91 II 4
2. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Januar 1965 i.S. Wirth & Co. AG gegen Feldmühle AG
Regeste (de):
- Verwechselbarkeit von Marken (Art. 6
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt.
- - Nichtigkeit einer Marke, die mit einer früher eingetragenen verwechselbar ist; Befugnis jedes rechtlich Interessierten, ihre Nichtigkeit geltend zu machen (Bestätigung der Rechtsprechung). Einrede des Beklagten, der Kläger sei wegen Nichtigkeit seiner Marke nicht klageberechtigt. Verteidigung des Klägers. Wirkungen des Urteils. (Erw. 1).
- - Hinfall des Schutzes der dem Kläger entgegengehaltenen ältern Marke wegen Nichtgebrauchs für gleichartige Erzeugnisse während dreier aufeinander folgender Jahre? (Art. 9
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 9 Prioritätserklärung - 1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9
1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 2 Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden. 3 Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers. - - Gänzliche Verschiedenheit der Erzeugnisse? (Art. 6 Abs. 3
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt.
- - Verwechselbarkeit der Wortmarken COLUX und POLLUX. (Erw. 4).
Regeste (fr):
- Risque de confusion entre des marques (art. 6 LMF)
- - Nullité d'une marque qui prête à confusion avec une autre déjà enregistrée; droit de tout tiers juridiquement intéressé de faire valoir sa nullité (confirmation de jurisprudence). Exception du défendeur selon laquelle le demandeur n'est pas fondé à intenter action, en raison de la nullité de sa marque. Moyens de défense du demandeur. Effets du jugement (consid. 1).
- - Extinction de la protection de la marque plus ancienne opposée au demandeur parce que celle-ci n'a pas été employée pendant trois années consécutives pour des produits semblables? (art. 9 LMF) (consid. 2).
- - Produits de natures totalement différentes? (art. 6 al. 3 LMF) (consid. 3).,
- - Risque de confusion entre les marques verbales COLUX et POLLUX (consid. 4).
Regesto (it):
- Rischio di confusione tra le marche (art. 6 LMF).
- - Nullità di una marca che genera confusione con un'altra già iscritta; diritto di ogni terzo giuridicamente interessato a proporre la nullità (conferma della giurisprudenza). Eccezione delconvenuto, nel senso che, la marca dell'attore essendo nulla, questi non ha azione. Mezzi di difesa dell'attore. Effetti della sentenza (consid. 1).
- - Decadenza della protezione della marca più vecchia opposta all'attore perchè rimasta inutilizzata durante tre anni consecutivi per prodotti simili? (art. 9 LMF) (consid. 2).
- - Prodotti totalmente diversi? (art. 6 cpv. 3 LMF) (consid. 3).
- - Rischio di confusione tra le marche verbali COLUX et POLLUX (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 5
BGE 91 II 4 S. 5
A.- Die Feldmühle AG in Rorschach hinterlegte am 29. März 1954 beim Eidg. Amt für geistiges Eigentum für "Folien und Verpackungen aller Art" die Marke Nr. 150563. Sie besteht aus dem in weisser Schrift auf einem schwarzen länglichen Schildchen stehenden Worte POLLUX. Das Schildchen ist von einem weissen Strich umrahmt, an den sich aussen ein schmälerer schwarzer Strich anschmiegt. Am 16. November 1962 hinterlegte die Firma Wirth & Co. AG Zürich beim gleichen Amte die aus demWorte POLY-LUX bestehende Marke Nr. 195190, und zwar für "Plastikfolien, Kunststoff, mit Kunststoff beschichtete Materialien und daraus hergestellte Packungen, insbesondere Beutel, Hüllen, Schalen, Taschen, Becher".
