S. 275 / Nr. 44 Privatversicherung (d)

BGE 71 I 275

44. Urteil vom 10. Juli 1945 i. S. Farabewa A.-G. gegen eidg. Justiz- und
Polizeidepartement.

Regeste:
Versicherungsaufsicht: Versicherungsunternehmungen, die Naturalersatz in
Schadensfällen zusichern, sind von der Versicherungsaufsicht nicht
ausgenommen.
Surveillance des assurances privées: Les entreprises d'assurances qui
garantissent des prestations en nature pour réparer les dommages assurés ne
sont pas exceptées de la surveillance prévue pour les entreprises privées
d'assurances.
Vigilanza sulle assicurazioni private: Le imprese d'assicurazione che
garantiscono prestazioni in natura a titolo di riparazione dei danni
assicurati non sono escluse dalla vigilanza prevista per le imprese
d'assicurazione private.

A. - Die unter der Firma Farabewa A.-G. betriebene Unternehmung, die sich als
«Erste Schweizerische Fahrradüberwachungs-Organisation mit
Original-Ersatzleistung» bezeichnet, bezweckt nach Massgabe der Eintragung im
Handelsregister die «Organisation eines Überwachungs-, Kontroll- und
Fahndungsdienstes über die gekennzeichneten Fahrräder der Abonnenten der
Gesellschaft, um deren Eigentümer vor Diebstahl derselben oder Teilen davon
und den sich daraus ergebenden Folgen gemäss den Abonnementsbedingungen zu
schützen. Die

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Gesellschaft belasst sich auch mit dem Einkauf und Verkauf von Fahrrädern und
deren Bestandteilen...».
Sie schliesst Verträge ab, nach denen sie sich gegen Bezahlung von
«Jahresbeiträgen» von Fr. 5.50 bis Fr. 14.- verpflichtet, bei Diebstahl «ein
fabrikneues Fahrrad wenn möglich gleiche Marke, Typ und Ausstattung, auf alle
Fälle einer gleichwertigen Marke laut aufgenommenem Signalement» zu liefern,
wenn das abhanden gekommene Fahrrad nicht innert eines Monats beigebracht
werden kann. Defekt beigebrachte Fahrräder werden auf Kosten der Unternehmung
instandgestellt. Bei Teildiebstahl werden die abhanden gekommenen Bestandteile
ersetzt. In Art. 3 der Kontrakte wird eine Überwachung und Fahndung vorgesehen
und darüber bestimmt:
«Unsere Überwachungsart und Fahndung erstreckt sich auf das ganze Gebiet der
Schweiz und Liechtenstein. Die Fahndung erfolgt sofort nach Eingang der
polizeilichen Bestätigung auf unserer Diebstahls-Anzeige, in Verbindung mit
den Polizeiorganen, Velohändlern, unsern Kontrolleuren, Publikationen etc. auf
Grund des genauen Signalementes und unter Aussetzung einer Auffindungsprämie
von je Fr. 10.- pro Fall auf unsere Kosten.»
B. - Bei der Gründung der Unternehmung hat das eidgenössische Versicherungsamt
am 29. Oktober 1937 entschieden, dass der Betrieb der Versicherungsaufsicht
nicht unterstellt sei, obschon eine gewisse Ähnlichkeit mit einem
aufsichtspflichtigen Versicherungsbetrieb bestehe. Das Amt stützte sich dabei
auf die damals von ihm eingehaltene Praxis. In der Folge hat es in
verschiedenen Äusserungen gegenüber Behörden und Privaten an dieser
Stellungnahme festgehalten.
Am 6. Oktober 1942 hat es der Beschwerdeführerin eröffnet, dass das
eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement anlässlich einer geplanten
Neugründung die Praxis geändert habe, weshalb die Aufsichtspflicht neu zu
prüfen sei. Mit Entscheid vom 25. April 1945 hat das eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement erkannt, dass die Beschwerdeführerin das
Versicherungsgeschäft im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes betreibt,
und ihr

