S. 158 / Nr. 41 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 73 III 158

41. Auszug aus dem Entscheid vom 30. Dezember 1947 i.S. Allgemeine
Versicherungsgesellschaft «Jugoslavija» bezw. deren Rechtsnachfolgerin Drzavni
Osiguravajuci Zavod FNRJ (Staatliche Versicherungsanstalt der Föderativen
Volksrepublik Jugoslawien).

Regeste:
Arrest und Zwangsvollstreckung gegenüber Vermögen ausländischer Schuldner (BRB
vom 24. Oktober 1939).
Zu Art. 1 BRB: Wohnsitz in der Schweiz hat unter Umständen auch ein Ausländer
mit blosser Toleranzbewilligung.
Zu Art. 2 BRB:
1. Welches sind die «zuständigen Behörden»?
2. Muss die bundesrätliche Bewilligung zum voraus eingeholt werden?
3. Das Privileg des Art. 2 gilt nur für die Staaten, es steht den
Betreibungsbehörden nicht zu, es auf Selbstverwaltungskörper und öffentliche
Anstalten auszudehnen.
Séquestre et exécution forcée en matière de biens appartenant à des débiteurs
étrangers (ACF du 24 octobre 1939).

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Art. 1er ACF: Dans certaines circonstances un étranger au bénéfice d'une
simple tolérance de séjour peut également être considéré comme domicilié en
Suisse.
Art. 2 ACF:
1. Quelles sont les «autorités compétentes»?
2. L'assentiment du Conseil fédéral doit-il être demandé avant toutes choses?
3. Le privilège de l'art. 2 n'appartient qu'aux Etats; les autorités de
poursuite n'ont pas le droit de l'étendre à des communautés de droit public
autonomes ni à des établissements publics.
Sequestro ed esecuzione forzata riguardo ai beni di debitori domiciliati
all'estero (Dar 24 ottobre 1939).
Art. 1 DCF: In certe circostanze uno straniero che gode soltanto d'una
tolleranza di soggiorno può tuttavia essere considerato come domiciliato in
Isvizzera. Art. 2 DCF:
1. Quali sono le «autorità competenti»?
2. L'assenso del Consiglio federale dev'essere chiesto prima di tutto?
3. Il privilegio dell'art. 2 spetta soltanto agli Stati; le autorità
d'esecuzione non hanno la competenza di estenderlo a enti autonomi di diritto
pubblico nè a stabilimenti pubblici.

Aus dem Tatbestand:
A. ­ Dimitrije J. Mijalkovic, früher Generaldirektor der Allgemeinen
Versicherungsgesellschaft «Jugoslavija» in Belgrad, nahm gegen diese «bezw.
deren Rechtsnachfolgerin, die Staatliche Versicherungsanstalt» in Belgrad, auf
Grund von Art. 271 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 271 - 1 Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:468
1    Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:468
1  wenn der Schuldner keinen festen Wohnsitz hat;
2  wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände beiseite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft;
3  wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind;
4  wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist, die Forderung aber einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist oder auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 beruht;
5  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen provisorischen oder einen definitiven Verlustschein besitzt;
6  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt.
2    In den unter den Ziffern 1 und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.
3    Im unter Absatz 1 Ziffer 6 genannten Fall entscheidet das Gericht bei ausländischen Entscheiden, die nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007472 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, auch über deren Vollstreckbarkeit.473
SchKG einen Arrest auf deren Dollarguthaben beim
Schweizerischen Bankverein in Zürich heraus. Hiegegen führten die derart
angegangenen Arrestschuldnerinnen Beschwerde beim Bundesgericht unter Anrufung
des Bundesratsbeschlusses vom 24. Oktober 1939 über Arrest und
Zwangsvollstreckungsmassnahmen gegenüber Vermögen ausländischer Schuldner. Sie
erklären, der auf Grund einer blossen Toleranzbewilligung in der Schweiz
gewesene Arrestgläubiger erfülle die Voraussetzung eines schweizerischen
Wohnsitzes zur Arrestnahme nach Art. 1 BRB nicht. Ferner sei der Arrest
nichtig nach Art. 2 BRB, denn das arrestierte Guthaben sei Vermögen eines
fremden Staates; die Aktiven und Passiven der «Jugoslavija» seien nämlich
schon vor