B.- Die Feldmühle A. G. stellte beim Handelsgericht des Kantons Zürich die Begehren, die Marke Nr. 195190 ungültig zu erklären und der Firma Wirth & Co. AG Zürich jeden Gebrauch des Wortes Poly-Lux zu untersagen, unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter wegen Ungehorsams gemäss Art. 292
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beklagte spricht der Klägerin das Klagerecht ab, weil die Marke POLLUX wegen der seit 3. Juli 1944 bzw. 5. Oktober 1953 unter Nr. 107707 und 148595 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum für "Papier und Papierwaren" hinterlegten Marke COLUX der Firma Burkhardt & Hauser AG nichtig sei. Das Handelsgericht weist diese Einrede in erster Linie deshalb ab, weil es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach eine gegen Art. 6
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
BGE 91 II 4 S. 6
Diese Rechtsprechung wird ausser von MATTER, MSchG Art. 6 Anm. I 5, S. 98, in neuerer Zeit auch von einem Berichterstatter des bernischen Handelsgerichtes beanstandet (ZBJV 100 327 f.). a) Das Handelsgericht des Kantons Zürich legt besonderes Gewicht darauf, dass der Begriff der Nichtigkeit "dem rein privatrechtlichen Kern des Markenrechtes wesensfremd" sei und das Markenschutzgesetz zu einem Polizeigesetz mache. Es betont wiederholt, der Zivilrichter dürfe nicht von Amtes wegen eine Marke wegen Verwechselbarkeit nichtig erklären; er müsse die Auseinandersetzung über gleiche oder ähnliche Marken den Beteiligten überlassen; die verwechselbare Marke sei nur anfechtbar. Das Bundesgericht hat nie erklärt, der Richter habe von Amtes wegen zu erforschen, ob eine Marke sich genügend von den früher eingetragenen unterscheide. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus dem bundesrechtlichen Begriff der Nichtigkeit. Die Ermittlung der sie begründenden Tatsachen untersteht dem kantonalen Prozessrecht. Darnach hat der Richter in der Regel nur tätig zu werden, wenn eine Partei die nötigen Behauptungen aufstellt und die erforderlichen Beweise anbietet. Nur die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes hat - wie immer (BGE 89 II 340) - von Amtes wegen zu erfolgen. Es kann deshalb nicht gesagt werden, der Begriff der Nichtigkeit der Marke mache das Gesetz zu einem Polizeigesetz. Er hat nur zur Folge, dass ausser dem Inhaber der nachgemachten Marke weitere Personen sich auf die Nichtigkeit des später eingetragenen Zeichens berufen können. Aber nicht jedermann kann das tun (BGE 76 II 174). Die Klage auf Löschung der Marke oder die Einrede der Nichtigkeit wurde stets nur Personen zugestanden, die an der Nichtigkeit der Marke rechtlich interessiert waren. Frage ist, ob diese Erweiterung der Legitimation über den Inhaber der nachgemachten oder nachgeahmten Marke hinaus dem Geiste des Gesetzes widerspreche.
b) Das Handelsgericht glaubt, das annehmen zu müssen, weil das Amt für geistiges Eigentum nur zu entscheiden habe, ob Art. 3
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 3 Relative Ausschlussgründe - 1 Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
|
1 | Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die: |
a | mit einer älteren Marke identisch und für die gleichen Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind wie diese; |
b | mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt; |
c | einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. |
2 | Als ältere Marken gelten: |
a | hinterlegte oder eingetragene Marken, die eine Priorität nach diesem Gesetz (Art. 6-8) geniessen; |
b | Marken, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung des unter Absatz 1 fallenden Zeichens im Sinne von Artikel 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 18834 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) in der Schweiz notorisch bekannt sind. |
3 | Auf die Ausschlussgründe nach diesem Artikel kann sich nur der Inhaber der älteren Marke berufen. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 14 Einschränkung zugunsten vorbenützter Zeichen - 1 Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
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1 | Der Markeninhaber kann einem anderen nicht verbieten, ein von diesem bereits vor der Hinterlegung gebrauchtes Zeichen im bisherigen Umfang weiter zu gebrauchen. |
