S. 316 / Nr. 46 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 73 I 316

46. Auszug aus dem Urteil vom 26. September 1947 i. S. Verkehrsverein Zürich
gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Wehrsteuer: Ein Verein, der im wesentlichen die Forderung der
Verkehrsinteressen einer Gegend bezweckt, hat in der Regel keinen Anspruch auf
Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit (Art. 16 Ziff. 3 WStB).
Impôt pour la défense nationale: Une association qui a essentiellement pour
but le développement des intérêts touristiques d'une région n'a en principe
pas droit à l'exonération de l'impôt pour cause d'utilité publique (art. 16,
ch. 3 AIN).
Imposta per la difesa nazionale: Un'associazione, il cui scopo essenziale è
l'incremento dogli interessi turistici d'una regione non ha diritto, in linea
di massima, all 'esonero dall'imposta per causa d'utilità pubblica (art. 16,
cifra 3 JDN).

A. ­ Der Verkehrsverein Zürich ist ein Verein im Sinne der Art. 60 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
. ZGB.
Seine Statuten vom 8. März 1915 bestimmen in § 1 Abs. 1:
«Der Verkehrsverein Zürich bezweckt die Wahrung und Förderung der
Verkehrsinteressen von Zürich und Umgebung, insbesondere durch Unterhalt einer
als Offizielles Verkehrsbureau

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Zürich bestehenden Organisation. Ein Hauptbestreben soll darin liegen, Fremde
nach Zürich zu ziehen und ihnen den Aufenthalt hier angenehm und nützlich zu
machen, namentlich auch gut situierte Familien zu längerem oder dauerndem
Aufenthalt zu veranlassen.»
Der Verein treibt Propaganda für Zürich und erstrebt die Verbesserung der
Verkehrsverbindungen der Stadt. Er bemüht sich darum, dass Kongresse in Zürich
abgehalten werden, und betreut prominente Besucher des Ortes. Auch gibt er
sich mit der Organisation kultureller und wirtschaftlicher Veranstaltungen
(Theaterwochen, Sonderkurse an der Universität, Ausstellungen usw.) ab. Er
begutachtet für Stadt und Kanton Zürich die verschiedensten Fragen. Um die
Bedeutung Zürichs als Verkehrszentrum zu heben, regt er die Erstellung von
Bauten und Anlagen an und fördert die Verwirklichung solcher Projekte
(Kongresshaus, Museen, Sportplätze usw.).
Die meisten der rund 1400 Mitglieder des Verkehrsvereins sind Geschäftsleute
und -firmen; ferner gehören ihm eine Anzahl «Private», Vereine und
Gesellschaften an. Der Vorstand setzte sich im Jahre 1946 aus 22 Herren
zusammen. Darunter befanden sich ein Regierungsrat, vier Vertreter der
städtischen Behörden, zwei Direktoren lokaler Transportunternehmungen, fünf
Persönlichkeiten aus dem Gastwirtschafts- und Hotelgewerbe, vier Vertreter des
Handels und ein Institutinhaber.
Die Einnahmen des Vereins bestehen im wesentlichen aus Mitgliederbeiträgen und
Subventionen. Er unterhält verschiedene Fonds mit getrennter Rechnung
(Legate-, Pensions-, Veranstaltungs- und Werbefonds).
B. ­ Der Verkehrsverein Zürich hat am 16. September 1941 und 11. Dezember 1942
die Rückerstattung der auf ihn überwälzten Quellenwehrsteuern verlangt, da er
gemeinnützige Zwecke verfolge und deshalb nach Art. 16 Ziff. 3 WStB Anspruch
auf Steuerfreiheit habe.
Die eidg. Steuerverwaltung hat entschieden, dass er berechtigt sei, die von
den Erträgnissen seines allgemeinen Vermögens und seines Legate-,
Veranstaltungs- und

