81 IV 47
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Januar 1955 i.S. Zaugg gegen Polizeiinspektorat des Kantons Basel Stadt.
Regeste (de):
- 1. Art. 26 Abs. 3 MFG.
- a) Diese Bestimmung verbietet das Überholen auch an Einmündungen.
- b) Wann ist das Verbot übertreten, wann die Übertretung nur versucht?
- 2. Art. 48 Abs. 1
MFV. Wer hat für den nötigen Abstand der Fahrzeuge einer Kolonne zu sorgen?
- 3. Art. 25 Abs. 1 MFG. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, übertritt diese Bestimmung.
Regeste (fr):
- 1. Art. 26 al. 3 LA.
- a) Cette disposition interdit également le dépassement au débouché d'une voie dans une autre.
- b) Quand l'interdiction est-elle violée, quand n'y a-t-il que tentative?
- 2. Art. 48 al. 1 RA. Qui est-ce qui doit veiller à ce qu'il y ait une distance suffisante entre des véhicules circulant en colonne?
- 3. Art. 25 al. 1 LA. Viole cette disposition celui qui, sans nécessité, en freinant violemment, s'arrête inopinément ou ralentit soudain son allure, bien qu'il sache ou doive savoir qu'il met ainsi des tiers en danger.
Regesto (it):
- 1. Art. 26 cp. 3 LA.
- a) Questa disposizione vieta di oltrepassare anche all'imbocco di una strada in un'altra.
- b) Quando il divieto è violato, quando la contravvenzione è solo tentata?
- 2. Art. 48 cp. 1 RLA. Chi deve vigilare che la distanza sia sufficiente tra autoveicoli che circolano in colonna?
- 3. Art. 25 cp. 1 LA. Viola questa disposizione chi, senza necessità, azioni violentemente i freni e si fermi inaspettatamente oppure rallenti di colpo la corsa, sebbene sappia o debba sapere che espone terzi a pericolo.
Sachverhalt ab Seite 48
BGE 81 IV 47 S. 48
A.- Hans Zaugg fuhr am 17. April 1954 um 15 Uhr in Basel mit einem Motorrad durch die Gellertstrasse Richtung St. Albantor. Bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse versuchte er vergeblich, vor den in gleicher Richtung fahrenden Personenwagen des Dr. Monsch zu kommen. Später gelang ihm dieses Unternehmen. Vor der Einmündung der Gellertstrasse in die Zürcherstrasse stoppte er das Motorrad plötzlich ab, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch zu ärgern, weil dieser ihn angeblich am Überholen gehindert hatte. Dr. Monsch konnte einen Zusammenstoss nur dadurch verhindern, dass auch er blitzschnell anhielt.
B.- In teilweiser Bestätigung eines Urteils des Polizeigerichtspräsidenten erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Zaugg am 22. Juli 1954 des vorschriftswidrigen Motorfahrens schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG zu drei Tagen Haft.
C.- Zaugg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen.
D.- Das Polizeiinspektorat von Basel-Stadt und der Statthalter des Appellationsgerichts beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
BGE 81 IV 47 S. 49
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe Dr. Monsch nicht bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse, sondern etwa hundert Meter vor der Einmündung erfolglos zu überholen versucht, ist nicht einzutreten. Die Feststellung des Appellationsgerichtes, wonach dieser Versuch auf der Höhe der erwähnten Einmündung gemacht wurde, ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof; sie kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht mit der Behauptung, sie finde im Sitzungsprotokoll keine Stütze (Art. 277 bis Abs. 1


BGE 81 IV 47 S. 50
und zwei weitere der erwähnten vier Präjudizien betreffen denn auch verbotenes Überholen an Einmündungen von links. Auch der Einwand hält nicht stand, dass Art. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 104 - Die Bestimmungen des Ersten Teils gelten mit den nachfolgenden Änderungen auch für die Übertretungen. |
BGE 81 IV 47 S. 51
diesen Schritt aber nicht vollendet, z.B. weil ihn ein Fahrgast, ins Steuer greifend, daran verhindert.
3. a) Art. 48 Abs. 1


