81 IV 249
54. Urteil des Kassationshofes vom 27. Oktober 1955 i. S. Schärer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Art. 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG.
- Dem Radfahrer gegenüber, der sich auf einem von der Hauptfahrbahn vollständig getrennten Radfahrweg befindet, gilt das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen nicht.
- Wenn er seine Absicht, den rechts liegenden Radfahrweg zu verlassen, rechtzeitig anzeigt, haben ihm aber die von hinten kommenden Benützer der Hauptfahrbahn an einer Strassenkreuzung den Vortritt zu lassen.
- Sie dürfen nicht so schnell fahren, dass sie ihm die Ausübung des Vortrittsrechts verunmöglichen.
Regeste (fr):
- Art. 26 al. 3 et 27 al. 1 LA.
- L'interdiction de dépasser aux croisées de routes ne s'applique pas à l'égard des cyclistes qui circulent sur une piste cyclable complètement séparée de la voie principale.
- Mais s'ils manifestent assez tôt l'intention de quitter une piste cyclable qui court à droite de la voie principale, les usagers de celle-ci ont l'obligation, s'ils viennent de derrière, de leur laisser la priorité.
- Ils ne sauraient circuler si rapidement qu'ils les empêchent d'exercer ce droit de priorité.
Regesto (it):
- Art. 26 cp. 3 e 27 cp. 1 LA.
- Il divieto di oltrepassare ai crocevia non vale nei confronti del ciclista che circola su una pista per ciclisti completamente separata dal campo stradale principale.
- Ma se il ciclista manifesta tempestivamente la sua intenzione di uscire da una pista a destra della strada principale, gli utenti di questa che sopraggiungono dietro il ciclista sono tenuti a lasciargli la priorità.
- Essi non devono viaggiare a una velocità tale da impedirgli l'esercizio del diritto di priorità.
Sachverhalt ab Seite 249
BGE 81 IV 249 S. 249
A.- Am Vormittag des 17. September 1954 näherte Heinrich Schärer sich mit seinem Personenwagen von Zürich her mit 70-75 km /Std. der ausserhalb Schlieren stehenden Garage Haller, bei der sich die Hauptstrassen Nr. 1 (Zürich-Bern) und Nr. 3 (Zürich-Baden) spitzwinklig trennen, erstere nach links abbiegend, letztere geradeaus weiterverlaufend. Er wollte mit unverminderter Geschwindigkeit Richtung Baden weiterfahren. Er sah nicht, dass er im Begriffe war, einen Radfahrer einzuholen, der sich, auf dem rechts und etwas höher liegenden Radfahrweg
BGE 81 IV 249 S. 250
gegen die Strassengabel fahrend, in der Gegend der Garage, also unmittelbar vor der Abzweigung, befand. Der Radfahrer, Eduard Bolt, war seinen Blicken durch zwei Motorwagen entzogen, die vor der Garage am rechten Rand der Hauptfahrbahn standen. Bolt wollte auf der Strasse Nr. 1 weiterfahren, streckte den linken Arm aus und fuhr gleichzeitig über die an der Gabelung liegende Rampe vom Radfahrweg auf die Hauptfahrbahn hinunter. Schärer, der ihm auf 40-30 m nahe war, bemerkte ihn nun, warnte ausgiebig und bremste kräftig. Dennoch warf er Bolt mit der Vorderseite des Wagens zu Boden und verletzte ihn.
B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich klagte Schärer auf Weisung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
C.- Schärer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Er macht geltend, es liege kein Fall des Überholens vor, weil Bolt sich auf dem von der Hauptfahrbahn durch einen Randstein deutlich getrennten Radfahrweg befunden habe. Die Rechtsprechung, wonach nicht nur an Kreuzungen
BGE 81 IV 249 S. 251
im engeren Sinne, sondern auch an Einmündungen nicht überholt werden dürfe, gelte daher nicht. Durch Anlegung von Radfahrwegen wolle man unter anderem erreichen, dass der Verkehr auf der Hauptfahrbahn sich rascher abwickeln könne. Der Führer des Motorfahrzeuges brauche nicht damit zu rechnen, dass der Radfahrer seinen Fahrweg plötzlich verlassen werde, ohne rechtzeitig ein Zeichen zu geben.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet dem Motorfahrzeugführer, an Strassenkreuzungen zu überholen. Kreuzung im Sinne dieser Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer nicht beanstandet, auch die Stelle, an der eine Strasse sich gabelt oder eine andere in sie einmündet (BGE 64 II 317,BGE 75 IV 29, 128,BGE 79 IV 70, BGE 81 IV 49, 137). Die Gabelung der Hauptstrassen Nr. 1 und 3 ausserhalb Schlieren ist daher Strassenkreuzung, an der nicht überholt werden darf.
