die bei einer eidgenössischen Expropriation dem Bundesrat zusteht (Art. 55
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 9 |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
4. a) Materiell geht der Streit darum, ob Gründe des öffentlichen Wohls erfordern, dass die Abwasserreinigungsanlage im Schachen erstellt und deshalb 49'670 m2 Land der Beschwerdeführer enteignet werden. Weil sie das verneinen, erblicken sie in der Gewährung des Enteignungsrechtes eine Verletzung sowohl von Art. 13 Abs. 1 GSchG als auch der Eigentumsgarantie. Sie machen zunächst geltend, die Möglichkeit anderer Standorte sei nicht geprüft worden. Der einzige, der früher vorgeschlagen, vom Regierungsrat zuerst in Aussicht genommen, dann aber aus Gründen des Naturschutzes abgelehnt wurde, wird jetzt auch von ihnen fallen gelassen; andere konkrete Vorschläge haben sie nicht gemacht. Die Beschwerdeführer haben nicht einmal andeutungsweise - weder vor dem Regierungsrat noch vor Bundesgericht - eine Lösung aufgezeigt, bei der mit einem geringeren Eingriff in Privateigentum die vorgesehene Kläranlage errichtet werden könnte. Da nach den Ausführungen des Eidg. Departementes des Innern die Emme ein ungenügender Vorfluter ist, kommt ohnehin nur ein Standort an der Aare in Frage. Der Regierungsrat konnte deshalb, ohne den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör zu verweigern, auf die von ihnen beantragte Expertise verzichten.
BGE 93 I 200 S. 206
Unter diesen Umständen kann auch von einer Verletzung des Art. 9
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1 | Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten. |
2 | Die Werke sind so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören. |
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Innern, die auf einer ausführlichen Stellungnahme des Amtes für Gewässerschutz fusst, ergibt sich auch die Angemessenheit des angefochtenen Entscheids. Insbesondere sind die Annahmen für die demographische Entwicklung und für den sich daraus ergebenden Abwasseranfall gestützt auf bisherige Erfahrungen getroffen worden. Die geographische Abgrenzung der Abwasserregion wurde nicht nur finanziellen Überlegungen angepasst, sondern auch nach planerischen, topographischen, baugrund- und gewässerschutztechnischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Die Ergebnisse der Vernehmlassung werden durch das nachträgliche Gutachten der Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, das die Vor- und Nachteile der Projekte prüft und ebenfalls vom Bau der Kläranlage im Schachen ausgeht, erhärtet. Eine Verpflichtung, die EAWAG und das Eidg. Gewässerschutzamt vor der Gewährung des Enteignungsrechtes zu begrüssen, besteht entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer weder nach Art. 2 noch nach Art. 8 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.