80 III 122
27. Entscheid vom 16. Oktober 1954 i. S. Schweizerischer Bankverein und Kauf.
Regeste (de):
- 1. Beschwerdeführung für einen Andern; Voraussetzungen, Art. 17 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25 2 Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden. 3 Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden. 4 Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26 - 2. Wann ist der Drittschuldner zur Beschwerde über den Arrest- oder Pfändungsvollzug legitimiert? (Erw. 2).
- 3. Arrestierung von Forderungen einer Person ohne (schweizerischen) Wohnsitz: Der Arrest erfolgt am Wohnsitz des Drittschuldners, und zwar, wenn die Forderung aus Geschäften des Arrestschuldners mit einer Filiale herrührt, am Filialsitz (Erw.3).
Regeste (fr):
- 1. Plainte portée au nom d'autrui; conditions, art. 17 et suiv. LP (consid. 1).
- 2. Quand le tiers débiteur a-t-il qualité pour porter plainte au sujet de l'exécution du séquestre ou de la saisie? (consid. 2).
- 3. Séquestre des créances appartenant à une personne sans domicile (en Suisse): Le séquestre est opéré au domicile du tiers débiteur, et, s'il s'agit de créances que le débiteur séquestré possède en raison d'affaires traitées avec une succursale, il doit être opéré au siège de la succursale (consid. 3).
Regesto (it):
- 1. Reclamo interposto a nome altrui. Presupposti, art. 17 sgg. LEF (consid. 1).
- 2. Quando il terzo debitore ha veste per interporre reclamo contro l'esecuzione del sequestro o del pignoramento? (consid. 2).
- 3. Sequestro di crediti appartenenti a una persona senza domicilio (in Svizzera): il sequestro è eseguito al domicilio del terzo debitore e, se si tratta di crediti che il debitore possiede a dipendenza di affari trattati con una succursale, alla sede della succursale (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 123
BGE 80 III 122 S. 123
A.- Gegen den früher in Beyruth wohnhaften, jetzt angeblich flüchtigen und nirgends wohnhaften Otto Markos Kauf nahm Michel Chacour, Beyruth, in Basel Arrest auf "1. Guthaben und Forderungen von Otto-Marcos Kauf gegen den Schweiz. Bankverein, Hauptsitz Basel, Aeschenvorstadt 1, mit Wirkung in allen Geschäftssitzen, Niederlassungen, Ablagen und Agenturen auf dem Gebiet der ganzen Schweiz, vor allem sämtliche Werte auf Konto 43779 /II des Schweiz. Bankvereins Basel; 2. alle Wertpapiere, Titelforderungen und andere Ve rmögenswerte irgendwelcher Art, welche sich beim Schweiz. Bankverein, Hauptsitz Basel, z.G. Otto-Marcos Kauf, sei es auf einem Konto, in einem Depot oder Safe, auf eigenen Namen oder auf Namen eines Dritten, aber zur Verfügung von Kauf, befinden."
Das Betreibungsamt Basel-Stadt vollzog den dahin lautenden Arrestbefehl durch Arrestierung der Guthaben, Wertschriften, Titelforderungen und sonstigen Vermögenswerte auf Konto 43779/II beim Schweizerischen Bankverein in Basel, Aeschenvorstadt 1, ferner der Guthaben aus andern Konten, sowie Depots und Safeinhalte, die sich zu Gunsten des Otto Markos Kauf bei der erwähnten Bank in Basel befinden mögen, sei es auf eigenen Namen oder auf Namen eines Dritten. "Von der Ausdehnung des vorliegenden Arrestbeschlages auf alle Geschäftssitze, Niederlassungen, Ablagen & Agenturen des Schweiz. Bankvereins auf dem Gebiete der ganzen Schweiz wird mangels Zuständigkeit abgesehen."
B.- Über diese teilweise Verweigerung des Arrestvollzuges beschwerte sich der Gläubiger mit dem Antrag, die Verfügung des Betreibungsamtes sei, soweit sie die Wirkung des Arrestbefehls auf den Hauptsitz des Schweizerischen Bankvereins beschränkt, aufzuheben, und das Betreibungsamt sei anzuweisen, auch die Guthaben und Forderungen des Arrestschuldners gegen alle Geschäftssitze,
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Niederlassungen, Ablagen und Agenturen des Schweizerischen Bankvereins auf dem Gebiet der ganzen Schweiz zu verarrestieren.