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den Abschluss neuer Abonnementsverträge oder die Verlängerung bestehender
Verträge ab 1. Januar 1946 untersagt, sofern sie bis dahin nicht die
bundesrätliche Bewilligung zum Betrieb des Versicherungsgeschäftes erlangt
habe. Die Begründung des Entscheides geht aus von der Feststellung, dass
gemäss feststehender Praxis der Versicherungsaufsicht unterliegen die nach
kaufmännischer Art geführten Unternehmungen, deren Eigenart im wesentlichen
darin besteht, dass sie in selbständiger Weise gegen Prämien Leistungen für
den Fall des Eintritts eines befürchteten ungewissen Ereignisses versprechen.
Bei der Beschwerdeführerin, die Leistungen bei Diebstahl, nämlich den Ersatz
der abhanden gekommenen Fahrräder oder Bestandteile verspreche, seien diese
Voraussetzungen erfüllt. Offen gelassen, weil unerheblich, wird, ob die
Fahndung als Versicherungsleistung zu gelten habe.
C. - Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, diesen Entscheid
aufzuheben und festzustellen, dass die Farabewa A.-G. der
Versicherungsaufsicht nicht unterstehe, eventuell die der Beschwerdeführerin
gestellte Frist für die Umstellung ihres Betriebes auf ein Jahr, von der
Mitteilung des Beschwerdeentscheides an, festzusetzen. Zur Begründung wird im
wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein Grund, sie, entgegen dem früheren
Entscheid, als aufsichtspflichtige Unternehmung zu behandeln. Wenn auch
gewisse Ähnlichkeiten beständen, so handle es sich doch um eine ganz
besondere, vom üblichen Versicherungsgeschäft abweichende Geschäftstätigkeit.
Selbst wenn man der Bewachungs- und Fahndungstätigkeit keine überwiegende
Bedeutung beimessen wollte, sei zu berücksichtigen, dass beim Geschäftsbetrieb
der Farabewa der Handel mit Velos und Velobestandteilen eine wesentliche Rolle
spiele. «Dass die Farabewa A.-G. die zu ersetzenden Fahrräder und Bestandteile
selbst einkauft, auf Lager hält und an ihre Abonnenten abgibt, ist eine
Besonderheit und ein wesentliches Glied ihrer Geschäftsorganisation, die bei
keiner Versicherungsgesellschaft zu finden ist. Die

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Versicherungsgesellschaften besitzen auch keinerlei Bewachungs- und
Fahndungsdienst und ersetzen nicht die entwendeten Gegenstände durch neue in
natura, sondern vergüten den vom Versicherten erlittenen Schaden in Geld unter
Berücksichtigung des durch Alter und Abnützung eingetretenen Minderwertes der
gestohlenen Sache.» - Sodann verstosse der angefochtene Entscheid gegen Art.
31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV und gegen die Rechtsgleichheit. Eine Konkurrentin, die Velo-Wache A.-G.,
sei der Aufsicht nicht unterstellt worden. Der Bewachungs- und Fahndungsdienst
sei zwar bei beiden Firmen der gleiche. Dagegen besitze die Velo-Wache A.-G.
kein eigenes Fahrradlager.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1.- Die Rüge der Verletzung des Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV ist unbegründet. Nach Art. 34 Abs.
2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
BV unterliegt der Geschäftsbetrieb von Privatunternehmungen im Gebiete des
Versicherungswesens der Aufsicht und Gesetzgebung des Bundes. Damit wird der
Bund ermächtigt, gewerbepolizeiliche Bestimmungen für die
Versicherungsunternehmungen aufzustellen (BURCKHARDT, Kommentar S. 286). Es
liegt auch kein Eingriff in wohlerworbene Privatrechte vor, wenn eine
Bundesbehörde die ihr durch Bundesrecht übertragene Polizeiaufsicht zufolge
Änderung ihrer Praxis auf eine Unternehmung erstreckt, für die sie bisher die
Aufsichtspflicht nicht angenommen hatte (vgl. BGE 49 I S. 300 B.).
2.- Es kann sich daher lediglich fragen, ob der Betrieb der Beschwerdeführerin
die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unterstellung erfüllt. Das ist dann
der Fall, wenn sich dieser Betrieb als eine Privatunternehmung im Gebiete des
Versicherungswesens darstellt. Nach Art. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes
unterliegen der Aufsicht grundsätzlich alle derartigen Unternehmungen.
Unter diesem Gesichtspunkte behauptet die Beschwerdeführerin einzig, sie
unterscheide sich darin von

