S. 177 / Nr. 36 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 74 I 177

36. Auszug aus dem Urteil vom 5. März 1948 i. S. Farabewa A.-G. gegen eidg.
Steuerverwaltung.


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Regeste:
Der Stempelabgabe auf Quittungen für Versicherungsprämien unterliegt auch das
Entgelt für Nebenleistungen des Versicherers, die lediglich dazu bestimmt
sind, das versicherte Risiko zu vermindern.
Droit de timbre sur les quittances de paiement de primes d'assurances. Est
également soumise à ce droit de timbre la rétribution versée à l'assureur pour
couvrir des prestations accessoires dont le seul but est d'atténuer
l'intensité du risque assuré.
Diritto di bollo sulle quietanze di pagamento di premi d'assicurazione. E'
assoggettato a questo diritto di bollo il compenso versato all'assicuratore
per coprire prestazioni accessorie, il cui scopo è unicamente quello di
attenuare il rischio assicurato.

A. - Die im Jahre 1934 gegründete Farabewa A.-G. bezweckt nach der Eintragung
im Handelsregister neben dem Handel mit Fahrrädern, der hier nicht in Betracht
fällt, «die Organisation eines Überwachungs-, Kontroll-und Fahndungsdienstes
über die gekennzeichneten Fahrräder der Abonnenten der Gesellschaft, um deren
Eigentümer vor Diebstahl derselben oder von Teilen davon und den sich daraus
ergebenden Folgen gemäss den Abonnementsbedingungen zu schützen».

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Mit Entscheid vom 26. April 1945 erkannte das eidg. Justiz- und
Polizeidepartement, dass die Farabewa A.-G. das Versicherungsgeschäft im Sinne
des Aufsichtsgesetzes betreibe, und untersagte ihr den Abschluss neuer
Abonnementsverträge oder die Verlängerung bestehender Verträge ab 1. Januar
1946, sofern sie bis dahin nicht die Bewilligung des Bundesrates zum Betrieb
des Versicherungsgeschäftes erlangt habe. Die verwaltungsgerichtliche
Beschwerde der Gesellschaft gegen diesen Entscheid wurde vom Bundesgericht
durch Urteil vom 10. Juli 1945 (BGE 71 I 275 ff.) abgewiesen. Am 9. Januar
1946 erteilte der Bundesrat der Farabewa A.-G. die Bewilligung, das
Versicherungsgeschäft zu betreiben.
Die Verträge der Farabewa A.-G. mit ihren Kunden sehen als Leistungen der
Gesellschaft vor die Haftung für Fahrraddiebstahl bzw. die
Diebstahlsversicherung und in Verbindung damit einen Bewachungs- und
Fahndungsdienst. Sowohl vor als auch nach der Unterstellung unter die
Versicherungsaufsicht setzte die Farabewa A.-G. in den Vertragsbedingungen den
dafür von den Kunden zu leistenden «Jahresbeitrag» global fest, ohne zwischen
der Diebstahlsversicherung und dem Bewachungs- und Fahndungsdienst zu
unterscheiden. Dagegen teilte sie vom 1. Oktober 1944 an in ihren
Verfallsanzeigen und Abrechnungen gegenüber den Kunden die Prämien auf, indem
sie einerseits einen grÖsseren Betrag für die Bewachung und Fahndung und
anderseits einen kleineren für die Diebstahlshaftung aussetzte und dann das
Total nannte. Von da an bezahlte sie die Stempelabgabe nur noch auf dem für
die Diebstahlsversicherung berechneten Teil der Prämien.
Am 21. Januar 1947 entschied die eidg. Steuerverwaltung (EStV), dass die
Jahresbeiträge, welche die Farabewa A.-G. von ihren Kunden einzieht, in vollem
Umfange der eidg. Stempelabgabe auf Quittungen für Versicherungsprämien
unterlägen, weshalb die Gesellschaft für die Periode vom 1. Oktober 1944 bis
31. Dezember

