87 II 65
11. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Februar 1961 i.S. A. gegen M.-I. und I.
Regeste (de):
- Vaterschaftsklage (Art. 307 ff. ZGB).
- Beweis der Vaterschaft durch anthropologisch-erbbiologische Expertise.
- Anforderungen an diesen Beweis.
- Prüfungsbefugnis des Bundesgerichtes.
Regeste (fr):
- Action en paternité (art. 307 et suiv. CC).
- Preuve de la paternité par l'expertise anthropologique et hérédo-biologique.
- Conditions que cette preuve doit remplir.
- Pouvoir d'examen du Tribunal fédéral.
Regesto (it):
- Azione di paternità (art. 307 sgg. CC).
- Prova della paternità mediante perizia antropologica e eredito-biologica.
- Condizioni che questa prova deve adempiere.
- Potere d'esame del Tribunale federale.
Sachverhalt ab Seite 65
BGE 87 II 65 S. 65
A.- D. I., die heute verheiratet ist, gebar am 27. November 1954 ausserehelich das Mädchen M. I. Als Vater bezeichnete sie A., der ihr in der Zeit vom 6. Januar bis Ende Juni 1954 18mal beigewohnt habe. Von Mutter und Kind mit der Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen belangt, gab A. u.a. zu, die Mutter im Frühjahr 1954 vom Restaurant, wo sie servierte, nach Feierabend wiederholt mit seinem Auto an ihren Wohnort geführt und sie auch einmal zusammen mit einem andern Fräulein und einem seiner Freunde in Abwesenheit seiner Ehefrau in seine Wohnung eingeladen zu haben. Er bestritt dagegen jeden
BGE 87 II 65 S. 66
Geschlechtsverkehr mit ihr und machte im übrigen geltend, sie habe um die Zeit der Empfängnis einen unzüchtigen Lebenswandel geführt.
B.- Nach Vernehmung der Parteien und zahlreicher Zeugen und nach Einholung einer Blutexpertise, die keinen die Vaterschaft des Beklagten ausschliessenden Befund ergab, ordnete das Bezirksgericht St. Gallen mit Beweisdekret vom 24. August 1956 eine anthropologisch-erbbiologische Expertise an. Es liess sich dabei von der Erwägung leiten, der Beweis, dass der Beklagte der Mutter während der kritischen Zeit (31. Januar bis 31. Mai 1954) beigewohnt habe, sei bis dahin nicht geleistet. Zum Vaterschaftseid im Sinne von Art. 272
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 272 Untersuchungsgrundsatz - Das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest. |
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SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 264 Sicherheitsleistung und Schadenersatz - 1 Ist ein Schaden für die Gegenpartei zu befürchten, so kann das Gericht die Anordnung vorsorglicher Massnahmen von der Leistung einer Sicherheit durch die gesuchstellende Partei abhängig machen. |
|
1 | Ist ein Schaden für die Gegenpartei zu befürchten, so kann das Gericht die Anordnung vorsorglicher Massnahmen von der Leistung einer Sicherheit durch die gesuchstellende Partei abhängig machen. |
2 | Die gesuchstellende Partei haftet für den aus einer ungerechtfertigten vorsorglichen Massnahme erwachsenen Schaden. Beweist sie jedoch, dass sie ihr Gesuch in guten Treuen gestellt hat, so kann das Gericht die Ersatzpflicht herabsetzen oder gänzlich von ihr entbinden. |
3 | Eine geleistete Sicherheit ist freizugeben, wenn feststeht, dass keine Schadenersatzklage erhoben wird; bei Ungewissheit setzt das Gericht eine Frist zur Klage. |
Das Bezirksgericht St. Gallen führte in seinem Urteil vom 16. Mai 1958 aus, auf diese Schlussfolgerung sei abzustellen. Daher sei anzunehmen, dass der Beklagte der
BGE 87 II 65 S. 67
Mutter in der kritischen Zeit beigewohnt habe, woraus sich die Vaterschaftsvermutung gemäss Art. 314 Abs. 1
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.451 |
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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.451 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe. |
