V. MARKENSCHUTZ PROTECTION DES MARQUES DE FABRIQUE
60. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juni 1921 i. S. Herder gegen
Schweiz. Eessersehmiedameisterverband.
M a r k e n r e e h t : Nichtigkeitseinrede im Nachahmungs-prozess.
Grundsatz der Priorität früheren Gebrauches.
Kriterien der genügenden Unterscheidbarkeit (Art. 6
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt. |
MSchG); Verneinung derselben mit Bezug auf die Marke der
Beklagten gegenüber der .Pik Ass -Marke der Klägerin. Begehren um
Urteiispublikation. '
A. Die klägerische Firma Friedrich Herder Abr. Sohn, die in Solingen die
Fabrikation von Solinger Klingen, Messern, Scheren, Schneidewerkzeugen
usw. und den Handel mit denselben betreibt, hat am 3. Mai 1875 als
Fabrikund Warenzeichen folgende, von ihr als Pik--
Ass bezeichnete Marke * unter Nr. 3999 in das deutsche Markenregister
eintragen, und die Eintragung seit--
her periodisch erneuern lassen. Dieselbe Marke * hat
sie sodann am 18. Juni 1918 unter Nr. 42,044 auch im.
Schweiz. Register der Fabrikund Handelsmarken für folgende Waren
hinterlegt : Messer, Scheren und Schneidewerkzeuge sowie Spachtéln,
Sägen, Beitel, Hobeleisen, Beile, Hauer, Hammer, Zangen, Kistenöffner,
Hiebund Stichwaffen, Gabeln, Löffel, Korkzieher und N ussbrecher.
Die beklagte Einkaufsgenossenschaft des Schweizer.
Messerschmiedemeisterverbandes hatte ihrerseits am 6. Juni 1917 im
Schweiz. Markenregister unter Nr. 40,028 für Messerschmiedewaren,
Rasierapparate und Rasiergeräte nachstehende Marke eintragen lassen:
esse
B. Durch die Führung dieser Marke seitens der Be-
IMarkenschutz. N° 60. 355 -
klagten fühlt sich die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Sie verlangt
daher, nachdem aussergeriehtliche Schritte zu keinem Ziele geführt haben,
mit der vorliegenden Klage, dass die Beklagte verpflichtet werde, ihre
Marke Nr. 40,028 im Markenregister löschen zu lassen, sowie dass ihr
untersagt werde, das eingetragene Pik-Ass Zeichen im Geschäftsverkehr
überhaupt und speziell heim Vertrieb ihrer Messerschmiedewaren, Rasier
apparate und Rasiergeräte zu gebrauchen; ferner stellt die Klägerin
das Begehren, sie sei für berechtigt zu er klären, das Urteil je ein
Mal auf Kosten der Beklagten im Schweizer. Handelsamtshlatt und in der
Nenen Zürcher Zeitung zu publizieren.
C. Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt, und eventuell verlangt,
es sei ihr das Recht einzuräumendie noch auf Lager befindliche Ware
abzusetzen.
D. .Durch Urteil vom 23. September 1920 hat das Handelsgericht
des Kantons Zürich die Klage gänzlich abgewiesen, indem es die
Verwechslungsmöglichkeit der angefochtenen Marke mit derjenigen der
Klägerin verneinte.
E. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage in vollem Umfange.Das
Bundesgericht zieht in Erwägung :
l. Die von der Beklagten in erster Linie gegenüber der klägerisehen Marke
erhobene Nichtigkeitseinrede ist nach der Praxis des Bundesgerichts
zwar im Nachahmungsprozesse zulässig, und sie darf insbesondere auch,
wie es hier der Fall ist, damit begründet werden, dass die angefochtene
Marke der älteren Marke eines Dritten täuschend ähnlich sei und daher
dessen Markenrecht verletze (vgl. AS 30 II Nr. 76 Erw. 3 f. ; 35 II
Nr. 42 Erw. 4). Materiell aber erscheint die Einrede schon deshalb
als unbegründet, weil nach der Eintragung der in Frage kommenden Marke
Nr. 197,840 der Firma Joseph Allen
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& Sons im englischen Markenregister zu schliessen diese Marke sich von
derjenigen der Klägerin genügend unterscheidet und beide nebeneinander des
Markenschutzes teilhaftig sein können ; denn während die englische Marke
aus der Kombination einer Herzügur mit einer Pistole besteht, stellt sich
diejenige der Klägerin als ein PikAss dar, und ist seit Jahren als Pik
Ass-Marke eingeführt und im Handel bekannt geworden. Letztere Marke ist
übrigens tatsächlich neben derjenigen der Firma Joseph Allen & Sons in das
englische Markenregister aufgenommen werden ; ob mit dem Einverständnis
(auf welches der Vermerk : ssss by consent hindeuten soll), oder ohne
dasselbe, kann dahingestellt bleiben. Von einem Prioritätsrecht jener
englischen Markeninhaberin gegenüber der Klägerin kann deshalb nicht
die Rede sein, wie denn auch die Beklagte nicht etwa widerklageweise
die Löschung der klagerischen Marke verlangt hat.
