S. 296 / Nr. 55 Verwaltungs- und Disziplinarrecht (d)

BGE 74 I 296

55. Auszug aus dem Urteil vom 25. Juni 1948 i. S. N.S.L. A.-G. gegen
Steuerrekurskommission Baselland.


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Regeste:
Wehrsteuer: Die Tatsache allein, dass ein leitender Angestellter einer
Aktiengesellschaft deshalb eine besonders hohe Arbeitsentschädigung erhält,
weil er wegen seiner Fähigkeiten eine besondere Würdigung verdient oder an das
Unternehmen gebunden werden soll, genügt noch nicht zur Annahme einer
verdeckten Gewinnvorwegnahme im Sinne von Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB.
impôt pour la défense nationale: Le fait que le directeur d'une société
anonyme touche une rémunération particulièrement élevée, pour le motif que ses
capacités professionnelles méritent une considération toute spéciale ou
qu'elles engagent l'entreprise à se l'attacher, ne suffit pas à lui seul à
constituer un prélèvement déguisé de bénéfice au sens de l'art. 49 al. 1 litt.
b AIN.
Imposta per la difesa nazionale: Il solo fatto che il direttore di una società
anonima percepisce una rimunerazione particolarmente elevata, perché le sue
capacità meritano una considerazione speciale o inducono la società a
legarselo, non basta per ammettere una distribuzione di utili dissimulati ai
sensi dell'art. 49 cp. 1 lett. b DIN.

A. ­ Die N. S. L. A.-G. wurde im Jahre 1935 gegründet. Ihr Direktor verfügt
zusammen mit seiner Ehefrau über 28 1/3 % des Aktienkapitals, gehört aber dem
Verwaltungsrat nicht an. Seine Gehaltsbezüge betrugen im Jahre 1943 Fr.
26,612.­ und im Jahre 1944 Fr. 34,910.­. Der für die Wehrsteuer der 3.
Veranlagungsperiode massgebende Reingewinn der Gesellschaft wurde im
Einspracheverfahren auf Fr. 60,115.­ festgesetzt. Dabei wurde die den Betrag
von Fr. 30,000.­ übersteigende Quote des im Jahre 1944 ausgerichteten
Direktorengehalts nicht als Bestandteil der Unkosten anerkannt, sondern dem
Gewinn zugerechnet.
B. ­ Die Beschwerde der Gesellschaft gegen diese Aufrechnung wurde von der
kantonalen Steuerrekurskommission am 23. Juli 1947 mit folgender Begründung
abgewiesen: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dürften Salärzahlungen
dann als verdeckte Gewinnausschüttungen betrachtet werden, wenn nach den
Umständen

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anzunehmen sei, für ihre Festsetzung sei die besondere Stellung des Empfängers
massgebend gewesen. Der Kreis der Personen, deren Gehaltsbezüge unter diesem
Gesichtspunkte zu überprüfen seien, dürfe nicht allzu eng gezogen werden. So
fielen bei Aktiengesellschaften nicht nur Gehaltsempfänger in Betracht, welche
wichtige Aktionäre seien oder in nahen Beziehungen zu solchen ständen.
Vielmehr sei auch zu berücksichtigen, ob die Saläre der Arbeitsleistung und
der Verantwortung des Bezügers angemessen seien. Soweit sie darüber hin
ausgingen, stellten sie in Wirklichkeit eine Gewinnbeteiligung dar. Das treffe
z. B. zu, wenn der Mehraufwand dazu bestimmt sei, den Empfänger wegen seiner
besonderen Qualitäten an das Unternehmen zu binden oder, allgemeiner, seine
Bedeutung für dasselbe zu würdigen. Ob andere Persönlichkeiten mit den
nämlichen Fähigkeiten gleich hoch honoriert werden müssten, sei unerheblich.
Unter Umständen gebe sogar schon allein die absolute Höhe der Entschädigung
einen Fingerzeig, wenn sie gewisse Grenzen übersteige und besondere
Verhältnisse nicht nachgewiesen seien. Im vorliegenden Falle besitze der
Direktor zwar nicht die Aktienmehrheit, übe aber doch auf das Unternehmen, das
er als technischer und kaufmännischer Leiter in die Höhe gebracht habe, einen
ausschlaggebenden Einfluss aus. Um seinen Weggang zu vermeiden, könne die
Generalversammlung nicht umhin, seinen Gehaltsforderungen nach Möglichkeit
Rechnung zu tragen. Es falle auf, dass seine Gehaltsbezüge von Fr. 12,762.­ im
Jahre 1940 bis auf Fr. 34,910.­ im Jahre 1944 gestiegen seien, während seine
Stellung im Betrieb gleich geblieben sei und der Umsatz sich verhältnismässig
wenig vergrössert, vorübergehend sogar verkleinert habe. Er erhalte mehr, als
in gleichartigen Fällen allgemein üblich sei. Es sei unter solchen Umständen
richtig, das Salär nur bis zum Betrage von Fr. 30,000.­ als
Unkostenbestandteil anzuerkennen.
C. ­ Gegen den Entscheid der Rekurskommission