2 | Dieses Weiterbenützungsrecht kann nur zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden. |
BGE 91 II 4 S. 7
auf dem Gedanken, dass es sich weniger aufdränge, die Zulässigkeit der Marke unter den Gesichtspunkten des Art. 6 schon vor der Eintragung zu prüfen, da in der Regel die Frage, ob sie mit älteren Zeichen vereinbar sei, dem Richter unterbreitet werde. Diese Zuständigkeitsordnung bedeutet nicht, die Eintragung verschaffe dem Hinterleger ein Recht an der Marke, das nur durch Klage des Inhabers einer älteren Marke zu Fall gebracht werden könne. Der Umstand, dass das Amt für geistiges Eigentum nicht zu prüfen hat, ob die Marke mit bereits eingetragenen vereinbar sei, spricht vielmehr gegen diese Wirkung. Es wäre sonderbar, wenn durch die Eintragung ohne allseitige Vorprüfung ein Recht geschaffen würde, dessen sich nicht alle rechtlich Interessierten erwehren könnten. c) Gemäss Art. 27 Ziff. 1
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 27 Übertragung und Lizenz - Die Übertragung der Garantie- oder Kollektivmarke sowie die Erteilung von Lizenzen an Kollektivmarken sind nur gültig, wenn sie im Register eingetragen sind. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 27 Übertragung und Lizenz - Die Übertragung der Garantie- oder Kollektivmarke sowie die Erteilung von Lizenzen an Kollektivmarken sind nur gültig, wenn sie im Register eingetragen sind. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
BGE 91 II 4 S. 8
Löschung eines Zeichens klagen kann, das während drei aufeinanderfolgenden Jahrennichtgebrauchtwurde (Art. 9
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 9 Prioritätserklärung - 1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
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1 | Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
2 | Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden. |
3 | Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
"Soweit es sich nur um die Zulassung der Eintragung für die mehreren "Miteigentümer" der gleichen Marke handelt, ist eine Änderung des Markenschutzgesetzes nicht erforderlich; denn nach Art. 13 Abs. 2 des Gesetzes kann ein Hinterleger auf der Eintragung seiner angemeldeten Marke auch dann beharren, wenn diese mit einer bereits eingetragenen Marke übereinstimmt. Indessen ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sich die Angehörigen des gleichen wirtschaftlichen Verbands, welche je die gleiche Marke haben eintragen lassen, gegen einen aussenstehenden Dritten zur Wehr setzen müssen, welcher ebenfalls die nämliche Marke benützt, und dass dieser Dritte ihnen im Prozess entgegenhält, ihre eingetragenen Marken seien ungültig, weil sie sich nicht voneinander unterscheiden (Art. 6 Abs. 1) und infolgedessen nicht geeignet seien, die mit ihnen versehenen Waren als aus einem bestimmten Betrieb stammend zu kennzeichnen. Dieser Einwand muss mit Rücksicht auf den neuen Text der Verbandsübereinkunft abgeschnitten werden dadurch, dass Abs. 1 von Art. 6 als nicht anwendbar erklärt wird im Falle der Eintragung der gleichen Marke für Inhaber, welche zum gleichen wirtschaftlichen Verband gehören."
Die gesetzgebenden Behörden gingen also noch in den Jahren 1937-1939 davon aus, dass Aussenseiter den die gleiche Marke benützenden Verbandsangehörigen unter Berufung auf Art. 6
BGE 91 II 4 S. 9
Abs. 1 MSchG deren Ungültigkeit entgegenhalten könnten, wenn nicht eine Ausnahmebestimmung (Art. 6 bis) in das Gesetz eingeführt würde. Zudem gestattet Art. 6 bis die Hinterlegung von Konzernmarken nur unter dem Vorbehalt, dass "weder das Publikum getäuscht noch sonstwie das öffentliche Interesse verletzt werden kann". Auch daraus ergibt sich, dass die Zulässigkeit und Gültigkeit übereinstimmender Marken nicht allein von der Stellungnahme der beteiligten Inhaber abhängt. Damit ist der Meinung des Handelsgerichts, es sei nun 80 Jahre nach dem Erscheinen des Werkes von Josef Kohler über das Recht des Markenschutzes endlich Zeit, sich von der Nichtigkeitstheorie dieses Autors frei zu machen, der Boden entzogen. Die Nichtigkeit, obwohl seinerzeit vom Bundesgericht auch durch Hinweis auf die erwähnte Lehrmeinung begründet, lässt sich aus dem schweizerischen Gesetz ableiten, wie die Behörden es noch in neuerer Zeit verstanden haben und es noch heute gilt. Auf den Sinn des deutschen Warenzeichengesetzes und auf die heutige deutsche Lehre kommt nichts an.
