Urteilskopf

85 IV 244

63. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 15. Oktober 1959 i.S. Staatsanwaltschaft St. Gallen gegen Staatsanwaltschaft Schwyz.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 245

BGE 85 IV 244 S. 245

Aus dem Sachverhalt:
Im November 1954 missbrauchte der 1938 geborene Eugen B. ein Kind zu einer beischlafsähnlichen Handlung. Der Jugendrichter des Kantons Schwyz, Kreis III, zog ihn wegen dieser und weiterer Verfehlungen in Untersuchung. Nach Feststellung des Sachverhalts setzte sich der Richter mit der Vormundschaftsbehörde der Wohnsitzgemeinde Reichenburg ins Benehmen, die B. am 2. Dezember 1954 in eine Erziehungsanstalt einwies. Der Richter teilte darauf der Vormundschaftsbehörde mit, es würde sich zwar rechtfertigen, die Verfehlungen des Jugendlichen durch das Gericht beurteilen zu lassen, das jedenfalls gemäss Art. 91
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden.
1    Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden.
2    Disziplinarsanktionen sind:
a  der Verweis;
b  der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte;
c  die Busse; sowie
d  der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung.
3    Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren.
StGB auf Anstaltsversorgung erkennen würde; da die Vormundschaftsbehörde diese Massnahme bereits angeordnet habe, lasse es sich jedoch verantworten, ihr die Aufsicht über B. zu überlassen. Am 29. Juli 1958 wurde B. aus der Anstalt entlassen.
BGE 85 IV 244 S. 246

Im Juli 1959 exhibierte B. in Schmerikon und in der Umgebung von Uznach vor einer Frau und einem Kinde. In der deswegen eingeleiteten Untersuchung stellte das Bezirksamt See in Uznach fest, dass das im Kanton Schwyz angehobene Jugendstrafverfahren zu keinem formellen Abschluss gelangt ist. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen ersuchte deshalb die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, die Verfolgung der neuen Unzuchtshandlungen zu übernehmen, weil die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat in diesem Kanton begangen worden sei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz lehnte die Übernahme ab und verlangte, die Verfolgung sämtlicher Straftaten sei in der Hand der sanktgallischen Behörden zu vereinigen.
Erwägungen

Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

1. Ist der Gerichtsstand unter den Behörden mehrerer Kantone streitig, so kommt es gemäss Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB und Art. 264
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
BStP der Anklagekammer des Bundesgerichts zu, den Kanton zu bezeichnen, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist. Von dieser allgemeinen Regelung sind die Anstände über die Zuständigkeit im Verfahren gegen Kinder und Jugendliche ausgenommen, welche Streitigkeiten nach Art. 372 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
StGB vom Bundesrat zu beurteilen sind. Auf Grund dieser Bestimmung hat das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, dem der Bundesrat mit Beschluss vom 16. Juni 1942 die betreffenden Befugnisse übertragen hat, im Falle von Konflikten zwischen den Kantonen dafür zu sorgen, dass die Gerichtsstandsvorschriften der Absätze 1 und 2 richtig ausgelegt werden, und dass sie dort, wo sie anwendbar sind, auch tatsächlich angewendet werden (vgl.BGE 74 IV 184; im gleichen Sinne Entscheid des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 13. November 1958 i.S. Bärtsch und darin angeführter Entscheid vom 28. Januar 1955). Da die genannten Gerichtsstandsvorschriften lediglich für das in Art. 369 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
. StGB geregelte und kraft Bundesrechts
BGE 85 IV 244 S. 247

Platz greifende Verfahren gegen Kinder und Jugendliche gelten, stellt sich die vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement zu beantwortende Frage der richtigen Auslegung und Anwendung von Art. 372 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
und 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
StGB indes nur dann, wenn das Verfahren gegen Kinder und Jugendliche von Bundesrechts wegen anwendbar ist. Nach Art. 371 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB ist das Verfahren gegen Jugendliche auch anzuwenden, wenn der Beschuldigte, der zur Zeit der Tat ein Jugendlicher war, am Tage der richterlichen Beurteilung das achtzehnte Altersjahr erreicht, das zwanzigste aber noch nicht überschritten hat. Die Anwendung dieses Verfahrens wird dagegen von Bundesrechts wegen nicht gefordert, wenn der Täter bei der richterlichen Beurteilung das zwanzigste Altersjahr überschritten hat. Das ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus Art. 371 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB und entspricht einer Beschränkung, die der Gesetzgeber bewusst getroffen hat (vgl. Sten.Bull. Sonderausgabe, StR 1931 S. 248, NatR 1934 S. 719/20). Eugen B. ist mehr als zwanzig Jahre alt. Die Kantone sind daher von Bundesrechts wegen nicht gehalten, ihn im Verfahren gegen Jugendliche zu beurteilen. Die dieses Verfahren betreffenden Gerichtsstandsvorschriften des Art. 372 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
und 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
StGB gelangen darum im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Bei dieser Sachlage bleibt für eine Überprüfung der richtigen Auslegung und Anwendung dieser Normen durch den Bundesrat bzw. das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement kein Raum. Es greift vielmehr die allgemeine Regel des Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB und des Art. 264
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
BStP Platz, wonach die Anklagekammer des Bundesgerichts den Kanton bezeichnet, der zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist.
2. Ein Gerichtsstandskonflikt im Sinne der letztgenannten Bestimmungen liegt nach der Rechtsprechung immer dann vor, wenn jemand wegen mehrerer an verschiedenen Orten begangener strafbarer Handlungen verfolgt wird. Ob jemand verfolgt sei, entscheidet die Anklagekammer unabhängig von der Stellungnahme der kantonalen
BGE 85 IV 244 S. 248

