S. 145 / Nr. 24 Familienrecht (d)

BGE 74 II 145

24. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. September 1948 i. S.
Kaiser gegen Kaiser.

Regeste:
Güterverbindung. Auseinandersetzung nach gerichtlicher Gütertrennung. Fällt
die Wertvermehrung einer von der Ehefrau während der Ehe käuflich erworbenen
Liegenschaft in die Vorschlagsberechnung?
Union des biens. Liquidation après séparation de biens judiciaire. La
plus-value acquise par un immeuble acheté par la femme durant le mariage entre
t-il dans le compte du bénéfice?
Unione dei beni. Liquidazione a seguito di separazione giudiziale dei beni.
Dev'esser tenuto conto del plusvalore di un immobile acquistato dalla moglie
durante il matrimonio nel computo dogli aumenti?

Aus dem Tatbestand:
A. ­ Die Ehefrau verlangte am 26. Juli 1943 gerichtliche Gütertrennung nach
Art. 183 Ziff. 2 ZGB, was der Richter am 17. November 1943 bewilligte. In dem
vom Ehemann angehobenen Scheidungsprozesse beantragte sie widerklageweise die
Durchführung der im Vorjahre gerichtlich angeordneten Gütertrennung.
B. ­ Das Obergericht des Kantons Luzern hiess mit Urteil vom 19. März 1948 die
Widerklage der Ehefrau dahin gut, dass der Ehemann ihr Fr. 17773.10 als Ersatz
für eingebrachtes Gut und Fr. 68333.­ als Vorschlagsanteil zu zahlen habe.

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C. ­ Der Kläger hält mit der vorliegenden Berufung am Antrag auf Abweisung der
Widerklage fest.
Aus den Erwägungen:
3. ­ Gegenüber dem vom Obergericht im Betrage von Fr. 68333.­ zugesprochenen
Vorschlagsanteil der Beklagten wendet der Kläger ein, auch der Mehrwert der im
Eigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft Neuegg in Meggen sei zwar
einerseits in die Rechnung über den Vorschlag einzustellen, dann aber auch
anderseits der Beklagten auf ihren Vorschlagsanteil anzurechnen, womit sich
dieser Anspruch als völlig gedeckt erweise....
Die Beklagte erwarb diese Liegenschaft im Jahre 1937 käuflich zum Betrag der
Hypothekarschuld von Fr. 55000.­. Der vom Experten Vallaster geschätzte Wert
auf den 26. Juli 1943 beträgt Fr. 117698.­. Der Mehrwert gehört nicht in die
Vorschlagsrechnung, wenn die Liegenschaft Sondergut der Beklagten ist. Das ist
aber nicht der Fall. Die Voraussetzungen eines Sondergutserwerbes (Art.
190 /191 ZGB) sind gar nicht behauptet. Die Beklagte erklärt zwar, die
Liegenschaft sei Erbschafts, daher Sondergut. Das ist jedoch nicht schlüssig.
Erbschaftserwerb der Ehefrau ist bei Güterverbindung gerade nicht Sondergut,
sondern Eingebrachtes (unter Vorbehalt von Verfügungen im Sinne und in den
Schranken von Art. 190 Abs. 1 und 2 ZGB). Mit Unrecht spricht ferner die
Beklagte die Liegenschaft Neuegg deshalb als Sondergut an, weil der Kläger ihr
deren Verwaltung überlassen habe. Daraus folgte keine Verwirkung der
ehemännlichen Rechte am ehelichen Vermögen; vielmehr hätte der Kläger
jederzeit die Verwaltung und Nutzung an sich ziehen können (BGE 74 II 74).
Weil kein Sondergut vorliegt, nimmt der Kläger ohne weiteres an, die in Frage
stehende Liegenschaft sei mit ihrem Mehrwert in die Rechnung über Vor oder
Rückschlag des ehelichen Vermögens einzustellen. Mit Unrecht. Nicht das ganze
eheliche Vermögen ist Gegenstand solcher