2. Von einem Überholen kann jedoch nur die Rede sein, wenn beide Fahrzeuge sich auf der gleichen Fahrbahn befinden. Da in diesem Falle das schneller fahrende die gleichen Strassenteile benützen darf wie das langsamer fahrende, muss der Führer des ersteren auf das letztere Rücksicht nehmen, wenn er an ihm vorbeifahren will (Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG, Art. 46 Abs. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
BGE 81 IV 249 S. 252
fahrenden Fahrzeuges anzukünden (Art. 20 MFG, Art. 40
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
BGE 81 IV 249 S. 253
die Strasse überqueren, um seinen Weg gegen links oder rechts fortsetzen zu können. Rampen oder Unterbrüche in der Abgrenzung zwischen dem Radfahrweg und der Fahrbahn der Motorfahrzeuge ermöglichen ihm das und sagen ihm wie den übrigen Strassenbenützern, wo er durchzufahren hat bezw. mit seiner Durchfahrt zu rechnen ist. Kein auf den neuzeitlich schnellen Verkehr eingefahrener Motorfahrzeugführer rechnet jedoch damit, dass ein Radfahrer an solcher Stelle abbiegen werde, ohne seine Absicht eine angemessene Weile zum voraus durch Ausstrecken des Armes anzuzeigen. Die Trennung der beiden Fahrbahnen schafft weitgehend Verhältnisse, wie sie auf Autobahnen bestehen, bringt dem Radfahrer besonders eindringlich zum Bewusstsein, dass er die Vorschrift des Art. 75 Abs. 2
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
BGE 81 IV 249 S. 254
bleibt immerhin der Fall der Aufhebung des Vortrittsrechts des Radfahrers durch ein Stopsignal gemäss Art. 12 bis der Verordnung über die Strassensignalisation. Der Führer des Motorfahrzeuges hat ferner wie immer an Strassenkreuzungen die Geschwindigkeit so zu mässigen, dass er dem andern die Ausübung des Vortrittsrechtes nicht verunmöglicht (Art. 27 Abs. 1 MFG). Nur wenn er sicher ist und sicher sein darf, dass kein vortrittsberechtigter Radfahrer seine Bahn kreuzen wolle, ist er dieser Pflicht enthoben.
3. Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer Art. 26 Abs. 3 MFG nicht übertreten. Ebensowenig kann ihm eine Verletzung des Vortrittsrechtes des Radfahrers vorgeworfen werden, da dieser seine Absicht, auf der Hauptstrasse Nr. 1 weiterzufahren, erst anzeigte, als er den Radfahrweg verliess, statt eine angemessene Weile vorher. Dagegen hätte der Beschwerdeführer wegen der Annäherung an die Kreuzung die Geschwindigkeit herabsetzen sollen. Wie er selber ausgeführt und wie das Bezirksgericht angenommen hat, auf dessen tatsächliche Feststellungen das Obergericht verweist, verdeckten ihm zwei vor der Garage Haller stehende Motorwagen die Sicht auf den Radfahrweg und auf Bolt, sodass er diesen erst bemerkte, als Bolt den Weg verlassen hatte und das Fahrzeug des Beschwerdeführers ihm auf 40 bis 30 m nahe war. Mit dieser Möglichkeit hätte der Beschwerdeführer rechnen sollen. Dass Bolt den Arm zu spät ausstreckte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Vor genau gleicher Lage hätte er sich durch das plötzliche Auftauchen des Radfahrers auch gesehen, wenn dieser seine Absicht rechtzeitig angezeigt hätte. Der Beschwerdeführer hätte daher seine Geschwindigkeit bei der Annäherung an die beiden Motorwagen so stark herabsetzen sollen, dass er vor dem auftauchenden Radfahrer hätte anhalten oder hinter ihm hätte durchfahren können. Hiezu verpflichteten ihn schon Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG
BGE 81 IV 249 S. 255
und Art. 46 Abs. 3
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.