S. 70 / Nr. 18 Schuldbetreibungs-und Konkursrecht (d)

BGE 75 III 70

18. Entscheid vom 5. Oktober 1949 i. S. Gutmann.


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Regeste:
Bei Einstellung und Schliessung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230 SchKG)
können die frühern Betreibungen nicht fortgesetzt werden,
- auch nicht, wenn sie auf Pfändung gehen und der Schuldner selbst den Konkurs
durch Insolvenzerklärung herbeigeführt hatte (Art. 191 SchKG).
En cas de suspension de la liquidation et clôture de la faillite (art. 230 LP)
les poursuites antérieures ne peuvent être continuées
- même s'il s'agit de poursuites par voie de saisie et que le débiteur ait
requis lui-même sa faillite en se déclarant insolvable (art. 191 LP).
In caso di sospensione della, liquidazione e chiusura del fallimento (art. 230
LEF) le esecuzioni anteriori non possono essere proseguite
- anche se si tratta di esecuzioni in via di pignoramento e il debitore stesso
ha chiesto la dichiarazione del suo fallimento facendo nota al giudice la sua
insolvenza (art. 191 LEF).

A. - Gegen die Rekurrentin waren mehrere Pfändungsbetreibungen hängig, als sie
durch Insolvenzerklärung am 21. März 1949 die Eröffnung des Konkurses
herbeiführte. Dieser Konkurs wurde am 22. April 1949 mangels freier Aktiven
eingestellt und hernach mangels Leistung des auf Fr. 3000.- bemessenen
Kostenvorschusses geschlossen.
B. - Mit einem Rundschreiben vom 3. Juni 1949 teilte das Betreibungsamt
Basel-Stadt den Gläubigern, welche die Rekurrentin betrieben hatten, folgendes
mit: «... Wir sind der Auffassung, dass diejenigen Betreibungen, bei denen es
nicht zur Pfändung gekommen ist, oder, wenn in einer Betreibung auf Pfändung
die in den Art. 110 und 111 SchKG angegebenen Fristen für die Teilnahme an der
Pfändung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht abgelaufen waren, nicht
mehr fortgesetzt werden können. Hingegen erachten wir es als zulässig, dass
Betreibungen, die bis zur Pfändung gediehen sind und die Fristen der Art. 110
und 111 SchKG abgelaufen waren, fortgesetzt werden können, da es sicher nicht
angängig ist, dass durch das Verhalten der Schuldnerin die von den Gläubigern
erworbenen Pfändungsrechte untergegangen sind.» Das

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Betreibungsamt lud die Gläubiger ein, falls sie ihre seinerzeit angehobenen
Pfändungsbetreibungen aufrechterhalten wollten, dies dem Amte mitzuteilen.
C. - Über dieses Vorgehen des Betreibungsamtes beschwerte sich die
Schuldnerin.
D. - Von der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 1. August 1949
abgewiesen, hält sie mit vorliegendem Rekurs an der Beschwerde fest.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Der Vernehmlassung des Betreibungsamtes zur Beschwerde beistimmend, ist die
kantonale Aufsichtsbehörde der Ansicht, dass die bei Eröffnung des Konkurses
hängig gewesenen Betreibungen wieder aufleben, wenn der Konkurs mangels
Aktiven nicht zur Durchführung gelangt (Art. 230 SchKG). Sie hält der
gegenteiligen Rechtsprechung (BGE 40 III 344, 42 III 14) entgegen, im Falle
des Konkurswiderrufes lasse das Bundesgericht die Fortsetzung der seinerzeit
angehobenen Pfändungsbetreibungen zu; es bestehe kein Grund, die beiden Fälle
verschieden zu behandeln. Dieses Argument hat jedoch keine Bedeutung mehr,
nachdem heute im Rekursfall Schreiber die bisherige Stellungnahme zum
Konkurswiderruf aufgegeben und die Fortsetzung der bei Konkurseröffnung hängig
gewesenen Pfändungsbetreibungen als unstatthaft erklärt worden ist (BGE 75 III
65
).
Im übrigen gipfeln die Ausführungen der Vorinstanz in der Erwägung, dem
Schuldner könne nicht gestattet werden, durch Insolvenzerklärung einen Konkurs
herbeizuführen, der dann mangels freier Aktiven nicht durchgeführt werden
könne, und so die Gläubiger «um ihre Pfändungsrechte zu prellen». Der
Schuldner selbst müsste, wenn sich kein Gläubiger dazu bereit finde, zur
Leistung des Kostenvorschusses im Sinne von Art. 230 SchKG verpflichtet
werden; sei er dazu nicht willens oder nicht imstande, so liege die gerechte
Lösung in der