e) Das Handelsgericht glaubt, wenn eine Marke wegen Verwechselbarkeit nichtig wäre, müsste sie es immer bleiben; die Nichtigkeit könnte nicht dadurch heilen, dass der Inhaber der älteren Marke das verwechselbare Zeichen während längerer Zeit dulde oder sein Klagerecht sonstwie nach Treu und Glauben verwirke, wie BGE 73 II 191 ff. dies als möglich erkläre. Dass Art. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 91 II 4 S. 10
anhand der konkreten Umstände die Frage des Rechtsmissbrauchs erneut zu prüfen und, falls er diesen verneint, die Marke des ersten Nachahmers als ungültig zu behandeln. Zudem kann durchaus eine Marke anfänglich wegen Verwechselbarkeit nichtig sein, im Laufe der Zeit aber im Lichte der Umstände des einzelnen Falles nach Treu und Glauben schutzwürdig werden. Das ist die Folge davon, dass Art. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 9 Prioritätserklärung - 1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
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1 | Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
2 | Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden. |
3 | Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers. |
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der neueren nach Treu und Glauben, z.B. wegen langen Duldens, zurückzutreten habe. Es gehe deshalb nicht an, auf blosses Ansehen hin zu erklären, eine Marke sei nichtig, weil sie einer am Prozess nicht beteiligten älteren Marke ähnlich sei. Auch mit diesen Überlegungen lässt sich die Auffassung des Handelsgerichts nicht begründen. Es versteht sich, dass die Prozessparteien gemäss den Vorschriften des kantonalen Prozessrechtes alle Tatsachen zu behaupten und zu beweisen haben, von denen die Nichtigkeit abhängt oder die ihr im Wege stehen. Kommen sie ihrer Behauptungspflicht nach und bieten sie die nötigen Beweise an, so darf der Richter nicht auf blosses Ansehen der Marke hin entscheiden, sondern muss er auch alle anderen für das Urteil erheblichen Tatsachen abklären und berücksichtigen. Die Schwierigkeiten, die er bei der Ermittlung des behaupteten Sachverhaltes oder dessen rechtlicher Würdigung allenfalls zu überwinden hat, stehen der Auffassung nicht im Wege, dass eine Marke unter den gesetzlichen Voraussetzungen nichtig sei. Nichtigkeit setzt nicht voraus, dass sie von jedermann ohne weiteres erkannt werden könne. Gerade weil sie oft nicht klar zutage liegt, hat nach dem Willen des Gesetzes nicht schon das Amt für geistiges Eigentum die Voraussetzungen des Art. 6
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
BGE 91 II 4 S. 12
und um ihr Verhältnis zur Marke des Klägers zu kümmern.
