85 III 31
7. Entscheid vom 29. Januar 1959 i.S. M.
Regeste (de):
- Lohnpfändung.
- Zulässigkeit der Beschwerde, mit welcher der Schuldner die Auszahlung eines vom Betreibungsamt zu Unrecht eingezogenen Lohnbetrags verlangt.
- Vollzug der Lohnpfändung bei einem Schuldner, der von seiner Ehefrau einen Beitrag an die ehelichen Lasten verlangen kann. Anzeige an den Arbeitgeber (Art. 99
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 99 - Bei der Pfändung von Forderungen oder Ansprüchen, für welche nicht eine an den Inhaber oder an Order lautende Urkunde besteht, wird dem Schuldner des Betriebenen angezeigt, dass er rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt leisten könne.
Regeste (fr):
- Saisie de salaire.
- Recevabilité de la plainte du débiteur tendante au paiement d'un salaire encaissé à tort par l'office des poursuites.
- Exécution d'une saisie de salaire dans le cas d'un débiteur qui peut exiger de son épouse une contribution aux charges du ménage. Avis à l'employeur (art. 99 LP). A quelles conditions l'office des poursuites peut-il récupérer le salaire saisi qui ne lui a pas été versé à la suite de l'omission de cet avis, en augmentant pour l'avenir la part du salaire qui doit lui être remise?
Regesto (it):
- Pignoramento di salario.
- Ammissibilità del reclamo di un debitore tendente al pagamento di un salario incassato a torto dall'ufficio di esecuzione.
- Esecuzione di un pignoramento di salario nel caso di un debitore che può esigere dalla moglie un contributo agli oneri coniugali. Avviso al datore di lavoro (art. 99 LEF). A quali condizioni l'ufficio di esecuzione può ricuperare il salario pignorato che non gli è stato versato, a motivo dell'omissione di detto avviso, aumentando per l'avvenire la parte di salario che gli dev'essere consegnata?
Sachverhalt ab Seite 32
BGE 85 III 31 S. 32
A.- In den Betreibungen Nr. 9783 und 12043, die Gerhard M. für innert des letzten Jahres vor Anhebung der Betreibungen verfallene Unterhaltsbeiträge gegen seinen Vater führt, pfändete das Betreibungsamt Zürich 11, 1. Abteilung, zunächst einen festen Betrag pro Arbeitsstunde. Auf die Mitteilung des Schuldners hin, dass der Stundenlohn infolge Arbeitszeitverkürzung auf Fr. 2.87 erhöht worden sei und dass er (der Schuldner) wegen Arbeitsausfalls infolge Krankheit Lohneinbussen erleide, änderte das Betreibungsamt mit Verfügung vom 12. Mai 1958 die auf einen festen Betrag pro Arbeitsstunde gehende Lohnpfändung in eine solche "in Prozenten" ab. Den massgebenden Prozentsatz bestimmte es nach dem Verhältnis zwischen dem monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 100. - einerseits und dem "Existenzminimum der erweiterten Familie" von Fr. 715.10 (Notbedarf des Schuldners und seiner Ehefrau, vermehrt um den Unterhaltsbeitrag) anderseits auf 13,5%. Auf Grund dieser Berechnung verfügte es:
BGE 85 III 31 S. 33
"Die pfändbare Quote in Prozenten wird mit sofortiger Wirkung auf 13,5 % festgesetzt und wird von folgenden Beträgen berechnet: a) vom Bruttolohn,
b) von den Krankengeldern,
c) vom Beitrag der Ehefrau an die ehelichen Lasten von Fr. 50.-. Der Schuldner hat jeden Monat 13,5% von diesem Beitrag der Ehefrau = Fr. 6.75 an die unterzeichnete Amtsstelle abzuliefern. Nichtbefolgung dieser Aufforderung würde gemäss Art. 292 des Strafgesetzbuches wegen Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung bestraft. Die genannte Bestimmung lautet:...."
B.- Gegen diese Verfügung führte der Schuldner Beschwerde. Er erreichte damit lediglich, dass das Betreibungsamt auf Grund des Entscheides der untern Aufsichtsbehörde (der dann von der kantonalen Aufsichtsbehörde und am 5. September 1958 auch vom Bundesgericht bestätigt wurde) seine Verfügung vom 12. Mai 1958 am 9. Juli 1958 wie folgt verdeutlichte: "Im Anschluss an den uns heute zugegangenen Entscheid des Bezirksgerichtes Zürich stellen wir, um Missverständnisse auszuschliessen, fest, dass zugunsten des Gläubigers in den Betreibungen Nr. 9783 und 12043 von Ihrem Lohn bis längstens 30. November a.c. gepfändet sind: 13,5 %, berechnet von folgenden Beträgen:
a) vom Bruttolohn,
b) von den Krankengeldern,
c) vom Beitrag der Frau an die ehelichen Lasten, d.h. von Fr. 50.- monatlich. Dabei sind Sie verpflichtet, von Ihrem Lohn 13,5 %, berechnet von den sub lit. b und c erwähnten Beträgen, monatlich direkt an das Betreibungsamt abzuliefern." Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Aufforderung drohte des Amt dem Schuldner neuerdings die Bestrafung wegen Ungehorsams an. Gleichzeitig forderte es ihn auf, "die bereits verfallenen Lohnbetreffnisse an uns abzuliefern." Diese Aufforderung wiederholte es am 29. Juli und am 19. September 1958.
