S. 333 / Nr. 55 Verfahren (d)

BGE 79 II 333

55. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juli 1953 i. S. Dell'Acqua gegen
Broch.


Seite: 333
Regeste:
Streitwert für die Berufung (Art. 46 OG).
Der Barwert einer Kinderrente (Art. 156 /157 319/320 ZGB), soweit sie in der
letzten kantonalen Instanz noch streitig war, ist nach dem bei der
Klageanhebung massgebenden Alter zu berechnen, zum Zinssätze von 3½%
Valeur litigieuse en matière de recours en réforme (art. 46 OJ).
La valeur en capital d'une pension allouée à un enfant (art. 156/157; 319/320
CC) doit, en tant que la pension est encore en discussion devant la dernière
juridiction cantonale, être calculée d'après l'âge déterminant lors de
l'introduction de l'action, au taux de 3½%.
Valore litigioso in materia di diritto per riforma (art. 46 OG).
Il valore in capitale d'una pensione accordata ad un figlio (art. 156/157;
319/320 CC) dev'essere calcolato, in quanto è ancora litigioso davanti
all'ultima giurisdizione cantonale, secondo l'età determinante al momento
dell'introduzione dell'azione, al saggio 3½%

A. - Bei der Scheidung der Eheleute Broch-Dell'Acqua durch Urteil vom 3. Juni
1947 wurde der am 21. Januar 1944 geborene Knabe der Mutter zugewiesen und der
Vater zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen für das Kind verpflichtet, bemessen
auf je Fr. 60.- bis zu dessen 10., und auf je Fr. 80. von da an bis zum
zurückgelegten 18. Altersjahr.
B. - Mit Klage vom 29. Februar 1952 verlangte der nun wieder verheiratete
Vater Herabsetzung der Kinderalimente auf die Hälfte der im Scheidungsurteil
festgesetzten Beträge. Das Appellationsgericht hiess die Klage durch Urteil
vom 28. April 1953 in dem Sinne teilweise gut, dass von der Rechtskraft des
Urteils an bis zum vollendeten 18. Altersjahr des Kindes monatlich Beiträge
von je Fr. 50.- zu zahlen seien.
C. - Mit vorliegender Berufung hält die Beklagte am Antrag auf gänzliche
Abweisung der Klage fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Berufungsklägerin bemisst den Streitwert auf mehr als den nach Art. 46
OG erforderlichen Betrag

Seite: 334
von Fr. 4000.- Sie zieht zuerst die streitigen Einzelbeträge für 18 Monate in
Betracht. Dazu rechnet sie den zu 2½% kapitalisierten Wert der
Monatsbetreffnisse von Fr. 50. für einen zehnjährigen Knaben nach Tafel 9 von
PICCARD. Streitig sind indessen vom 10. Altersjahr des Knaben an nur monatlich
Fr. 40.- Ferner besteht kein zureichender Grund, von dem seit 1946 (BGE 72 II
134
) um der wünschbaren Stabilität willen beibehaltenen Zinssätze von 3½% ab
zugehen, der übrigens dem üblichen Zinsfusse für erstklassige Hypotheken
entspricht (vgl. PICCARD, Lebenserwartungs-, Barwert- und Rententafeln, S.
Auflage, S. 52 ff.).
2.- Im übrigen sind für die Streitwertbemessung nach ständiger Rechtsprechung
die Verhältnisse zur Zeit der Klageanhebung massgebend. Nach Art. 36 Abs. 1 OG
wird der Streitwert eben durch das klägerische Rechtsbegehren bestimmt. (Auch
Art. 51 OG geht von der Streitwertangabe der Klage aus.) Für die Frage der
Zulässigkeit der Berufung an das Bundesgericht fallen dann allerdings nach
Art. 46 OG die Rechtsbegehren in Betracht, wie sie vor der letzten kantonalen
Instanz noch streitig waren. Allein, bereits die entsprechende Ordnung des
alten OG wurde dahin ausgelegt, dass zwar eine im Laufe des kantonalen
Verfahrens eingetretene Änderung der streitigen Begehren zu beachten, der Wert
des (gleich gebliebenen oder, eben gemäss den Begehren, im Laufe des Prozesses
veränderten) Streitgegenstandes jedoch nach dem schon für die Klage massgebend
gewesenen Stichtag zu bestimmen sei (BGE 48 II 412). Das gilt gerade auch für
die Berechnung des Barwertes einer Rente (BGE 59 II 339). Hat die Pflicht zu
deren Leistung nach dem Klagebegehren schon begonnen, so ist somit für den
Bar- und damit für den Streitwert kein späterer Zeitpunkt massgebend. Freilich
rechnet man, um die Barwerttafeln leicht handhaben zu können, nicht nach einem
vom Geburtstag des Berechtigten verschiedenen Tag, sondern nach dem dem
Stichtag am nächsten liegenden Geburtstag.