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der Arrestnahme auf die Staatliche Versicherungsanstalt übergegangen.
B. ­ Der Arrestgläubiger beantragt Abweisung der Beschwerde, eventuell
Aussetzung des Entscheides bis nach Durchführung eines Bewilligungsverfahrens
vor dem Bundesrat. Er verweist auf die Praxis der Schweizerischen
Verrechnungsstelle hinsichtlich der Zertifizierung der schweizerischen
Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten von Amerika, wobei als
«tatsächlicher und ständiger Wohnsitz in der Schweiz» auch ein Verweilen auf
Grund blosser Toleranzbewilligung (Ausländerbüchlein D) anerkannt werde.
Gegenüber Art. 2 BRB beruft sich der Arrestgläubiger darauf, dass die
arrestierten Guthaben zur Zeit der Arrestnahme beim Drittschuldner (dem
Schweizerischen Bankverein) laut einer von diesem ausgestellten Bescheinigung
immer noch auf die «Jugoslavija» vermerkt waren; die als Rechtsnachfolgerin
auftretende Staatliche Versicherungsanstalt habe sich übrigens auch seither
nicht als Erwerberin der betreffenden Vermögenswerte beim Drittschuldner
gemeldet.
C. ­ Die Arrestbehörde verzichtet auf Vernehmlassung. Sie hält die Beschwerde
für begründet.
Die Schuldbetreibungs- u. Konkurskammer zieht
in Erwägung:
3. ­ Der Beschwerdegegner hat zur Zeit der Arrestnahme die Voraussetzung eines
schweizerischen Wohnsitzes gemäss Art. l BRB erfüllt. Wohnsitz ist Aufenthalt
von einer gewissen Ständigkeit (Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV: «Fester» Wohnsitz; Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB:
Aufenthalt «mit der Absicht dauernden Verbleibens»). Der Beschwerdegegner war
im Mai 1947 bereits seit mehr als einem Jahr in der Schweiz. Er reiste im
darauffolgenden Juli mit seiner Ehefrau nur deshalb wieder aus, weil ihm die
Toleranzbewilligung mangels hinreichender Subsistenzmittel nicht erneuert
wurde. Indessen ist ihm und seiner Ehefrau, wie die