C.- Das Kantonsgericht St. Gallen, an das der Beklagte appellierte, fand wie das Bezirksgericht, durch die Zugeständnisse des Beklagten bezüglich seiner Bekanntschaft mit der Mutter und durch die Zeugenaussagen werde nicht bewiesen, dass der Beklagte der Mutter in der kritischen Zeit beigewohnt habe. Zum Vaterschaftseid könne diese nicht zugelassen werden. Anderseits seien aber auch keine Tatsachen erstellt, welche die Vaterschaft des Beklagten von vornherein ausschlössen oder die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Mutter um die Zeit der Empfängnis einen unzüchtigen Lebenswandel geführt habe. Das Kantonsgericht stimmte dem Bezirksgericht auch darin bei, dass den Klägerinnen unter diesen Umständen die Beweisführung durch eine anthropologischerbbiologische Expertise zu gestatten sei, da sich dieses Beweismittel nicht von vornherein als untauglich bezeichnen lasse. Dagegen liess es sich vom bereits vorliegenden Gutachten nicht voll überzeugen, weil die Expertin über die wissenschaftlichen Grundlagen der von ihr gezogenen Schlüsse keine nähere Auskunft gegeben und sich mit den vom Bundesgericht in BGE 82 II 265 ff. geäusserten Bedenken nicht auseinandergesetzt habe. Deshalb beschloss es am 17. November 1958, ein Obergutachten einzuholen.
BGE 87 II 65 S. 68
Der Oberexperte, Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. iur. Albert Harrasser in Frankfurt a.M., äusserte sich im ersten Abschnitt seines Gutachtens vom 19. März 1960 unter Angabe zahlreicher Belegstellen aus der Fachliteratur sehr einlässlich über die Voraussetzungen der anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung von Abstammungsfragen und über die Erkenntnismöglichkeiten, die dieses Verfahren heute bietet, und berichtete im zweiten Abschnitt ebenso ausführlich über die von ihm am 2. Oktober 1960 bei den Parteien erhobenen Befunde und deren erbbiologische Bedeutung. Neben den schon von der Erstbegutachterin gewürdigten Körpermerkmalen, unter denen er eine beim Kind und beim Beklagten, nicht aber bei der Mutter vorhandene, dominant vererbliche Anomalie (medianes Oberkiefertrema = Lücke zwischen den mittlern obern Schneidezähnen) besonders hervorhob, berücksichtigte er auch die im Blutgutachten festgestellten Bluttypenmerkmale (Beklagter: AB, MM, cc dd ee; Kind: AB, MM, Cc D- ee, Mutter: A, MM, CC D- ee). Seine Schlussfolgerung lautet: "Nach dem Wissensstand und den Erfahrungstatsachen der Erbbiologie des Menschen lässt sich auf Grund der Befunde der beiden Klägerinnen und des Beklagten in Erbmerkmalen des Blutes, in einer auf Vererbung beruhenden Anomalie des Kindes und in sonstigen bei den Beteiligten in Erscheinung tretenden, einwandfrei auf Vererbung beruhenden Merkmalen und Merkmalskomplexen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schliessen, dass die Klägerin M. I. vom Beklagten A. erzeugt wurde." Am 24. Mai 1960 hat hierauf das Kantonsgericht das erstinstanzliche Urteil bestätigt mit der Begründung, die Vaterschaft des Beklagten, die nicht nur mit Hilfe der Vermutung des Art. 314 Abs. 1
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
BGE 87 II 65 S. 69
D.- Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt der Beklagte Abweisung der Klage.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Eine Vaterschaftsklage kann, wie aus ihrem Namen sowie aus Art. 307 ff
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 307 - 1 Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes. |
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1 | Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes. |
2 | Die Kindesschutzbehörde ist dazu auch gegenüber Kindern verpflichtet, die bei Pflegeeltern untergebracht sind oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern leben. |
3 | Sie kann insbesondere die Eltern, die Pflegeeltern oder das Kind ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung oder Ausbildung erteilen und eine geeignete Person oder Stelle bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben ist. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 307 - 1 Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes. |
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1 | Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes. |
2 | Die Kindesschutzbehörde ist dazu auch gegenüber Kindern verpflichtet, die bei Pflegeeltern untergebracht sind oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern leben. |