Behörden und von kantonalen Rechtsbegriffen nach bundesrechtlichen Gesichtspunkten (BGE 68 IV 6,BGE 74 IV 187); sie stellt dabei nicht auf formale Merkmale (Hängigkeit oder Einstellung des Verfahren) ab, sondern darauf, ob nach der Aktenlage eine Strafverfolgung für die betreffende Tat (noch) in Frage komme. Die Anklagekammer kann dementsprechend nicht nur eine formell nicht angehobene Untersuchung, deren Eröffnung sich aufdrängt, bei der Bestimmung des Gerichtsstandes mitberücksichtigen (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 22. Januar 1944 i.S. Verhöramt Trogen gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen), sondern auch eine formell noch nicht abgeschlossene Untersuchung als erledigt betrachten und bei der Bestimmung des Gerichtsstandes ausser Acht lassen (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Mai 1947 i.S. Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern gegen Staatsanwaltschaften der Kantone Zürich und Thurgau; COUCHEPIN, ZStrR 63 S. 105). Im vorliegenden Falle machen die Behörden der beteiligten Kantone geltend, die Untersuchung über die Verfehlungen, die B. als Jugendlicher im Kanton Schwyz beging, sei abgeschlossen, und die darauf bezüglichen Massnahmen seien vorwegnehmend bereits vollzogen worden. Ein Urteil ist jedoch in der Sache noch nicht gefällt worden. Da Art. 251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
BStP voraussetzt, dass in derartigen Fällen ein (formeller) Entscheid ergeht, kann die betreffende Strafverfolgung vor dem Erlass eines solchen vom Standpunkt des Bundesrechts aus nicht als beendigt bezeichnet werden. Neben dem erwähnten Verfahren läuft jenes, das die sanktgallischen Behörden gegen B. angehoben haben. Das Vorliegen eines Gerichtsstandskonflikts kann mithin nicht bestritten werden.
3. Nach Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
1    Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn:
a  der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und
b  zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen.
2    Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.
4    Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern.
und Art. 90 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 90 - 1 Eine Person, die sich im Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 befindet, darf nur dann ununterbrochen von den andern Eingewiesenen getrennt untergebracht werden, wenn dies unerlässlich ist:
1    Eine Person, die sich im Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 befindet, darf nur dann ununterbrochen von den andern Eingewiesenen getrennt untergebracht werden, wenn dies unerlässlich ist:
a  als vorübergehende therapeutische Massnahme;
b  zum Schutz des Eingewiesenen oder Dritter;
c  als Disziplinarsanktion;
d  zur Verhinderung der Beeinflussung von anderen Eingewiesenen durch Gedankengut, das die Ausübung von terroristischen Aktivitäten begünstigen kann, sofern konkrete Anhaltspunkte auf eine solche Beeinflussung vorliegen.
2    Zu Beginn des Vollzugs der Massnahme wird zusammen mit dem Eingewiesenen oder seinem gesetzlichen Vertreter ein Vollzugsplan erstellt. Dieser enthält namentlich Angaben über die Behandlung der psychischen Störung, der Abhängigkeit oder der Entwicklungsstörung des Eingewiesenen sowie zur Vermeidung von Drittgefährdung.
2bis    Massnahmen nach den Artikeln 59-61 und 64 können in der Form des Wohn- und Arbeitsexternats vollzogen werden, wenn begründete Aussicht besteht, dass dies entscheidend dazu beiträgt, den Zweck der Massnahme zu erreichen, und wenn keine Gefahr besteht, dass der Eingewiesene flieht oder weitere Straftaten begeht. Artikel 77a Absätze 2 und 3 gilt sinngemäss.129
3    Ist der Eingewiesene arbeitsfähig, so wird er zur Arbeit angehalten, soweit seine stationäre Behandlung oder Pflege dies erfordert oder zulässt. Die Artikel 81-83 sind sinngemäss anwendbar.
4    Für die Beziehungen des Eingewiesenen zur Aussenwelt gilt Artikel 84 sinngemäss, sofern nicht Gründe der stationären Behandlung weiter gehende Einschränkungen gebieten.
4bis    Für die Einweisung in eine offene Einrichtung und für die Bewilligung von Vollzugsöffnungen gilt Artikel 75a sinngemäss.130
4ter    Während der lebenslänglichen Verwahrung werden keine Urlaube oder andere Vollzugsöffnungen bewilligt.131
5    Für Kontrollen und Untersuchungen gilt Artikel 85 sinngemäss.
. sowie Art. 42 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
. StGB obliegt es dem Richter, die dem Verschulden und der Persönlichkeit des Täters entsprechende Strafe oder Massnahme zu finden. Um die richtige Erfüllung dieser Aufgabe zu gewährleisten, sehen die Art. 336 (lit. c, d), 344
BGE 85 IV 244 S. 249

