S. 183 / Nr. 48 Verfahren (d)

BGE 74 IV 183

48. Entscheid der Anklagekammer vom 12. November 1948 i.S. Jugendanwaltschaft
des Kantons Basel-Stadt gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft.

Regeste:
Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
, 372
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.559
StGB. In einem Streit um den Gerichtsstand ist die Vorfrage, ob
ein Beschuldigter der wegen vor und wegen nach Erreichung des achtzehnten
Altersjahres begangener strafbarer Handlungen verfolgt wird, für alle oder
einen Teil davon der Jugendgerichtsbarkeit untersteht, durch das
eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zu entscheiden.
Art. 351 et 372 CP. Dans un conflit de for, c'est au Département fédéral de
justice et police qu'il appartient de décider si un inculpé qui a commis des
infractions avant et après l'âge de dix-huit ans doit être déféré pour toutes
à la juridiction pénale des mineurs.
Art. 351 e 372 CP. In caso di contestazione sul foro, spetta al Dipartimento
federale di giustizia e polizia di decidere se un imputato, che ha commesso
delle infrazioni prima e dopo di aver compiuto i diciotto anni, debba essere
deferito per tutte le infrazioni o solo per una parte di esse alla
giurisdizione penale dei minorenni.

Enrico Marsetti wird beschuldigt, zum Teil vor, zum Teil nach Erreichung des
achtzehnten Altersjahres in Basel verschiedene Diebstähle verübt zu haben. Die
Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt ist der Auffassung, dass er gemäss
Art. 372 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.559
StGB von den Behörden seines Wohnsitzes Binningen, die
Staatsanwaltschaft

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des Kantons Basel-Landschaft dagegen, dass er von den Behörden des Tatortes zu
verfolgen sei. Die Jugendanwaltschaft von Basel-Stadt ersucht die
Anklagekammer des Bundesgerichts um Bestimmung des Gerichtsstandes
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach Art. 372 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.559
StGB entscheidet bei Anständen zwischen Kantonen über die
Zuständigkeit im Verfahren gegen Kinder und Jugendliche der Bundesrat, der
diese Befugnis mit Beschluss vom 16. Juni 1942 dem Justiz- und
Polizeidepartement übertragen hat. Die Gesuchstellerin scheint der Auffassung
zu sein, diese Vorschrift sei nur anzuwenden, wenn unbestritten ist, dass sich
der Gerichtsstand nach Art. 372 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.559
oder 2 StGB richtet. Dem ist nicht so.
Art. 372 Abs. 3 will dem Bundesrat in Konfliktsfällen zwischen Kantonen die
Sorge dafür übertragen, dass die Gerichtsstandsvorschriften der Absätze 1 und
2 richtig, und dass sie immer dort, wo sie anwendbar sind, auch tatsächlich
angewendet werden. Die Vorschriften sind verletzt nicht bloss, wenn sie
unrichtig, sondern auch, wenn sie überhaupt nicht angewendet werden, weil die
kantonalen Behörden die Voraussetzungen des Verfahrens gegen Kinder oder
Jugendliche zu Unrecht nicht als gegeben betrachten, oder wenn eine von ihnen
angewendet wird, wo sie nicht angewendet werden sollte, weil nicht dieses
Verfahren am Platze ist. Bei Anständen unter Kantonen hat daher das
eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement nicht bloss zu entscheiden,
welcher der streitenden Kantone zuständig ist, sondern auch, ob ein
Beschuldigter, der nach der Erreichung des achtzehnten Altersjahres ein vorher
begonnenes strafbares Verhalten fortgesetzt hat, für das ganze Verhalten oder
einen Teil desselben der Jugendgerichtsbarkeit untersteht. Zum Entscheid
dieses Vorfrage ist die Sache dem Justiz- und Polizeidepartement zu
überweisen, das sich mit Schreiben vom 10. November 1948 der Auffassung

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der Anklagekammer angeschlossen hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in
Fällen, wo der Bundesrat zum Schlusse gelangt, dass die allgemeinen
Gerichtsstandsvorschriften des Strafgesetzbuches anwendbar seien, sei es auf
Grund von Art. 372 Abs. 2, sei es, weil die Sache nicht im Verfahren gegen
Kinder oder Jugendliche zu erledigen ist, die Anklagekammer oder
zweckmässigerweise ebenfalls das Justiz- und Polizeidepartement den
Gerichtsstand festzusetzen hat. Denn im vorliegenden Falle steht ausser
Zweifel, dass bei Anwendbarkeit der allgemeinen Gerichtsstandsvorschriften die
Behörden des Kantons Basel-Stadt zuständig sind, wo Marsetti die strafbaren
Handlungen ausgeführt hat.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 IV 183
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 12. November 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 IV 183
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 351, 372 StGB. In einem Streit um den Gerichtsstand ist die Vorfrage, ob ein Beschuldigter der...


Gesetzesregister
StGB: 351 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
372
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 372 - 1 Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
1    Die Kantone vollziehen die von ihren Strafgerichten auf Grund dieses Gesetzes ausgefällten Urteile. Sie sind verpflichtet, die Urteile der Bundesstrafbehörden gegen Ersatz der Kosten zu vollziehen.
2    Den Urteilen sind die von Polizeibehörden und andern zuständigen Behörden erlassenen Strafentscheide und die Beschlüsse der Einstellungsbehörden gleichgestellt.
3    Die Kantone gewährleisten einen einheitlichen Vollzug strafrechtlicher Sanktionen.559
BGE Register
74-IV-183
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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