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führt die N.S.L. A.-G. Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag den
steuerbaren Reingewinn auf Fr. 57,660.­ herabzusetzen. Zur Begründung wird aus
geführt, die Rekurskommission setze sich über die Kriterien hinweg, nach denen
das Bundesgericht die Frage beurteile, ob Spitzengehälter verdeckte
Gewinnausschüttungen enthielten. In einer Aktiengesellschaft nehme nur ein
Allein- oder Hauptaktionär oder eine ihm nahestehende Person eine «besondere
Stellung» im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein, nicht aber ein
Bezüger, der wie der Direktor des Beschwerdeführerin bloss wegen seiner
besonderen Fähigkeiten an das Unternehmen gebunden werden solle. Sodann könne
die absolute Höhe des Salärs unter keinen Umständen ausschlaggebend sein. Im
übrigen könne hier das Direktorengehalt keineswegs als übersetzt bezeichnet
werden.
D. ­ Die kantonale Rekurskommission hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die
eidg. Steuerverwaltung beantragt Gutheissung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ (Prozessuales).
2. ­ Nach Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB fallen für die Bestimmung des steuerbaren
Reingewinnes einer Aktiengesellschaft in Betracht alle vor Berechnung des
Saldos der Gewinn- und Verlustrechnung ausgeschiedenen Teile des
Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung geschäftsmässig begründeter
Unkosten verwendet werden. Das Gesetz nennt als Beispiel freiwillige
Zuwendungen an Dritte.
Bei der Entscheidung darüber, ob eine Aufwendung zu den geschäftsmässig
begründeten Unkosten gehört, ist nicht auf die Bezeichnung abzustellen, unter
der sie der Steuerpflichtige erbringt oder verbucht, zumal wenn der Empfänger
eine besondere Stellung einnimmt, z. B. mit dem Geschäftsinhaber nahe verwandt
oder ­ bei Aktiengesellschaften ­ einziger oder doch massgebender Aktionär

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ist oder einem solchen nahesteht. Solche Beziehungen dürfen nicht dazu führen,
dass der Besteuerung Teile des Geschäftsgewinnes entzogen werden, etwa durch
Zuwendungen, die zwar als Entschädigungen für Arbeitsleistungen (Löhne,
Honorare und dergleichen) vereinbart sind, in Wirklichkeit aber
Gewinnausschüttungen sind oder solche ersetzen. Daher ist der Steuerbehörde
von jeher zur Pflicht gemacht worden, die in den Büchern ausgewiesenen Lohn-
und Gehaltszahlungen daraufhin zu über prüfen, ob und in welchem Umfange sie
als geschäftsmässig begründete Unkosten gelten können, und bei Berechnung des
steuerbaren Reingewinnes diejenigen Beträge vom Abzuge auszuschliessen, denen
nach den Umständen, unter denen sie ausgerichtet wurden, Unkostencharakter
nicht zukommen kann. Immerhin ist dabei auch stets darauf hingewiesen worden,
dass der Arbeitgeber in der Festsetzung von Salären grundsätzlich frei ist,
wie es überhaupt im allgemeinen nicht Sache des Fiskus sein kann, an Stelle
der Leitung des Unternehmens über die Zweck- und Ordnungsmässigkeit einer
Aufwendung zu befinden, und dass daher einer Arbeitsentschädigung die
Anerkennung als Unkostenbestandteil nicht schon wegen ihrer beträchtlichen
Höhe versagt werden darf. Vielmehr müssen weitere Anzeichen dazu kommen,
welche die Annahme rechtfertigen, dass für die Festsetzung der Entschädigung
ausschliesslich oder vor wiegend die besondere Stellung des Empfängers oder
Gründe der Steuerersparnis massgebend waren, dass der Vorteil, unter im
übrigen gleichen Verhältnissen, einem Dritten nicht oder in wesentlich
geringerer Höhe zugebilligt worden wäre. Die Steuerbehörde darf von der von
den Beteiligten gewählten Rechtsgestaltung nur abweichen, wenn diese
ungewöhnlich («insolite», BGE 59 I 284), sachwidrig oder absonderlich, der
wirtschaftlichen Gegebenheit völlig unangemessen erscheint, und wenn
anzunehmen ist, dass sie missbräuchlich, lediglich deshalb gewählt worden ist,
um Steuern einzusparen, die bei sachgemässer