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eidgenössische Fremdenpolizei bescheinigt, jederzeit die Einreise in die
Schweiz gestattet, «soit si le procès en cours les y oblige ou s'ils désirent
y villégiaturer», wiederum nur unter der Voraussetzung, dass sie sich über die
erforderlichen Subsistenzmittel auszuweisen vermögen. Es bestand also zur Zeit
der Arrestnahme ein Aufenthalt von gewisser Ständigkeit in der Schweiz. Da der
Beschwerdegegner, der seinerzeit vor der deutschen Invasion floh, nach dem
Abzug der Deutschen aus Belgrad nicht etwa dorthin, sondern nach Österreich
zurückkehrte, darf zwanglos Aufgabe des frühern Belgrader Wohnsitzes
angenommen werden. Der Wohnsitzbegründung in der Schweiz steht der Umstand
nicht entgegen, dass er, wohl weil nicht im Besitz anerkannter
Ausweisschriften, keine andere «Aufenthaltsbewilligung» in der Schweiz als
eine blosse Toleranzbewilligung erlangen konnte. Freilich ist eine solche
ihrer Natur nach befristet, ja sogar nach dem Bundesratbeschluss über Änderung
der fremdenpolizeilichen Regelung vom 17. Oktober 1939, Art. 3, jederzeit
widerruflich. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beschwerdegegner «bis
auf weiteres» Aufenthalt in der Schweiz genommen hat, und dies genügt zur
Wohnsitzbegründung, da der Aufenthalt auf eine gewisse, wenn auch unbestimmte
Dauer angelegt war, nicht etwa bloss auf absehbare Zeit vorübergehend (vgl.
BGE 41 III 53, 49 I 429 - 431 Erw. 2; a contrario 69 II 277). Mit Recht macht
der Beschwerdegegner darauf aufmerksam, dass die Verneinung eines Wohnsitzes
jeder Person, die nie eine andere als eine Toleranzbewilligung zum Aufenthalt
in der Schweiz besass, sie ja jederzeit dem Arrestgrund des Art. 271 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 271 - 1 Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:468
1    Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:468
1  wenn der Schuldner keinen festen Wohnsitz hat;
2  wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände beiseite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft;
3  wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind;
4  wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist, die Forderung aber einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist oder auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 beruht;
5  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen provisorischen oder einen definitiven Verlustschein besitzt;
6  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt.
2    In den unter den Ziffern 1 und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.
3    Im unter Absatz 1 Ziffer 6 genannten Fall entscheidet das Gericht bei ausländischen Entscheiden, die nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007472 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, auch über deren Vollstreckbarkeit.473

SchKG unterwerfen würde ­ was gewiss als untragbare Härte abzulehnen ist.
4. ­ Die Beschwerde stützt sich auch auf Art. 2 BRB, in der stillschweigenden
Annahme, über dessen Anwendung sei gleichfalls im vorliegenden
Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht zu entscheiden. Indessen sieht Art. 2
nicht wie Art. 1 eine direkte Beschwerde beim Bundesgericht

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vor. Er erklärt Vollstreckungsmassnahmen unter bestimmten Voraussetzungen als
nichtig und weist allgemein «die zuständigen Behörden» an, sie jederzeit von
Amtes wegen aufzuheben. Unter den «zuständigen Behörden» sind nach der
Vorgeschichte des Erlasses die Arrest- und Betreibungsbehörden sowie deren
Aufsichtsbehörden zu verstehen. Vorbild des vorliegenden Bundesratsbeschlusses
war der Entwurf zu einem (von den Räten abgelehnten) Bundesgesetz betreffend
Arrest und Zwangsvollstreckungsmassnahmen gegenüber Vermögen fremder Staaten
(vgl. BURCKHARDT, Bundesrecht 4 N. 1692 ff). Die Botschaft vom 29. Januar 1923
hebt hervor, dass ausser Arrest und Betreibungsmassnahmen (zur Vollstreckung
von Geldforderungen) auch Massnahmen nach kantonalem Recht (zur Vollstreckung
anderer Ansprüche) in Frage kommen. Im Unterschied zum Bundesratsbeschluss vom
12. Juli 1918, wonach dem Bundesrate selbst die Aufhebung derart nichtiger
Vollstreckungsmassnahmen oblag, weist der Entwurf diese Befugnis den
«zuständigen Behörden» (scil. des Arrest- und Betreibungs- bezw. des
kantonalen Vollstreckungsverfahrens) zu. «Es genügt ­ heisst es dazu in der
Botschaft ­ wenn die zuständigen Aufsichtsbehörden verpflichtet werden,
gesetzwidrige Zwangsvollstreckungsmassnahmen aufzuheben. Dabei soll aber die
Nichtigkeit der Zwangsvollstreckung, sei es durch die angegangene Behörde oder
durch die Aufsichtsbehörde, auch ohne Erhebung einer Einrede oder einer
Beschwerde seitens des fremden Staates ausgesprochen werden» (Bundesblatt 1923
I 419 ff., besonders IV und VI). Bei der Vollstreckung nach SchKG steht
demnach die Nichtigerklärung jedenfalls den (örtlich zuständigen)
Aufsichtsbehörden jeden Grades zu. Als Oberaufsichtsbehörde ist das
Bundesgericht seinerseits frei, den in Frage stehenden Nichtigkeitsgrund zu
berücksichtigen und die etwa noch notwendige nähere Abklärung des Tatbestandes
entweder selbst vorzunehmen oder einer kantonalen Aufsichtsbehörde zu
übertragen. Indessen besteht im vorliegenden

