S. 20 / Nr. 6 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 79 III 20

6. Entscheid vorn 15. Januar 1953 i. S. Schumacher.

Regeste:
Zwangsversteigerung, Zahlung des Steigerungspreises (Art. 129 SchKG).
"Verrechnungsrecht" des Bieters, der zugleich einziger Gläubiger ist. Pflicht,
die Forderungsurkunde quittiert herauszugeben bzw. sie zwecks Anmerkung des
noch ausstehenden Forderungsbetrags vorzulegen (Art. 150 SchKG).
Vente aux enchères. Payement du prix d'adjudication (art. 129 LP).
L'enchérisseur qui se trouve être l'unique créancier a-t-il le droit de
compenser l'Obligation de restituer le titre acquitté ou, le cas échéant de le
présenter pour qu'on y appose une annotation indiquant la somme pour laquelle
il demeure valable (art. 150 LP).
Vendita ai pubblici in canti. Pagamento del prezzo di aggiudicazione (art. 129
LEF). All'offerente, unico creditore, compete il diritto alla compensazione?
Obbligo di restituire il titolo di credito quietanzato o, eventualmente, di
presentarlo affinché vi si possa annotare l'importo del credito pel quale
rimane valevole (art. 150 LEF).

In der Betreibung, die der Rekurrent für eine Forderung von Fr. 900.- nebst
Zins und Kosten gegen Alois Ambühl führt, beauftragte das Betreibungsamt
Luzern das Betreibungsamt Basel-Stadt, die vier gepfändeten, in Basel
befindlichen Ölgemälde im Schätzungswerte von zusammen Fr. 280.- zu verwerten.
Nach Erhalt der Steigerungsanzeige schrieb der Rekurrent dem Betreibungsamte
Basel-Stadt, er offeriere für die vier Bilder je Fr. 70.-; da er alleiniger
Gläubiger dieser Gruppe sei, stehe ihm das Verrechnungsrecht zu. Das
Betreibungsamt antwortete ihm, das Gantangebot (d.h. der angebotene Betrag)
müsse vor der Steigerung in seinem Besitze sein; sofern er ein
Verrechnungsrecht geltend mache, bedürfe es noch der Zustimmung des
Betreibungsamtes Luzern. Da dieses die vom Betreibungsamt Basel-Stadt
gewünschte schriftliche

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Ermächtigung zur Verrechnung nicht ausstellte und der Rekurrent den Betrag von
Fr. 280.- nicht einzahlte, schlug das Betreibungsamt Basel-Stadt bei der
Steigerung vom 21. November 1952 die vier Gemälde vier andern Bietern zu
insgesamt Fr. 127.- zu.
Hierauf führte der Rekurrent am 1. Dezember 1952 Beschwerde mit dem Begehren
um Aufhebung der Steigerung. Er macht geltend, in seiner Eigenschaft als
einziger Gläubiger der Gruppe habe er das Verrechnungsrecht beanspruchen
können.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 30. Dezember 1952 die Beschwerde
abgewiesen. Sie nahm an, gemäss Art. 129 SchKG habe die Versteigerung
grundsätzlich gegen Barzahlung zu erfolgen. Doch stehe es im Ermessen des
Betreibungsamtes, ob es einen Zahlungstermin von höchstens 20 Tagen oder die
Tilgung der Kaufpreisforderung durch Verrechnung bewilligen wolle. Eine solche
Verrechnung sei jedoch für das Amt mit einem finanziellen Risiko verbunden, da
bis zur Verteilung des Erlöses die Anmeldung von Drittansprachen möglich sei,
bei deren Durchdringen es "gehalten wäre, einen Erlös, den es gar nie erhalten
hat, zu zahlen". Wenn das Basler Amt dieses Risiko nicht habe übernehmen
wollen, habe es im Rahmen seines Ermessens durchaus pflichtgemäss und
vorsichtig gehandelt, "als es das Angebot des Rekurrenten nicht zur
Verrechnung entgegennahm".
Diesen Entscheid hat der Rekurrent an das Bundesgericht weitergezogen mit der
Begründung, sein den erzielten Zuschlagspreis übersteigendes Angebot hätte
berücksichtigt werden sollen, obwohl er den Steigerungspreis nicht bar zahlen,
sondern mit seiner Forderung habe verrechnen wollen denn hiezu sei er
berechtigt gewesen.
Die Schublbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 129 Abs. 1 SchKG geschieht die Versteigerung gegen Barzahlung.
Nach dem Wortlaut dieser

