S. 250 / Nr. 51 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 70 I 250

51. Auszug uns dem Urteil vom 6. Oktober 1944 i. S. X. gegen eidg.
Steuerverwaltung.

Regeste:
Kriegsgewinnsteuer:
1. Für die Kriegsagewinnsteuerberechnung massgebend ist der tatsächlich
erzielte Reinertrag (Art. 4 KGStB). Gewinne aus Geschäften, bei denen
polizeiliche Vorschriften übertreten wurden, sind nicht von der Besteuerung
ausgeschlossen.
2. Die Beschränkung der Abzugsberechtigung auf geschäftsmässig begründete
Unkosten (Art. 6, Abs. 1) dient dem Ausschluss von Aufwendungen, die nicht das
Geschäft als solches, sondern die im Geschäftsbetriebe handelnden Personen
oder Dritte betreffen.
3. Rückstellungen für abziehbare Unkosten sind zulässig, soweit es sich um die
fortlaufende Anrechnung und Verbuchung (Vorwegnahme) später zu erbringender
Leistungen nach Massgabe bereits eingetretenen Verbrauches handelt, und, bei
bevorstehendem ausserordentlichem Aufwand, als besondere Rückstellungen zum
Ausgleich drohender Verluste (Art. 6, Abs. 1).

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Impôt sur les bénéfices de guerre:
1. L'impôt se calcule sur le fondement du bénéfice net effectivement réalisé
(art. 4 ABG). Les bénéfices provenant d'affaires où il y a eu contravention à
des prescriptions de police ne sont pas exclus de l'imposition.
2. Le principe selon lequel ne peuvent être déduits que les frais justifiés
par l'usage commercial (art. 5 al. 1) sert à exclure la déduction des frais
qui concernent non pas l'exploitation elle même mais les personnes qui y
travaillent ou les tiers.
3. Pour les frais dont la déduction est admissible, il est licite de
constituer des réserves d'amortissement pourvu que ces réserves constituent la
mise en compte successive de prestations futures et correspondent à la
consommation effective de biens ou de services. Dans le cas où il s'agit de
dépenses extraordinaires et prochaines, des réserves d'amortissement peuvent
être faites à titre de compensation pour des pertes menaçantes (art. 6 al. 1).
Imposta sui profitti di guerra:
1. L'imposta si calcola secondo il reddito netto effettivamente realizzato
(art. 4 DPG). Profitti provenienti d'affari contrari a prescrizioni di polizia
non sono esenti dall'imposta.
2. Il principio, secondo cui unicamente le spese giustificate dall'uso
commerciale possono essere dedotte (art. 5 cp. 1), serve ad escludere la
deduzione delle spese che concernono non l'esercizio stesso, ma lo persone
occupate nell'azienda o terzi.
3. È lecito fare delle riserve d'ammortamenti per le spese che possono essere
dedotte in quanto che queste riserve costituiscano la messa in conto
successiva di prestazioni future e corrispondano al consumo effettivo di beni
o di servizi. Qualora si tratti di spese straordinarie e prossime, le riserve
d'ammortamenti sono ammissibili per compensare perdite minaccianti (art. 6 cp.
1).

A. - Der Beschwerdeführer betreibt eine Schnapsbrennerei. Am 5. Februar 1938
wurde gegen ihn eine Strafuntersuchung eingeleitet wegen Übertretung des BG
betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LPolG.).
Mit Urteil vom 27. November 1941 hat ihn das Obergericht des Kantons Luzern
der fortgesetzten vorsätzlichen Übertretung des Art. 37 des genannten Gesetzes
schuldig erklärt und zu 3 Monaten Gefängnis unbedingt und Fr. 1500.- Geldbusse
verurteilt. Ausserdem wurden ihm Untersuchungskosten im Betrage von Fr.
6505.20, Gerichtskosten von Fr. 270.- und 292.70 und eine Parteientschädigung
von Fr. 60.- an einen Privatkläger auferlegt. Aus der Begründung des Urteils
geht hervor, dass der Beschwerdeführer geistige Getränke, die von seinem
Kellermeister verfälscht worden waren, in