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1945 Abgaben nachzuzahlen habe, Der Entscheid wurde auf Einsprache hin am 22.
Oktober 1947 bestätigt.
B. ­ Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Farabewa
A.-G., den Einspracheentscheid aufzuheben, die bisherigen und künftigen
Jahresbeiträge ihrer Kunden nur insoweit der Stempelabgabe auf Quittungen für
Versicherungsprämien zu unterwerfen, als sie auf wirkliche
Versicherungsprämien entfielen, also insbesondere die Beträge für Bewachung
und Fahndung auszunehmen, und demzufolge die nachgeforderten Abgaben als nicht
geschuldet zu erklären. Zur Begründung wird geltend gemacht: Der in BGE 71 I
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umschriebene Begriff der Versicherung treffe im Falle der
Beschwerdeführerin nur auf die eigentliche Diebstahlsversicherung zu.
Bewachung und Fahndung seien etwas anderes. Zu Unrecht bagatellisiere die EStV
diese Leistungen. Die Farabewa A.-G. führe den Bewachungsdienst so, wie sie
ihn umschrieben habe, auch durch. Ihre Kundschaft anerkenne die Bewachung und
Fahndung als besondere Leistungen. Wertvoll sei namentlich das Signalement des
Fahrrades, das bei jedem Vertragsabschluss aufgenommen werde; es erleichtere
das Wiederauffinden des gestohlenen Fahrrades und schütze die Kunden vor dem
Verlust des Selbstbehaltes. Es verstosse gegen Art. 42
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 42 Betreibung - 1 Wird der Anspruch auf Abgaben, Zinsen und Kosten auf Mahnung hin nicht befriedigt, so ist Betreibung einzuleiten; vorbehalten bleibt die Eingabe in einem Konkurs.
1    Wird der Anspruch auf Abgaben, Zinsen und Kosten auf Mahnung hin nicht befriedigt, so ist Betreibung einzuleiten; vorbehalten bleibt die Eingabe in einem Konkurs.
2    Ist die Abgabeforderung noch nicht rechtskräftig festgesetzt und wird sie bestritten, so unterbleibt ihre endgültige Kollokation, bis ein rechtskräftiger Abgabeentscheid vorliegt.
StG, auch auf der
Gegenleistung für Bewachung und Fahndung Stempelabgaben zu erheben.
C. ­ Die EStV beantragt die Abweisung der Beschwerde und führt zur Begründung
aus: Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihren Kunden ausser der Deckung
des Diebstahlsrisikos weitere Leistungen wie Bewachung und Nachforschungen
verspreche, schliesse nicht aus, das ganze Geschäft schlechthin als
Versicherung anzusehen. Versicherungsverträge könnten nämlich Bestandteile
enthalten, die an sich nicht Versicherung seien. So könne eine Versicherung
auf den Todesfall auch periodische Arztbesuche und Entschädigungen für
Operationen umfassen, und eine Rechtsbeistandsversicherung könne eben

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falls Auskünfte und Rechtsberatung vorsehen (BGE 58 I 256; Art. 3 BRB vom 1.
Juni 1945 über die Rechtsschutzversicherung, AS 61, 354). Erscheine ein
Vertrag in seiner Gesamtheit als Versicherungsvertrag, so gehe es nicht an,
Teile davon loszutrennen und zu verselbständigen. Im heute streitigen Falle
bilde die Versicherung gegen Fahrraddiebstahl die Grundleistung. Nehme man
auch an, die Überwachung und Fahndung durch die Farabewa A.-G. seien effektiv,
so stehe doch fest, dass die Gesellschaft durch diese akzessorischen Dienste
ihr Risiko vermindern wolle, d. h. zu vermeiden suche, im Falle eines
Diebstahls eine bestimmte Summe bezahlen oder das Fahrrad ersetzen zu müssen.
Diese Nebenleistungen unterschieden sich nicht von den bei der
Diebstahlsversicherung weit verbreiteten Sicherheits- und
Überwachungsvorkehren des Versicherers.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 42
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 42 Betreibung - 1 Wird der Anspruch auf Abgaben, Zinsen und Kosten auf Mahnung hin nicht befriedigt, so ist Betreibung einzuleiten; vorbehalten bleibt die Eingabe in einem Konkurs.
1    Wird der Anspruch auf Abgaben, Zinsen und Kosten auf Mahnung hin nicht befriedigt, so ist Betreibung einzuleiten; vorbehalten bleibt die Eingabe in einem Konkurs.
2    Ist die Abgabeforderung noch nicht rechtskräftig festgesetzt und wird sie bestritten, so unterbleibt ihre endgültige Kollokation, bis ein rechtskräftiger Abgabeentscheid vorliegt.
StG sind Quittungen über die Zahlung von Prämien für
Versicherungen Gegenstand einer Stempelabgabe, sofern die Prämienzahlung
Entgelt für Versicherungen mit solchen Personen ist, welche im Inland ihren
Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben oder sofern die Versicherungen im
Inland befindliche Gegenstände betreffen. Versicherung besteht darin, dass
planmässig gegen Prämien Leistungen für den Fall eines befürchteten ungewissen
Ereignisses gewährt werden (BGE 71 I 279). Das Bundesgericht hat im zitierten
Urteil erkannt, dass die Beschwerdeführerin das Versicherungsgeschäft
betreibt; es hat deshalb ihre Beschwerde gegen die Unterstellung unter die
Versicherungsaufsicht abgewiesen. Sodann ist nicht bestritten, dass der
angefochtene Entscheid sich ausschliesslich auf Geschäfte bezieht, welche im
Sinne des Art. 42
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 42 Betreibung - 1 Wird der Anspruch auf Abgaben, Zinsen und Kosten auf Mahnung hin nicht befriedigt, so ist Betreibung einzuleiten; vorbehalten bleibt die Eingabe in einem Konkurs.
1    Wird der Anspruch auf Abgaben, Zinsen und Kosten auf Mahnung hin nicht befriedigt, so ist Betreibung einzuleiten; vorbehalten bleibt die Eingabe in einem Konkurs.
2    Ist die Abgabeforderung noch nicht rechtskräftig festgesetzt und wird sie bestritten, so unterbleibt ihre endgültige Kollokation, bis ein rechtskräftiger Abgabeentscheid vorliegt.
StG das Inland angehen. Mithin ist einzig noch zu prüfen, ob
die von der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Verträge schlechtweg als
Versicherungsgeschäfte zu betrachten sind und der Stempel