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Bestimmung kann der Ersteigerer seine Verpflichtung zur Entrichtung des
Steigerungspreises nicht in an derer Weise als durch Geldzahlung tilgen, also
namentlich nicht durch Verrechnung. Hievon schafft Art. 129 Abs. 2, wonach der
Betreibungsbeamte einen Zahlungstermin von höchstens 20 Tagen bewilligen kann,
keine Ausnahme in dem Sinne, dass es im Ermessen des Beamten stehe, dem
Ersteigerer die Verrechnung zu gestatten. Diese Vorschrift stellt nur die
Festsetzung des Zeitpunktes, nicht auch die Bestimmung der Art der Begleichung
des Preises in einem gewissen Umfange dem Ermessen des Amtes anheim.
Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass das (gemäss BGE 69 III 57 an sich
zulässige) schriftliche Angebot des Rekurrenten deswegen, weil er unter
Berufung auf seine Stellung als einziger Gläubiger das "Verrechnungsrecht" für
sich in Anspruch nahm, unbeachtlich gewesen sei. Eine eigentliche Verrechnung
des Steigerungspreises mit einer dem Rekurrenten als betreibenden Gläubiger
zustehenden Forderung konnte dabei in Wirklichkeit gar nie nicht gemeint sein,
weil der Zuschlag bei der Zwangsversteigerung nicht etwa eine
Kaufpreisforderung des betriebenen Schuldners begründet, die, wenn die
Sondervorschrift von Art. 129 SchKG nicht bestünde, mit der in Betreibung
gesetzten Forderung verrechnet werden könnte, und weil der Gläubiger, der den
Zuschlag erwirkt hat, keinen Anspruch auf Auszahlung des Steigerungserlöses
besitzt, solange er den Steigerungspreis dem Amte nicht eingezahlt hat. Der
wahre Sinn der Erklärung des Rekurrenten konnte nur der sein, dass er die
Zahlung des Steigerungspreises ablehnte, weil dadurch die Verpflichtung des
Amtes zu sofortiger Rückleistung des einbehalten Betrages ausgelöst worden
wäre. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatze, dass eine Leistung,
durch die der Empfänger zu sofortiger Rückgewähr des Empfangenen verpflichtet
würde, nicht erbracht zu werden braucht, sondern unter Hinweis auf diesen
Sachverhalt abgelehnt werden darf. Der Anwendung dieses Grundsatzes auf Fälle
wie den vorliegenden steht

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Art. 129 SchKG seinem Sinne nach nicht entgegen. Diese Vorschrift bestimmt,
auf welche Weise der Ersteigerer den Steigerungspreis zu entrichten hat. Sie
gilt also nur unter der als selbstverständlich nicht ausdrücklich
hervorgehobenen Voraussetzung, dass er diesen Preis überhaupt begleichen muss,
und schliesst die Möglichkeit nicht aus, dass diese Voraussetzung
ausnahmsweise einmal fehlen kann. Vom Erfordernis der Erlegung des
Steigerungspreises im Hinblick auf die mit der Zahlung entstehende
Rückleistungspflicht abzusehen, ist aber immerhin nur statthaft, wenn diese
Pflicht liquid ist. Ersteigert der einzige betreibende Gläubiger (oder ein
Gläubiger, der gegenüber allen andern nach Art. 110 SchKG das Worrecht auf den
Erlös geniesst) eine gepfändete Sache, so ist ohne weiteres klar, dass der
Steigerungspreis (abzüglich der Kosten) bis zum Betrage der
Betreibungsforderung diesem Gläubiger zukommt. Er braucht ihn daher insoweit
überhaupt nicht zu begleichen (vgl. BGE 59 III 82 Erw. 2; JAEGER N. 2 zu Art.
129 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch S. 436 Anm. 39) Für diese Auffassung spricht
ausser der Erwägung, dass die Leistung einer ihrem Zwecke nach für den
Zahlenden selber bestimmten Zahlung sinnlos ist, auch die Überlegung, dass es
im Interesse des Schuldners wie des Gläubigers liegt, diesem zu gestatten, bei
der Steigerung bis zum Betrage seiner Forderung bieten zu können, ohne Zahlung
leisten zu müssen. Sonst kann es geschehen, dass ein wertvoller Gegenstand zu
ihrer beider Nachteil verschleudert wird, nur weil dem Gläubiger nicht
genügend Bargeld zur Verfügung steht, während er anderseits eine Forderung
hat, die den wirklichen Wert des versteigerten Gegenstandes vielleicht weit
übersteigt und ihm bei Zulassung der "Verrechnung" ein besseres Angebot
erlaubt hätte.
Das Bedenken der Vorinstanz, mit der Bewilligung der "Verrechnung" sei für das
Betreibungsamt ein finanzielles Risiko verbunden, fällt dahin, wenn man
annimmt, dass der Gläubiger unabhängig von einer Bewilligung des Amtes