SR 512.271 Verordnung vom 18. März 2022 über den militärischen Flugdienst (Militärflugdienstverordnung, MFV) - Militärflugdienstverordnung MFV Art. 13 Ausscheiden der Angehörigen des Fallschirmsprungdienstes - 1 Berufsfallschirmaufklärer und Berufsfallschirmaufklärerinnen, Angehörige des AAD 10 sowie Fachlehrer und Fachlehrerinnen mit Fallschirminstruktor-Lizenz im Fachdienst Fallschirm bleiben im Fallschirmsprungdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses. |
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1 | Berufsfallschirmaufklärer und Berufsfallschirmaufklärerinnen, Angehörige des AAD 10 sowie Fachlehrer und Fachlehrerinnen mit Fallschirminstruktor-Lizenz im Fachdienst Fallschirm bleiben im Fallschirmsprungdienst bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses. |
2 | Milizfallschirmaufklärer und Milizfallschirmaufklärerinnen scheiden mit der Entlassung aus der Militärdienstpflicht aus dem Fallschirmsprungdienst aus. |
b) Das bedeutet indessen nicht, der Führer des vorderen Fahrzeuges dürfe sich über die Gefahr hinwegsetzen, der er die Benützer des hinteren durch plötzliches Anhalten
BGE 81 IV 47 S. 52
oder Verzögern der Fahrt aussetzen kann. Das widerspräche dem Sinne des Art. 25 Abs. 1 MFG. Dass diese Bestimmung dem Führer im besonderen gebietet, überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, "den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten", heisst nicht, dass eine Pflicht zur Schonung der anderen Strassenbenützer nur bestehe, wenn das geeignete Mittel dazu in der Mässigung des Laufes oder im Anhalten liegt. Die Bestimmung verlangt allgemein, dass der Führer das "Fahrzeug ständig beherrsche und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpasse", d.h. die Maschine so führe, dass sie anderen nicht zum Verhängnis werden könne. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, verletzt diese Pflicht. Wenn seine Aufmerksamkeit nicht durch Beobachtung nach vorn und nach der Seite voll beansprucht wird und er nicht wegen einer drohenden Gefahr zu raschem Handeln genötigt ist, kann ihm zugemutet werden, nicht plötzlich stark zu verlangsamen oder anzuhalten, ohne sich im Rückblickspiegel oder sonstwie überzeugt zu haben, dass er damit keinen hinter ihm Fahrenden gefährde. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Führer des hinteren Fahrzeuges seiner Verpflichtung aus Art. 48 Abs. 1

BGE 81 IV 47 S. 53
gehe, ja er dürfe ohne Warnung der Führer nachfolgender Fahrzeuge nach Belieben die Geschwindigkeit herabsetzen und sogar plötzlich anhalten. In einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof hat sie jedoch am 22. Dezember 1954 erklärt, dass sie an dieser Auffassung nicht festhalte, sondern ihrerseits Art. 25 Abs. 1 MFG im Sinne obiger Erwägungen auslege. c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer vor der Einmündung in die Zürcherstrasse plötzlich abgestoppt, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch, der ihn angeblich vorher am Vorfahren gehindert hatte, zu ärgern. Er hat somit ohne Not gehandelt. Seine Einwendung, bei der Einfahrt in eine andere Strasse müsse oft plötzlich angehalten werden, um anderen den Vortritt zu lassen, ist gegenstandslos, behauptet er ja selber nicht, dass ihm ein Vortrittsberechtigter Anlass zu plötzlichem Anhalten gegeben habe. Festgestellt und nicht bestritten ist auch, dass die Tat des Beschwerdeführers für Dr. Monsch gefährlich geworden ist und dieser einen Zusammenstoss nur dadurch hat vermeiden können, dass er seinerseits blitzschnell angehalten hat. Der Beschwerdeführer ist daher zu Recht wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG bestraft worden. ...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.