S. 364 / Nr. 54 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 78 I 364

54. Urteil vom 14. November 1952 i. S. Hiestand gegen Steuerrekurskommission
des Kantons Schwyz.


Seite: 364
Regeste:
Wehrsteuer: Abzug von Gewinnungskosten bei der Veranlagung unselbständig
Erwerbender. Auslagen für die Fahrt vom Wohn-an den Arbeitsort; Mehrkosten für
auswärtige Verpflegung.
Impôt pour la défense nationale: Déduction de frais généraux dans la taxation
de contribuables exerçant une activité dépendante. Dépenses pour le transport
du lieu du domicile au lieu du travail frais supplémentaires pour les repas
pris hors du domicile.
Imposta per la difesa nazionale: Deduzione delle spese generali nella
tassazione di un contribuente che esercita un'attività dipendente. Spese poi
viaggio dal luogo di domicilio al luogo di lavoro spese supplementari per i
pasti presi fuori domicilio.

A. - H. Hiestand, welcher ledig ist, war in den Jahren 1947 und 1948, der
Berechnungsperiode für die Wehrsteuer der V. Periode, als Bankbeamter in
Zürich tätig, während er bei seinen von ihm unterstützten Eltern in Bäch
(Schwyz) wohnte. Er fuhr täglich mit der Bahn nach Zürich und nahm von Montag
bis Freitag dort die Mittagsmahlzeit ein. In seiner Steuererklärung für die

Seite: 365
Wehrsteuer V machte er unter der Rubrik «Berufsauslagen bei unselbständiger
Erwerbstätigkeit» einen Abzug von jährlich Fr. 690.- geltend, nämlich für 12
Bahnabonnemente zu Fr. 28.70 und für Mehrkosten der auswärtigen Verpflegung
(230 Malzeiten zu Fr. 1.50). Die Veranlagungsbehörde anerkannte den Abzug für
die Fahrkosten, strich aber denjenigen von Fr. 345.- für Mehrkosten der
Verpflegung.
Die Beschwerde des Steuerpflichtigen gegen den bestätigenden
Einspracheentscheid wurde von der Steuerrekurskommission des Kantons Schwyz am
31. Juli 1951 abgewiesen. In der Begründung des Rekursentscheides wird
ausgeführt, Auslagen für die Verpflegung seien grundsätzlich, als Kosten der
Lebenshaltung, nicht abziehbar. Mehrauslagen für auswärtige Verköstigung
könnten nur abgerechnet werden, wenn die Berufstätigkeit sie notwendig mache,
nicht aber, wenn ihnen wie hier rein private Motive zugrunde lägen. Die
Aufwendungen des Beschwerdeführers für das Mittagessen in Zürich überstiegen
den normalen Verbrauch nicht und seien nur deshalb höher, als sie in Bäch
wären, weil er sich hier bei seinen Eltern billig verpflegen könnte. Müsste er
sich wie ein zugezogener lediger Aufenthalter mittags am Wohnort in einer
Pension oder Wirtschaft verköstigen, so hätte er kaum weniger zu bezahlen als
am Arbeitsort. Die Zulassung des streitigen Abzuges verstiesse gegen den
Grundsatz der Rechtsgleichheit.
B. - Mit seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Hiestand, den Abzug
der Mehrkosten für auswärtige Verpflegung im Betrage von Fr. 345.-, eventuell
in einem vom Gericht nach Ermessen zu bestimmenden Umfange, zu bewilligen. Er
macht geltend, die Wegleitung zur Steuererklärung für die Wehrsteuer V sehe
den Abzug der Mehrkosten für auswärtige Verpflegung bei unselbständiger
Erwerbstätigkeit allgemein vor, ohne zwischen Verheirateten und Ledigen zu
unterscheiden. Man habe mit dieser Ordnung der Landflucht und Verstädterung
wehren