C.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde mit Entscheid vom 27. September 1953 gutgeheissen.
D.- Gegen diesen Entscheid hat der Schweizerische Bankverein rekurriert, und zwar in eigenem Namen wie auch (als Geschäftsführer ohne Auftrag) in Namen des Arrestschuldners. Der Antrag geht auf Abweisung der Beschwerde des Gläubigers und auf Aufrechterhaltung der den Arrestvollzug auf den Hauptsitz der Bank als des Drittschuldners beschränkenden Verfügung des Betreibungsamtes.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Zum Rekurse legitimiert ist zweifellos der Arrestschuldner. Ihm konnte aber, da sein Aufenthaltsort nicht bekannt ist, der angefochtene Entscheid nicht zugestellt werden. Der Drittschuldner kann für jenen Beschwerde führen und Rekurs einlegen, wenn er dazu ermächtigt worden ist. Er kann es auch von sich aus tun, im Hinblick auf eine auf Verlangen noch beizubringende Vollmacht (BGE 61 III 46). Ob aber eine Geschäftsführung ohne Auftrag auch dann zulässig sei, wenn, wie hier, eine Vollmacht vermutlich nicht beigebracht werden könnte, ist fraglich. Das mag indessen offen bleiben, da der Drittschuldner unter den vorliegenden Umständen selber zum Rekurse legitimiert ist. Auf den Rekurs ist also jedenfalls insoweit einzutreten, als der Schweizerische Bankverein in eigenem Namen auftritt.
2. Wird zwar der Drittschuldner im allgemeinen durch Arrestierung oder Pfändung der gegen ihn wirklich oder angeblich bestehenden Forderung nicht wesentlich in seinen rechtlichen Interessen berührt (BGE 79 III 3), so kann doch die Art des Arrest- oder Pfändungsvollzuges oder eine infolge der Beschlagnahme erfolgte Amtshandlung
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derart in seine Interessen eingreifen, dass er das Vorgehen des Amtes, wenn es unrechtmässig ist, nicht zu dulden braucht, sondern auf dem Beschwerde- oder Rekurswege geltend machen kann, es werde auch ihm gegenüber unrechtmässig verfahren. So ist einem Drittschuldner zugestanden worden, sich wegen ungesetzlicher Verfügung des Betreibungsamtes über einen von jenem bei der Post einbezahlten Betrag zu beschweren (BGE 77 III 60ff., besonders Erw. 5). Im vorliegenden Falle bezeichnet der rekurrierende Drittschuldner es als ungesetzlich, gemäss dem Arrestbefehl und dem angefochtenen Entscheid eine Arrestierung bei seinem Haupsitz in Basel auch "mit Wirkung in allen Geschäftssitzen..." auf dem Gebiete der ganzen Schweiz vorzunehmen. Sollte diese von der Vorinstanz auf Beschwerde des Gläubigers angeordnete Massnahme rechtswidrig sein, so würde in der Tat auch dem Drittschuldner gegenüber rechtswidrig verfahren. Denn nach dem angefochtenen Entscheide soll die Leitung der rekurrierenden Bank am Hauptsitze angewiesen werden, sogleich auch alle (allfälligen) Forderungen des Arrestschuldners bei ihren Geschäftssitzen, Niederlassungen, Ablagen und Agenturen in der ganzen Schweiz zu sperren. Das wäre, auch abgesehen von der Verantwortung für Verzögerungen und Missverständnisse, ja allfällige Indiskretionen, eine stark in den Geschäftsbetrieb der Bank eingreifende Besorgung. Einer solchen Aufgabe braucht sich die Bank nicht zu unterziehen, wenn die Anordnung ungesetzlich ist. Dabei ist gleichgültig, ob sie unter dem Titel der Arrestvollzugskosten angemessen entschädigt würde, wie die Vorinstanz annimmt, freilich ohne sich über die Bemessung der Vergütung und über das Genügen des vom Arrestgläubiger geleisteten Kostenvorschusses auszusprechen. Denn eine mit solchen Unzukömmlichkeiten für die Bank verbundene Massnahme kann ihr auch nicht gegen angemessene Vergütung aufgedrängt werden, sofern sie der gesetzlichen Grundlage entbehrt. Vielmehr ist der Bank um der erwähnten erheblichen Interessen willen das
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Recht zur Beschwerde und zum Rekurs wegen der behaupteten Gesetzwidrigkeit zuzuerkennen.
