Urteilskopf

91 IV 195

51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1965 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen K.
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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 195

BGE 91 IV 195 S. 195

1. Zu Unrecht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz die in Art. 191 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
und Ziff. 2 Abs. 5 StGB enthaltene Aufzählung der Erschwerungsgründe als abschliessend betrachtet und nicht auf Stiefgrosskinder ausgedehnt hat. Für eine solche Erweiterung bestünde nur Raum, wenn sich der Gesetzgeber entweder - ähnlich wie in Art. 194 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 194 - 1 Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
1    Wer eine exhibitionistische Handlung vornimmt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.
2    In schweren Fällen ist die Strafe Geldstrafe. Die Tat wird auf Antrag verfolgt.
3    Unterzieht sich die beschuldigte Person gemäss Anordnung der zuständigen Behörde einer ärztlichen Behandlung, so wird das Verfahren eingestellt.
und Art. 197 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 197 - 1 Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 öffentlich ausstellt oder zeigt oder sie sonst jemandem unaufgefordert anbietet, wird mit Busse bestraft. Wer die Besucher von Ausstellungen oder Vorführungen in geschlossenen Räumen im Voraus auf deren pornografischen Charakter hinweist, bleibt straflos.
3    Wer eine minderjährige Person anwirbt, damit diese an einer pornografischen Vorführung mitwirkt, oder wer sie zur Mitwirkung an einer derartigen Vorführung veranlasst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren oder nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
5    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren oder nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, konsumiert oder zum eigenen Konsum herstellt, einführt, lagert, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.
6    Bei Straftaten nach den Absätzen 4 und 5 werden die Gegenstände eingezogen.
7    ...282
8    Wer von einer minderjährigen Person Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 herstellt, diese besitzt, konsumiert oder der dargestellten Person zugänglich macht, bleibt straflos, wenn:
a  die minderjährige Person eingewilligt hat;
b  die herstellende Person dafür kein Entgelt leistet oder verspricht; und
c  der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt.283
8bis    Straflos bleibt, wer von sich als minderjährige Person Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 herstellt, besitzt, konsumiert oder einer anderen Person mit deren Einwilligung zugänglich macht.
a  sie dafür kein Entgelt leistet oder verspricht;
b  die Beteiligten sich persönlich kennen; und
c  die Beteiligten volljährig sind oder, sofern mindestens eine Person minderjährig ist, einen Altersunterschied von nicht mehr als drei Jahren aufweisen. 284
9    Gegenstände oder Vorführungen im Sinne der Absätze 1-5 sind nicht pornografisch, wenn sie einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben.
StGB - für eine allgemeine Fassung entschieden oder sich auf die Nennung einzelner Beispiele beschränkt hätte. Beides ist nicht der Fall. Ein Antrag (Lang), die Aufzählung durch eine allgemeine Fassung zu ersetzen,
BGE 91 IV 195 S. 196

wurde in der Gesetzesberatung ausdrücklich und endgültig abgelehnt (vgl. Protokoll der zweiten Expertenkommission zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Band III S. 152, 160 und 170). Als Beispiele aber dürften die einzeln aufgeführten Verhältnisse (Kind, Schüler, Zögling ... usw.) nur verstanden werden, wenn eine entsprechende Wendung dies zum Ausdruck brächte, wie das in zahlreichen anderen Bestimmungen geschehen ist, sei es durch Voranstellen der Worte "namentlich" oder "insbesondere" (Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 und 3; 164 Ziff. 1 Abs. 2 und 3; 167; 228 Ziff. 1 Abs. 2; 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB usw.), sei es durch Anfügen eines darauf hinweisenden Nachsatzes (vgl. Art. 223 Ziff. 1 Abs., "oder ähnlichen Stoffen..."; Art. 243 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 243 - 1 Wer ohne Fälschungsabsicht Banknoten so wiedergibt oder nachahmt, dass die Gefahr einer Verwechslung durch Personen oder Geräte mit echten Noten geschaffen wird, insbesondere wenn die Gesamtheit, eine Seite oder der grösste Teil einer Seite einer Banknote auf einem Material und in einer Grösse, die mit Material und Grösse des Originals übereinstimmen oder ihnen nahe kommen, wiedergegeben oder nachgeahmt wird,
1    Wer ohne Fälschungsabsicht Banknoten so wiedergibt oder nachahmt, dass die Gefahr einer Verwechslung durch Personen oder Geräte mit echten Noten geschaffen wird, insbesondere wenn die Gesamtheit, eine Seite oder der grösste Teil einer Seite einer Banknote auf einem Material und in einer Grösse, die mit Material und Grösse des Originals übereinstimmen oder ihnen nahe kommen, wiedergegeben oder nachgeahmt wird,
2    Handelt der Täter fahrlässig, so wird er mit Geldstrafe bestraft.324
StGB, "oder auf andere Art..."). Bei den hier in Frage stehenden Bestimmungen fehlt ein solcher Hinweis. Sodann hätte die in der zweiten Expertenkommission erfolgte Auseinandersetzung darüber, ob auch "das Grosskind", "das Adoptivkind", "der Dienstbote" in die Aufzählung aufgenommen werden sollen (vgl. Prot. III S. 160-170), wenig Sinn gehabt, wenn damit nur Beispiele gemeint gewesen wären, die auf dem Weg der Auslegung auch eine Ergänzung hinsichtlich ähnlich gelagerter Fälle zulassen würden. Dass die unter erhöhten Schutz gestellten Personen deshalb erschöpfend bezeichnet sind und so bezeichnet werden wollten, wird denn auch in der Lehre anerkannt (vgl. ZÜRCHER, Erläuterungen zum Vorentwurf des StGB vom April 1908, S. 223, THORMANN/OVERBECK N. 11 zu Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB, SCHWANDER N. 641 b und WALDER, "Unzucht mit Kindern" S. 18 ff.). Im gleichen Sinne ist stets entschieden worden (BGE 71 IV 192Erw. 4; BGE 80 IV 36 Erw. 1). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gilt das nicht nur für die in den angeführten Urteilen behandelten Verhältnisse, sondern für alle gesetzlich aufgezählten Fälle. Die dort nicht genannten Personen, wie Urgrosskinder und Stiefgrosskinder müssen deshalb von jenem festgelegten Kreis ausgeschlossen bleiben, so wünschenswert und sinngemäss ihre Miteinbeziehung auch immer erscheinen mag. Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
StGB verbietet es dem Strafrichter, zu Lasten des Beschuldigten über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hinauszugehen, der dem vom Gesetzgeber gewollten Sinn entspricht (vgl.BGE 70 IV 110;BGE 71 IV 137;BGE 72 IV 137; BGE 86 IV 43).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 91 IV 195
Date : 17. September 1965
Published : 31. Dezember 1965
Source : Bundesgericht
Status : 91 IV 195
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 191 Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 Abs. 5 StGB. Die Aufzählung der Erschwerungsgründe ist abschliessend und lässt daher


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StGB: 1  191  194  197  243
BGE-register
70-IV-110 • 71-IV-132 • 72-IV-132 • 80-IV-35 • 86-IV-41 • 91-IV-195
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