Seite: 163
Fall keine hinreichende Veranlassung, mit dem Tatbestand des Art. 2 BRB zu
rechnen (was übrigens nicht ohne weiteres zur Nichtigerklärung führen könnte,
da dem Bundesrat auf alle Fälle noch die Zustimmung vorbehalten wäre).
Was der Beschwerdegegner gegen die Anwendung von Art. 2 BRB vorbringt, ist
zwar nicht ohne weiteres schlüssig. Der Umstand, dass dem Schweizerischen
Bankverein die angebliche neue Titularin des arrestierten Guthabens zur Zeit
der Arrestnahme unbekannt war, ihm jedenfalls der angebliche Übergang der
Vermögensrechte der «Jugoslavija» auf die «Staatliche Versicherungsanstalt»
nicht gemeldet worden war (und auch seither nicht gemeldet worden zu sein
scheint), schliesst nicht aus, dass dieser Übergang dennoch stattgefunden hat.
Sodann beruft sich der Beschwerdegegner zu Unrecht auf den vom Bundesgericht
seinerzeit anerkannten Grundsatz, dass der Exemtion von der
Zwangsvollstreckung nach allgemeinem Völkerrecht nicht teilhaftig sind
Forderungen aus einem vom Staate jure gestionis eingegangenen Rechtsverhältnis
(BGE 56 I 237). Der Bundesratsbeschluss vom 24. Oktober 1939 stützt sich nicht
auf diese Unterscheidung. Er unterstellt der bundesrätlichen Zustimmung die
Vollstreckung aller Forderungen gegen fremde Staaten, auf welchem Rechtsgrund
sie immer beruhen mögen, und stellt es so dem Bundesrate anheim, die
Zustimmung etwa auch von der Art des Rechtsverhältnisses abhängig zu machen.
Die in der Beschwerde behauptete Anwendbarkeit von Art. 2 BRB entbehrt jedoch
in anderer Beziehung der Schlüssigkeit. Es ist die Rede von einem
Vermögensübergang auf die «Staatliche Versicherungsanstalt», die in eigenem
Namen als selbständige juristische Person auftritt und sich denn auch auf die
Eintragung ihrer Firma beim Finanzministerium Jugoslaviens beruft. Der Staat
Jugoslavien selbst dagegen ist weder als Arrestschuldner genannt noch als
Beschwerdeführer oder sonstwie in diesem Arrest- und Betreibungsverfahren
aufgetreten.