3 | Sie kann insbesondere die Eltern, die Pflegeeltern oder das Kind ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung oder Ausbildung erteilen und eine geeignete Person oder Stelle bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben ist. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 309 |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
BGE 87 II 65 S. 70
die Vaterschaft des Beklagten grundsätzlich auch auf anderm Wege dargetan werden kann, hat das Bundesgericht aber immerhin schon in BGE 70 II 70 ff. festgestellt, wo es (S. 73/74) ausführte, die Vermutung des Art. 314 Abs. 1
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
2. Das Obergutachten, auf das die Vorinstanz abstellt, erklärt nicht, es sei absolut sicher, dass der Berufungskläger der Vater des Kindes M. sei, sondern sagt nur, aus dem Untersuchungsbefund lasse sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schliessen, dass er es erzeugt habe. Ob dieser Grad der Wahrscheinlichkeit genüge, um den nach dem Gesetz erforderlichen Beweis der Vaterschaft als geleistet anzusehen, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht prüfen kann (vgl. BGE 82 II 262 /263). Sie ist zu bejahen. An den Nachweis, dass der Beklagte der Vater sei, dürfen wie an den Nachweis, dass die Vaterschaft eines bestimmten Mannes (des Beklagten oder eines Dritten) ausgeschlossen sei, nicht so strenge Anforderungen gestellt werden, dass er praktisch überhaupt nie geleistet werden kann. Dies wäre aber der Fall, wenn ein absolut sicherer Beweis gefordert würde, da ein solcher auf diesem Gebiete der Natur der Sache nach nicht möglich ist. Es muss daher ausreichen, wenn die Vaterschaft bezw. ihr Ausschluss mit praktischer Sicherheit, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dargetan ist (vgl. BGE 77 II 31, BGE 82 II 266). Mit einer
BGE 87 II 65 S. 71
derartigen Wahrscheinlichkeit muss sich der Richter auch in zahlreichen andern Fällen begnügen (vgl. z.B. BGE 74 II 205 mit Hinweisen).
3. Welchen Grad der Zuverlässigkeit die Ergebnisse einer naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethode bieten können und welcher Sicherheitsgrad im konkreten Fall erreicht sei, ist eine naturwissenschaftliche Frage, die der Sachverständige zu beantworten hat. Der Tatsachenrichter hat die Expertise freilich auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen, soweit er dazu in der Lage ist. Dem Bundesgericht als Berufungsinstanz kommt diese Befugnis dagegen grundsätzlich nicht zu, weil es sich hier eben nicht um eine Rechts-, sondern um eine Tatfrage handelt. Übernimmt das kantonale Gericht die Schlussfolgerung des Gutachtens, dass der zu beweisende Sachverhalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben sei, so kann das Bundesgericht nur nachprüfen, ob es angesichts der Grundlagen, auf welche der Schluss sich stützt, vertretbar sei, von einer derartigen Wahrscheinlichkeit zu sprechen, oder ob sich diese Beurteilung des Grades der Zuverlässigkeit der Untersuchungsergebnisse nur damit erklären lasse, dass der Sachverständige und die Vorinstanz den Begriff der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit und damit die gesetzlichen Anforderungen an den zu leistenden Beweis verkannten (vgl. zu diesen Fragen BGE 86 II 133 und 320 mit Hinweisen). Im vorliegenden Falle kann keine Rede davon sein, dass dem Obergutachten und dem ihm folgenden Urteil der Vorinstanz ein solcher Mangel anhafte. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Oberexperte angenommen hat, eine Tatsache sei dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als gegeben zu betrachten, wenn das Zutreffen des Gegenteils "nur so extrem selten erwartet werden könnte, dass sich in vernünftigem Denken allgemein vertreten lässt, letztere Eventualität praktisch auszuschliessen, auch wenn sie als Möglichkeit theoretisch offen bliebe". Seine Ausführungen enthalten nichts, woraus
BGE 87 II 65 S. 72