Dass aber, abgesehen von der Konkurrenz der klägerischen
Marke mit jener englischen Marke, das Markenrecht der Klägerin
demjenigen der Beklagten vorgeht, obschon deren Marke vorher in das
schweiz. Markenregister eingetragen wurde, und die Klägerin daher zur
Erhebung der Nachahmungsklage gegenüber der Beklagten Legitimiert ist,
ergibt sich ohne weiteres aus der Erwägung, dass der Nachweis des früheren
Gebrauchs einer Marke trotz späterer Eintragung derselben die Vermutung
des besseren Rechts begründet, und der Grundsatz der Priorität früheren
Gebrauchs auch denjenigen im Ausland umfasst (vgl. AS 43 II Nr. 15 und die
dortigen Zitate) ; denn es steht aktemnässig fest, dass die klägerische
Marke in Deutschland jahrelang vor Eintragung derjeni .ss
gen der Beklagten verWendet worden ist. Es kommt deshalb nichts darauf
an, ob die Marke der Klägerin auch in der Schweiz bekannt gewesen
sei. Die Beklagte hat freilich nach eingewendet, die Klägerin habe die
im schweizerischen Register eingetragene Marke bisher überhaupt nur als
Teil einer aus ihr und zwei gekrenztenMarkenschutz. N° 60. 357
Schlüsseln bestehenden Kombinationsmarke gebraucht, sodass ihr der Schutz
nur auf das Ganze in der Kombination zustehe. Allein diese Auffassung
ist rechtsirrtiinilich: der gesetzliche Schutz erstreckt sich nur auf
die Marke selber, nicht auf unwesentliche Zutaten; auch die Prämisse
trifft aber nicht zu, da die Klägerin den Nachweis erbracht hat, dass
sie ihr eingetragenes Warenzeichen als solches seit Jahren für Messer,
Scheren und dergleichen benutzt.
2. Es fragt sich daher, ob in der Marke der Beklagten eine unerlaubte
Nachahmung derjenigen der Klägerin im Sinne von Art. 24 litt. aMSchG zu
erblicken sei ; das hängt nach Art. 6 leg. cit. davon ab, ob jene Marke
sich in hinlänglichem Masse von dieser unterscheide, oder ob sie nicht,
als Ganzes betrachtet, leicht zu einer Verwechslung Anlass geben könnte,
wobei es insbesondere auf die durch die Marke erweckte Vorstellung
von der Herkunft der Ware ankommt (vgl. AS 38 II S. 355). Entgegen der
Auffassung der Vorinstanz ist nun davon auszugehen, dass die klägerische
Marke offensichtlich ein Pik-Ass und nicht etwa ein anderes Zeichen
darstellt, und dass sie im Ursprungslande von jeher als Pik AssMarke
aufgefasst werden ist. Auch die Marke der Be-
klagten präsentiert sich aber als ein Pik Ass, und prägt
sich als solches in das Gedächtnis ein. Der Umstand, dass das Bild
hier in doppelter und etwas vergrössert-er Ausführung erscheint,
ist markenrechtlich unerheblich, und bildet kein genügendes
Unterscheidungsmerkmal (vgl. AS 39 II S. 355 f. ; 43 II S. 682 f.). Das
Nämliche ist aber auch von dem Worte Ass zu sagen, das zwischen die
beiden Pik-Ass-Zeichen hineingefügt ist, und nach der Meinung der
Vorinstanz als die Hauptsache, das eigentliche Merkmal der Marke ,
anzusehen ist. Dieser Auffassung lässt sich nicht beipflichten, weil im
Wort Ass kein neues, markenrechtlich in Betracht fallendes Element,
sondern lediglich eine Verdeutlichung des schon durch das Bild erweckten
Begriffs liegt, welche
358 Markenschutz. N° 60.
infolgedessen am Gesamteindruck, der nach ständiger Praxis des
Bundesgerichts für die Beurteilung der Verwechslungsfähigkeit
ausschlaggebend ist, nichts zu ändern
vermag. Durch den Zusatz Ass wird vielmehr das.