Seite: 335
Keine grundsätzliche Abweichung hievon, sondern nur eine besondere Art der
Fixierung des unveränderlichen Stichtages bedeutet es, wenn BGE 61 II 68 für
die Bewertung des Unterhaltsgeldes für ein aussereheliches Kind nach Art. 319
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.

ZGB in allen Fällen den Tag der Geburt als massgebend erklärt.
Nicht um den Streitwert handelt es sich bei der Art der Bestimmung des
Schadenersatzes im Haftpflichtrecht. Dort wird gewöhnlich bis zum Zeitpunkt,
in dem nach der kantonalen Prozessordnung neue Tatsachen zu berücksichtigen
sind, also mitunter bis zum Urteil der letzten kantonalen Instanz, eine
konkrete Schadensberechnung vorgenommen, mit Zuerkennung entsprechender
Renten. Erst für die Zukunft erfolgt eine. Kapitalabfindung und zwar auf Grund
einer vom Zeitpunkt, in dem die Rentenleistungen aufhören, ausgehenden
Barwertberechnung (BGE 77 II 152). Allein, diese Art, den Schadenersatz zu
bestimmen, hat nicht notwendig Einfluss auf die Streitwertberechnung.
Jedenfalls im Gebiete der familienrechtlichen Kinderrenten (Art. 156 /157 ,
319
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.
/320
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 320 - 1 Abfindungen, Schadenersatz und ähnliche Leistungen dürfen in Teilbeträgen entsprechend den laufenden Bedürfnissen für den Unterhalt des Kindes verbraucht werden.
1    Abfindungen, Schadenersatz und ähnliche Leistungen dürfen in Teilbeträgen entsprechend den laufenden Bedürfnissen für den Unterhalt des Kindes verbraucht werden.
2    Erweist es sich für die Bestreitung der Kosten des Unterhalts, der Erziehung oder der Ausbildung als notwendig, so kann die Kindesschutzbehörde den Eltern gestatten, auch das übrige Kindesvermögen in bestimmten Beträgen anzugreifen.
ZGB) ist an der erwähnten Rechtsprechung festzuhalten. Es handelt sich
um Rentenansprüche, wobei eine Kapitalabfindung gar nicht vorgesehen ist. Die
für die Bemessung der Leistungen erheblichen Verhältnisse sind in der Regel
ziemlich stetig, anders als in vielen Haftpflichtfällen. Umso weniger wäre es
angebracht, durch Annahme einer sich fortlaufend verschiebenden Grundlage der
Streitwertberechnung Unsicherheit zu schaffen. Es soll vielmehr für die ganze
Dauer des Prozesses feststehen, ob für einen Rentenanspruch von bestimmter
Höhe der Streitwert von mindestens Fr. 4000.- nach Art. 46 OG gegeben sein
wird, sofern das Begehren im betreffenden Betrage streitig bleibt. Damit wird
auch billige Rücksicht genommen auf kantonale Prozessordnungen, welche bei
voraussichtlicher Zulässigkeit einer Berufung an das Bundesgericht eine
einzige kantonale Instanz vorsehen.
3.- Nach Tafel 9 von Piccard bemisst sich der

Seite: 336
Barwert der streitigen Monatsrente von Fr. 30.- für einen achtjährigen Knaben
bis zum 18. Altersjahr auf
1011 X 3 = Fr. 3033.-
Dazu kommt der vom 10. Jahr an streitige Mehrbetrag von je
Fr. 10.- = » 837.-
Zusammen Fr. 3870.-
also weniger als Fr. 4000.-
Demnach erkennt das Bundesgericht Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 II 333
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 03. Juli 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 II 333
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Streitwert für die Berufung (Art. 46 OG).Der Barwert einer Kinderrente (Art. 156/157 319/320 ZGB)...


Gesetzesregister
OG: 36  46  51
ZGB: 156  157  319 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.
320
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 320 - 1 Abfindungen, Schadenersatz und ähnliche Leistungen dürfen in Teilbeträgen entsprechend den laufenden Bedürfnissen für den Unterhalt des Kindes verbraucht werden.
1    Abfindungen, Schadenersatz und ähnliche Leistungen dürfen in Teilbeträgen entsprechend den laufenden Bedürfnissen für den Unterhalt des Kindes verbraucht werden.
2    Erweist es sich für die Bestreitung der Kosten des Unterhalts, der Erziehung oder der Ausbildung als notwendig, so kann die Kindesschutzbehörde den Eltern gestatten, auch das übrige Kindesvermögen in bestimmten Beträgen anzugreifen.
BGE Register
48-II-412 • 59-II-339 • 61-II-68 • 72-II-132 • 77-II-152 • 79-II-333
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
streitwert • monat • bundesgericht • stichtag • rechtsbegehren • wert • vater • schadenersatz • kapitalabfindung • kinderrente • tag • dauer • scheidungsurteil • barwerttafeln • zinsfuss • wille • aussereheliches kind • beklagter • kantonales verfahren • mutter
... Alle anzeigen