geschlossen werden könnte, er habe sich nicht an diese Umschreibung gehalten, sondern sich in Wirklichkeit mit einem geringern Grade von Wahrscheinlichkeit begnügt, als er feststellte, die anthropologisch-erbbiologische Begutachtung könne unter Umständen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ein bestimmter Mann der Vater des in Frage stehenden Kindes sei; mit einem solchen Falle habe man es hier zu tun. Dem Obergutachten lässt sich, wie die darin enthaltenen Literaturangaben zeigen, auch nicht etwa entgegenhalten, die Auffassung, dass eine solche Expertise praktisch sichere Ergebnisse liefern könne, werde nur vereinzelt vertreten, was allenfalls ein Grund dafür sein könnte, der Methode die nach dem Gesetz erforderliche Zuverlässigkeit abzusprechen. Der Oberexperte weist darauf hin, dass die Fachwissenschaft seit den Arbeiten, auf welche die in BGE 82 II 266 angeführte Abhandlung von SCHWEIZER über "Die Leistung des Beweises im Vaterschaftsprozess..." (1936) sich stützt, wesentliche Fortschritte erzielt hat (vgl. hiezu auch die Angaben von H. SCHADE in BEITZKE, HOSEMANN, DAHR und SCHADE, Vaterschaftsgutachten für die gerichtliche Praxis, 1956, S. 103 ff., und von K. GERHARDT in SJZ 1959 S. 249 ff.). Um den nach dem Untersuchungsergebnis anzunehmenden Grad der Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Berufungsklägers zu veranschaulichen, nennt der Oberexperte Zahlen, die zwar, von der Angabe über die allein schon durch den Blutbefund geschaffene Wahrscheinlichkeit abgesehen, nach seinen Ausführungen nicht auf mathematische Genauigkeit Anspruch erheben, aber doch ein Bild von der Grössenordnung des Wahrscheinlichkeitsgrades geben können (Wahrscheinlichkeit allein auf Grund des Blutbefundes mindestens 96,2%, auf Grund des Blutbefundes und der festgestellten dominant vererblichen Anomalie 99,68%, auf Grund des Blutbefundes, der eben genannten Anomalie und der Annahme, dass das Kind ausserdem noch wenigstens ein dominant vererbliches monogenes Merkmal von 30%
BGE 87 II 65 S. 73
Häufigkeit mit dem Beklagten, nicht aber mit der Mutter gemeinsam habe: 99,89%; Wahrscheinlichkeit auf Grund der Übereinstimmung des Kindes mit dem Beklagten, nicht aber mit der Mutter in 8 dominanten, im einzelnen weit unterdurchschnittlich häufigen, aber nicht seltenen Merkmalen: 99'993%). Unter diesen Umständen lässt sich nichts dagegen einwenden, dass die Vorinstanz auf die Schlussfolgerung des Obergutachtens abgestellt hat.
4. Da hienach die Vaterschaft des Berufungsklägers nicht bloss zu vermuten, sondern als nachgewiesen zu betrachten ist, hat die Vorinstanz mit Recht angenommen, für die Einrede aus Art. 314 Abs. 2
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
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1 | Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar. |
2 | Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern. |
3 | Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest. |
5. Auf Grund der eben genannten Feststellungen hat die Vorinstanz mit Recht verneint, dass die Mutter um die Zeit der Empfängnis einen unzüchtigen Lebenswandel im Sinne von Art. 315
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.451 |
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1 | Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.451 |
2 | Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält. |
3 | Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde. |
BGE 87 II 65 S. 74
6. Die Feststellung, dass die Vorinstanz zulässigerweise ein solches Gutachten angeordnet und als schlüssigen Beweis für die Vaterschaft des Berufungsklägers gewürdigt hat, genügt zur Bestätigung des angefochtenen Urteils (das mit Bezug auf die Höhe der dem Berufungskläger auferlegten Vermögensleistungen nicht beanstandet worden ist). Ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen die Weigerung eines kantonalen Gerichts, ein solches Gutachten einzuholen, mit der Berufung als bundesrechtswidrig gerügt werden könnte, braucht heute nicht entschieden zu werden. Der vorliegende Fall bietet insbesondere auch nicht Anlass, zu den Problemen Stellung zu nehmen, die sich unter Umständen daraus ergeben können, dass eine anthropologisch-erbbiologische Begutachtung in der Regel erst durchgeführt werden kann, nachdem das Kind drei Jahre alt geworden ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen, I. Zivilkammer, vom 24. Mai 1960 bestätigt.