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grossen Mengen in den Handel gebracht hat. Es wird erklärt, der
Beschwerdeführer sei «im ganzen Schnapsskandal eine der übelsten Figuren»
gewesen. Anderseits wurde im Sinne eines Milderungsgrundes in Betracht gezogen
«die jahrelang im schweizerischen Schnapshandel herrschende Korruption
(Verkauf verschnittener Ware unter falscher Deklaration) und das zu passive
Verhalten vieler Behörden, die z. T. nicht einmal Strafuntersuchungen
durchführten oder die Strafansprüche verjähren liessen.»
Am 31. Oktober 1942 stellte der Anwalt, der den Beschwerdeführer im
Strafverfahren vertreten hatte und ihm auch sonst beigestanden hatte bei
Behebung der Schwierigkeiten, die sich damals ergaben, eine Gesamtkostennote
im Betrage von Fr. 19850.-.
B. - In seinen Geschäftsbüchern hat der Beschwerdeführer im Jahre 1938 Fr.
2000.-, 1939 Fr. 15000.- und in der zwei Jahre umfassenden Periode 1941 und
1942 Pr. 11000.- zurückgestellt zur Deckung der zu erwartenden Kosten des
Strafverfahrens und der sonstigen damit in Zusammenhang stehenden Umtriebe.
Die eidgenössische Steuerverwaltung hat bei der Einschätzung zur
Kriegsgewinnsteuer diesen Rückstellungen geschäftsmässige Begründetheit
abgesprochen, weil es sich nicht um Rückstellungen für Verluste handle, die
ihre Ursache im Geschäftsbetrieb, einer auf Erreichung eines erlaubten
Geschäftszweckes gerichteten erlaubten Handlung hätten. Dies gelte
grundsätzlich (Ordnungsbussen für geringfügige Übertretungen ausgenommen)
sowohl für Geldstrafen, die sich ein Geschäftsinhaber durch deliktisches
Verhalten zugezogen habe, als auch für Aufwendungen zur Abwendung von
Nachteilen, die ihm aus seinen unerlaubten Handlungen erwachsen seien (z. B.
für die Kosten seiner Verteidigung).
C. - Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird geltend gemacht, die in den
Jahren 1938, 1939 und 1941/42 gemachten Rückstellungen seien geschäftsmässig
begründet und bei der Berechnung des Reingewinnes als

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Gewinnungskosten abzuziehen. Der Beschwerdeführer habe die Vergehen, für die
er vom Obergericht Luzern gebüsst worden sei, als Geschäftsinhaber begangen,
und die Busse von Fr. 1500.- sei ihm in dieser Eigenschaft auferlegt worden.
Schnapsfälschungen, wie er sie begangen habe, seien gleichsam zu einem festen
Handelsgebrauch geworden. Das Risiko, das man dabei lief, habe man wohl oder
übel in Kauf nehmen müssen. Der Gewinn aus den Verstössen gegen das
Lebensmittelgesetz sei in vollem Umfange dem Geschäftsbetriebe zugute
gekommen. Daher gehöre auch die Busse zu den Gewinnungskosten. Dementsprechend
würden nach Gesetz die beschlagnahmten Warenvorräte in erster Linie als
Sicherheit für die Bezahlung von Busse, Kosten und Entschädigungen in Anspruch
genommen; soweit aber die beschlagnahmten Waren eingelöst werden, würden Busse
und Kosten ebenfalls durch das Geschäft aufgebracht. Der Geschäftsinhaber
persönlich habe dafür nicht aufzukommen.-Auch die Prozesskosten des
Strafverfahrens im Betrage von Fr. 8599.20 (inbegriffen mindestens Fr. 5000.-
Kosten des verwaltungsrechtlichen Verfahrens und der Auseinandersetzung über
Zivilansprüche) seien betriebswirtschaftlich Gewinnungskosten. -Das nämliche
gelte für die Anwaltskosten im Betrage von Fr. 19850.-. Diese bezögen sich auf
Geschäfte zivil- und handelsrechtlicher, verwaltungerechtlicher und
strafrechtlicher Natur. Die Geschäfte zivilrechtlicher Natur werden
charakterisiert als laufende Beratungen und kleinere Besorgungen, Vorkehren
zur Stützung, Sicherung und Vermittlung von Bankkrediten, Erledigung von
Zivilansprüchen, Auseinandersetzung mit den Geschädigten und Mitwirkung bei
der Geschäftsführung, die Geschäfte verwaltungsrechtlicher Natur als
Verhandlungen mit der eidg. Alkoholverwaltung wegen Erneuerung der
Grosshandelsbewilligung und der definitiven Brennbewilligung und wegen
Freigabe der mit Beschlag belegten Warenvorräte. Die Kostennote für
strafrechtliche Geschäfte bezieht sich auf Strafuntersuchung, Strafprozess und
Strafvollzug und