C.- Da der Schuldner nichts ablieferte, wies das Betreibungsamt am 16. Oktober 1958 seine Arbeitgeberin an, von seinem nächsten Zahltag ausser dem bereits verfügten Abzug (von 13,5% des Bruttolohns) einen Betrag von Fr. 33.75 abzuziehen. Dabei handelt es sich um die
BGE 85 III 31 S. 34
Summe der fünf in der Zeit vom 12. Mai bis 12. Oktober 1958 verfallenen Monatsbetreffnisse von Fr. 6.75 im Sinne von lit. c der Verfügungen vom 12. Mai und 9. Juli 1958. Wegen dieser Massnahme, die ihm bei der Auszahlung des Lohns für die Periode vom 11. bis 23. Oktober 1958 bekannt wurde, reichte der Schuldner am 1. November 1958 bei der untern Aufsichtsbehörde "Klageschrift" gegen den Betreibungsbeamten "betreffend Amtsmissbrauch Art. 312
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 312 - Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 21 - Die Behörde, welche eine Beschwerde begründet erklärt, verfügt die Aufhebung oder die Berichtigung der angefochtenen Handlung; sie ordnet die Vollziehung von Handlungen an, deren Vornahme der Beamte unbegründetermassen verweigert oder verzögert. |
D.- Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen.
BGE 85 III 31 S. 35
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz hat die "Klageschrift" des Rekurrenten mit Recht als Beschwerde behandelt. Unzutreffend ist dagegen die Auffassung der Vorinstanz, von den Begehren des Rekurrenten habe nur dasjenige auf Entscheidung der Frage, ob das Betreibungsamt richtig vorgegangen sei oder nicht, bei den Aufsichtsbehörden gestellt werden können, wogegen das Begehren, der "unrechtmässig eingezogene Betrag" sei zurückzuerstatten, wie der Antrag auf Bestrafung wegen Amtsmissbrauchs von diesen Behörden nicht beurteilt werden könne. Eine Beschwerde, die einzig die Feststellung der Unrichtigkeit einer Verfügung des Betreibungsamtes bezweckt, ist unzulässig, weil eine Beschwerde nach Art. 21
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 21 - Die Behörde, welche eine Beschwerde begründet erklärt, verfügt die Aufhebung oder die Berichtigung der angefochtenen Handlung; sie ordnet die Vollziehung von Handlungen an, deren Vornahme der Beamte unbegründetermassen verweigert oder verzögert. |
2. Zu Unrecht wirft der Rekurrent dem Betreibungsamte vor, es habe einen Teil des Beitrags der Ehefrau an die ehelichen Lasten gepfändet. Die Pfändung von monatlich Fr. 6.75 beschlägt nicht diesen Beitrag, sodern es wurde eine Quote des Lohnes gepfändet, die auf 13,5% dieses Beitrags, d.h. auf Fr. 6.75, festgesetzt wurde. Dies war im Ergebnis richtig, wie bereits im Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5. September 1958 festgestellt wurde.
BGE 85 III 31 S. 36
Dagegen war es falsch, dass das Betreibungsamt der Arbeitgeberin des Rekurrenten zunächst nur die Pfändung von 13,5% des Bruttolohns anzeigte, statt sie sofort gemäss Art. 99
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 99 - Bei der Pfändung von Forderungen oder Ansprüchen, für welche nicht eine an den Inhaber oder an Order lautende Urkunde besteht, wird dem Schuldner des Betriebenen angezeigt, dass er rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt leisten könne. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 99 - Bei der Pfändung von Forderungen oder Ansprüchen, für welche nicht eine an den Inhaber oder an Order lautende Urkunde besteht, wird dem Schuldner des Betriebenen angezeigt, dass er rechtsgültig nur noch an das Betreibungsamt leisten könne. |
BGE 85 III 31 S. 37
ging) der ganze Überschuss des Einkommens über den Notbedarf der "engern Familie", d.h. des Schuldners und der bei ihm lebenden Angehörigen (hier: der Ehefrau), von der laufenden Lohnpfändung erfasst oder greift diese sogar in diesen Notbedarf ein, so ist es also ausgeschlossen, die entstandene Einbusse durch erhöhte Lohnabzüge auszugleichen. Zur Deckung des Fehlbetrags kann nur ein allfälliger Überschuss des dem Schuldner nach Vollzug der laufenden Lohnpfändung verbleibenden Einkommensbetrages über den Notbedarf der "engern Familie" herangezogen werden. Dass sich beim Rekurrenten noch vor Ablauf des Lohnpfändungsjahres ein solcher Überschluss ergeben habe, ist wenig wahrscheinlich, doch lässt sich diese Möglichkeit auf Grund der vorliegenden Akten, die über den Verdienst des Rekurrenten in der fraglichen Zeit nicht vollständig Aufschluss geben, immerhin nicht von vornherein ausschliessen. (Ein solcher Überschuss wäre vorhanden, wenn das Einkommen des Schuldners über den Notbedarf der "weitern Familie" gestiegen wäre.) Die Sache ist daher zur Vervollständigung des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3. Da sich die Beschwerde unter diesen Umständen nicht als missbräuchlich bezeichnen lässt, ist die von der Vorinstanz bestätigte Kosten- und Bussenauflage aufzuheben.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid und die durch ihn bestätigte Kosten- und Bussenverfügung der untern Aufsichtsbehörde aufgehoben werden und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.