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Pensionsfonds abgezogenen Quellenwehrsteuern zur Hälfte zurückzufordern, und
dementsprechend die Rückleistung des halben Streitbetrages angeordnet; eine
weitergehende Rückerstattung hat sie abgelehnt (Einspracheentscheid vom 23.
Mai 1947). Sie führt aus, der Verein betätige sich insoweit nicht
gemeinnützig, als er Fremde zum Aufenthalt in Zürich veranlassen und Kongresse
dorthin ziehen wolle; denn dadurch stelle er sich in den Dienst der Interessen
des Gast- und des sonstigen durch den Fremdenverkehr alimentierten Gewerbes.
Dagegen seien ausschliesslich gemeinnützig seine Bemühungen, den Reiseverkehr
im allgemeinen zu erleichtern und kulturfördernde Einrichtungen und
Veranstaltungen zu unterstützen. Durch den Betrieb eines Auskunftsbureaus und
die Mitwirkung am modernen Ausbau der Stadt erfülle er Aufgaben, die nach
heutiger Auffassung Sache des Gemeinwesens seien. Entsprechend seien seine
Einnahmen einzuteilen. Die Subventionen des Kantons und der Stadt seien weder
eigen- noch uneigennützig, da diese Unterscheidung auf die Tätigkeit des
Gemeinwesens nicht anwendbar sei. Die Hotels, Restaurants, Transportanstalten
und zum grössten Teil auch die Ladeninhaber erbrächten ihre Beiträge
eigennützig, nicht aber die Privatpersonen, Vereine, Fabrikunternehmungen und
Engros-Handelsfirmen. Die Beiträge der beiden Gruppen seien ungefähr gleich
gross, ebenso die Auslagen des Vereins im allgemeinen Interesse einer- und
seine Aufwendungen für Sonderinteressen, namentlich für Propaganda,
anderseits. Wie das allgemeine Vermögen seien auch die Spezialfonds zu
behandeln, mit Ausnahme des Werbefonds, der ausschliesslich eigennützigen
Zwecken, eben der Werbung, diene.
C. ­ Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen -den Einspracheentscheid
beantragt der Verkehrsverein Zürich, er sei nach Art. 16 Ziff. 3 WStB von der
Wehrsteuerpflicht auszunehmen; daher sei seinem Rückerstattungsgesuch im
vollen Umfange zu entsprechen und

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festzustellen, dass er zur Rückforderung der Quellenwehrsteuern auf den
Erträgnissen seines Vermögens und aller seiner Fonds berechtigt sei. Zur
Begründung wird geltend gemacht, für die Ziele des Beschwerdeführers seien
nicht allein die Statuten von 1915 massgebend, da sich seine Bedeutung seit
deren Erlass erheblich geändert habe. Er bezwecke heute ganz allgemein die
Förderung des Verkehrs, des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens der Stadt
Zürich. Eine Anpassung der Statuten sei denn auch in Aussicht genommen.
Sämtliche Ziele des Beschwerdeführers seien ausschliesslich gemeinnützig. Er
betätige sich nicht nur für einzelne Wirtschaftskreise, sondern für die
Allgemeinheit, die ganze Bevölkerung der Stadt Zürich. Die Subventionen des
Gemeinwesens seien ein Indiz dafür, dass die Gemeinnützigkeit vorliege. Sie
komme auch in der starken Vertretung der Behörden im Vereinsvorstand zum
Ausdruck. Die von der eidg. Steuerverwaltung getroffenen Unterscheidungen
seien nicht gerechtfertigt und beruhten zudem auf einem unsicheren Kriterium.
Darauf, dass die Vermögensrechnung in einzelne Fonds gegliedert sei, komme
nichts an. Die Fonds seien nicht verselbständigt und könnten jederzeit durch
blosse Buchung vermindert oder aufgelöst werden.
D. ­ Die eidg. Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ (Art. 16 Ziff. 3 WStB gewährt den nicht öffentlichrechtlichen
Körperschaften die Steuerbefreiung nicht schon bei Gemeinnützigkeit
schlechthin, sondern beschränkt sie auf ausschliesslich gemeinnützige Zwecke.
Vgl. BGE 71 I 124 .).
2. ­ Der in den Statuten umschriebene Zweck des Verkehrsvereins Zürich, die
Verkehrsinteressen der Stadt und ihrer Umgebung zu wahren, insbesondere durch
Unterhalt eines Verkehrsbureaus, und finanzkräftige