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Unternehmungen, die das Versicherungsgeschäft betreiben, dass sie die
Ersatzleistung für das abhandengekommene Gut in natura gewähre, während
Versicherangsunternehmungen in der Regel Entschädigungen in Geld zusichern.
Indessen ist nicht wohl einzusehen, warum der Charakter der Geschäftstätigkeit
als Versicherung durch diese Betriebsorganisation berührt werden sollte.
Versicherung besteht darin, dass planmässig gegen Prämien Leistungen für den
Fall eines befürchteten ungewissen Ereignisses gewährt werden (BGE 58 I S. 259
f.). Auf die Art der Leistung kommt es dabei nicht an.
Zweck der Versicherungsaufsicht ist es, darüber zu wachen und das
Erforderliche zu veranlassen, dass Privatunternehmungen, die gegen Prämien
Leistungen in Schadensfällen versprechen, bei Eintritt des Versicherungsfalls
aller Voraussicht nach in der Lage sein werden, ihren vertraglichen Pflichten
nachzukommen, dass sie im Versicherungsfalle nicht versagen. Er hat seine
Berechtigung unabhängig davon, ob die versprochene Leistung Geld oder
Naturalersatz ist. Das Versicherungsaufsichtsgesetz nimmt denn auch den
Naturalersatz nicht von der Aufsicht aus.
3.- Entspricht die angefochtene Verfügung dem Gesetz, so kann sich die
Beschwerdeführerin nicht darauf berufen, dass eine andere Gesellschaft
günstiger behandelt werde. Denn wenn wirklich der Tatbestand derselbe wäre,
wäre eben diese andere Gesellschaft in Missachtung des Gesetzes von der
Aufsicht befreit worden, und es wäre die Gleichbehandlung durch die
Herstellung des gesetzlichen Zustandes auch hinsichtlich jener Unternehmung
herbeizuführen, nicht durch die Ausdehnung der Abweichung von der gesetzlichen
Ordnung auf die Beschwerdeführerin. Übrigens hat das Departement in der
Vernehmlassung zu der vorliegenden Beschwerde dargelegt, warum es dazu
gekommen ist, von der Unterstellung der Velo-Wache A.-G. unter die
Versicherungsaufsicht abzusehen.
4.- Da die Voraussetzungen für die Unterstellung

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unter die Versicherungsaufsicht erfüllt sind, wäre es keine Gesetzesverletzung
gewesen, wenn das Departement hier die sofortige Beobachtung der
Polizeibestimmungen angeordnet hätte. In der Gewährung einer Anpassungsfrist
liegt daher ein Entgegenkommen. Das Bundesgericht hat keine Veranlassung, die
Frist abzuändern.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 I 275
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 09. Juli 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 I 275
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Versicherungsaufsicht: Versicherungsunternehmungen, die Naturalersatz in Schadensfällen zusichern...


Gesetzesregister
BV: 31 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
34
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
BGE Register
49-I-293 • 58-I-256 • 71-I-275
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
versicherungsaufsicht • diebstahl • bestandteil • wache • fahndung • geld • fahrrad • unternehmung • ersetzung • begründung des entscheids • departement • bundesgericht • frist • entscheid • kenntnis • rechtsgleiche behandlung • ejpd • gewerbepolizei • kantonales rechtsmittel • autonomie
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