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daher auf dem ganzen «Jahresbeitrag» der Kunden geschuldet ist oder ob es sich
vielmehr um gemischte Geschäfte handelt, wobei Bewachung und Fahndung
selbständige Leistungen der Beschwerdeführerin darstellen, die nicht den
Charakter von Versicherungsleistungen tragen und deren Entgelt deshalb dem
Stempel nicht unterworfen ist.
2.- Im Einspracheentscheid hat die EStV bezweifelt, dass Bewachungs- und
Fahndungsdienst der Beschwerdeführerin ernstliche Leistungen sind. In der Tat
hatte, wie aus der Vernehmlassung des eidg. Justiz- und Polizeidepartementes
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Unterstellung unter die
Versicherungsaufsicht hervorgeht, die Beschwerdeführerin selbst seinerzeit
darauf hingewiesen, dass der Fahndung keine wesentliche Bedeutung beizumessen
sei. Wie dem auch sein mag, so steht doch jedenfalls fest, dass diese Dienste
im Verhältnis zur Diebstahlsversicherung keine selbständige Bedeutung haben,
sondern lediglich als Nebenleistungen zu ihr hinzutreten. Das ergibt sich
einmal aus dem Text der Verträge, welche die Farabewa A.-G. mit ihren Kunden
eingeht: Vor wie nach Erteilung der bundesrätlichen Konzession hat sie darin
eine einheitliche Prämie für ihre sämtlichen Leistungen festgesetzt, ohne
zwischen den Versicherungs- und den übrigen Leistungen zu unterscheiden. Bis
zum 1. Oktober 1944 hat sie der EStV denn auch den Stempel anstandslos auf der
vollen Prämie entrichtet. Demgegenüber kann darauf, dass sie, ohne die
Verträge zu ändern, in ihren Abrechnungen vom 1. Oktober 1944 an die Prämien
in ein grösseres Betreffnis für die Bewachung und Fahndung und ein kleineres
für die Diebstahlsversicherung unterteilt hat, nichts ankommen; ganz abgesehen
davon, dass sie in keiner Weise dargetan hat, wie sie dazu gekommen ist, die
Aufteilung gerade so und nicht anders vorzunehmen. Allerdings hat sie im
Verfahren vor der EStV geltend gemacht, das eidg. Versicherungsamt habe aus
formellen Gründen gewünscht,

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dass im Vertrag nur eine Prämie für die drei Leistungen der Gesellschaft
eingesetzt werde, und es habe erklärt, dass dieser Zusammenzug die Frage der
Stempelabgabe offen lasse. Ob diese Auskunft wirklich gegeben wurde, braucht
indes nicht untersucht zu werden, da abgesehen vom Wortlaut der Verträge auch
die Interessen beider Parteien die Bewachung und Fahndung als reine
Akzessorien des Versicherungsgeschäftes erscheinen lassen. Zweifellos
schliesst der Kunde den Vertrag vor allem wegen der Diebstahlsversicherung ab.
Für ihn haben Bewachung und Fahndung keinen selbständigen Zweck. Daran ändert
auch nichts, dass er, falls das gestohlene Fahrrad nicht beigebracht wird und
deshalb von der Beschwerdeführerin zu ersetzen ist, einen Selbstbehalt auf
sich nehmen muss. Ähnlich verhält es sich für die Gesellschaft: Sie hat, als
Versicherer, nur das Diebstahlsrisiko zu tragen. Bewachung und Fahndung
vermindern für sie einfach dieses Risiko und stehen daher in unmittelbarem,
unlöslichem Zusammenhang mit der Versicherung, deren Gegenstand es ist. Wie
die EStV zutreffend ausführt, stellen sie, gleich wie die Rechtsberatung bei
der Rechtsschutzversicherung oder die in Lebensversicherungsverträgen
vorgesehenen periodischen ärztlichen Untersuchungen der Versicherten,
lediglich einen mit der Versicherung eng verbundenen Schadensverhütungsdienst
dar. Die Beschwerdeführerin schuldet daher die Stempelabgabe von der ganzen
Prämie, welche sie erhebt.
3.- .........
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 74 I 177
Date : 01. Januar 1948
Published : 05. März 1948
Source : Bundesgericht
Status : 74 I 177
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Der Stempelabgabe auf Quittungen für Versicherungsprämien unterliegt auch das Entgelt für...


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StG: 42
BGE-register
58-I-256 • 71-I-275 • 74-I-177
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