85 III 19
5. Entscheid vom 13. Januar 1959 i.S. Köhli und Jeger.
Regeste (de):
- Unpfändbare Berufswerkzeuge gemäss Art. 92 Ziff. 3 SchKG.
- Beruf oder Unternehmung? Bedeutung des Wertverhältnisses zwischen der persönlichen Arbeit des Schuldners und andern Erwerbsfaktoren.
- Diese fallen bei blosser Nebene erbstätigkeit stärker ins Gewicht.
- Gelegentliche Fuhrungen für Dritte durch einen Landwirt mittels eines Lastwagens von beträchtlichem Wert ist Unternehmung.
- Möglichkeit andern Nebenverdienstes.
Regeste (fr):
- Objets nécessaires à l'exercice de la profession et insaisissables au sens de l'art. 92 ch. 3 LP.
- Profession ou entreprise? Importance respective du travail personnel du débiteur et des autres facteurs d'acquisition du revenu.
- Ceux-ci pèsent d'un plus grand poids dans la balance s'il s'agit d'une activité lucrative accessoire.
- Il y a entreprise lorsqu'un agriculteur effectue des transports occasionnels pour des tiers à l'aide d'un camion d'une certaine valeur.
- Possibilité d'autres gains accessoires.
Regesto (it):
- Strumenti di lavoro impignorabili a norma dell'art. 92 num. 3 LEF.
- Professione o azienda? Importanza rispettiva del lavoro personale del debitore e degli altri elementi del reddito.
- Questi acquistano maggior peso quando trattasi di una semplice attività lucrativa accessoria.
- Vi è azienda quando un agricoltore eseguisce trasporti occasionali per terzi servendosi di un autocarro di un certo valore.
- Possibilità di altri guadagni accessori.
Sachverhalt ab Seite 19
BGE 85 III 19 S. 19
A.- Im Konkurs über Hans Köhli in Grenchen, der als Pächter ein kleines Landgut von etwa 4 1/2 Jucharten bewirtschaftet, beliess das Konkursamt dem Gemeinschuldner zwei Kühe, ein Rind und Schweine sowie landwirtschaftliche Geräte als Kompetenzstücke. Da der Schuldner für den Unterhalt seiner betagten Eltern aufkommt
BGE 85 III 19 S. 20
und monatlich Fr. 340.-- an seine getrennt von ihm lebende Familie, Ehefrau und vier minderjährige Kinder, zu leisten hat, ist er auf einen Nebenverdienst angewiesen. Er verschaffte sich diesen bisher durch Ausführung von Transporten mit dem vor einigen Jahren angeschafften Mehrzweckfahrzeug "Unimoc". Es handelt sich namentlich um Brennholztransporte für die Bürgergemeinde Grenchen und um Schneeräumungsarbeiten für die Bauverwaltung der Stadt Grenchen. Mit Rücksicht hierauf beliess ihm das Konkursamt den "Unimoc", den es auf Fr. 4000.-- schätzte, ebenfalls als Kompetenzstück.
B.- An der ersten Gläubigerversammlung vom 4. November 1958 erhielten die Gläubiger Kenntnis von dieser Verfügung. Zwei Gläubiger, die heutigen Rekurrenten, führten am 13. gleichen Monats Beschwerde mit dem Begehren, das Mehrzweckfahrzeug "Unimoc" sei zu admassieren und nicht als Kompetenzstück zu bezeichnen. Sie machten geltend, den kleinen Landwirtschaftsbetrieb könne der Schuldner auch ohne ein solches Fahrzeug führen; für ein blosses Nebengewerbe könne er aber keine Kompetenzstücke beanspruchen. Übrigens wäre die Ausführung solcher Transporte nicht als Beruf, sondern als Unternehmung zu betrachten und der Kompetenzanspruch auch aus diesem Grunde zu verneinen. Der "Unimoc" sei vor wenigen Jahren für Fr. 16'000.-- angekauft worden, und die konkursamtliche Schätzung des Wertes auf Fr. 4000.-- sei als sehr vorsichtig zu bezeichnen. Man habe es also mit einem beträchtlichen Kapitalwert zu tun, so dass der gewerbliche Gebrauch dieses Fahrzeuges den Rahmen einer beruflichen Betätigung überschreite. Der Vernehmlassung des Konkursamtes ist zu entnehmen, bei der Schätzung des Fahrzeuges sei vom Anschaffungswert ausgegangen worden; man habe diesen Wert, wie es im Handel mit Motorfahrzeugen üblich sei, um die Abschreibungsziffern nach den Gebrauchsjahren herabgesetzt. Das Fahrzeug sei bereits fünf Jahre alt und stark strapaziert worden. Der angenommene Liquidationswert
BGE 85 III 19 S. 21
von Fr. 4000.-- liege an der obern Grenze des vermutlich bei einer Verwertung zu erzielenden Preises.