Damit unterstellt das Handelsgericht, nach der Praxis des Bundesgerichts genüge immer schon die blosse Eintragung einer älteren Marke, um die ihr gleichende neuere nichtig zu machen. Davon kann nicht die Rede sein. Dem Inhaber der neueren Marke bleibt vorbehalten, dem Richter die Gründe darzulegen, aus denen seine Marke allenfalls trotz der älteren gültig ist. So kann er z.B. vorbringen, die ältere sei gemäss Art. 9
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 9 Prioritätserklärung - 1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
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1 | Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
2 | Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden. |
3 | Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers. |
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l) Schliesslich argumentiert das Handelsgericht, die Heranziehung einer älteren am Prozess nicht beteiligten Marke sei auch prozessual unzulässig und unmöglich. Das Bundesgericht dürfe als Berufungsinstanz die Marken nicht miteinander vergleichen, ohne dass die kantonale Instanz die tatsächlichen Feststellungen getroffen habe. Die nötigen Feststellungen seien aber nicht möglich, wenn die ältere Marke am Prozess nicht beteiligt sei. Ihr Inhaber sei nicht verpflichtet, Unterlagen vorzulegen oder Erklärungen über seine Marke abzugeben. Es dürfe vermutet werden, der Inhaber der älteren Marke habe nichts unternommen, weil die neuere Marke für ihn unschädlich sei. Unter solchen Umständen sei es nicht Aufgabe des Gerichtes, dem Inhaber der älteren Marke mehr Rechte zuzuschreiben, als er selber beanspruche. Damit verkennt das Handelsgericht, dass der Richter nicht über die Rechte des am Prozess nicht beteiligten Inhabers der älteren Marke, sondern über die Rechtslage des klagenden Hinterlegers der neueren Marke gegenüber dem beklagten Dritten entscheidet, wenn er dessen Nichtigkeitseinrede beurteilt. In Erfüllung dieser Aufgabe hat er alle erheblichen Beweise abzunehmen, die das kantonale Prozessrecht anerkennt und der Beklagte in der von diesem Gesetze bestimmten Form rechtzeitig angerufen hat. Gegebenenfalls hat er also auch den Hinterleger der älteren Marke zur Herausgabe von Urkunden oder zur Zeugenaussage zu verhalten. Sollten bisweilen prozessuale Normen ihn daran hindern, so könnte darin kein Grund gesehen werden, das eidgenössische materielle Recht anders auszulegen, als das Bundesgericht es in seiner ständigen Rechtsprechung getan hat. Aus allen diesen Gründen ist an der beanstandeten Praxis festzuhalten.
2. Die Klägerin hält die Marke POLLUX für gültig, weil die beiden COLUX-Marken nicht für die eingetragenen Warengattungen "Papier und Papierwaren" (Marke Nr. 107707) bzw. "Papier und Papierwaren aller Art" (Marke Nr. 148595), sondern nur für Schrankpapier rechtsbeständig seien. Nur für dieses Erzeugnis würden sie nämlich tatsächlich gebraucht; im übrigen hätten sie die Natur unzulässiger Defensivzeichen. Es trifft nicht zu, dass, wie die Klägerin vorbringt, vor dem Handelsgericht beide Parteien ausgeführt hätten, die COLUX-Marken würden nur für Schrankpapier verwendet. Lediglich
BGE 91 II 4 S. 14
die Klägerin nahm diesen Standpunkt ein, indem sie einen weitergehenden Gebrauch "vorsorglich" bestritt. Die Beklagte dagegen behauptete unter Berufung auf zwei Zeugen, das Zeichen COLUX werde tatsächlich gebraucht, "und zwar für speziell veredeltes Papier (mit Lack beschichtet, es ist ein spezielles Herstellungsverfahren) und für Papierfolien zur Schrankauskleidung sowie zum Teil für Verpackungen". Das Handelsgericht hat den angebotenen Beweis nicht abgenommen und die Behauptung der Beklagten im Urteil nur wiedergegeben, ohne dazu Stellung zu nehmen. Es erübrigt sich jedoch, die Sache zur Abklärung dieses Punktes zurückzuweisen. Gewiss erstreckt sich der Schutz einer Marke nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht notwendigerweise auf alle eingetragenen Waren. Er entfällt für jene Gattungen, für die das Zeichen binnen der dreijährigen Frist des Art. 9
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 9 Prioritätserklärung - 1 Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
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1 | Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9 |
2 | Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden. |
3 | Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers. |
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
Ob die Eintragung der COLUX-Marken für die Gattung "Papierwaren" bzw. "Papierwaren aller Art" nur zu Defensivzwecken erfolgte, kann dahingestellt bleiben.
3. Die Klägerin macht geltend, das Zeichen POLLUX sei für Erzeugnisse bestimmt, die von dem mit den COLUX-Marken versehenen Schrankpapier gänzlich verschieden seien; deshalb sei es gültig. Der Schutzbereich der COLUX-Marken erstreckt sich indessen nicht nur auf Schrankpapier, sondern auf Papier überhaupt, wenn nicht allenfalls sogar auch auf Papierwaren. Deshalb sind die Gattungen "Folien und Verpackungen aller Art", für die das Zeichen POLLUX bestimmt ist, nicht dem Schrankpapier, sondern dem Papier schlechthin gegenüberzustellen.