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berechtigt ist, die Zahlung des Steigerungspreises zu verweigern. Im übrigen
ist selbst vom Standpunkte der Vorinstanz aus nicht recht einzusehen, wieso
die Erteilung einer derartigen Bewilligung Verantwortlichkeitsansprüche gegen
den Betreibungsbeamten oder gar eine Ersatzpflicht des Amtes (Staates)
begründen könnte. Wenn das Betreibungsamt, wie die Vorinstanz annimmt, nach
seinem Ermessen darüber zu befinden hätte, ob der Gläubiger "verrechnen"
dürfe, so wäre es nicht verpflichtet, bei seiner Entscheidung auf die
Interessen von unbekannten Dritten zu achten, die allenfalls gemäss Art. 107
Abs. 4 SchKG noch am Erlös eine Ansprache geltend machen könnten. Dies umso
weniger, als diesen Dritten mit der Nichtzulassung der "Verrechnung" wenig
geholfen wäre; denn hiedurch würde die Frist, während welcher sie ihre
Ansprache noch anmelden könnten, normalerweise nur unwesentlich verlängert,
weil die Verteilung des Erlöses, die hier einfach in der Rückgabe des als
Preis einbezahlten Betrages an den Gläubiger bestünde, gemäss Art. 144 Abs. 1
SchKG alsbald nach der Verwertung zu erfolgen hat.
Die Regel, wonach der allein betreibende Gläubiger den Steigerungspreis nur
insoweit zu erlegen hat, als er seine Forderung übersteigt, ist auch
anwendbar, wenn die Steigerung nicht von dem Amte, bei dem die Betreibung
anhängig ist, sondern auf dessen Ersuchen von einem andern Amte durchgeführt
wird. Die Zustimmung des ersuchenden Amtes ist nicht erforderlich. Es dürfte
nicht einmal einer gegenteiligen Weisung dieses Amtes Folge geleistet werden,
weil eben ein unentziehbares Recht des Gläubigers in Frage steht.
Das Betreibungsamt Basel-Stadt hat demnach das Angebot des Rekurrenten zu
Unrecht nicht berücksichtigt, sodass der Zuschlag zu einem unter diesem
Angebot liegenden Preise aufzuheben ist.
2.- Sofern die Forderung eines Gläubigers vollständig gedeckt wird, hat er
nach Art. 150 Abs. 1 SchKG die

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Forderungsurkunde zu quittieren und dem Betreibungsbeamten zu Handen des
Schuldners herauszugeben. Wird die Forderung nur teilweise gedeckt, so behält
er nach Art. 150 Abs. 2 die Urkunde doch hat das Betreibungsamt auf ihr zu
bescheinigen oder durch die zuständige Beamtung bescheinigen zu lassen, für
welchen Betrag die Forderung noch zu Recht besteht. Diesen Vorschriften ist im
Falle des Zuschlags an einen Bieter, der sich als einziger Gläubiger zu
erkennen gibt und gestützt hierauf die Zahlung des Steigerungspreises ablehnt,
in der Weise Nachachtung zu verschaffen, dass diesem Ersteigerer im Sinne von
Art. 129 Abs. 2 SchKG eine Frist zur Herausgabe der quittierten
Forderungsurkunde bzw. zu deren Vorlegung zwecks Anbringung des Vermerks
gemäss Art. 150 Abs. 2 angesetzt und die ersteigerte Sache erst nach Befolgung
dieser Aufforderung übergeben wird. Wenn der Ersteigerer innert der ihm
angesetzten Frist die ihm nach Art. 150 obliegenden Handlungen nicht vornimmt
und auch nicht etwa den Steigerungspreis erlegt, was ihm freisteht, so ist
gemäss Art. 129 Abs. 3 SchKG der Zuschlag aufzuheben und eine neue Steigerung
anzuordnen.
Demnach erkennt die Schuldbetr. - u. Konkurskammer:
In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und die
Steigerung vom 21. November 1952 aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 79 III 20
Date : 01. Januar 1953
Published : 15. Januar 1953
Source : Bundesgericht
Status : 79 III 20
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Zwangsversteigerung, Zahlung des Steigerungspreises (Art. 129 SchKG). "Verrechnungsrecht" des...


Legislation register
SchKG: 107  110  129  144  150
BGE-register
59-III-78 • 69-III-56 • 79-III-20
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