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Wiederaufnahme der der Konkurseröffnung vorausgegangenen Betreibungen
(wenigstens unter den im Rundschreiben des Betreibungsamtes erwähnten
Voraussetzungen). Diese Ansicht geht jedoch fehl. Der Schuldner hat nach Art.
191 SchKG das Recht, durch Insolvenzerklärung den Konkurs herbeizuführen. Die
Ausübung dieses Rechtes ist keineswegs an die Bedingung geknüpft, dass er beim
Fehlen hinreichender freier Aktiven den bei Konkurseinstellung festgesetzten
Kostenvorschuss beschaffe, sofern kein Gläubiger ihn leisten will. Die
Konkurseröffnung hat zur Folge, dass die Betreibungen dahinfallen (Art. 206
SchKG) und an die Stelle allfälliger Pfändungen der Konkursbeschlag zu Gunsten
aller Gläubiger tritt (Art. 197 SchKG). Dadurch wird niemand um ein Recht
gebracht, das in den Augen des Gesetzgebers fortzubestehen verdiente. Es ist
der Wille des Gesetzes, dass die Vorrechte kraft Gruppenvorranges (Art. 110 ,
111 SchKG) wie auch Vorteile anderer Art, die einzelnen Gläubigern (z. B. weil
nicht Recht vorgeschlagen wurde) erwachsen sein mögen, mit der
Konkurseröffnung dahinfallen. Bleibt diese in Kraft, was bei Einstellung des
Konkurses nach Art. 230 SchKG vorausgesetzt wird, so können die frühern
Betreibungen nicht wieder aufleben. Den Konkursgläubigern, auch denjenigen von
ihnen, die den Schuldner betrieben hatten (gleichgültig ob die Betreibung auf
Pfändung oder auf Konkurs fortzusetzen war), steht im Falle der
Konkurseinstellung mangels Aktiven nur die Bevorschussung der Konkurskosten
zu, wenn sie auf der Zwangsvollstreckung beharren wollen. Diese kann kraft der
Eröffnung des Konkurses nur noch als Generalliquidation durchgeführt werden.
Kommt es mangels Leistung des Kostenvorschusses nicht dazu, sondern wird der
Konkurs geschlossen, so ist die Zwangsvollstreckung für alle vom Konkurse
betroffenen Forderungen (gleichwie beim Konkurswiderruf nach den Ausführungen
des erwähnten heutigen Entscheides) schlechthin beendigt und ein Zurückgehen
auf die frühern Betreibungen nicht zulässig.

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Die bisher in bestimmten Fällen anerkannten Ausnahmen (für Betreibungen auf
Pfandverwertung: BGE 27 I 373 und 32 I 369 = Sep.-Ausg. 4 S. 137 und 9 S. 139;
für die Pfändung eines zufolge Anfechtungsklage zurückgewährten
Vermögenswertes: BGE 51 III 217; für Lohnpfändungen: BGE 35 I 215 = Sep.-Ausg.
12 S. 15) stehen hier nicht in Frage. Ob es dabei zu bleiben hat, ist daher
auch nicht zu prüfen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, und die auf Fortsetzung der Betreibung gegen die
Rekurrentin gerichteten Verfügungen des Betreibungsamtes werden aufgehoben.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 75 III 70
Data : 01. gennaio 1948
Pubblicato : 05. ottobre 1949
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 75 III 70
Ramo giuridico : DTF - Diritto delle esecuzioni e del fallimento
Oggetto : Bei Einstellung und Schliessung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230 SchKG) können die frühern...


Registro di legislazione
LEF: 110  111  191  197  206  230
Registro DTF
27-I-371 • 32-I-364 • 35-I-215 • 40-III-344 • 42-III-14 • 51-III-217 • 75-III-65 • 75-III-70
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
ufficio d'esecuzione • debitore • anticipo delle spese • volontà • esecuzione in via di pignoramento • termine • esecuzione forzata • sospensione per mancanza di attivi • posto • decisione • tribunale federale • autorità inferiore • basilea città • spossessamento conseguente al fallimento • comportamento • casale • privilegio • quesito • adulto • azione di contestazione • condizione • diritto delle esecuzioni e del fallimento • esecuzione in via di realizzazione del pegno • vantaggio
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