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Abrechnung. Das eingebrachte Mannes und Frauengut ist vorweg auszuscheiden,
wobei ein Mehr oder Minder wert einfach dem betreffenden Einbringer zugute
kommt oder zur Last fällt, ohne die Rechnung über Vor- oder Rückschlag zu
berühren (Art. 212 -214 ZGB; bei Auseinandersetzung nach Art. 154 oder 189 ZGB
kann die Ehefrau als ihr Eigengut auch zurücknehmen, was von ihrem
eingebrachten Gute gemäss Art. 199 ZGB Eigentum des Ehemannes geworden war;
das trifft übrigens für die Liegenschaft Neuegg nicht zu).
Nun steht aber der von der Beklagten behauptete Erbschaftserwerb (allenfalls
sog. Erbenkauf auf Rechnung eines künftigen Erbteils) nicht fest. Sollte ein
gewöhnlicher Kauf vorliegen, so wäre der Einwand des Klägers grundsätzlich
begründet. Denn in diesem Falle gehört die Liegenschaft mangels einer
Verfügung im Sinne von Art. 190 ZGB nicht zum Sondergut und mangels der
Voraussetzungen des Art. 195 Abs. 1 ZGB nicht zum eingebrachten Frauengut.
Nach Art. 224 Abs. 2 des Vorentwurfs zum ZGB wäre solcher weder erbrechtlicher
noch sonstwie unentgeltlicher Erwerb a Errungenschaft» und güterrechtlich als
Eigentum des Ehemannes zu betrachten. Das Gesetz selbst spricht dagegen bei
Güterverbindung nicht von Errungenschaft und stellt auch keine Regel auf,
wonach der Ehemann derartigen Erwerb der Ehefrau güterrechtlich als sein
Eigentum beanspruchen könnte. Es entspricht jedoch dem System der
Güterverbindung, solches Eigentum der Ehefrau bei der Auseinandersetzung nicht
den Regeln über das eingebrachte Gut zu unterstellen, sowenig wie Eigentum des
Ehemannes, das er durch gewöhnlichen Kauf (zumal ohne Aufwendung von Werten
des Eingebrachten) erworben und somit nicht eingebracht hat. Es ist recht und
billig, den auf diese Weise allenfalls erzielten Mehrwert in die
Vorschlagsrechnung als Gewinn einzustellen, gleich wie einen Minderwert als
Verlust, und im Fall eines Vorschlags den Mehrwert eines solchen
Vermögensstückes dem Eigentümer auf seinen

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Vorschlagsanteil anzurechnen. In BGE 62 II 12 Erw. 2 sind gewisse Zuwendungen
des Ehemannes an die Ehefrau als «vorzeitig zur Verteilung gebrachter
Vorschlagsanteil» bezeichnet worden, eben weil dieser Erwerb weder
Sondergutserwerb noch Einbringen von Frauengut war. Ähnlich ist hier, sofern
ein gewöhnlicher Kauf vorlag, von einem weder das Sondergut noch das
eingebrachte Frauengut berührenden Erwerb ehelichen Vermögens zu sprechen, der
in die den Vorschlag oder Rückschlag ergebende Erfolgsrechnung einzustellen
und dem Erwerber (hier der Ehefrau, die diese Liegenschaft behält) mit dem
Mehrwert anzurechnen ist. Stünde Ersatz für eingebrachtes Frauengut in Frage,
so wäre freilich vermutungsweise wiederum solches anzunehmen (Art. 196 Abs. 2
ZGB).
Vorbehalten bleibt, sofern sich nicht erbrechtlicher Erwerb ergeben sollte,
die Frage, ob sich der Kauf vom Jahre 1937 etwa nach der Willensmeinung der
Vertragsparteien als gemischte Schenkung (eines die Hypothek übersteigenden
Wertes) und damit als teilweises Einbringen von Frauengut darstelle, das mit
einem entsprechenden Wertbetrag ausserhalb der Vorschlagerechnung stünde.
Die Sache ist zur Abklärung der wesentlichen Tatsachen und zu neuer
Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. Dadurch kommt der Prozess im
zurückgewiesenen Punkte in die Lage zurück, in der er sich vor Ausfällung des
angefochtenen Urteils befanden hatte. Neue Anträge und sonstige Vorbringen
werden also, soweit sie nach der kantonalen Prozessordnung in jenem
Prozessstadium noch zulässig waren, neuerdings zuzulassen sein (Art. 66 Abs. 1
OG, BGE 61 II 358, 69 II 215).
Vgl. auch Nr. 29, 30. ­ Voir aussi nos 29, 30.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 74 II 145
Date : 01 janvier 1948
Publié : 29 septembre 1948
Source : Tribunal fédéral
Statut : 74 II 145
Domaine : ATF - Droit civil
Objet : Güterverbindung. Auseinandersetzung nach gerichtlicher Gütertrennung. Fällt die Wertvermehrung...


Répertoire des lois
CC: 154  183  190  191  195  196  199  212  214  224
OJ: 66
Répertoire ATF
61-II-358 • 62-II-10 • 69-II-215 • 74-II-145 • 74-II-73
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
défendeur • bien réservé • plus-value • propriété • apport • valeur • biens matrimoniaux • question • hameau • acquêt • droit des successions • demande reconventionnelle • abeille • décision • conjoint • liquidation • bien propre • autorité judiciaire • calcul • dépense • décompte • nombre • hors • partie au contrat • minorité • compte de profits et pertes • mariage • donation mixte • homme • péremption
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