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Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären (Urteile vom 28. Juni 1946 in Sachen
T. SA., Erw. 2 a, ASA 15, 234, und vom 13. Juni 1947 in Sachen T. A.-G., Erw.
2 b, ASA 16, 172, und dort zitierte Rechtsprechung; BGE 73 I 75 Erw. 3;
vergleiche auch BGE 72 I 190, 309 betreffend Art. 5 Abs. 2 CG).
Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz kann also einer Salärzahlung nicht
schon dann die Unkostenqualität abgesprochen werden, wenn sie «über ein
angemessenes Entgelt für geleistete Arbeit hinausgeht». Ein Unternehmen kann
kaufmännisch durchaus vertretbare Gründe dafür haben, einem Angestellten ein
Salär auszurichten, das, gemessen an dessen wirklicher Arbeitsleistung, viel
leicht als etwas übersetzt erscheinen mag. Der Verwaltungsrat einer
Aktiengesellschaft bemesse z. B. das Gehalt eines tüchtigen Direktors deshalb
besonders hoch, um ihn vom Übertritt in ein Konkurrenzunternehmen abzuhalten.
Obwohl der Reingewinn dadurch wesentlich geschmälert oder ganz aufgezehrt
werden kann, wird ein Unternehmen unter Umständen ein solches Opfer bringen,
um nicht durch die unter besserer Leitung stehende Konkurrenz überflügelt zu
werden. In einem solchen Falle wird die Gehaltszahlung in vollem Umfange als
geschäftsmässig begründet anzusehen und deshalb auch vom Fiskus als
Unkostenbestandteil anzuerkennen sein, es wäre denn, es lägen zudem Umstände
vor, welche die Aufwendung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als
ungewöhnlich erscheinen liessen. Die Tatsache allein, dass eine
Arbeitsentschädigung deshalb besonders hoch aus fällt, weil der Empfänger
wegen seiner Fähigkeiten eine besondere Würdigung verdient oder an das
Unternehmen gebunden werden soll, genügt somit noch nicht zur Annahme einer
verdeckten Gewinnausschüttung.
3. ­ Im vorliegenden Fall fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Direktor im
Unternehmen der Beschwerdeführerin eine besondere Stellung im Sinne der Praxis
des Bundesgerichts einnimmt. Er verfügt freilich zusammen

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mit seiner Ehefrau über etwas mehr als ¼ des Aktienkapitals. Indes ist er
nicht Mitglied des Verwaltungsrates, und es ist auch nicht behauptet oder
dargetan, dass die übrigen Aktionäre mit ihm verwandt sind oder in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehen. Daher kann nicht davon die Rede sein,
er übe einen massgebenden Einfluss auf die Generalversammlungsbeschlüsse aus.
Dass er bei der Festsetzung seines Salärs weitgehend mitreden kann, ist in
seiner starken Stellung im Betriebe selbst begründet, die im Wert, den er für
das Unternehmen bedeutet, zum Ausdruck kommt. Nach den Erhebungen der eidg.
Steuerverwaltung hat er es verstanden, das Unternehmen in der Vorkriegszeit
über Wasser zu halten und in der Folge beträchtliche Gewinne zu erzielen, so
dass während der Kriegsjahre Dividenden von über 7% haben ausgeschüttet werden
können. Es ist deshalb begreiflich, dass die Beschwerdeführerin seinen Wert
hoch einschätzt und ihm ein ansehnliches Gehalt zuerkennt. Der von der
Vorinstanz angestellte Vergleich mit den Spitzengehältern in andern
gleichartigen Unternehmungen ist nicht schlüssig, abgesehen davon, dass
dahinsteht, inwieweit die Leistungen der Direktoren anderer Betriebe
denjenigen des Direktors des Beschwerdeführerin entsprechen, ob sich z. B. die
Arbeitslast, die er zu bewältigen hat, anderswo nicht auf mehrere Personen
verteilt. Auch daraus, dass sich sein Gehalt in der Zeit von 1940 bis 1944
mehr als verdoppelt hat, kann nicht ohne weiteres auf eine Gewinnbeteiligung
geschlossen werden. Die Erklärung dafür kann auch darin liegen, dass er sich
in früheren Jahren wegen der Krise mit einer verhältnismässig bescheidenen
Entlöhnung begnügt, dagegen später, in den Jahren bessern Geschäftsgangs, eine
seinen Leistungen und seiner Bedeutung für das Unternehmen besser
entsprechende Entschädigung erhalten hat. Unter diesen Umständen kann in der
streitigen Entschädigung von Fr. 4910.­, die er im Jahre 1944 über den Betrag
von Fr. 30,000.­ hinaus bezogen hat, keine ungewöhnliche, geschäftsmässig
nicht

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begründete Leistung und daher auch keine Gewinnvorwegnahme im Sinne von Art.
49 Abs. 1 lit. b WStB erblickt werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 I 296
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 24. Juni 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 I 296
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wehrsteuer: Die Tatsache allein, dass ein leitender Angestellter einer Aktiengesellschaft deshalb...


Gesetzesregister
WStB: 49
BGE Register
59-I-272 • 72-I-184 • 73-I-68 • 74-I-296
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • aktiengesellschaft • unkosten • verwaltungsrat • verdeckte gewinnausschüttung • lohn • berechnung • vorinstanz • weiler • gewinnvorwegnahme • wert • aktienkapital • leiter • bruchteil • entscheid • wirkung • gewinnanteil • unternehmung • disziplinarrecht • arbeitnehmer
... Alle anzeigen
Zeitschrift ASA
ASA 15,234 • ASA 16,172