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Begnadigung, sowie auf einen Revisionsprozess betr. Wiederaufnahme des
Fiskalstrafverfahrens.
Alle diese Kosten seien rechtlich, wirtschaftlich und steuerrechtlich
Gewinnungskosten. Es gehe nicht an, die Person des Geschäftsinhabers vom
Geschäftsbetriebe zu trennen, wenn es sich um geschäftliche Fragen und
geschäftliche Dinge handle. Auch sei es nicht richtig, den Gewinn aus
unerlaubter Handlung dem Geschäfte zuzurechnen, den Verlust dagegen dem
Geschäftsinhaber persönlich zu belasten. Die Anerkennung der Aufwendungen als
Gewinnungskosten sei auch ein Gebot der Billigkeit. Die Rückstellungen seien
in vollem Umfange geschäftsmässig begründet gewesen, da sie mit Fr. 28000.-
zur Deckung der tatsächlichen Kosten im Gesamtbetrage von Fr. 29949.20 nicht
ausgereicht hätten.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde teilweise geschützt
in Erwägung:
1.- Nach Art. 4 Abs. 1 KGStB gilt als für die Kriegsgewinnsteuerberechnung
massgebender Reinertrag der Geschäftsertrag der steuerpflichtigen Personen und
Unternehmungen nach Abzug der Gewinnungskosten und der geschäftsmässig
begründeten Abschreibungen und Rückstellungen. Darauf, ob der Geschäftsertrag
aus einer rechtlich und geschäftlich «normalen» Geschäftstätigkeit herrührt
(vgl. Monatsschrift f. bern. Verwaltungsrecht, 25, S. 30, Nr. 11) oder u. a.
auch aus Geschäften, die unter irgend einem Gesichtspunkte zu beanstanden
wären, kommt es nicht an. Der Gewinn aus Geschäften, bei denen polizeiliche
Vorschriften übertreten wurden, ist nicht von der Besteuerung ausgeschlossen.
Die früher von Theorie und Praxis vertretene Auffassung, dass eine unerlaubte,
d. h. dem Straf- oder dem Sittengesetz zuwiderlaufende Tätigkeit nicht als
Quelle steuerbaren Einkommens gelten könne (FUISTING Steuerlehre S. 185 f.),
ist mit dem Gesichtspunkte der Erfassung der wirtschaftlichen

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Leistungsfähigkeit, nach welchem sich die Einkommensbesteuerung heute
orientiert, nicht vereinbar. Denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
Steuersubjektes wird bestimmt durch die objektive Höhe seines Einkommens oder
Gewinns; auf die rechtliche oder moralische Ordnungsmässigkeit der
Geschäftsgebahrung, aus der der Gewinn herrührt, kommt es dabei nicht an. Es
ist auch kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, unrechtmässigen
Gewinn von einer Belastung auszunehmen, der die rechtmässigen Gewinne
geschäftlicher Unternehmungen unterworfen werden.
2.- Im Rahmen eines Gesetzes, das, wie der Kriegsgewinnsteuerbeschluss, die
Besteuerung nach dem Betrage des im Geschäftsbetriebe tatsächlich erzielten
Einkommens (des wirklichen Geschäftsgewinnes), also nach einem objektiven
Merkmal bestimmt, kann es aber auch bei der Frage, welche Aufwendungen als
geschäftsmässig begründete Unkosten (Art. 5, Abs. 1 KGStG) anzusehen sind,
offenbar nicht darauf ankommen, ob die Aufwendung `` ihre Ursache in einer auf
Erreichung eines erlaubten Geschäftszweckes gerichteten erlaubten Handlung»
(Einspracheentscheid vom 28. April 1941) hat. Der Geschäftsbetrieb umfasst die
gesamte Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen, auch im Kostenpunkt. Die
Beschränkung der Abzugsberechtigung auf «geschäftsmässig begründete» Unkosten
dient hier dem Ausschluss von Aufwendungen, die nicht das Geschäft als
solches, sondern die im Geschäftsbetriebe handelnden Personen oder Dritte
betreffen, z. B. Bezüge des Geschäftsinhabers, des Geschäftsführers oder des
Personals für persönliche Zwecke, oder Zuwendungen an Aussenstehende aus
aussergeschäftlichen Gründen. Das Gesetz nennt u. a. Gehälter und Löhne von
Betriebsinhabern. In gleicher Weise wird bei Steuern der Abzug beschränkt auf
die mit dem Geschäftsbetriebe zusammenhängenden Leistungen; für die
persönlichen Steuern wird er damit ausgeschlossen (Art. 5, Abs. 2). Massgebend
für die Ausscheidung ist daher der tatsächliche und rechtliche