3. Zur Bewilligung des Arrestes ist nach Art. 272
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476 |
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1 | Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476 |
1 | seine Forderung besteht; |
2 | ein Arrestgrund vorliegt; |
3 | Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören. |
2 | Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort. |
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am Sitz dieser Zweigniederlassung zu beschlagnahmen. Das Bundesgericht hat demgemäss der Arrestierung von Guthaben eines Schuldners ohne festen Wohnsitz bei der Filiale der Schweizerischen Bankgesellschaft in Locarno durch das dortige Betreibungsamt zugestimmt und ausdrücklich den Filialsitz als massgebenden Sitz des Drittschuldners bezeichnet (BGE 75 III 27unten). Davon abzuweichen, besteht kein zureichender Grund. Es erscheint nach wie vor als richtig, die zum Geschäftsbereich eines vom Hauptsitz getrennten Geschäftssitzes, einer Zweigniederlassung u.s.w. gehörenden Verbindlichkeiten als bei der betreffenden Zweigstelle befindlich anzusehen (sofern eben kein schweizerischer Wohnsitz des Gläubigers besteht, wo sie in erster Linie zu lokalisieren wären). Ist die Zweigniederlassung und dergleichen auch kein selbständiges Rechtssubjekt, und wäre eine Betreibung für die betreffende Verbindlichkeit nur am Hauptsitze zulässig (vorausgesetzt er befinde sich in der Schweiz, Art. 46 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 46 - 1 Der Schuldner ist an seinem Wohnsitze zu betreiben. |
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1 | Der Schuldner ist an seinem Wohnsitze zu betreiben. |
2 | Die im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen und Gesellschaften sind an ihrem Sitze, nicht eingetragene juristische Personen am Hauptsitze ihrer Verwaltung zu betreiben. |
3 | Für die Schulden aus einer Gemeinderschaft kann in Ermangelung einer Vertretung jeder der Gemeinder am Orte der gemeinsamen wirtschaftlichen Tätigkeit betrieben werden.83 |
4 | Die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer ist am Ort der gelegenen Sache zu betreiben.84 |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 50 - 1 Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz eine Geschäftsniederlassung besitzen, können für die auf Rechnung der letztern eingegangenen Verbindlichkeiten am Sitze derselben betrieben werden. |
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1 | Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz eine Geschäftsniederlassung besitzen, können für die auf Rechnung der letztern eingegangenen Verbindlichkeiten am Sitze derselben betrieben werden. |
2 | Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz zur Erfüllung einer Verbindlichkeit ein Spezialdomizil gewählt haben, können für diese Verbindlichkeit am Orte desselben betrieben werden. |
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz ZPO Art. 21 Todes- und Verschollenerklärung - Für Gesuche, die eine Todes- oder eine Verschollenerklärung betreffen (Art. 34-38 ZGB21), ist das Gericht am letzten bekannten Wohnsitz der verschwundenen Person zwingend zuständig. |
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SchKG zuständigen Arrestbehörde erwirkten Arrestbefehls. Nicht nur hat sich deshalb das Betreibungsamt Basel-Stadt im vorliegenden Falle mit Recht zur Vornahme von Vollzugshandlungen bei Geschäftssitzen, Zweigniederlassungen u.s.w. des Schweizerischen Bankvereins ausserhalb des Kantons Basel-Stadt als unzuständig erklärt. Es hat sich aus guten Gründen nicht dazu bereit gefunden, diese auswärtigen Filialen mittelbar zu erfassen, wie es der Gläubiger wünschte: durch Arrestierung der Filialverbindlichkeiten am Hauptsitz in Basel. Damit wäre entgegen gutem Gewohnheitsrecht fingiert worden, die zum Geschäftsbereich der Filialen gehörenden Verbindlichkeiten seien am Hauptsitze domiziliert. Ausserdem wäre auf solche Weise der Leitung der Bank am Hauptsitz eine Aufgabe übertragen worden, die richtigerweise vom - örtlich zuständigen - Betreibungsamte selbst zu erfüllen ist. Nach alldem hält der das Begehren des Gläubigers gutheissende Entscheid der Vorinstanz der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Beschwerde abgewiesen.