C.- Mit Entscheid vom 13. Dezember 1958 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde abgewiesen.
D.- Die beschwerdeführenden Gläubiger haben diesen Entscheid an das Bundesgericht weitergezogen. Sie halten am Begehren der Beschwerde fest.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz verneint die Kompetenzqualität des zur Gattung der Lastwagen zu zählenden "Mehrzweckfahrzeugs" für den vom Gemeinschuldner hauptsächlich ausgeübten Beruf eines Landwirtes, weil er ein derartiges Fahrzeug für seinen Betrieb nicht nötig habe. Dagegen lässt der angefochtene Entscheid dieses Fahrzeug als Kompetenzstück gelten für die vom Gemeinschuldner damit nebenbei, zur Erzielung eines zusätzlichen Verdienstes, für Dritte ausgeführten Transporte. Im ersten Punkte muss es beim angefochtenen Entscheid bleiben, da die Entbehrlichkeit des "Unimoc" für den Kleinbetrieb des Schuldners im wesentlichen auf der Feststellung tatsächlicher Verhältnisse beruht und im übrigen ein solches Hilfsmittel erfahrungsgemäss nicht zur üblichen Ausrüstung kleiner landwirtschaftlicher Betriebe gehört. Was aber die Bedeutung des "Unimoc" für die Nebenerwerbstätigkeit des Schuldners betrifft, kann der rechtlichen Betrachtungsweise der Vorinstanz nicht beigetreten werden. Allerdings hat nicht bloss die hauptsächliche Erwerbstätigkeit als "eigentlicher Beruf" im Sinne von Art. 92 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind: |
|
1 | Unpfändbar sind: |
1 | die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind; |
1a | Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden; |
10 | Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit; |
11 | Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen. |
2 | die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände; |
3 | die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind; |
4 | nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind; |
5 | die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen; |
6 | die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen; |
7 | das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten; |
8 | Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten; |
9 | Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen; |
9a | die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen; |
2 | Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198 |
3 | Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199 |
4 | Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203 |
BGE 85 III 19 S. 22
in neuerer Zeit entschieden worden, dass das mit einem Lastwagen ausgeübte Transportgewerbe nicht, wie früher angenommen, wegen des im Lastwagen steckenden kapitalistischen Erwerbsfaktors stets als Unternehmung zu betrachten ist, sondern je nach den konkreten Verhältnissen Unternehmung oder dem Art. 92 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind: |
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1 | Unpfändbar sind: |
1 | die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind; |
1a | Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden; |
10 | Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit; |
11 | Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen. |
2 | die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände; |
3 | die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind; |
4 | nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind; |
5 | die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen; |
6 | die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen; |
7 | das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten; |
8 | Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten; |
9 | Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen; |
9a | die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen; |
2 | Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198 |
3 | Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199 |
4 | Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203 |
BGE 85 III 19 S. 23
Fahrzeuges hat den Charakter des Betriebes nicht verändert - sonst müssten kleine Unternehmungen, wenn sie ihre Einrichtungen, solange es einigermassen geht, im alten Bestande belassen, lediglich wegen Entwertung derselben zu Berufen werden. Übrigens ist auch der vom Konkursamt auf Fr. 4000.-- geschätzte Gantwert noch so beträchtlich, dass das Fahrzeug bei der Verwendung für einen Nebenerwerb keineswegs als blosses Berufsgerät bezeichnet zu werden verdient. Im übrigen wäre dem Schuldner, selbst wenn man seine Nebenbetätigung mit dem "Unimoc" nicht als Unternehmung betrachten müsste, nicht zu gestatten, dieses beträchtliche Vermögensstück (nach den Beschwerdevorbringen "das wichtigste Aktivum des Konkursiten") den Gläubigern vorzuenthalten. Gewiss ist er nach vorinstanzlicher Feststellung im Hinblick auf seine Unterhaltspflichten auf Nebenverdienst angewiesen. Allein es ist nicht einzusehen, wieso er, um zu solchem Verdienste zu kommen, sich gerade mit Fuhrungen, zudem mit einem eigenen teuren Fahrzeug, sollte betätigen müssen. Es dürfte nicht schwer sein, in Grenchen einen andern Nebenerwerb zu finden.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und festgestellt, dass das Mehrzweckfahrzeug "Unimoc" nicht Kompetenzstück ist, sondern zum Konkursvermögen gehört.