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Art. 2 BRB bezieht sich aber nur auf das Vermögen der fremden Staaten selbst,
nicht auch irgendwelcher Selbstverwaltungskörper oder selbständiger Anstalten,
sei es solcher des Staates oder von Selbstverwaltungskörpern. Die Exemtion
fremder Staaten von Vollstreckungsmassnahmen wird im Völkerrecht als Ausfluss
der staatlichen Hoheitsrechte betrachtet; davon geht auch die erwähnte
Botschaft des Bundesrates aus. Eine Ausdehnung des Exemptionsprivileges auf
eine «Staatliche Versicherungsanstalt» selbständigen Charakters wäre nicht
mehr Auslegung, sondern Erweiterung der in Frage stehenden, nur für die
Staaten (und allenfalls den Staaten völkerrechtlich gleichstehende
Hoheitsträger) aufgestellten Sondervorschrift. Eine solche Erweiterung des
Kreises der Exemtionsberechtigten steht keinesfalls den Vollstreckungsbehörden
zu, sondern nur dem Bundesrate selbst. Dieser mag sich gegebenenfalls der
Einfachheit halber einer authentischen Auslegung bedienen, statt die
Vorschrift förmlich zu ergänzen. Solange er sich aber weder in der einen noch
in der andern Form für eine solche Erweiterung des Privileges ausgesprochen
hat, die sich keineswegs ohne weiteres aufdrängt, ist für die
Vollstreckungsbehörden die Vorschrift massgebend, so wie sie nach ihrem
Wortlaut und ihrer völkerrechtlichen ratio bis auf weiteres verstanden werden
muss.
Deshalb besteht für das Bundesgericht auch keine Veranlassung, den Entscheid
auszusetzen und ein Bewilligungsverfahren vor dem Bundesrate einzuleiten.
Da kein Staat in das Verfahren einbezogen ist, kommt vollends nicht
Nichtigerklärung aus dem Grund in Frage, dass das Arrestbewilligungsgesuch
sich nicht bereits auf eine Zustimmung des Bundesrates stützte. Art. 2 BRB
verlangt übrigens für die Arrestlegung gegenüber fremden Staaten nicht, dass
die Zustimmung des Bundesrates bereits vor der Arrestnahme erteilt sei.
Vielmehr muss der Arrest als dringliche Massnahme vorsorglich auch ohne solche
bereits erteilte Zustimmung erfolgen können,

Seite: 165
wenn auch gegenüber einem fremden Staate eben nur unter der Voraussetzung der
(alsbald einzuholenden) bundesrätlichen Zustimmung. Auf diesem Boden steht
auch der Entscheid des Bundesrates vom 31. Mai 1940 (Verwaltungsentscheide
1940 Nr. 4). Dieser Entscheid erteilt im übrigen die Zustimmung weitherzig und
weist den betreffenden Staat auf die sonstigen Rechtsmittel hin, ohne die
besondere Frage zu erörtern, ob unter Umständen geradezu die öffentliche
Ordnung der Schweiz eine Weiterhaftung des allenfalls verstaatlichten
Vermögens des frühern Schuldners verlangen könnte und die Zustimmung nach Art.
2 BRB auch etwa mit Rücksicht hierauf zu erteilen wäre, wobei die gerichtliche
Erledigung der Haftungsfrage vorbehalten bliebe (vgl. BGE 66 III 71).
Demnach erkennt die Schqbldbetr.- n. Konhurslammer: Die Beschwerde wird
abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 III 158
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 30. Dezember 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 III 158
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Arrest und Zwangsvollstreckung gegenüber Vermögen ausländischer Schuldner (BRB vom 24. Oktober...


Gesetzesregister
BV: 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
SchKG: 271
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 271 - 1 Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:468
1    Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:468
1  wenn der Schuldner keinen festen Wohnsitz hat;
2  wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände beiseite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft;
3  wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind;
4  wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist, die Forderung aber einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist oder auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 beruht;
5  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen provisorischen oder einen definitiven Verlustschein besitzt;
6  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt.
2    In den unter den Ziffern 1 und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.
3    Im unter Absatz 1 Ziffer 6 genannten Fall entscheidet das Gericht bei ausländischen Entscheiden, die nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007472 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, auch über deren Vollstreckbarkeit.473
ZGB: 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
BGE Register
41-III-51 • 49-I-416 • 56-I-237 • 66-III-71 • 69-II-277 • 73-III-158
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesrat • beschwerdegegner • bundesgericht • toleranzbewilligung • frage • nichtigkeit • schuldner • zwangsvollstreckung • wohnsitz in der schweiz • autonomie • bewilligungsverfahren • weiler • bescheinigung • bewilligung oder genehmigung • schuldbetreibung • bilanz • schutzmassnahme • rechtsmittel • abstimmungsbotschaft • beendigung
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