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Weder "Folien", noch "Verpackungen aller Art" weichen ihrer Natur nach von "Papier" gänzlich ab, wie es nötig wäre, damit die Klägerin sich auf Art. 6 Abs. 3
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SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
4. Die Klägerin hält ihre Marke auch für gültig, weil sie nicht mit den COLUX-Marken verwechselt werden könne. Dem Klange nach unterscheiden sich diese Zeichen indessen nicht genügend. Dass das eine mit einem P, das andere mit einem C beginnt und dass im einen der Buchstabe L verdoppelt ist, kann leicht überhört werden, besonders am Telephon. Die beiden
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Wörter sind beim Sprechen gleich lang, und beide weisen zwei Silben auf, wobei die zweite in beiden Marken identisch ist. Die zweite Silbe fällt wegen des selten vorkommenden Buchstabens X besonders auf und bleibt im Gedächtnis leichter haften als die erste. Aber auch das O der ersten Silbe kann Verwechslungen fördern. Als Ganzes klingen beide Wörter so ähnlich, dass eine geringe Undeutlichkeit beim Sprechen oder ein Hörfehler die Unterscheidung verunmöglichen können. Das Wort COLUX hat keinen Sinn, und der aus der griechischen Göttersage stammende und einen Fixstern bezeichnende Name POLLUX ist im Volke so wenig bekannt, dass viele Leute ihn für ein Phantasiewort halten können. Es kann daher nicht gesagt werden, die durch den Klang geschaffene Verwechslungsgefahr werde vermindert oder behoben, weil die beiden Wörter häufig vorkämen und kraft eines bestimmten Sinnes leicht voneinander unterschieden werden könnten. Auch kann, wer die beiden Wörter nicht schon beim Hören verwechselt, ihre Unterschiede mangels eines allgemein bekannten Sinnes nachträglich leicht vergessen.
Welchen Eindruck der Beschauer von den Zeichen erhält, ist schon deshalb unerheblich, weil Wortmarken sich nicht nur beim Lesen und Betrachten, sondern vor allem auch im mündlichen Verkehr voneinander unterscheiden müssen. Dass die COLUX-Marke Nr. 148595 verschnörkelte Schrift aufweist, wie die Klägerin geltend macht, spielt im übrigen auch deshalb keine Rolle, weil daneben noch die COLUX-Marke Nr. 107707 mit einfacher Schrift besteht. Übrigens pflegt der Leser die Schriftzüge wenig zu beachten; wesentlich ist ihm bei Wortmarken gewöhnlich nur der Klang und gegebenenfalls der Sinn. Davon geht auch die Firma Burkhardt & Hauser AG aus, trägt doch das bei den Akten liegende Schrankpapier das Wort Colux in einer Schrift, die von den beim Amt für geistiges Eigentum hinterlegten Schriften abweicht. Auch der Umstand, dass die Marke POLLUX im Gegensatz zu den COLUX-Marken in weisser Schrift auf schwarzem Grunde steht, der von einem weissen und einem schwarzen Strich umrandet ist, schliesst die Gefahr von Verwechslungen nicht aus. Meistens betrachtet man nur das Wort, nicht auch das Schildchen, auf dem es steht. Das trifft für die Marke POLLUX um so mehr zu, als sie, praktisch angewendet, keineswegs bildhaft wirkt. Sie pflegt nämlich nur sehr klein und an unscheinbarer Stelle der Verpackung angebracht
BGE 91 II 4 S. 17
zu werden, damit man sie nicht als eine den Inhalt kennzeichnende Marke auffasse. Aus allen diesen Gründen ist die Marke der Klägerin nichtig. Die Klägerin ist daher nicht berechtigt, auf Nichtigerklärung der Marke der Beklagten und auf Unterlassung des Gebrauchs dieser Marke zu klagen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 2. Juni 1964 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.