und 350 StGB vor, dass eine Mehrheit von strafbaren Handlungen durch ein und denselben Richter zu beurteilen ist. Dies gilt allgemein auch dann, wenn der Täter teils vor und teils nach Erreichung des achtzehnten Altersjahr straffällig geworden ist. Nach welchen Regeln sich diesfalls die örtliche Zuständigkeit bestimmt, kann offen bleiben, da der Grundsatz der einheitlichen Verfolgung und Beurteilung einer Mehrheit strafbarer Handlungen im vorliegenden Falle nicht zur Anwendung gelangen kann. Im Gegensatz zum Regelfalle stellt sich hier dem Richter nicht die Aufgabe, eine Strafe oder Massnahme für die Taten zu finden, die der Beschuldigte vor Erreichung des achtzehnten Altersjahrs begangen hat, und diese auf die Strafe oder Massnahme abzustimmen, die den Beschuldigten für die später begangenen Verfehlungen trifft. Wegen der strafbaren Handlungen, die er sich als Jugendlicher hatte zuschulden kommen lassen, wurde B. in eine Erziehungsanstalt eingewiesen; diese Massnahme ist bereits vollzogen worden. Es kann sich somit hinsichtlich dieser Delikte nur noch darum handeln, das deswegen eingeleitete Verfahren unter Behebung allfällig ihm anhaftender prozessualer Mängel formell zu einem Abschluss zu bringen. Was zu diesem Behufe vorzukehren ist, hätte in gleicher Weise auch angeordnet werden müssen, wenn B. nicht erneut straffällig geworden wäre; das betreffende Verfahren kann daher ohne Bezugnahme auf die neue Untersuchung zu Ende geführt werden. Bei Beurteilung der neuen Delikte sind anderseits die früheren strafbaren Handlungen und die deswegen angeordneten Massnahmen lediglich als Teil des Vorlebens zu würdigen; es besteht mithin kein Anlass, das betreffende Verfahren mit dem materiell abgeschlossenen früheren Verfahren zu verknüpfen. Diese Umstände rechtfertigen es, von der in Art. 263
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
BStP enthaltenen Ermächtigung Gebrauch zu machen, die Gerichtsbarkeit zu trennen (BGE 68 IV 127;BGE 69 IV 47, 86;BGE 70 IV 90). Die Zuständigkeit zur Verfolgung und Beurteilung
BGE 85 IV 244 S. 250

ist demgemäss für jede der beiden Gruppen von Delikten gesondert zu regeln. Wegen der Verfehlungen, die B. als Jugendlicher beging, haben die Behörden des Kantons Schwyz, wo der Genannte seinen Wohnsitz hatte, in Anwendung des Art. 372 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
StGB ein Verfahren eingeleitet; es obliegt den Behörden dieses Kantons, dieses Verfahren formell zu einem Abschluss zu bringen. Die strafbaren Handlungen, die sich B. als Erwachsener in Schmerikon und in der Umgebung von Uznach hat zuschulden kommen lassen, sind von den sanktgallischen Instanzen als den Behörden des Orts, wo die Tat verübt worden ist, zu verfolgen und zu beurteilen (Art. 346 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.576
StGB).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 85 IV 244
Date : 15. Oktober 1959
Published : 31. Dezember 1959
Source : Bundesgericht
Status : 85 IV 244
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 351, 371 Abs. 2, 372 Abs. 3 StGB. 1. Ist der Beschuldigte vor Erreichung des 18. Altersjahrs straffällig geworden,


Legislation register
BStP: 251  263  264
StGB: 42  63  90  91  346  351  369  371  372
BGE-register
68-IV-1 • 68-IV-123 • 69-IV-44 • 70-IV-86 • 74-IV-183 • 74-IV-185 • 85-IV-244
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
accused • adult • antecedents • cessation of proceedings • chamber of accusation • circle • corn • correctness • criminal act • criminal prosecution • day • decision • end • federal council of switzerland • federal court • hamlet • judicial agency • juvenile criminal proceedings • lake • question • standard • statement of affairs • thurgau • trogen