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Fremde nach Zürich zu ziehen, ist ohne Zweifel wirtschaftlicher Art. Eine
solche Tätigkeit dient vornehmlich den materiellen Interessen der
Berufszweige, denen der Fremdenverkehr zugute kommt. Wenn der Beschwerdeführer
heute zum Teil auch eine Wirksamkeit entfaltet, die geeignet ist, zur Hebung
des kulturellen Lebens der Stadt Zürich beizutragen, so geschieht es im Rahmen
seiner statutarischen Aufgabe, Verkehrspropaganda zu treiben. Diesem
wirtschaftlichen Ziele sind alle seine Bestrebungen untergeordnet. Auch die
Kulturpflege ist hier lediglich Mittel zum Zweck. Einem solchen Unternehmen
muss der Charakter ausschliesslicher Gemeinnützigkeit, wie er in Art. 16 Ziff.
3 WStB für die Steuerbefreiung gefordert wird, abgesprochen werden. (Im
gleichen Sinne: nicht veröffentlichter Entscheid vom gleichen Tage i. S. «Pro
Jura», société jurassienne de développement.)
Daher kann darauf nichts ankommen, dass dem Beschwerdeführer Subventionen des
Gemeinwesens ausgerichtet werden und dass seinem Vorstand mehrere Vertreter
der Behörden angehören. Es liegt kein Widerspruch darin, dass einer
Unternehmung, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt wird, die
Steuerfreiheit versagt wird (BGE 69 I 50 f. und GEERING, Gemeinnützigkeit als
Steuerbefreiungsgrund, in VSA 8, 303).
Die Vorinstanz stellt unter anderm darauf ab, dass der Beschwerdeführer
insoweit, als er das Auskunftsbureau betreibt und den modernen Ausbau der
Stadt fördert, eigentlich die Stelle des Gemeinwesens versehe. Nach heutiger
Auffassung wird es aber kaum als Aufgabe des Gemeinwesens betrachtet, ein
Verkehrsbureau von der Art desjenigen des Beschwerdeführers zu unterhalten.
Und in der Bearbeitung städtebaulicher oder ähnlicher die Öffentlichkeit
interessierender Fragen unterscheidet sich die Rolle eines Verkehrsvereins
wesentlich von jener der öffentlichen Verwaltung. Übrigens ist nach Art. 16
Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
WStB Vermögen und Einkommen, das öffentlichen Zwecken dient, nur
steuerfrei, wenn es Gemeinden oder

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andern öffentlichrechtlichen Körperschaften oder Anstalten gehört.
4. ­ Es geht nicht an, die Einnahmen und Ausgaben des Beschwerdeführers je
nach ihrer Herkunft und Zweckbestimmung zu scheiden, wie es die eidg.
Steuerverwaltung tut. Denn in Wirklichkeit dienen ihm alle Einkünfte dazu, die
Gesamtheit der Aufgaben zu erfüllen, welche er sich im Rahmen seines
Hauptzweckes setzt; die Ausgaben, welche er macht, die Reserven und Fonds,
welche er schafft, hängen durchweg, mittelbar oder unmittelbar, mit der
Förderung der Verkehrsinteressen Zürichs zusammen. Eine teilweise Befreiung
käme nur dann in Frage, wenn der Beschwerdeführer Vermögen oder Einkommen in
Form besonderer Fonds für bestimmte Tätigkeiten ausschliesslich gemeinnützigen
Charakters, etwa für kulturelle oder wohltätige Zwecke, ausgeschieden hätte
(Urteil vom 10. Juli 1945 i. S. Industrie-Verein St-Gallen, Erw. 4,
veröffentlicht im Archiv für schweiz. Abgaberecht 14, 244). Das hat er aber
nicht getan.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben und
das Gesuch des Beschwerdeführers um Rückerstattung von Quellenwehrsteuern
vollständig abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 I 316
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 25. September 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 I 316
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Wehrsteuer: Ein Verein, der im wesentlichen die Forderung der Verkehrsinteressen einer Gegend...


Gesetzesregister
WStB: 16
ZGB: 60
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
BGE Register
69-I-48 • 71-I-119 • 73-I-316
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
subvention • veranstalter • frage • restaurant • vorstand • leben • bundesgericht • einspracheentscheid • charakter • stelle • region • handel und gewerbe • unternehmung • ausgabe • privatperson • förderung und hebung der kunst • werbung • gemeinde • entscheid • rückerstattung
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