Seite: 366
wollen. Es würde dem Gebot der Rechtsgleichheit zuwiderlaufen, dem Ledigen im
Unterschied zum Verheirateten den Abzug zu versagen. Auch der Ledige finde auf
dem Lande, sei es bei den Eltern oder sonstigen Verwandten, sei es bei
Dritten, meist billigere Verpflegung als in der Stadt. Durch Einnahme der
Mahlzeit an dem vom ländlichen Wohnort entfernten Arbeitsort erwüchsen ihm die
Mehrkosten wie einem Verheirateten. Der Beschwerdeführer wohne an seinem
Heimatort zusammen mit seinen betagten Eltern und sorge für diese, wie auch
für zwei Kinder seines verstorbenen Bruders es sei grotesk, zu sagen, rein
private und egoistische Interessen hielten ihn von der Wohnsitznahme in Zürich
ab.
C. - Die kantonalen Behörden schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Die eidg. Steuerverwaltung hat zunächst den gleichen Antrag gestellt, dann
aber, in Beantwortung einer Rückfrage des Bundesgerichts, unter Hinweis auf
die Auffassungen der Wehrsteuerbehörden in den verschiedenen Kantonen, den
Anspruch des Beschwerdeführers anerkannt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 22 Abs. 1 lit. a WStB werden die zur Erzielung des steuerbaren
Einkommens erforderlichen Gewinnungskosten vorn rohen Einkommen abgezogen. In
Betracht kommen alle Aufwendungen, die unmittelbar für die Gewinnung des
Einkommens gemacht werden. Für die Kosten des Unterhalts des Steuerpflichtigen
und seiner Familie trifft diese Voraussetzung nicht zu sie werden denn auch in
Art. 23 WStB ausdrücklich vom Abzug ausgeschlossen (BGE 78 I 148). Art. 22
Abs. 1 lit. a WStB gilt nicht nur für selbständig, sondern auch für
unselbständig Erwerbende, wenn es auch weniger häufig vorkommt, dass diese in
unmittelbarem Zusammenhang mit der Erzielung ihres Einkommens Aufwendungen zu
machen haben. Die

Seite: 367
Frage, ob dies der Fall sei, stellt sich namentlich dann, wenn der Arbeitsort
vom Wohnort entfernt ist, für die Kosten, welche dem Steuerpflichtigen aus der
täglichen Fahrt zwischen den beiden Orten und allenfalls daraus erwachsen,
dass die Verpflegung auswärts teurer als zu Hause ist.
a) Das Bundesgericht hat sich bei der Anwendung von Art. 5 B a, Abs. 2 MStG -
wo ebenfalls der Abzug der «mit der Gewinnung des Erwerbs verbundenen
Unkosten» vorgesehen ist - auf den Standpunkt gestellt, Auslagen für die
Erreichung des Arbeitsortes gehörten in der Regel nicht zu den abzugsfähigen
Gewinnungskosten, da sie nicht durch die Erwerbstätigkeit selbst veranlasst
seien, sondern sich als Aufwendungen darstellten, die durch die persönlichen
Verhältnisse des Ersatzpflichtigen bedingt seien auszunehmen sei der Fall, wo
es dem Pflichtigen nicht möglich sei, am Arbeitsort zu wohnen (Urteil vom 12.
September 1929 i. S. Grob und weitere nicht veröffentlichte Entscheide).
Gestützt auf diesen Vorbehalt hat das Gericht in einem neueren Urteil (vom 19.
Dezember 1949 i. S. Benz, nicht publiziert) entschieden, mit Gewinnungskosten
habe man es auf jeden Fall dann zu tun, wenn der Ersatzpflichtige infolge der
am Arbeitsort herrschenden Wohnungsnot anderswo wohnen müsse. Damit hat es
durchblicken lassen, dass die Richtigkeit der bisherigen Rechtsprechung
bezweifelt werden könne. In der Tat ergibt eine nähere Prüfung, dass daran
nicht festgehalten werden kann. Nach fest stehender Praxis, von welcher
abzuweichen kein Grund besteht, dürfen selbständig Erwerbende (oder
Gesellschaften) bei der Veranlagung zu den direkten Bundessteuern als
Gewinnungskosten alle Aufwendungen abziehen, die sie nach ihrem geschäftlichen
Ermessen als der Erzielung des Einkommens oder Gewinns förderlich erachten;
die Steuerbehörde darf den Abzug nicht einfach deshalb ablehnen, weil sie
findet, die betreffende Aufwendung sei wirtschaftlich nicht notwendig gewesen
(oder habe einem unerlaubten Geschäftszweck