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Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb, nicht ein Werturteil, das sich nach dem
Gesichtspunkte rechtlicher oder sittlicher Ordnungsmässigkeit und Zulässigkeit
richtet.
3.- Die Aufwendungen, deren Abzugsberechtigung hier geltend gemacht wird,
haben den Charakter von Unkosten. Es sind Ausgaben, denen keine Aktivposten
gegenüberstehen. Ob sie abziehbar sind, bestimmt sich nach ihrer tatsächlichen
und rechtlichen Zugehörigkeit zum Geschäftsbetriebe im oben umschriebenen
Sinne. Rückstellungen für abziehbare Unkosten sind zulässig, wenn es sich um
die fortlaufende Anrechnung und Verbuchung (Antizipation) später zu
erbringender Leistungen nach Massgabe des bereits eingetretenen Verbrauches
handelt und, bei bevorstehendem ausserordentlichem Aufwand, als besondere
Rückstellungen zum Ausgleich drohender Verluste gemäss Art. 6, Abs. 1 KGStB.
4.- Bei Bestimmung des Betrages der abziehbaren Unkosten ist davon auszugehen,
dass jedenfalls die gesamten Aufwendungen, die mit dem Strafverfahren wegen
Übertretung des Lebensmittelpolizeigesetzes irgendwie zusammenhängen,
persönliche Kosten des Inhabers der beschwerdeführenden Unternehmung, also
nicht Geschäftsunkosten sind. Die Strafverfahren führten zu einer Verurteilung
gemäss Art. 37 des LPolG wegen eines Vergehens im Sinne der
Bundesstrafgesetzgebung. Die strafrechtliche Verantwortung trifft den Täter
persönlich, auch wenn das Vergehen im Geschäftsbetriebe begangen wurde (BGE 41
I S. 216
). Der rein persönliche Charakter der Strafe wird dadurch nicht
berührt, dass zur Deckung der Busse unter Umständen der Erlös aus der
Verwertung beschlagnahmter Waren in Anspruch genommen wird. Zu den mit dem
Strafverfahren zusammenhängenden und daher persönlichen Kosten gehören auch
die Aufwendungen für die Bemühungen um die Aufhebung der Beschlagnahmungen.
Die Beschlagnahme war hier nach dem Urteil des Obergerichts eine
Untersuchungshandlung und die damit verbundenen Kosten Untersuchungskosten
(Urteil S. 23); zudem ist sie

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nach dem Lebensmittelpolizeigesetz selbst eine Zusatzstrafe (Art. 44).
Anderseits umfassen die Gesamtkosten auch Aufwendungen, die den
Geschäftsbetrieb betreffen, wie diejenigen für Mitwirkung bei der
Geschäftsführung, laufende Beratung, sowie Bemühungen um Bankkredite,
Bewilligungen und um die Erledigung von Zivilansprüchen. Auf Grund der nähern
Angaben, die erstmals in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemacht worden
sind, rechtfertigt es sich, den als Geschäftsunkosten anzusehenden Teilbetrag
der gesamten zum Abzug angemeldeten Unkosten schätzungsweise auf Fr. 8000.-
festzusetzen, und davon Fr. 500.- auf das Jahr 1938, Fr. 4000.- auf 1939 und
Fr. 3500.- auf die Jahre 1941/42 zu verlegen. In diesem Sinne ist die
Steuerberechnung abzuändern. Das weitergehende Begehren ist unbegründet.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 I 250
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 06. Oktober 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 I 250
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Kriegsgewinnsteuer:1. Für die Kriegsagewinnsteuerberechnung massgebend ist der tatsächlich erzielte...


BGE Register
41-I-212 • 70-I-250
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
unkosten • busse • gewinnungskosten • strafuntersuchung • deckung • gerichtskosten • unternehmung • verhalten • unerlaubte handlung • charakter • frage • widerrechtlichkeit • strafprozess • begründung des entscheids • betriebsinhaber • sitte • steuer • ausgabe • steuerpflichtiger • steuerpflicht
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