82 II 165
24. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. März 1956 i. S. Bürgisser gegen Vormundschaftsbehörde Zürich.
Regeste (de):
- Unter welchen Voraussetzungen wird die Berufungsfrist (Art. 54
OG) durch einen erfolglosen Versuch der Zustellung des kantonalen Entscheides in Gang gesetzt?
Regeste (fr):
- A quelles conditions le délai pour former un recours en réforme (art. 54 OJ) est-il mis en mouvement lorsque la notification de la décision cantonale est vainement tentée?
Regesto (it):
- A quali condizioni il termine per interporre un ricorso per riforma (art. 54
OG) incomincia a decorrere quando la notificazione della decisione cantonale è tentata invano?
BGE 82 II 165 S. 166
J. Bürgisser beantragte mit Schreiben vom 16. März 1955 von Wien aus bei der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich die Bevormundung seiner Mutter, Frau K. Die Vormundschaftsbehörde erklärte sich am 19. März 1955 für örtlich unzuständig, weil Frau K. in Zürich keinen Wohnsitz habe. Der Bezirksrat Zürich wies die Beschwerde Bürgissers gegen diesen Bescheid am 29. April 1955 ab. Hierauf rekurrierte Bürgisser am 26. Mai 1955 an die Direktion der Justiz des Kantons Zürich. Mit Zuschrift vom 1. Juli 1955 teilte er dieser - immer noch von Wien aus - "behufs zweckdienlicher Beschlusszustellung" seine vom 3. bis 30. Juli 1955 gültige Ferienadresse in Stuttgart mit. Als "Kontaktadresse" nannte der in diesem Schreiben der Unterschrift beigesetzte Stempel: "Rotes Schloss, Beethovenstr. 7, Zürich." Mit Verfügung vom 26. September 1955 wies die Justizdirektion den Rekurs Bürgissers ab. Die an dessen Wiener Adresse gerichtete Postsendung vom 30. September 1955, die diese Verfügung enthielt, kam am 6. Oktober 1955 mit dem Vermerk "Adressat verreist" als unbestellbar zurück. Hierauf sandte die Justizdirektion ihre Verfügung am 7. Oktober 1955 an die Adresse Beethovenstrasse 7 in Zürich. Der dort wohnhafte Vater J. Bürgissers öffnete die Sendung, sandte sie aber am 8. Oktober an die Justizdirektion zurück mit dem Bemerken, er sei nicht ermächtigt, sie unter Erteilung einer rechtsgültigen Empfangsbescheinigung entgegenzunehmen; sein Sohn befinde sich bis anfangs November auf einer Mittelmeerreise und sei für ihn einstweilen unerreichbar; bis anfangs November werde er aber zurückgekehrt sein oder ihn mit entsprechender Vollmacht versehen haben, worauf die Justizdirektion ihm die Akten zustellen könne. Am 28. Oktober 1955 erfolgte abermals eine Zustellung an die Zürcher "Kontaktadresse". Am 12. November 1955 endlich bescheinigte
BGE 82 II 165 S. 167
J. Bürgisser in Hamburg, die Verfügung erhalten zu haben.
Mit Eingabe vom 29. November 1955, die am 30. November in Hamburg zur Post gegeben wurde und am 1. Dezember beim Bundesgericht eintraf, hat J. Bürgisser gegen die Verfügung der Justizdirektion vom 26. September 1955 die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem "Antrag auf Ortszuständigkeitserklärung der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich in Sachen einzuleitendes Entmündigungsverfahren gegen Frau K." Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein.
Erwägungen
Erwägungen:
Es kann dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Entscheid ein solcher der letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 48
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BGE 82 II 165 S. 168
Entscheide, z.B. der staatsrechtlichen Kammer vom 18. Januar 1951 i.S. Steffen und vom 14. Januar 1952 i.S. Aeschbacher sowie des Kassationshofs vom 19. Oktober 1948 i.S. Favre, vom 17. Juni 1949 i.S. Stepanek und vom 16. Juni 1953 i.S. Schär). Diese Praxis ist wohlbegründet. Wer einen behördlichen Entscheid verlangt, hat dafür zu sorgen, dass er ihm zugestellt werden kann. Verunmöglicht er dies, so muss er einen gehörigen Zustellungsversuch als Zustellung gelten lassen. Mit einem solchen Falle hat man es hier zu tun. Der Berufungskläger meldete der Justizdirektion zwar seine vom 3. bis 30. Juli 1955 gültige Ferienadresse, teilte ihr aber in der Folge nicht mit, dass seine Wiener Adresse nicht mehr zutreffe. Der vor dem 6. Oktober 1955 in Wien erfolgte Zustellungsversuch setzte also die Berufungsfrist in Gang. Die Tatsache, dass die Justizdirektion nachher weitere Zustellungsversuche unternahm, hatte auf den Fristenlauf keine Einfluss (vgl.BGE 50 II 66). Als der Berufungskläger die Berufung erklärte, war die Frist von Art. 54
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