Seite: 368
gedient) und hätte daher vermieden werden können und sollen; sie kann nur
eingreifen, wenn die Geschäftsgebarung als ungewöhnlich («insolite»),
sachwidrig oder absonderlich, der wirtschaftlichen Gegebenheit völlig
unangemessen erscheint, oder wenn anzunehmen ist, man habe damit lediglich
Steuern einsparen wollen, die bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse
geschuldet wären (BGE 70 I 255, 74 I 298). Es geht daher nicht an, den
unselbständig Erwerbenden den Abzug von Unkosten bloss beim Nachweis der
Unvermeidbarkeit zu gewähren; die gegenteilige Auffassung ist mit dem
Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht vereinbar. Zu eng ist auch die in der
zweiten Vernehmlassung der eidg. Steuerverwaltung vertretene Ansicht, wonach
der Abzug von Fahrauslagen jedenfalls dann zu versagen wäre, wenn dem
Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann, am Arbeitsort oder in dessen
Nähe zu wohnen. Richtig ist allerdings, dass Fahrkosten nur dann als
Gewinnungskosten anerkannt werden können, wenn die Wohnung in einer
beachtenswerten Entfernung von der Arbeitsstätte liegt; ist der Abstand so
gering, dass dem Pflichtigen zugemutet werden darf, zu Fuss zur Arbeit zu
gehen, so kann von Auslagen, welche zur Erzielung des Einkommens erforderlich
wären, von vornherein keine Rede sein. Abgesehen hievon ist aber der Abzug von
Fahrauslagen immer schon dann zulässig, wenn sie infolge der Entfernung
zwischen Wohnung und Arbeitsplatz tatsächlich entstanden sind; ist diese
Voraussetzung erfüllt, so hat man es mit Kosten zu tun, welche (unter den
bestehenden Umständen) zur Erzielung des Einkommens erforderlich sind. Für
diese Auslegung - welche anscheinend auch dem einschlägigen Kreisschreiben der
eidg. Steuerverwaltung vom 29. September 1952 (Archiv für Schweiz. Abgaberecht
21, 138) zugrunde liegt und welcher die Wehrsteuerbehörden in den Kantonen
mehrheitlich folgen - spricht auch die Erwägung, dass es zu unverhältnismässig
grossen Schwierigkeiten führen müsste, wenn in jedem einzelnen Fall zu

Seite: 369
untersuchen wäre, ob es dem Steuerpflichtigen möglich oder zuzumuten gewesen
wäre, an den Arbeitsort oder in dessen Nähe zu ziehen.
b) Mehrkosten, welche den unselbständig Erwerbenden daraus erwachsen, dass sie
wegen der Entfernung der Arbeitsstätte von der Wohnung auswärts Mahlzeiten
einnehmen, sind gleich zu behandeln wie die aus demselben Grunde entstehenden
Fahrkosten. Auch hier kann nicht entscheidend sein, ob das Wohnen in der Nähe
des Arbeitsplatzes möglich oder zumutbar wäre. Ebensowenig ist die von den
Wehrsteuerbehörden gewisser Kantone befolgte Praxis zulässig, einen Abzug
unter diesem Titel den Ledigen entweder überhaupt zu versagen oder nur unter
besonderen Umständen (Hausgemeinschaft mit Angehörigen, Unterstützungspflicht)
zu gewähren. Es kommt einzig darauf an, ob die Arbeitsstätte in einer
beachtenswerten Entfernung von der Wohnung liegt und deswegen tatsächlich
Mehrkosten für auswärtige Verpflegung entstehen. Ist dies der Fall, so sind
die Mehrauslagen nicht als Unterhaltskosten im Sinne des Art. 23 , sondern als
Gewinnungskosten nach Art. 22 Abs. 1 lit. a WStB zu betrachten und daher
abzuziehen.
2.- Im vorliegenden Falle ist die Entfernung zwischen Arbeits- und Wohnstätte
zweifellos beachtenswert. Die Kosten der Fahrt zur Arbeit sind im kantonalen
Verfahren mit Recht vom rohen Einkommen abgerechnet worden. Darüber hinaus und
auch die tatsächlichen Mehrkosten für das auswärtige Mittagessen als
Gewinnungskosten in Abzug zu bringen. Der dahingehende Anspruch der
Beschwerdeführers ist der Höhe nach nicht bestritten. Offenbar sind in dem in
Rechnung gestellten Betrage von Fr. 345.- alle Tage berücksichtigt, an denen
der Beschwerdeführer vor- und nachmittags gearbeitet und deshalb in Zürich zu
Mittag gegessen hat. Der Satz von Fr. 1.50 je Mahlzeit erscheint als
angemessen; er wird auch in dem zitierten Kreisschreiben der eidg.
Steuerverwaltung aufgestellt.

Seite: 370
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.
Das der Wehrsteuer der V. Periode unterliegende Einkommen des
Beschwerdeführers wird um Fr. 345.- herabgesetzt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 78 I 364
Datum : 01. Januar 1952
Publiziert : 14. November 1952
Quelle : Bundesgericht
Status : 78 I 364
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Wehrsteuer: Abzug von Gewinnungskosten bei der Veranlagung unselbständig Erwerbender. Auslagen für...


Gesetzesregister
WStB: 22  23
BGE Register
70-I-250 • 74-I-296 • 78-I-145 • 78-I-364
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
gewinnungskosten • bundesgericht • unkosten • unselbständige erwerbstätigkeit • ermessen • weiler • erwachsener • richtigkeit • abweisung • direkte bundessteuer • distanz • bewilligung oder genehmigung • steuerbehörde • verwandtschaft • entscheid • rechtsgleiche behandlung • wohnsitz • unterhaltskosten • ausgabe • begründung des entscheids
... Alle anzeigen