kaufende Publikum in der Annahme bestärkt, dass es sich, gleich wie
bei der klägerischen Marke, um die Pik-AssMarke handle, ein neuer,
origineller Gesamteindruck also jedenfalls nicht erzeugt. Hierin
unterscheidet sich der vorliegende Fall deutlich von dem letzthin
in ent-gegengesetztem Sinne entschiedenen Fall Amidon Remy (AS
46 II Nr. 35), indem dort den Inschriften der konkurrierenden
Marken selbständige Bedeutung zukam und das figürliche Element in den
Hintergrund trat. Auch mit der Erklärung, welche die Beklagte im Prozess
dafür, dass sie auf das Wort As verfallen sei, gegeben hat, dass sie
nämlich, da die verdientesten französischen Flieger im Weltkrieg als
As bezeichnet wurden, auf eine besonders gute Qualität der Ware habe
hinweisen wollen, ist nichts gewonnen. Denn die Bedeutung des Wortes
As ist hier insofern die gleiche, wie beim Kartenspiel, als damit,
wenigstens nach französischem Sprachgebrauch, der Erste einer ganzen Reihe
bezeichnet wird (as, as des as). Allein der Umstand, dass die beklagtische
Marke das Wort Ass in der deutschen Schreibweise aufweist, trotzdem auf
Deutsch Flieger kaum als Asse bezeichnet werden, sowie die Tatsache,
dass die Beklagte ähnliche Marken mit den übrigen Spiel-kartenzeichen
hat eintragen lassen, zeigen, dass sie in Wirklichkeit, wie die Klägerin,
die streitige Marke einfach dem Kartenspiel entnommen hat. Wie dem aber
sei, muss nach dem Gesagten und in Anbetracht des durchschnittlichen
Unterscheidungsvermögens der Abnehmer angenommen werden, dass die
Marke der Beklagten, als Ganzes betrachtet, leicht zu Verwechslungen
mit derjenigen der Klägerin Anlass geben kann, zumal da beide Marken zur
Bezeichnung gleichartiger Waren dienen; ein markenrechtlich wesentliches,
die verschiedene Her-Markenschutz. N° 60. '359
kunft der Waren kenntlich machendes Unterscheidungsmerkmal besteht
entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht. Hieran kann auch die
Berufung der Beklagten auf den Bestand anderer, angeblich der klägerischen
ähnlicher deutscher Marken selbstverständlich nichts ändern; übrigens
hätte eine Verwechslungsmöglichkeit nur bei dem Warenzeichen Nr. 218,783
der Firma G. Brucklacher in Berlin, das jedoch unbestrittenermassen
gelöscht worden ist, in Frage kommen können.
3. Das erste, auf Löschung der beklagtisehen Marke Nr. 40,028 im
schweizerischen Markenregister gerichtete Klagebegehren ist darnach
zuzusp1·echen. Ebenso hat die Klägerin Anspruch darauf, dass gemäss
Klagebegehren 2 der Beklagten untersagt werde, die genannte Marke im
Geschäftsverkehr weiterhin zu gebrauchen; es rechtfertigt sich nicht,
die Beklagte als berechtigt zu erklären, die mit der als ungültig
erklärten Marke versehenen, auf Lager befindlichen Waren noch abzusetzen.
Endlich ist angesichts der Umstände auch dem Begehren um je einmalige
Veröffentlichung des Urteils auf Kosten der Beklagten im Schweizerischen
Handelsamtsblatt und in der Neuen Zürcher Zeitung zu entsprechen,
immerhin in der Meinung, dass nur das Dispositiv des Urteils publi-ziert
werden soll.
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird als begründet erklärt und damit, in Abänderung des
Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. September 1920,
die Klage in vollem Umfange gutgeheissen.